TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/27 W278 2226662-11

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Veröffentlicht am 27.11.2020
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Entscheidungsdatum

27.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch


W278 2226662-11/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde zur Zahl XXXX über die Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, in Schubhaft zu Recht:

A)

I. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

II. Die Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 04.06.2020 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesministerium für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens stellte er am 30.01.2020 einen Folgeantrag.

2. Während des (ersten) Asyl- bzw. Beschwerdeverfahrens wurde der Beschwerdeführer im Bundesgebiet wiederholt straffällig und wurde drei Mal von inländischen Landesgerichten rechtskräftig verurteilt. Er befand sich in Untersuchungshaft bzw. Strafhaft. Zudem wurde gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot verhängt.

3. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt oder BFA) vom 23.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zur beabsichtigten weiteren Vorgangsweise – Verhängung der Schubhaft – geboten. Ihm wurde dabei ein konkreter Fragenkatalog zur Beantwortung und ausführlichen Stellungnahme übermittelt. Er machte von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch und wirkte am weiteren Verfahren nicht mit.

4. Am 29.11.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Schubhaftbescheid erlassen und über ihn die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. Im Anschluss an eine Strafhaft wurde der Beschwerdeführer am 03.12.2019 in Schubhaft überstellt.

Seit 03.12.2019 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 22.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020, 09.10.2020 und 06.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

6. Am 20.11.2020 langte die verfahrensgegenständliche Beschwerde des BF im Wege seiner gewillkürten Vertretung ein. In dieser Beschwerde wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Schubhaft niemals als Standardmaßnahme angeordnet werden darf und dieser auch nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommen darf. Im konkreten Fall sei die höchstzulässige Schubhaftdauer bereits nach sechs Monaten überschritten worden, darüber hinaus sei dem BF seit August 2019 kein Parteiengehör gewährt worden. Die Unverhältnismäßigkeit der der Dauer der Schubhaft werde damit begründet, dass im gegenständlichen Fall kein Anwendungsfall des § 80 Abs. 4 Z 4 FPG vorliege, da bei konformer Interpretation der Rückführungsrichtlinie, die mangelnde Kooperationsbereitschaft des BF kausal für die Verzögerung der Abschiebemaßnahmen sein müsse. Die Abschiebung konnte bisher maßgeblich jedoch deshalb nicht stattfinden, da der Flugverkehr aufgrund der COVID Pandemie seit März 2020 massiv eingeschränkt sei. Ebenso habe sich BF während seines ersten Asylverfahrens lediglich drei Tage nicht an seiner Unterkunft aufgehalten und sei nicht aus der Grundversorgung entlassen worden, woraus zu schließen sei, dass sich der damals minderjährige nicht dem Verfahren entzogen habe. Beantragt wurde die sofortige Entlassung des BF, da jede weitere Anhaltung jedenfalls krass rechtswidrig sei.

7. Am 23.11.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt vor. In der Stellungnahme wird im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich im konkreten Fall bei der Anhaltung in Schubhaft nicht um eine Standardmaßnahme handle und die Schubhaft nicht auf den Zweck der Einstellungsänderung durch Haftdauer abziele. Der BF habe bereits das im August 2019 gewährte Parteiengehör nicht genutzt. Des Weiteren wurde ausgeführt, dass der damals minderjährige BF in der Zeit von 27.08.2018 bis 30.09.2018 von der Asylunterkunft als abgängig gemeldet war und er sich bereits davor seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen habe. Der BF habe bereits am 05.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Ungarn gestellt und sich diesem Verfahren durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen. Dem Vorbringen in der Beschwerde, dass der internationale Flugverkehr mit März 2020 massiv eingeschränkt wurde sei zuzustimmen, im konkreten Fall sei der BF jedoch bereits für eine Charterabschiebung im Dezember 2020 eingebucht. Der BF habe seine zeitnahe Abschiebung durch Stellung eines Asylfolgeantrages am 30.01.2020 selbst vereitelt. Sowohl am 04.02.2020, als auch am 26.02.2020 seien Charterabschiebungen durchgeführt worden, auf die der BF nicht gebucht werden konnte, da das Verfahren zur Folgeantragstellung erst mit 13.03.2020 durch Entscheidung des BVwG rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Das Bundesamt merkte des Weiteren an, dass trotz der Unmöglichkeit von Charterabschiebungen die Möglichkeit der unterstützen freiwilligen Ausreise gegeben gewesen sei und die Fluchtgefahr des BF aufgrund seines Vorverhaltens nach wie vor vorliege und aufgrund seiner strafrechtlichen Delinquenz auch noch bis zu dem Abschiebetermin im Dezember 2020 die weitere Anhaltung in Schubhaft verhältnismäßig sei. Beantrag wurde die Abweisung der Beschwerde sowie den BF zum Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG zu verpflichten.

8. Das BVwG ersuchte am 23.11.2020 die Heimreisezertifikatabteilung des Bundesamts um Auskunft ob nach dem 10.01.2020 (Entscheidung BVwG zur ersten Antrag auf internationalen Schutz) bzw. nach 30.01.2020 (Zeitpunkt Folgeantragstellung durch den BF) noch erfolgreiche Charterabschiebungen nach Afghanistan durchgeführt werden konnten und ob eine Abschiebung des BF möglich gewesen wäre, wenn keine Asylfolgeantragstellung erfolgt wäre. Die HRZ Abteilung des Bundesamtes beantwortete die Fragestellung wie folgt: -

Am 04.02.2020 und am 26.02.2020 fanden erfolgreiche Charterabschiebungen nach AFGH statt. Bis Mitte März, wurden auch Einzelrückführungen nach AFGH durchgeführt. Bei XXXX ist jederzeit ein EU Laissez Passer, aufgrund der vorhandenen Tazkira, ausstellbar und somit wäre auch die Abschiebung vor den Flugbeschränkungen, ohne Folgeantrag, möglich gewesen. Durch den Folgeantrag hat der o.G die Abschiebung verzögert.

9. Die Ausführungen der HRZ Abteilung wurde dem BF am 23.11.2020 im Wege seiner gewillkürten Vertretung zum Parteiengehör zugestellt und Frist zur schriftlichen Stellungnahme bis 26.11.2020 eingeräumt.

10. Am 26.11.2020 langte eine Stellungnahme des BF ein, in der im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Stellung eines Asylfolgeantrages gesetzlich weder rechtswidrig sei und dadurch kein Abschiebungshindernis geschaffen wurde, welches vom BF zu vertreten wäre. Zusätzlich wurde mit der Stellungnahe beantragt, dass das BVwG die Anhaltung seit dem 04.06.2020 für rechtswidrig erklären solle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum bisherigen Verfahren

1.1.1. Der Beschwerdeführer wurde am 04.04.2016 in Ungarn und am 01.02.2016 in Griechenland erkennungsdienstlich behandelt. Bereits am 05.04.2016 stellte der Beschwerdeführer in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er den Ausgang dieses Verfahrens nicht abwartete, sondern sich dem Verfahren entzog und nach Österreich weiterreiste. Der Beschwerdeführer stellte am 06.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.03.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Österreich zur Gänze abgewiesen und kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gewährt.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020, das mit 28.01.2020 dem BF und der belangten Behörde in gekürzter Ausfertigung zugestellt wurde, als unbegründet abgewiesen.

1.1.3. Am 30.01.2020 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stand der Schubhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz um eine Abschiebung zu verhindern. Am 04.02.2020 sowie am 26.02.2020 wurden erfolgreich Charterabschiebungen nach Afghanistan durchgeführt. Der BF hat durch die unbegründete missbräuchliche Asylfolgeantragstellung sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert und eine realistisch mögliche Abschiebung im Februar verhindert. Der Folgeantrag wurde wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot in der Dauer von acht Jahren erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020 als unbegründet abgewiesen. Bis zum Entscheidungszeitpunkt konnten aufgrund der COVID – 19 bedingten Flugverkehrsbeschränkungen seit 26.02.2020 keine weiteren Charterabschiebeflüge nach Afghanistan durchgeführt werden.

1.1.4. Der Beschwerdeführer hat mit Bescheid vom 20.12.2018 das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach dem Asylgesetz verloren.

1.1.5. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2019, 03.04.2020, 30.04.2020, 27.05.2020, 24.06.2020, 22.07.2020, 20.08.2020, 14.09.2020, 09.10.2020 und 06.11.2020 wurde jeweils festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist afghanischer Staatsangehöriger. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Der Beschwerdeführer hat zwar begonnen Deutsch zu lernen, in Österreich aber keine Deutschprüfungen abgelegt. Der Beschwerdeführer geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur nachhaltigen Existenzsicherung. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen und auch sonst keine engen sozialen Bindungen oder Anknüpfungspunkte. Er verfügt in Österreich über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz.

1.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit)

1.3.1. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29.11.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Seit dem 03.12.2019 wird der Beschwerdeführer in Schubhaft angehalten.

1.3.2. Seit dem 16.03.2020 besteht gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, die rechtskräftig und durchsetzbar ist. Zum Zeitpunkt der Folgeantragstellung am 30.01.2020 bestand eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, nämlich aufgrund der Beschwerdeabweisung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020. In der Einvernahme zur Folgeantragstellung vor dem Bundesamt führte der BF aus:

[…]

LA: Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?
VP: Ein Folgeantrag war die einzige Möglichkeit für mich in Österreich zu bleiben darum habe ich einen Asylantrag gestellt. Ich konnte nicht noch einmal eine Beschwerde machen, deshalb habe ich noch einen Asylantrag gestellt., weil ich nicht nach Afghanistan zurück kann.

LA: Die RB hat vorhin gesagt, dass Sie freiwillig nach Afghanistan möchten, ist das noch aufrecht?

VP: Nein, ich möchte nicht freiwillig nach Afghanistan.

LA: Das heißt Ihre bisher vorgebrachten Fluchtgründe sind immer noch aufrecht und es hat sich daran nichts geändert?

VP: Ja die bleiben aufrecht.

LA: Haben Sie neue Fluchtgründe?

VP: Nein.
LA: Hat sich seit der rechtskräftigen Entscheidung von Ihrem Vorverfahren irgendetwas Wesentliches in Ihrem Leben geändert?
VP: Nein, auch wenn etwas passiert ist weiß ich es nicht weil ich hier bin.
[…]

Der BF stellte einen unbegründeten Folgeantrag kurz nach Zustellung der gekürzten Ausfertigung des abweisenden Erkenntnis des BVwG betreffend dem ersten Antrag auf internationalen Schutz – ohne Angabe von neuen Fluchtgründen – ausschließlich zur Verzögerung der Vollstreckung seiner Abschiebung. Der BF hat sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert und er konnte nicht für eine realistische mögliche Charterabschiebung im Februar gebucht werden. Das Bundesamt hat das zweite Asylverfahren in zweieinhalb Wochen am 17.02.2020 abgeschlossen und auf eine möglichst kurze Anhaltung des BF in Schubhaft hingewirkt.

1.3.3. Der Beschwerdeführer ist nach wie vor haftfähig. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung.

1.3.4. Der Beschwerdeführer war von 27.12.2017 bis 10.01.2018 in einem Quartier untergebracht und von 28.12.2017 bis 12.01.2018 dort gemeldet. Am 04.01.2018 wurde der Beschwerdeführer in einer anderen Asylunterkunft von der Polizei, welche von der Hausbesitzerin verständigt worden war, schlafend angetroffen und gemäß § 38 Abs. 5 SPG weggewiesen.

Von 10.01.2018 bis 29.10.2018 war der Beschwerdeführer in einem anderen Quartier in Niederösterreich untergebracht und von 12.01.2018 bis 06.11.12018 dort gemeldet. Von 27.09.2018 bis 30.09.2018 blieb der Beschwerdeführer unerlaubt von diesem Quartier fern und war abgängig. Er hat sich dadurch dem Verfahren entzogen.

1.3.5. Der Beschwerdeführer hat bereits zuvor in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der Beschwerdeführer hat sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn durch seine Weiterreise nach Österreich entzogen.

1.3.6. Der Beschwerdeführer achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Es konnten weder die Verurteilungen noch die Inhaftierungen den Beschwerdeführer zu rechtskonformen Verhalten bewegen. Der Beschwerdeführer befand sich seit seiner Asylantragstellung am 06.04.2016 in Österreich von 22.06.2017 bis 24.07.2017, von 21.12.2017 bis 22.12.2017 und von 04.04.2019 bis 03.12.2019 in Justizanstalten in Österreich in Haft. Der Beschwerdeführer ist seit dem 09.04.2019 in Österreich behördlich ausschließlich in den jeweiligen Haftanstalten gemeldet.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich folgende Verurteilungen auf:

1.3.6.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 24.07.2017 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des teilweise versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften und psychotropen Stoffen (§§ 27 Abs. 1 achter Fall, Abs. 2a, 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 30 Abs. 1 achter Fall SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten, wovon 6 Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt.

Dieser Verurteilung liegen Taten zugrunde, die der Beschwerdeführer als Mittäter an einer öffentlichen Verkehrsfläche und einem allgemein zugänglichen Ort, unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 21.06.2017 als Jugendstraftat begangen hat. Dabei hat er am 21.06.2017 drei Gramm Cannabiskraut einer verdeckten Ermittlerin gewinnbringend überlassen, eine Stange Cannabisharz mit acht Gramm zu überlassen versucht und vier Stück Tabletten mit psychotropen Stoffen wurden durch den Mittetäter zum unverzüglichen Verkauf durch den Beschwerdeführer bereitgehalten. Weiters hat der Beschwerdeführer von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 21.06.2017 wöchentlich, unter anderem am 10.06.2017 acht Gramm Cannabis erworben und besessen.

Dabei wurden bei der Strafbemessung mildernd der ordentliche Lebenswandel, die überwiegende Geständigkeit, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen gewertet. Eine diversionelle Erledigung kam aufgrund der Schwere der Schuld nicht in Betracht und war die Erfahrung des Haftübels notwendig, um den Beschwerdeführer vor der zukünftigen Begehung von Straftaten abzuhalten.

1.3.6.2. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 15.01.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Wochen, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Gleichzeitig wurde die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 24.07.2017 auf fünf Jahre verlängert.

Dieser Verurteilung liegt eine gefährliche Drohung zugrunde, wonach der Beschwerdeführer am 20.12.2017 zwei Personen anschrie und Sie mit dem Umbringen bedrohte und nach dem erstmaligen Einschreiten der Polizei erneut zu ihnen ging und schrie er werde sie töten, das Lokal verbrennen und alle würden darin sein und sterben, sowie weiters Tathandlungen gegenüber den Müttern, Frauen und Schwestern der Opfer androhte.

Bei der Strafbemessung wurden erschwerend die mehrfache Tatbegehung und mildernd der Beitrag zur Wahrheitsfindung gewertet. Eine diversionelle Erledigung kam nicht in Betracht, da es einer Verurteilung des leicht aufbrausenden Beschwerdeführers bedurfte, um diesem sein Unrecht vor Augen zu führen (OZ 3: AS 21 ff).

1.3.6.3. Mit Urteil eines Landesgerichts vom 26.09.2019 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung und des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften (§ 107 Abs. 1 StGB; §§ 27 Abs. 2a SMG, 15 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Die Probezeit der gewährten bedingten Strafnachsicht des Urteils vom 15.01.2018 wurde auf fünf Jahre verlängert.

Der Beschwerdeführer hat am 21.11.2018 eine Frau mit dem Umbringen bedroht und ihr gegenüber geäußert, dass er ihr den Kopf abschneiden werde, um Sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. Am 03.04.2019 überließ er weiters einem anderen Cannabiskraut an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich gegen Entgelt und versuchte im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter unbekannten Abnehmern an szenetypischen Örtlichkeiten 1,5 Gramm Cannabiskrau öffentlichen gegen Entgelt zu überlassen.

Bei der Strafbemessung wurde das Alter von unter 21 Jahren zu den Tatzeitpunkten mildernd gewertet, erschwerend wurden die Tatbegehung während offener Probezeit, das Zusammentreffen dreier Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen und die Tatbegehung während eines anhängigen Verfahrens ins Kalkül gezogen (OZ 3: AS 29 ff).

1.3.7. Seit dem 25.04.2019 besteht ein rechtskräftiges Waffenverbot für den Beschwerdeführer.

1.3.8. Am 28.02.2020 wurde über den Beschwerdeführer aufgrund einer Ordnungswidrigkeit, nämlich dem unerlaubten Besitz eines Mobiltelefons im Polizeianhaltezentrum, eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet. Am 10.09.2020 wurde neuerlich eine Disziplinierungsmaßnahme angeordnet, da er wiederum unerlaubt im Besitz eines Mobiltelefons war. Schließlich erfolgte am 14.10.2020 abermals eine Disziplinierungsmaßnahme, wiederum wegen Besitzes eines Mobiltelefons.

1.3.9. Der Beschwerdeführer ist nicht kooperativ. Er war von 21.12.2019 bis 22.12.2019, von 05.04.2020 bis 22.04.2020, von 06.06.2020 bis 07.06.2020 und von 10.09.2020 bis 11.09.2020 in Hungerstreik. Er trat von 15.09.2020 bis 16.09.2020 abermals in Hungerstreik.

1.3.10. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig.

1.3.11. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) wurde vom Bundesamt bei der Afghanischen Botschaft am 16.03.2020 angefordert und von dieser am 17.04.2020 zugesichert, dass aufgrund der vorhandenen Taskira die Ausstellung eines EU Laissez Passer jederzeit möglich ist.

1.3.12. Die Abschiebung des Beschwerdeführers innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer ist möglich. Für einen (vom Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht näher genannten) Termin im Dezember 2020 ist eine Frontex-Charterrückführung nach Afghanistan geplant. Der BF wurde für diesen Termin gebucht.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die bisherigen Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend sowie aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers betreffend, sowie aus der verfahrensgegenständlichen Beschwerde und Stellungnahmen.

2.1. Zum bisherigen Verfahren

Die Feststellungen zu den Punkten 1.1.1. bis 1.1.2 sind unstrittig und ergeben sich insbesondere aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend (GZen: XXXX ) und aus den Akten zu den asyl- bzw. fremdenrechtlichen Verfahren des Beschwerdeführers zu GZen XXXX und XXXX .

Die Feststellungen (1.1.3.) zur Asylfolgeantragstellung vom 30.01.2020, der mit Bescheid des Bundesamts wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde und die Beschwerde gegen diesen Bescheid mit 13.03.2020 vom BVwG als unbegründet abgewiesen wurde, ergeben sich aus der unstrittigen Aktenlage. Dass am 04.02.2020 und am 26.02.2020 erfolgreich Charterabschiebungen nach Afghanistan durchgeführt werden konnten und danach bis zum Entscheidungszeitpunkt keine weiteren Abschiebungen aufgrund der COVID-Situation durchgeführt werden konnten, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamts vom 23.11.2020 sowie aus der Anfragebeantwortung der HRZ Abteilung vom 23.11.2020. Dass der BF durch die unbegründete missbräuchliche Asylfolgeantragstellung am 30.01.2020, unmittelbar nach Zustellung der gekürzten Ausfertigung der abweisenden Entscheidung des BVwG vom 10.01.2020 zu seinem ersten Antrag auf internationalen Schutz, sein Verfahren zur Außerlandesbringung verzögert hat ergibt sich aus der Stellungnahme der HRZ Abteilung sowie des Bundesamts vom 23.11.2020 in Zusammenschau mit der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG XXXX und BVwG XXXX .

Die Feststellung zu Punkt 1.1.4., dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat, ergibt sich zusätzlich aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 20.12.2018, welcher im Haftprüfungsverfahren zu XXXX vorgelegt wurde.

Die Feststellungen zu Punkt 1.1.5. sind unstrittig und ergeben sich aus den dort genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu Punkt 1.2. zur Identität des Beschwerdeführers sind unstrittig und beruhen auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes und insbesondere aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2020, XXXX (S. 13 und 14) und dem mündlich verkündeten Erkenntnis vom 10.01.2020, XXXX (vgl. zugehörige Verhandlungsschrift S. 18 bis 19.). Die Feststellungen zur finanziellen Situation des Beschwerdeführers, zur Erwerbstätigkeit und den sozialen Kontakten ergeben sich zusätzlich aus dem Erkenntnis XXXX . Aus dem Behörden- und Gerichtsakten ergeben sich keine Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich. Auch die seit mehr als zwei Jahren bestehende Freundschaft zu einer Frau und deren Mutter, sowie die Patenschaft einer weiteren Frau stellen keine engen Bezugspersonen dar: Der Beschwerdeführer hat niemals mit seiner Freundin gemeinsam gelebt, noch besteht eine finanzielle Abhängigkeit, es fanden wechselseitige Besuche statt (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung unter „Termine im Haus“ sowie Verhandlungsschrift zu XXXX ).

Eine nachhaltige Existenzsicherung ist mangels Geldreserven, wie dies in der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung ersichtlich ist, nicht zu erblicken. Einer legalen Erwerbstätigkeit zur Erlangung einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht das Fehlen einer diesbezüglichen Bewilligung entgegen und hat der Beschwerdeführer eine Beschäftigung im Asylverfahren auch verneint.

Die Feststellungen zu dem nicht vorhandenen gesicherten Wohnsitz ergeben sich im Wesentlichen aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Aufgrund des rechtskräftigen negativen Abschlusses der Asylverfahren besteht kein Versorgungsanspruch über die Grundversorgung mehr. Von einem gesicherten Wohnsitz kann daher nicht ausgegangen werden.

2.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (Allgemein, Fortsetzung, Sicherungsbedarf, Fluchtgefahr, Verhältnismäßigkeit):

Die Feststellungen zum Punkt 1.3.1. ergeben sich aus den dort zitierten Entscheidungen. Dass der Beschwerdeführer seit 03.12.2019 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.2. ergeben sich insbesondere aus der rechtskräftigen Entscheidung des BVwG XXXX und der Einvernahme des Bundesamts zur Folgeantragstellung. Die Folgeantragstellung erfolgte wenige Tage vor einer geplanten Charterabschiebung und der BF nannte im Zuge seiner Einvernahme keine neuen Fluchtgründe, sondern führte ausdrücklich selbst an, dass die Folgeantragstellung seine einzige Möglichkeit für ihn sei, in Österreich zu bleiben. Aus seinen eigenen Angaben ergibt sich, dass die Antragstellung offenkundig ausschließlich zum Zweck der Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Das Bundesamt hat binnen zweieinhalb Wochen das Asylverfahren geführt und eine zurückweisende Entscheidung am 17.02.2020 erlassen, gegen die der BF Beschwerde einbrachte, über die das BVwG am 13.03.2020 abweisend entschieden hat. Das Bundesamt hat, nachdem die Schubhaft mittels Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG aufrechterhalten wurde, durch die zügige Verfahrensführung auf eine möglichst kurze Anhaltedauer des BF in Schubhaft hingewirkt. Dass im laufenden Asylverfahren das Bundesamt nicht an die Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates herantritt, kann diesem nicht zugerechnet werden. Die durch die offenkundig missbräuchliche Asylfolgeantragstellung verursachte Verfahrensverzögerung ist dem BF jedenfalls zuzurechnen.

Die Feststellungen Punkt 1.3.3. gründen daher, dass sich keine Anhaltspunkte ergeben haben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde (siehe dazu Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020 sowie medizinischen Unterlagen des PAZ vom 10.09.2020, vorgelegt in der Schubhaftprüfung zu GZ XXXX ). Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung am 10.01.2020 vor dem Bundesverwaltungsgericht an, gesund zu sein (Verhandlungsschrift zu XXXX ). Dass der Beschwerdeführer Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft. Gegenteiliges wurde auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.4. zur Unterbringung 27.12.2017 bis 10.01.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum Grundversorgungs-Informationssystem (im Folgenden: GVS) (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 28.12.2017 bis 12.01.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister. Die Feststellungen zum 04.01.2018 ergeben sich aus einer im Akt erliegenden Meldung der LPD Niederösterreich vom 04.01.2018 (in OZ 2 zu XXXX ).

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.4. zur Unterbringung 10.01.2018 bis 29.10.2018 ergeben sich aus dem Auszug zum GVS (unter „Quartier“) und zur dortigen Meldung vom 12.01.2018 bis 06.11.2018 aus dem Einblick in das zentrale Melderegister vom 18.06.2020.

Die Feststellungen zum Zeitraum vom 27.09.2018 bis 30.09.2018 und der unerlaubten Abwesenheit ergeben sich zum einen aus einer Meldung „Abhängigkeit“ der LPD Niederösterreich vom 28.09.2018, aus der hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 27.09.2018 um 15 Uhr die Wohngemeinschaft verlassen hat und es seitdem keinen Kontakt mehr mit dem Beschwerdeführer gab (OZ 7 zu XXXX ). Der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 (siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zu XXXX , OZ 2 S. 17) ist zu entnehmen, dass die Fahndung am 30.09.2018 widerrufen wurde. Der Beschwerdeführer war in dieser Zeit nicht für die Behörde greifbar.

Die Feststellungen zum Asylverfahren in Ungarn waren aufgrund des Eurodac Treffers und den Angaben des Beschwerdeführers festzustellen. Dass er sich auch seinem Asylverfahren in Ungarn entzogen hat, war aufgrund seiner eigenen Angaben, wonach er zwei Tage in Ungarn war, festzustellen und stimmt diese Angabe auch mit den Zeitpunkten der Antragstellung in Ungarn (am 05.04.2016) und Österreich (am 06.04.2016) überein (Eurodac Treffer gemäß Anfrage Informationsverbundsystem zentrales Fremdenregister).

Dass der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, war aufgrund seiner Verurteilungen festzustellen (Punkt 1.3.6.). Dass ihn weder seine Verurteilungen noch die Inhaftierungen von weiteren Straftaten abhalten konnten, war aufgrund der Anzahl seiner Verurteilungen und Inhaftierungen festzustellen. Dass der Beschwerdeführer auch während seiner Anhaltung im Polizeianhaltezentrum aufgrund von Ordnungswidrigkeiten diszipliniert werden musste, bestärkt diese Annahme. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den in den Akten einliegenden Urteilsausfertigungen (u.a. in OZ 3 in GZ XXXX ). Die Zeiten in Anhaltung (Untersuchungshaft und Strafhaft) ergeben sich auch dem Einblick in das zentrale Melderegister.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.7. ergeben sich aus der Personeninformation Auskunft vom 29.04.2020 („2. Vormerkung (Personeninformation)“; siehe dazu Haftüberprüfung zu Akt zu XXXX S. 18), in dem ein mit 25.04.2019 rechtskräftiges Waffenverbot, verhängt von der BH Tulln, eingetragen ist.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.8. ergeben sich aus den im Akt aufliegenden Berichten (siehe Haftüberprüfung zu Akt zu XXXX , OZ 2 S. 101ff und den Bericht zur Disziplinierungsmaßnahme am 14.10.2020 im gegenständlicher Gerichtsakt, OZ 1).

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.9. ergeben sich aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020. Sein gesamtes Verhalten wird seitens des Gerichts als unkooperativ qualifiziert, da der Beschwerdeführer einen unbegründeten Folgeantrag unmittelbar nach rechtskräftigem Abschluss seines ersten Asylverfahrens stellte, um sein Verfahren erfolgreich zu verzögern. Auch die Asylantragstellung in Ungarn und unmittelbar darauffolgende Weiterreise nach Österreich sowie seine Entziehung während des Asylverfahren durch Abgängigkeit untermauern diesen Eindruck. Auch das mehrfache Eintreten in den Hungerstreik, spricht für das unkooperative Verhalten des Beschwerdeführers. Dass der Beschwerdeführer sich von 15.09. bis 16.09.2020 abermals im Hungerstreik war, ergibt sich aus dem Auskunft der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung vom 30.10.2020.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.10. ergeben sich bereits aus der Tatsache, dass er aufgrund seines Vorverhaltens (insbesondere die Erfüllung strafrechtlicher Tatbestände) für sich keine Vertrauenswürdigkeit in Anspruch nehmen kann.

Die Feststellungen zu Punkt 1.3.11. ergeben sich zum einen aus einer Anfrage Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, in der das HZR-Heimreisezertifikat Verfahren mit Erstellungsdatum 17.04.2020 vermerkt ist und einer Stellungnahme der belangten Behörde vom 19.06.2020 (OZ 5 zu XXXX ), dass am 16.03.2020, drei Tage nach rechtskräftigem Abschlusses des zweiten Asylverfahrens, ein Verfahren bei der Afghanischen Botschaft gestartet worden sei, wobei am 17.04.2020 mitgeteilt worden sei, dass jederzeit eine Ausstellung des EU Laissez Passer möglich sei.

Ad Pkt. 1.3.12.: Der Beschwerdeführer sollte mittels Charterrückführung im Oktober nach Afghanistan abgeschoben werden. Diese und eine für November geplante Charterrückführung sind jedoch nicht zustande gekommen. Dass nunmehr eine Charterrückführung für Dezember geplant ist und der BF dafür eingebucht ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Bundesamtes vom 23.11.2020. Mit Blick auf die grundsätzlich gute Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit den Vertretungen und Behörden Afghanistans in Rückführungsangelegenheiten in den letzten Jahren ist aus Sicht des Gerichtes zu erwarten, dass die bereits organisierte Charterabschiebung im Dezember 2020 – durchgeführt werden wird. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer ist möglich.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG), § 22a Abs. 4 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) lauten auszugsweise:

Schubhaft (FPG)


„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. 

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gelinderes Mittel (FPG)

§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.

(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1.         in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2.         sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2.         eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;

(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird

(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Allgemeine Voraussetzungen

Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

Nachdem mit Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2020, zugestellt am 16.03.2020, eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, galt die zur Sicherung des Asylverfahrens verhängte Schubhaft gemäß § 76 Abs. 5 FPG ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Somit erfolgt die Anhaltung ab diesem Zeitpunkt auf Grundlage des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG.

Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung sind das Bestehen einer Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und das Nichtvorliegen eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG.

3.1.4. Fluchtgefahr

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des § 76 FG Abs. 3 hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft keine Änderung ergeben. Auch in der Beschwerde wird dem nicht substantiiert entgegengetreten. Das Gericht geht weiterhin von Fluchtgefahr aus:

Fluchtgefahr ist dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Während der aufrechten Schubhaft ist der Beschwerdeführer schon mehrmals in Hungerstreik getreten, um seine Freilassung zu erwirken. Dabei handelt es sich um eine Handlung, die darauf abzielt, die Abschiebung zu umgehen oder zu behindern. Diese Tatsache rechtfertigt die Annahme in Sinne des § 76 Abs. 3 erster Satz FPG, dass der Beschwerdeführer sich der Abschiebung entziehen oder sie wesentlich erschweren wird. Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt somit vor.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021).

Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorliegt und er während seines ersten Asylverfahrens sich bereits einmal entzogen hat und für die Behörden nicht greifbar war, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z 5 FPG ist bei der Beurteilung der Fluchtgefahr zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand.

Der Beschwerdeführer stellte am 30.01.2020 einen Asylfolgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt war die Rückkehrentscheidung durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.01.2020 rechtskräftig und befand sich der Beschwerdeführer bereits in Schubhaft. Es ist daher im vorliegenden Fall auch der Tatbestand der Z 5 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.

Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen.

Das Verfahren hat keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass im Fall des Beschwerdeführers Umstände vorliegen, die wegen seiner Verankerung im Bundesgebiet gegen das Bestehen der Fluchtgefahr sprechen. Er verfügt im Inland über keine engen sozialen und keine beruflichen oder familiären Anknüpfungspunkte, hat keinen gesicherten Wohnsicht und ist auch nicht selbsterhaltungsfähig, weshalb keinerlei soziales Netz vorhanden ist, welches ihn vom Untertauchen bewahren könnte. § 76 Abs. 3 Z 9 FPG liegt daher gegenständlich ebenfalls vor. Dies wird weder mit Beschwerde noch mit der Stellungnahme des BF bestritten.

Es liegt daher – weiterhin – Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 5 und Z 9 FPG vor.

Zur Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 80 Abs. 3 FPG

4.1.1. Maßgebliche Rechtslage

§ 80 des Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet auszugsweise:

„Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

…“

3.1.2. Art 2 und Art 15 Rückführungsrichtlinie lauten auszugsweise:

„Anwendungsbereich (Rückführungsrichtlinie)

Art 2. (1) Diese Richtlinie findet Anwendung auf illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhältige Drittstaatsangehörige.“

„Inhaftnahme (Rückführungsrichtlinie)

Art 15. (1) Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, (…)

(5) Die Haft wird so lange aufrechterhalten, wie die in Absatz 1 dargelegten Umstände gegeben sind und wie dies erforderlich ist, um den erfolgreichen Vollzug der Abschiebung zu gewährleisten. Jeder Mitgliedstaat legt eine Höchsthaftdauer fest, die sechs Monate nicht überschreiten darf.

(6) Die Mitgliedstaaten dürfen den in Absatz 5 genannten Zeitraum nicht verlängern; lediglich in den Fällen, in denen die Abschiebungsmaßnahme trotz ihrer angemessenen Bemühungen aufgrund der nachstehend genannten Faktoren wahrscheinlich länger dauern wird, dürfen sie diesen Zeitraum im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht um höchstens zwölf Monate verlängern:

a. mangelnde Kooperationsbereitschaft seitens der betroffenen Drittstaatsangehörigen oder,

b. Verzögerung bei der Übermittlung der erforderlichen Unterlagen durch Drittstaaten.

…“

4.1.2. Zur Judikatur

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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