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E2D Assoziierung Türkei;Norm
AlVG 1977 §7 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des D in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 7. März 1997, Zl. LGSW/Abt.12/1218/56, betreffend Aussetzung eines Verfahrens betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 38 AVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der vorliegenden Beschwerde und der ihr beigeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste vom 23. September 1996 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 30. August 1996 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit gemäß § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 7 AlVG 1977 abgewiesen.
Aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung hat die belangte Behörde das Berufungsverfahren mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid gemäß § 38 AVG "bis zur rechtskräftigen Entscheidung der im Ausländerverfahren bei der Landesgeschäftsstelle Wien anhängigen Berufungsverfahren betreffend Erteilung eines Befreiungsscheines bzw. Feststellung gemäß Art. 6 Abs. 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses 1/1980 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation ausgesetzt".
Die belangte Behörde hat diesen Bescheid damit begründet, daß das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste den Antrag des Beschwerdeführers auf Arbeitslosengeld mit der Begründung abgewiesen habe, daß der Beschwerdeführer in Ermangelung einer Beschäftigungsbewilligung nicht zu dem Personenkreis gehöre, der in Österreich eine Beschäftigung aufnehmen dürfe. In seiner (im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen) Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß er aufgrund des Assoziierungsabkommens und der darauf gegründeten Beschlüsse des Assoziierungsrates EWG/Türkei, insbesondere des ARB 1/80, über eine Aufenthaltsberechtigung verfüge. Dasselbe gelte hinsichtlich der Beschäftigungsbewilligung. Er habe in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht entsprechend der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der assoziationsrechtliche Aufenthalt außerhalb des Aufenthaltsgesetzes im Wege von Sichtvermerken zu bescheinigen sei, einen Sichtvermerksantrag eingebracht. Die Beschäftigungszeiten, welche für die Begründung des assoziationsrechtlichen Aufenthaltes relevant seien, lägen bei der Behörde erster Instanz auf. Im übrigen - so die Berufung des Beschwerdeführers weiter - werde auf die Verfassungswidrigkeit der angezogenen Gesetzesstelle hingewiesen. Abschließend heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß der Ausgang des Berufungsverfahrens "nach AlVG" vom Ausgang der derzeit laufenden "Ausländerverfahren" bei der Landesgeschäftsstelle als Vorfragen abhängig sei, weshalb das gegenständliche Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer - unter ausführlicher Darstellung der seiner Meinung nach gegebenen Verfassungswidrigkeit des § 7 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 - die Auffassung vertritt, daß die belangte Behörde "mit dem vorliegenden Aussetzungsbescheid verunmöglicht ..., daß (der Beschwerdeführer) in den Genuß der Anlaßfallwirkung in bezug auf (sein) Verfahren komme".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Grundvoraussetzung dafür, daß die belangte Behörde mit einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG vorgehen durfte, ist eine von ihr zu beurteilende Vorfrage, die als Hauptfrage in einem anderen (im Beschwerdefall bereits anhängigen) Verfahren (auch von derselben Behörde: vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1978, Slg. Nr. 9689/A) bindend zu entscheiden ist. Im Beschwerdefall hängt somit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides in erster Linie davon ab, ob die Frage der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zum begünstigten Personenkreis im Sinne des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. September 1980, Nr. 1/80, über die Entwicklung der Assoziation, vom Arbeitsmarktservice in dem von der belangten Behörde genannten Feststellungsverfahren als Hauptfrage zu entscheiden ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Erlassung eines diesbezüglichen Feststellungsbescheides (in Ansehung des Zuganges zum Arbeitsmarkt) ausdrücklich für zulässig und die Zuständigkeit der Behörden des Arbeitsmarktservice als gegeben erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, mit eingehender Begründung).
Einen solchen Feststellungsantrag hat der Beschwerdeführer vorliegendenfalls auch gestellt, wie sich aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, wonach er am 2. Oktober 1996 einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung eingebracht habe, daß er berechtigt sei, "ohne zusätzliche Bewilligung nach dem AuslBG jede von (ihm) gewünschte Beschäftigung in Österreich aufzunehmen". Nach Abweisung dieses Antrages durch die Behörde erster Instanz befindet sich dieses Verfahren im Berufungsstadium. In diesem Verfahren ist somit als Hauptfrage darüber zu erkennen, ob der Beschwerdeführer als Begünstigter im Sinne des ARB 1/80 freien Zugang zum Arbeitsmarkt hat; von dieser Frage wieder hängt ab, ob der Beschwerdeführer der Arbeitsvermittlung daher - im Sinne des § 7 Abs. 1 Z. 1 iVm Abs. 2 AlVG idF des Art. 23 Z. 1 der Novelle
BGBl. Nr. 201/1996 - zur Verfügung steht und demnach insoweit kein rechtliches Hindernis für den von ihm im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch auf Arbeitslosengeld besteht.
Das Gesetz regelt in § 38 AVG nicht im einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Behörde nach dem ersten Satz dieser Gesetzesstelle die Vorfrage selbst zu beurteilen hat oder von der Möglichkeit der Aussetzung nach dem zweiten Satz Gebrauch machen kann. Sie ist darin aber nicht völlig ungebunden. Ihre diesbezügliche Entscheidung kann durchaus auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden, und zwar in der Richtung, ob sie diese Entscheidung im Sinne des Gesetzes getroffen hat.
Die Überlegungen, von denen sich die Behörde bei einer Aussetzung des Verfahrens nach § 38 zweiter Satz AVG leiten lassen muß, werden vornehmlich solche der Verfahrensökonomie sein; es stellt einen wichtigen Gesichtspunkt dar, von vornherein die Möglichkeit von Bindungskonflikten und die Erforderlichkeit von Wiederaufnahmen nach § 69 Abs. 1 lit. c AVG zu vermeiden. Dieser vorrangige Gesichtspunkt wird in der Regel eine Aussetzung des Verfahrens als im Sinne des Gesetzes gelegen erscheinen lassen. Die Verfahrensökonomie wird aber jedenfalls dann von geringerem Gewicht sein, wenn die Behörde nach dem Stand ihres Verfahrens, insbesondere aufgrund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse, ohne weiteres zur selbständigen Beurteilung der Vorfrage in der Lage ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Februar 1986, Zl. 85/11/0239, und vom 8. Mai 1990, Zl. 89/08/0040).
Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde - vor dem Hintergrund der Begründung des angefochtenen Bescheides - von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte: Der Beschwerdeführer hat im Verfahren vor der belangten Behörde ausdrücklich und - nach dem Wortlaut der wörtlichen Wiedergabe seiner Berufung im angefochtenen Bescheid, welche auch in der Beschwerde nicht als unrichtig gerügt wird - ausschließlich geltend gemacht, daß er aufgrund des ARB 1/80 zum Assoziierungsabkommen EWG/Türkei über eine Aufenthalts- und eine Beschäftigungsbewilligung in Österreich verfüge und daß diesbezüglich ein Verfahren bereits anhängig sei. Bei dieser Sachlage war die Aussetzung des Berufungsverfahrens nicht nur nach den oben dargelegten Grundsätzen zweckmäßig; es ist auch nicht erkennbar, inwiefern durch diesen Bescheid berechtigte rechtliche Interessen des Beschwerdeführers unberücksichtigt geblieben sind: Kann der Beschwerdeführer seinen eigenen Behauptungen gemäß die Begünstigungen des Beschlusses des Assoziierungsrates ARB 1/80 für sich in Anspruch nehmen, dann wirkte sich § 7 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 AlVG ungeachtet der Frage einer allfälligen Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen auf seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gar nicht aus.
Soweit daher für den Beschwerdeführer eine positive Erledigung seines Ansuchens für den Fall der Bejahung seiner Zugehörigkeit zum Personenkreis des ARB 1/80 in Betracht kommt, war die Aussetzung des Berufungsverfahrens bis zur Erledigung des vom Beschwerdeführer anhängig gemachten Feststellungsverfahrens zweckmäßig und daher - vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage - auch rechtmäßig. Bei dieser Sachlage mußte die belangte Behörde ein gewichtiges Interesse des Beschwerdeführers, einen abweisenden Bescheid nur zu dem Zweck zu erhalten, die Verfassungswidrigkeit des § 7 AlVG beim Verfassungsgerichtshof geltend machen zu können, nicht annehmen.
Da auch die vorliegende Beschwerde keine anderen Gesichtspunkte aufzuzeigen vermag, läßt sie erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt; sie war daher ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Durch die Erledigung der Beschwerde ist auch der Antrag des Beschwerdeführers, seiner Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos.
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997080137.X00Im RIS seit
18.10.2001Zuletzt aktualisiert am
03.08.2018