TE Vfgh Erkenntnis 1995/9/25 B1161/95

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Veröffentlicht am 25.09.1995
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

EMRK Art8
AufenthaltsG §6 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch die Abweisung von Anträgen auf Verlängerung bereits abgelaufener Sichtvermerke aufgrund der Annahme der Notwendigkeit der Antragstellung vom Ausland aus; kein Eingehen auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller; verfassungskonforme Auslegung hinsichtlich der Zulässigkeit einer Antragstellung vom Inland aus in bestimmten Fällen geboten

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art8 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin, zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit 18.000 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist jugoslawische Staatsangehörige; sie lebt seit 1967 mit ihrer Familie in Österreich und bezieht nunmehr eine Alterspension. Nachdem der zuletzt erteilte Sichtvermerk am 28. Feber 1994 abgelaufen war, brachte sie am 25. April 1994 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ein. Dieser wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres unter Berufung auf §13 iVm §6 Abs2 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. 466/1992 idF vor der Novelle BGBl. 351/1995, abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, daß die Beschwerdeführerin, da sie die Frist zur Stellung eines Verlängerungsantrages versäumt hätte, einen Erstantrag vom Ausland aus stellen müßte; es sei daher die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen und auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin - auch im Zusammenhang mit ihren persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen.

II. Der vorliegende Beschwerdefall entspricht in allen entscheidungswesentlichen Belangen der Beschwerdesache B 1611-1614/94. Der Verfassungsgerichtshof kann sich daher darauf beschränken, auf die Entscheidungsgründe seines am 16. Juni 1995 gefällten Erkenntnisses B 1611-1614/94 hinzuweisen, aus denen sinngemäß auch für diesen Beschwerdefall folgt, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid, welcher die Bestimmung des ersten Satzes des §6 Abs2 AufG (idF vor der Novelle BGBl. 351/1995) auf eine bereits 28 Jahre in Österreich lebende Fremde anwendet, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) verletzt wurde. Der Bescheid war sohin aufzuheben.

III.        Die Kostenentscheidung

gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 3.000 S enthalten.

IV.                                 Diese Entscheidung konnte

gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, Privat- und Familienleben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1161.1995

Dokumentnummer

JFT_10049075_95B01161_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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