Entscheidungsdatum
23.10.2020Norm
AVG §18 Abs3Spruch
L524 1225024-3/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Türkei, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.09.2020, Zl. 222912207/171277355, den Beschluss:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Feststellungen:
Mit der als Bescheid bezeichneten Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18.09.2020, Zl. 222912207/171277355, wurde gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine „Abschiebung gemäß § 46 FPG nach zulässig“ sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Die als Bescheid bezeichnete Erledigung des BFA vom 18.09.2020, Zl. 222912207/171277355, trägt keine Unterschrift jenes Organwalters, der die Erledigung genehmigt hat. Die Erledigung enthält an Stelle der Unterschrift auch kein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung. Im Verwaltungsakt befindet sich auch keine Durchschrift oder Kopie der an den Beschwerdeführer zugestellten Ausfertigung der Erledigung.
Gegen diese Erledigung erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
II. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Bescheid und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.
III. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A) Zurückweisung der Beschwerde:
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.
Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009, jeweils unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18 Rz 8).
Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, muss die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein (VwGH 28.06.2011, 2010/17/0176, 29.11.2011, 2010/10/0252). Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; 31.10.2014, Ra 2014/08/0015; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss also jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift – bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung – genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sein. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/10/0070 unter Hinweis auf VwGH 29.11.2011, 2010/10/0252).
Im vorliegenden Fall erfolgte keine iSd § 18 Abs. 3 AVG dokumentierte Genehmigung der Erledigung vom 18.09.2020, da die Urschrift nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist und diese auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters genehmigt wurde.
Die vorliegende Beschwerde richtet sich somit gegen einen Nichtbescheid, weshalb diese zurückzuweisen war.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.
Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wird darauf hingewiesen, dass der „Bescheid“ des BFA jegliches gebotene Maß an Sorgfalt vermissen lässt. So sind der Spruch und die Begründung insofern widersprüchlich, als im Spruch die Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 4 FPG, in der Begründung jedoch auf § 52 Abs. 5 FPG gestützt wird. Im Spruch wird außerdem nicht festgelegt, in welches Land die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig ist. Außerdem entspricht die Begründung zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht den gesetzlichen Anforderungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es zur Begründung der Notwendigkeit der sofortigen Ausreise nicht, dafür auf eine – die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende – Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort – ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens – zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (vgl. VwGH 28.05.2020, Ra 2020/21/0128, Rn. 18; 16.01.2020, Ra 2019/21/0360, Rn. 18; 04.04.2019, Ra 2019/21/0053, Rn. 12).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 AVG übereinstimmt.
Schlagworte
fehlende Bescheidgenehmigung mangelnde Sorgfalt Nichtbescheid Unterschrift ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L524.1225024.3.00Im RIS seit
05.02.2021Zuletzt aktualisiert am
05.02.2021