TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/19 96/20/0111

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1997
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in E, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1995, Zl. 4.347.401/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist staatenlos, er stammt aus Palästina (Gaza-Streifen) und reiste am 30. September 1995 mit einem jordanischen Reisepaß nach Österreich ein. Er beantragte am 4. Oktober 1995, ihm Asyl zu gewähren und wurde noch am selben Tag durch das Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Bei dieser Einvernahme gab er zu seinen Fluchtgründen folgendes an:

"Ich habe im September 1993 Jordanien verlassen, weil ich vom jordanischen Geheimdienst im Sommer 1993 aufgefordert wurde gegen die islamischen Fundamentalisten Spionagetätigkeiten durchzuführen. Da ich dies nicht konnte und außerdem im Ausland studieren wollte, verließ ich Amman legal mit dem Flugzeug im Jahre 1993. Ich reiste nach New York (USA) und von dort nach C, wo ich meine jetzige Gattin heiratete. Da meine Eltern in Jordanien familiäre Probleme hatten, reiste ich im November 1994 über Wien/Schwechat neuerlich nach Jordanien. Ich hielt mich bis zu meiner neuerlichen Ausreise, am 30.09.1995, in Amman bei meinen Eltern auf. Da das Rückflugticket in die USA nur ein Jahr gültig ist und sich meine Eltern wieder vertragen und ich Angst hatte, neuerlich vom jordanischen Geheimdienst aufgefordert zu werden für diese zu arbeiten, reiste ich am 30.09.1995 über den von mir geschilderten Weg bis nach Österreich. Da ich jedoch am US-Sichtvermerk Änderungen vorgenommen hatte, wurde mir die Weiterreise nach New York (USA) verweigert. Da mir von der Fremdenpolizei am Flughaften Wien/Schwechat angedroht wurde, daß ich nach Amman zurückgebracht werde und ich dies nicht wollte, habe ich den jordanischen Reisepaß vernichtet und in die Toilette am Flughafen Wien/Schwechat geworfen. Anschließend stellte ich einen Asylantrag."

Auf die Frage, ob er anläßlich seiner Rückkehr im November 1994 bis zu seiner jetzigen Ausreise in Jordanien Verfolgungen aus politischen, religiösen, rassischen oder anderen Gründen ausgesetzt oder in Haft genommen oder behalten worden sei, gab der Beschwerdeführer an, dies sei nicht der Fall gewesen, er habe auch keine Schwierigkeiten mit den jordanischen Behörden gehabt. Er habe jedoch Angst gehabt, daß er neuerlich vom jordanischen Geheimdienst aufgefordert werde, für ihn Spitzeldienste gegen die islamischen Fundamentalisten durchzuführen. Er sei im Sommer 1993 vom jordanischen Geheimdienst aufgefordert worden, bei den islamischen Fundamentalisten Erkundigungen durchzuführen (Größe der Personenzahl, Aufgaben der einzelnen Personen innerhalb der Gruppe und Absichten dieser Gruppe), habe jedoch keine Mitteilungen an den jordanischen Geheimdienst mehr gemacht, da er bereits im September 1993 in die USA ausgereist sei. Seit seiner Rückkehr im November 1994 sei er vom jordanischen Geheimdienst nicht mehr kontaktiert worden und habe auch für diesen nicht mehr gearbeitet. Er habe jedoch jederzeit damit rechnen müssen, daß dies neuerlich von ihm verlangt werde. Bei einer Weigerung hätte man ihm seinen jordanischen Reisepaß abgenommen, sodaß er das Land nicht mehr hätte verlassen können. Über seine weiteren Absichten befragt, gab der Beschwerdeführer an, er wolle in Österreich Asyl, um sein Studium abschließen zu können, um später einer Beschäftigung nachzugehen. Er wolle auf keinen Fall nach Jordanien zurückkehren, sondern, wenn die Möglichkeit bestünde, in die USA weiterreisen. Von Mai 1993 bis September 1993 sei er mit dem jordanischen Geheimdienst in telefonischem Kontakt gestanden. Er sei der Meinung, daß er als Flüchtling anerkannt werden sollte. Über Vorhalt der Behörde, die Gründe, welche er zur Begründung seiner Flüchtlingseigenschaft angegeben habe, reichten hiefür nicht aus, weil er in Jordanien keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, sich frei habe bewegen, sowie ein- und ausreisen habe können, verweigerte der Beschwerdeführer die Unterschrift auf dem Protokoll über seine Befragung.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 1995 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers ab, weil keinerlei Gründe hervorgekommen seien, die sich unter die Genfer Flüchtlingskonvention hätten subsumieren lassen.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, das Bundesasylamt habe die Tatsache, daß er einen gültigen Reisepaß besessen habe und aus Jordanien zweimal legal ausgereist sei, was gegen die von ihm behauptete Verfolgungsgefahr spreche, unrichtig beurteilt. Wohlbegründete Furcht stelle dem Wesen nach eine Prognose dar, möge auch eine bereits erlittene Verfolgung im Einzelfall ein Indiz für eine drohende Verfolgung sein. Auch Personen, die auf Grund einer Fehleinschätzung sich irrtümlicherweise vor nichtigen Gefahren fürchteten, könnte bei bestehender Verfolgungsgefahr eine Furcht nicht schlechthin abgesprochen werden. Habe der Beschwerdeführer angegeben, der jordanische Geheimdienst habe versucht, ihn zu Spitzeldiensten gegen die islamischen Fundamentalisten zu gewinnen und er habe aus Angst, neuerlich kontaktiert zu werden, Repressalien gegen sich befürchtet, sei es wert gewesen, sich mit diesen Angaben unter dem Begriff der wohlbegründeten Furcht auseinanderzusetzen. Dies habe das Bundesasylamt aber nicht getan, sondern mit allgemein gehaltenen Floskeln die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers verneint. Damit habe das Bundesasylamt gegen § 37 und § 39 Abs. 2 AVG sowie gegen die Begründungspflicht verstoßen. Vor den erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers abweichende Umstände wurden in der Berufung nicht (sondern erst in einer nach Erlassung des angefochtenen Bescheides bei der Behörde erster Instanz eingelangten Berufungsergänzung) geltend gemacht.

Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG unter Verweis auf die Begründung des bekämpften Bescheides des Bundesasylamtes ab und erhob dessen Ausführungen "vollinhaltlich" auch zum Gegenstand des nunmehr angefochtenen Bescheides. Der in der Berufung geltend gemachten Verfahrensrüge hielt die belangte Behörde entgegen, der Beschwerdeführer habe die Unterschrift unter die mit ihm aufgenommene Niederschrift ohne Angabe von Gründen verweigert. In der Berufung sei weder ein Grund für die Verweigerung der Unterschrift angeführt worden noch habe der Beschwerdeführer von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, seine Situation in einem Rechtsmittel darzulegen, weshalb die belangte Behörde an sein erstinstanzliches Vorbringen gemäß § 20 Abs. 1 AsylG 1991 gebunden gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde erschöpft sich in folgenden Ausführungen:

"Weniger abstrakt als die belangte Behörde hat der Asylwerber in seiner Berufung auf die Umstände hingewiesen, die die Behörde erster Instanz bei der Prüfung des Asylantrages vernachlässigt hat. Die belangte Behörde begnügt sich damit, sich der Begründung der ersten Instanz anzuschließen, ohne daß konkret dargelegt wird, warum.

Infolge Fehlens von konkreten Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides muß sich der Beschwerdeführer darauf beschränken, auf seine Ausführungen im Asylantrag und in der Berufung zu verweisen, auf die die belangte Behörde überhaupt nicht eingegangen ist.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hat der Berufungswerber in seinem Antrag und in seiner Berufung die Gründe seiner Flucht und die Furcht vor Verfolgung in einer Art und Weise dargelegt, die die belangte Behörde - wenn nicht schon ohne weitere Erhebungen, so doch iVm § 20 AsylG - zu entsprechenden Ermittlungen veranlassen mußte."

Daß die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise, ihren Bescheid mit Verweis auf die Begründung des bekämpften Bescheides der Behörde erster Instanz zu beantworten und lediglich die Behandlung der in der Berufung aufgeworfenen Verfahrensrüge im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG anzufügen, zulässig ist, wurde bereits mehrfach ausgesprochen (vgl. dazu als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, auf welches zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Ein korrespondierendes Verweisungsrecht gestattet die Judikatur dem Beschwerdeführer hingegen nicht. Es ist auch keine Rechtswidrigkeit darin zu erkennen, daß die belangte Behörde entsprechend der Bestimmung des § 20 Abs. 1 AsylG 1991 von den Ermittlungsergebnissen des Verfahrens erster Instanz ausgegangen ist, indem sie die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen ohnedies als glaubwürdig ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Daß der Beschwerdeführer mit seinen Angaben hingegen eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 damit nicht glaubhaft gemacht hat, steht im Einklang mit der Rechtslage, hat doch der Beschwerdeführer keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, daß der jordanische Geheimdienst auch nach seiner Rückkehr im November 1994 überhaupt die Absicht gehabt habe bzw. habe erkennen lassen, den Beschwerdeführer wiederum zu Spitzeldiensten heranziehen zu wollen. Die rein abstrakte Möglichkeit einer derartigen Vorgangsweise reicht aber - wie die Behörde erster Instanz zutreffend festgestellt hat - für die Annahme einer wohlbegründeten Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung nicht aus, weshalb auch auf die Frage nicht näher einzugehen war, ob die Aufforderung, Spitzeldienste zu leisten, überhaupt die Qualifikation und Intensität einer Verfolgung darstellen kann.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996200111.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten