Entscheidungsdatum
06.08.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W212 2230223-1/3E
im Namen der Repulik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Philippinen, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, RA in 1010 Wien, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 26.02.2020, GZ: AUT0100200225002|PAD/PA/00285025/001/20/FW, zu Recht erkannt.
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 22a FPG als unbegründet abgewiesen
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Philippinen, reiste am 29.11.2019 im Besitz eines Visums C mit einer Rahmengültigkeit vom 24.11.2019 bis 05.03.2020 für einen zur mehrfachen Einreise berechtigenden Aufenthalt von insgesamt 90 Tagen zum Zweck „Familienbesuch“ nach Österreich ein.
Am 25.02.2020 – am vorletzten Tag ihres rechtmäßigen Aufenthaltes - stellte sie bei der Landespolizeidirektion Wien (im Folgenden: „LPD Wien“) einen Antrag auf Erteilung eines Visums D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 22a FPG. Als Zweck wurde „Medizinischer Grund –Schwangerschaft“ angeführt.
Diesem Antrag wurden unter anderem folgende Unterlagen beigelegt:
- Bestätigung der Reiseversicherung für den Zeitraum 24.11.2019 – 21.02.2020,
- Bestätigung über ein „Honorar“ für den Ehemann XXXX als Paket-Zusteller für Jänner 2020 in der Höhe von 1.020 €,
- Gehaltsabrechnung für den Ehemann für Dezember 2019 und Jänner 2020 der „ XXXX “,
- Verpflichtungserklärung des Ehemannes,
- Befund der Frauenärztin für Geburtshilfe und Gynäkologie Dr. XXXX vom 24.02.2020,
- Einreichbestätigung vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35 („MA 35“) betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels als Familienangehörige vom 24.02.2020,
2. In einer Aufforderung zur Stellungnahme der LPD Wien vom 25.02.2020 wurde der Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt und ausgeführt, dass Visa nach § 22a FPG nur aus humanitären Gründen, aus Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen erteilt werden könnten. Gründe nationalen Interesses oder internationale Verpflichtungen könnten im Fall der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden und bestünden auch berechtigte Zweifel, dass humanitäre Gründe vorliegen würden. Darüber hinaus liege kein Nachweis über ausreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes vor und bestehe auch kein alle Risiken abdeckender Versicherungsschutz. Es werde eine Frist von 24 Stunden zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
3. In ihrer Stellungnahme vom 25.02.2020 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr Ehemann über ein monatliches Gesamteinkommen von 1.783,49 € verfüge und dies unter Berücksichtigung anfallender Mietkosten in der Höhe von 464 € als Einkommen für die Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie ausreiche. Ein Krankenversicherungsnachweis würde demnächst nachgereicht werden.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 26.02.2020 versagte die LPD Wien die Erteilung des beantragten Visums mit der Begründung, dass Gründe nationalen Interesses oder internationale Verpflichtungen im Fall der Beschwerdeführerin nicht erkannt werden könnten und auch die Voraussetzungen für eine Visumerteilung aus humanitären Gründen nicht vorliegen würden. Eine solche komme gemäß § 22a Z 1 FPG nur dann in Frage, wenn besonders berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen würden, die erst während des rechtmäßigen Aufenthalts in Österreich entstanden wären, die Beschwerdeführerin sei jedoch bereits in Kenntnis um ihre Schwangerschaft in das österreichische Bundesgebiet eingereist und sei sie dort bewusst verblieben, bis sie nicht mehr habe ausreisen können. Mit dem beantragten Visum beabsichtige sie lediglich die Zeit bis zur Entscheidung der MA 35 bezüglich ihres Antrages auf Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“ zu überbrücken. Schließlich sei auch kein Krankenversicherungsnachweis nachgereicht worden und sei anhand der vorgelegten Unterlagen weiterhin anzunehmen, dass die vorhandenen finanziellen Mittel ihres Ehemannes zur Bestreitung des familiären Lebensunterhaltes nicht ausreichen würden.
5. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 24.03.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde vorgebracht, dass aus dem Bescheid der belangten Behörde nicht zu entnehmen sei, weshalb ihr Antrag aus humanitären Gründen „nicht bewilligt“ worden sei und wäre ihr Visum trotz Vorliegens von Versagungsgründen zu bewilligen, da aufgrund der vorgelegten Verpflichtungserklärung die Tragung aller Kosten gesichert sei. Die LPD Wien sei nicht in der Lage zu verstehen, was das Wort „humanitär“ bedeuten würde und sei es unverständlich, wie man einem österreichischen Kind seine Mutter wegnehmen könne, obwohl sie keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstelle und kein Terrorist sei. Auch wäre zu berücksichtigen, dass philippinische Frauen seit Jahrzehnten erkrankte Menschen in öffentlichen Krankenhäusern betreuen würden, weshalb eine Ablehnung des Antrags für den beantragten Aufenthaltstitel völlig unverständlich sei.
6. Mit Stellungnahme der LPD Wien vom 02.04.2020 wurde angemerkt, dass dem Vorbringen der Beschwerde nicht gefolgt werden könne und diese als unbegründet angesehen werde. Wie bereits im Bescheid festgehalten, habe sich für die Beschwerdeführerin kein plötzlicher und unerwartet eingetretener Notfall ergeben der eine Visumserteilung rechtfertigen würde und würde ein Visum im Sinne des § 22a FPG auch nicht zur Überbrückung bis zur Entscheidung über einen beantragten Aufenthaltstitel dienen. Zwar könne die Behörde trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes nach § 21 Abs 2 Z 3, 4 FPG ein Visum erteilen, wenn die Tragung aller Kosten für öffentliche Rechtsträger aufgrund einer Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gesichert erscheine, im Konkreten sei aber keine tragfähige Verpflichtungserklärung in Vorlage gebracht worden und sei bis zuletzt kein Nachweis betreffend einen Versicherungsschutz erbracht worden. Auf die zynischen Bemerkungen der Beschwerdeführerin werde nicht weiter eingegangen und seien ihre sonstigen Ausführungen schlicht unverständlich.
7. Mit Schreiben der LPD Wien, eingelangt am 08.04.2020, wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt übermittelt und am 16.04.2020 der erkennenden Gerichtsabteilung neu zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin reiste am 29.11.2019 im Besitz eines für die Gesamtaufenthaltsdauer von 90 Tagen gültigen Schengenvisums nach Österreich ein.
Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt ihrer Einreise schwanger.
Am 25.02.2020 stellte die Beschwerdeführerin bei der LPD Wien einen Antrag auf Erteilung eines Visums aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 22a FPG und führte sie begründend an, aufgrund ihrer mittlerweile fortgeschrittenen Schwangerschaft keine Flugreise in ihre Heimat mehr antreten zu können.
Mit Bescheid vom 24.03.2020 wurde ihr Antrag seitens der LPD Wien abgelehnt.
Im österreichischen Bundesgebiet aufhältig ist der Ehemann der Beschwerdeführerin.
Die vom Ehemann abgegebene Verpflichtungserklärung ist nicht tragfähig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der LPD Wien.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) lauten:
Sachliche Zuständigkeit im Inland
§ 5 (1) Den Landespolizeidirektionen obliegt
1. die Besorgung der Fremdenpolizei (§ 2 Abs. 2);
2. die Besorgung folgender Visaangelegenheiten:
a. die Verlängerung von Visa gemäß § 11b Abs. 2 oder Art. 33 Visakodex;
b. die Erteilung von Visa gemäß § 22a nur mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres;
c. die Erteilung von Visa an der Außengrenze gemäß Abs. 2 nur mit Zustimmung des Bundesministers für Inneres;
d. die Annullierung von Visa; soweit es sich um nationale Visa handelt, nur jener, die von Österreich erteilt wurden;
3. die Führung von Verwaltungsstrafverfahren nach diesem Bundesgesetz;
4. die Verhängung von Verwaltungsstrafen nach § 112 und
5. die Vorschreibung von Kosten nach § 113.
(1a) Dem Bundesamt obliegt
1. die Anordnung der Abschiebung, die Feststellung der Duldung und die Vollstreckung von Rückführungsentscheidungen von EWR-Staaten gemäß dem 7. Hauptstück,
2. die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gemäß dem 8. Hauptstück und
3. die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück.
(2) Der Bundesminister für Inneres hat zur Erleichterung des Reiseverkehrs oder im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch Verordnung die Landespolizeidirektionen zu ermächtigen, bei bestimmten Grenzübergangsstellen Visa zu erteilen.
(3) Die gemäß Art. 13 der VIS-Verordnung erforderliche Eingabe von Daten annullierter Visa im VIS ist von der zuständigen Behörde durchzuführen.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 2 Z 16, BGBl. I Nr. 145/2017)
(5) Durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, die Erleichterungen des Reiseverkehrs für Fremde in grenznahen Gebieten der Republik Österreich vorsehen (§ 17 Abs. 2), können auch andere Behörden als die Landespolizeidirektionen zur Ausstellung sowie Gegenzeichnung der im Rahmen einer solchen Vereinbarung für die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise zugelassenen Dokumente bestimmt werden.
(6) Enthält eine der in Abs. 5 erwähnten Vereinbarungen keine Bestimmung über die sachliche Zuständigkeit, so obliegt die Ausstellung sowie die Gegenzeichnung der für die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise zugelassenen Dokumente den örtlich zuständigen Landespolizeidirektionen. Der Bundesminister für Inneres kann diese durch Verordnung ermächtigen, solche Dokumente für Personen, welche die Staatsangehörigkeit eines vertragsschließenden Staates besitzen, bei Grenzübergangsstellen auszustellen, wenn hiedurch den Fremden die Erlangung eines solchen Dokumentes zur Ausreise und Einreise wesentlich erleichtert wird.
Beschwerden
§ 9 (1) Über Beschwerden gegen Entscheidungen der Landespolizeidirektionen entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Verwaltungsgerichte der Länder.
(2) Über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
(3) Über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
(4) Über Beschwerden gegen Entscheidungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht.
(5) Ist der Beschwerdeführer nicht zur Einreise nach Österreich berechtigt, kann eine mündliche Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, wenn der Sachverhalt abschließend feststeht.
Form und Wirkung der Visa D
§ 20 (1) Visa D werden erteilt als
1. Visum für den längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet;
2. Visum aus humanitären Gründen;
3. Visum zu Erwerbszwecken;
4. Visum zum Zweck der Arbeitssuche;
5. Visum zur Erteilung eines Aufenthaltstitels;
6. Visum zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005;
7. Visum zur Wiedereinreise;
8. Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen;
9. Visum für Saisoniers.
(2) Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur in den Fällen des § 24 zulässig. Visa D werden für die ein- oder mehrmalige Einreise ausgestellt und berechtigen zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet von mehr als 90 Tagen, und zwar von längstens
1. sechs Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1 bis 8;
2. neun Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 9;
3. zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 1, sofern dies aus Gründen des nationalen Interesses oder auf Grund internationaler Verpflichtungen notwendig ist; oder
4. zwölf Monaten bei Ausstellung von Visa gemäß Abs. 1 Z 3, sofern dies auf Grund internationaler Vereinbarungen zur Ausübung einer Tätigkeit, die vom AuslBG gemäß § 1 Z 14 AuslBVO ausgenommen ist, notwendig ist.
(3) Visa gemäß Abs. 1 sind befristet zu erteilen. Ihre Gültigkeitsdauer darf jene des Reisedokumentes nicht übersteigen. Die Gültigkeitsdauer des Reisedokumentes hat, ausgenommen in begründeten Notfällen, jene eines Visums um mindestens drei Monate zu übersteigen. Eine von der erlaubten Aufenthaltsdauer abweichende Gültigkeitsdauer der Visa ist unzulässig.
(3a) Visa gemäß Abs. 1 Z 8 und 9 können mit einer Gültigkeitsdauer von weniger als 91 Tagen ausgestellt werden, sofern ein Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a) oder ein Antrag gemäß § 22a gestellt wurde und der durchgehende Aufenthalt im Bundesgebiet insgesamt 90 Tage übersteigt.
(4) Das Visum ist im Reisedokument des Fremden durch Anbringen ersichtlich zu machen.
(5) Die nähere Gestaltung sowie die Form der Anbringung der Visa D im Reisedokument wird durch Verordnung des Bundesministers für Inneres festgelegt.
(6) Visa gemäß Abs. 1 Z 1 sowie gemäß des Visakodex können unter den Voraussetzungen, unter denen für österreichische Staatsbürger österreichische Dienstpässe ausgestellt werden, als Dienstvisa gekennzeichnet werden.
Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen
§ 22a. Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, kann vor Ablauf des rechtmäßigen Aufenthalts auf Antrag im Inland ein Visum aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 21 Abs. 1 vorliegen und dies
1. aus humanitären Gründen,
2. aus Gründen des nationalen Interesses oder
3. auf Grund internationaler Verpflichtungen
notwendig ist.
3.2. Zuständigkeit:
Gemäß § 9 Abs. 4 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 FPG. Unter § 5 Abs. 1 Z 2 ist die Erteilung von Visa gemäß § 22a FPG angeführt. Da gegenständlich ein Visum nach § 22a FPG beantragt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht zur Behandlung der Beschwerde gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion zuständig.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.3. Mit dem durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 neu geschaffenen Visum D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (§ 22a) ist es nunmehr möglich, bei Vorliegen besonderer Umstände ausnahmsweise auch ein Visum D im Inland zu erlangen.
Die Erläuterungen zu § 22a FPG lauten: "Das neu geschaffene Visum D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann Fremden erteilt werden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, sofern die allgemeinen Visumerteilungsvoraussetzungen (§ 21 Abs. 1) vorliegen und die Visumerteilung entweder aus humanitären Gründen, Gründen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen notwendig ist. In einem solchen Fall kann die Landespolizeidirektion im Inland unter Zustimmung des Bundesministers für Inneres (§ 5 Abs. 1 Z 2 lit. b) ein Visum D erteilen. Durch die vorgeschlagene Adaptierung wird eine Harmonisierung mit dem vergleichbare Fälle erfassenden Art. 33 Visakodex in Entsprechung von Art. 20 Abs. 2 SDÜ erreicht. Dies soll nur in Ausnahmefällen gelten und besonders berücksichtigungswürdige Gründe, in denen eine Ausreise aus dem Bundesgebiet (vor Ablauf der Gültigkeitsdauer eines bestehenden Visums oder vor Ablauf des visumfreien Aufenthalts) nicht möglich ist, und längerfristige Aufenthalte erfassen, unabhängig davon, ob der Fremde gemäß dem einschlägigen Unionsrecht der Visumpflicht unterliegt oder von dieser befreit ist. Können Fremde das Bundesgebiet aus unerwarteten Notfällen nicht verlassen und müssen sie ihren visumfreien oder visumpflichtigen rechtmäßigen Aufenthalt überschreiten, beispielsweise aufgrund plötzlicher Krankenhausaufenthalte oder aufgrund unvorhergesehener Verpflichtungen des nationalen Interesses oder aufgrund internationaler Verpflichtungen, wie etwa der Teilnahme an internationalen Sitzungen und Verhandlungen, kann in Hinkunft ein Visum D gemäß § 22a erteilt werden. Zur Erteilung ist in diesem Fall die Landespolizeidirektion zuständig (§ 5 Abs. 1). Da der Aufenthalt nach einer Verlängerung gemäß § 22a insgesamt über 90 Tage beträgt, liegt ein langfristiger Aufenthalt gemäß Art. 18 SDÜ vor, weshalb mit der Erteilung eines Visums D vorzugehen ist (§ 20 Abs. 3a)."
Der in den Erläuterungen angesprochene Art. 33 Visakodex sieht vor, dass Schengenvisa in Fällen von höherer Gewalt oder aus humanitären Gründen verlängert werden können. Der Visuminhaber muss dabei schwerwiegende persönliche Gründe, die einer Verlängerung der Aufenthaltsdauer rechtfertigen, nachweisen.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Visums aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nur zwei Tage vor dem Ablauf ihres Visums C gestellt. Dieses endete mit 26.02.2020 und ist sie seither illegal in Österreich aufhältig. Zumal die Beschwerdeführerin bereits im Bewusstsein um ihre Schwangerschaft in das österreichische Bundesgebiet einreiste, stellt der gegenständliche Sachverhalt unter keinen Umständen einen unerwarteten Notfall dar und wäre die Beschwerdeführerin daher angehalten gewesen, das Bundesgebiet wieder rechtzeitig zu verlassen, solange ihr dies noch möglich und zumutbar gewesen wäre.
Wie den Erläuterungen zu § 22a FPG zu entnehmen ist, wären unter "unerwarteter Notfall" ein plötzlicher Krankenhausaufenthalt oder ähnliche, schwerwiegende persönliche Gründe zu subsumieren. Eine „planmäßig“ verlaufende Schwangerschaft stellt jedenfalls keinen humanitären Grund iSd § 22a FPG dar und liegen nach den vorgelegten ärztlichen Unterlagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es zu einem unerwarteten Notfall – etwa durch vorzeitig einsetzende Wehen oder sonstige (Schwangerschafts-)Komplikationen - gekommen wäre.
Zweck eines Visums aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 22a FPG ist es auch nicht, dieses als Überbrückung bis zur Entscheidung über einen gestellten Aufenthaltsantrag heranzuziehen. Eine Ausreise wäre der Beschwerdeführerin jederzeit rechtzeitig möglich gewesen und hätte sie sodann ihm Ausland über ihre Entscheidung abzuwarten gehabt.
Darüber hinaus sind auch die sonstigen Voraussetzungen zur Erteilung eines Visums gemäß § 21 Abs. 1 iVm Abs. 2FPG nicht gegeben, da die Beschwerdeführerin keinen Nachweis über eine alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutz (Abs. 2 Z 3) und einen gesicherten Unterhalt (Abs. 2 Z 4) erbringen konnte.
Von der Beschwerdeführerin wurde eine Versicherungspolizze vorgelegt, die das Reiseende mit 21.02.2020 angab. Die Dauer des beantragten Aufenthaltes ist demnach nicht abgedeckt und wurde – trotz Ankündigung – kein Nachweis über einen neuen Versicherungsschutz nachgereicht.
Zwar ist es richtig, dass die Behörde trotz Vorliegens eines Versagungsrundes nach § 21 Abs. 2 Z 3, 4 FPG ein Visum erteilen kann, wenn die Tragung aller Kosten für öffentliche Rechtsträger aufgrund einer Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gesichert erscheint (§ 21 Abs 3 FPG). Die vom Ehemann der Beschwerdeführerin abgegebene Verpflichtungserklärung ist aber nicht als tragfähig zu bewerten.
Von der Beschwerdeführerin wurde angegeben, dass ihr Ehemann über ein Nettogehalt von 1.783 € verfügen würde. Der für den monatlichen Unterhaltsbedarf heranzuziehende Richtsatz gemäß § 293 ASVG für das Kalenderjahr 2020 beträgt für Ehegatten 1.472 € und für jedes Kind 149,15 €, was im Konkreten einen Richtsatz von 1.621,15 € ergibt. Bei den monatlichen Mietkosten von 464 € steht der Bezugsperson, unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station (299,95 €), ein monatliches Einkommen von etwa 1.618,95 € zur Verfügung, weshalb der Richtsatz – wenn auch nur knapp - unterschritten wird. Die Unterhaltskosten für das Kind sind insofern zu berücksichtigen, zumal das beantragte Visum über den Geburtstermin hinausreicht. Abgesehen davon ist anzumerken, dass schon das angegebene Nettoeinkommen nicht nachvollziehbar ist. Laut vorgelegter Abrechnung als unselbständig Erwerbstätiger bei der „ XXXX “ verdient der Verpflichtende € 774,30 brutto pro Monat (jährlich 14x), was laut „Brutto-Netto-Rechner“ einen monatlichen Nettobezug in der Höhe von €768,06 ergibt und ist anzunehmen, dass auch das vorgelegte „Honorar“ in der Höhre von 1020 € entsprechend zu versteuern wäre. Überdies geht aus der diesbezüglich vorgelegten Bestätigung nicht hervor, ob es sich dabei um eine laufende Einnahmequelle handelt und wie hoch der jährliche Nettogewinn tatsächlich ist, weshalb diese jedenfalls kein taugliches Beweismittel für eine tragfähige Verpflichtungserklärung darstellt.
Die belangte Behörde hat in casu ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt und der Beschwerdeführerin ausreichend Parteiengehör eingeräumt. Insgesamt bestehen aus den dargelegten Erwägungen keine Bedenken gegen die Ansicht der LPD Wien, die von ihr herangezogenen Versagungsgründe sind gegeben, weshalb aus diesem Grund die Ausstellung des beantragten Visums zu verweigern war. Da es der Beschwerdeführerin auch im Rahmen ihres Beschwerdeschriftsatz nicht gelungen ist, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, war die Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abzuweisen.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist.
Schlagworte
Ehe Einreisetitel mangelnder Anknüpfungspunkt Versagungsgrund Voraussetzungen wirtschaftliche GründeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2230223.1.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021