Entscheidungsdatum
19.11.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
I408 1414669-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Flüchtlingshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise am 13.07.2010 unter Angabe einer falschen Identität und Nationalität einen letztendlich unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz, der bereits am 20.07.2010 mit Bescheid des damals zuständigen Bundesasylamtes abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Ayslgerichtshofes vom 13.02.2013, XXXX abgewiesen.
2. Während des laufenden Asylverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 07.09.2010, beim gewerbsmäßigen Handel mit Suchtgiften auf frischer Tat betreten, war unsteten Aufenthaltes und überwiegend als obdachlos gemeldet. Am 24.03.2012 wurde er wegen räuberischen Diebstahls von der Polizei angehalten und war bis 15.05.2012 in Haft. Am 28.08.2012 wurde er wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung neuerlich aufgegriffen und war wieder bis 26.09.2012 in Haft.
3. An diesem Tag wurde er mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , wegen dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, dem Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130, 1. Fall StGB und dem Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten, wobei 7 Monate unter der Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt (AS 153).
4. Aufgrund dieser Verurteilung wurde gegen den Beschwerdeführer von der Fremdenpolizei XXXX unter der GZ: XXXX , rechtskräftig seit 06.11.2012 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
5. Am 01.03.2013 erfolgte die nächste Aufgriff der Beschwerdeführers und mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.04.2013, XXXX wurde er wegen dem Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten verurteilt und die Probezeit der Erstverurteilung auf fünf Jahre verlängert, und war bis 01.08.2013 in Haft (AS 161).
6. Am 27.08.2018 wurde der Beschwerdeführer neuerlich festgenommen und mit Urteil des Landesgericht XXXX vom 03.12.2018, XXXX , wegen dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, dem Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz, zweiter Fall, Abs. 2 SMG und dem Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und dem Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4,5 Jahren verurteil (AS 43). Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 05.06.2019, GZ: XXXX wurde die verhängte Freiheitsstrafe auf fünf Jahre erhöht (AS 123).
7. Im Oktober 2018 stellte sich nach der Identifizierung des Beschwerdeführers durch Interpol Rabat heraus, dass er marokkanischer Staatsbürger ist und den im Spruch erstgenannten Namen führt (AS 29).
8. Zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot wurde dem in Haft befindlichen Beschwerdeführer am 08.10.2018 sowie am 04.03.2020 Parteiengehör gewährt. Zusammengefasst gab der Beschwerdeführer in seinen Stellungnahmen vom 13.10.2018 (AS 35) und 04.03.2020 (AS 143) an, er hätte in Algerien die Schule besucht und dort als Tischler gearbeitet. Er wäre dort weder strafrechtlich noch politisch verfolgt worden, wäre aber von der Familie seiner Ex Freundin mit dem Tod bedroht worden, weil er mit ihr geschlafen habe als sie noch Jungfrau war, ihr die Ehe versprochen und dieses Versprechen nicht eingehalten habe. In Marokko habe er keine Familienangehörigen mehr und er würde sich seit 2004 in europäischen Staaten aufhalten. Um seine Schulden in Höhe von ca. € 20.000 bezahlen zu können, sei er gezwungen gewesen, mit Drogen zu handeln. In Österreich habe er „schwarz“ als Blumenverkäufer, Malerhelfer und Möbelpacker gearbeitet und bei Freunden bzw. seiner Lebensgefährtin, einer ungarischen Staatsangehörigen, die über eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung verfüge, gewohnt.
9. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 06.10.2020 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus Gründen des § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.). Zudem erließ sie gegen den Beschwerdeführer ein unbefristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt IV.), gewährte ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt VI.).
10. Dieser Bescheid wurde mit fristgerecht eingelangter Beschwerde vom 02.11.20, vollinhaltlich angefochten.
11. Beschwerde und Behördenakt wurden dem Verwaltungsgericht am 13.11.2020 übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der volljährige und ledige Beschwerdeführer ist marokkanischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht aufgrund der erfolgten Identifizierung durch Interpol Rabat seit 2018 fest.
Der Beschwerdeführer hält sich nach illegaler Einreise seit 2010 und nach Stellung eines letztendlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz, den er unter einer vorgetäuschten algerischen Identität gestellt hat, unrechtmäßig in Österreich auf und verblieb trotz rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens 2013 und Erlassung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes im November 2012 im Bundesgebiet. Er tauchte unter und wies in dieser Zeit weder einen gemeldeten Wohnsitz auf noch ging er einer legalen Erwerbstätigkeit nach. Er trat nur im Zusammenhang mit Straftaten und den damit verbundenen Inhaftnahmen in Erscheinung. So verbrachte er die Zeiträume vom 01.03.2011 bis 03.03.2011, 24.03.2012 bis 15.05.2012, 21.08.2012 bis 26.09.2012, 02.03.2013 bis 01.08.2013 in Haft und verbüßt seit 28.08.2018 die zuletzt über ihn verhängte fünfjährige Haftstrafe.
Bereits zwei Monate nach seiner illegalen Einreise wurde er beim gewerbsmäßigen Handel mit Suchtgiften auf frischer Tat betreten und mit Urteil des Landesgerichtes XXXX , XXXX , wegen dem Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, dem Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 15, 127, 130, 1. Fall StGB und dem Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten, wobei 7 Monate unter der Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden, verurteilt. Diesem Urteil liegen der gewerbsmäßige Verkauf von 1.7 Gramm Cannabiskraut am 07.09.2010, der gewerbsmäßige Diebstahl von zwei Parfumflaschen im Wert von jeweils € 39,59 am 20.08.2012 sowie eine Gewaltanwendung über gezielte Stöße gegen den Körper des einschreitenden Polizeibeamten zu Grunde.
Wegen des festgestellten Erwerbes und Besitzes von Suchtgift am 01.03.2013 wurde er mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.04.2013, XXXX . wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 Monaten und die Probezeit der Erstverurteilung auf fünf Jahre verlängert.
Mit Urteil des Landesgericht XXXX vom 03.12.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 12 dritter Fall StGB, 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 erster Satz, zweiter Fall, Abs. 2 SMG und des Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG und des Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 zweiter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 4,5 Jahren verurteil. Mit Urteil des Oberlandesgerichtes XXXX vom 05.06.2019, GZ: XXXX wurde die verhängte Freiheitsstrafe auf fünf Jahre erhöht.
Mit zwei Mittätern organsierte der Beschwerdeführer 2018 bis zu seiner Verhaftung am 27.08.2020 den Schmuggel von Cannabis aus Italien sowie die Lagerung und den Verkauf des Suchtgiftes in Österreich. Zusätzlich belastete er bei seinen polizeilichen Einvernahmen am 28. und 30.08.2018 zu Unrecht eine andere Person bei diesem Suchtgifthandel mitbeteiligt zu sein, die deshalb in Untersuchungshaft genommen wurde.
Aufgrund dieses unsteten, von massiven Straffälligkeiten und einem Leben im Untergrund geprägten Aufenthaltes ist nicht von einem schützenswerten Privat- oder Familienleben auszugehen. Das betrifft auch die von ihm angeführte Beziehung zu einer ungarischen Staatsangehörigen.
Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat. Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird bei einer Abschiebung nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage nachvollziehbar und umfassen dargelegt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Eine substantiierte Bestreitung des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes erfolgte im Beschwerdeschriftsatz nicht, sodass sich das erkennende Gericht den Ausführungen der belangten Behörde vollinhaltlich anschließt.
Die nunmehr festgestellte marokkanische Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Identifizierung durch Interpol Rabat und wird auch vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 04.03.2020 (AS 143) nicht in Abrede gestellt.
Die illegale Einreise, der unbegründete Asylantrag und die damit verbundene rechtskräftige Rückkehrentscheidung, das seit 2012 bestehende Aufenthaltsverbot und die drei strafgerichtlichen Verurteilungen wegen Suchtgifthandels und anderer Delikte sind über die angeführten behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen zweifelsfrei dokumentiert. Das Leben im Untergrund, ohne einen ordentlichen Wohnsitz und einer legalen Beschäftigung nachzugehen, erschließt sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers und den ergänzend eingeholten ZMR- und AJ-WEB-Abfragen.
Die massiven Straffälligkeiten sowie das Fehlen eines ordentlichen Wohnsitzes und einer legalen Beschäftigung über einen Zeitraum von 10 Jahren lassen kein schützenswertes Privat- und Familienleben entstehen. Daran vermag auch die beantragte Befragung der Lebensgefährtin nichts ändern, zumal entsprechende Sorgepflichten weder vom Beschwerdeführer noch in der Beschwerde vorgebracht worden und auch keine ladungsfähige Anschrift bekanntgegeben wurde.
Weder aus dem aktuellen Länderbericht zu Marokko mit Stand 09.07.2020, welcher im verfahrensgegenständlichen Bescheid dargelegt ist, noch aus seinen Stellungnahmen ergeben sich Anhaltspunkte für die Unzulässigkeit einer Abschiebung und wurden auch in der Beschwerde nicht vorgebracht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.
Indizien dafür, dass der Beschwerdeführer einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des Beschwerdeführers seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG.
Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.
3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden (§ 10 Abs. 2 AsylG).
Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Der Beschwerdeführer verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet und verblieb auch nach rechtskräftigem Abschluss seines Asylverfahrens sowie trotz Erlassung eines Aufenthaltsverbotes 2012 im Bundesgebiet.
Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Im gegenständlichen Fall überwiegt das öffentliche Interesse deutlich allfällige private Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet. Auch nach zehn Jahren liegen keinerlei Anzeichen von Integrationsbemühungen des Beschwerdeführers vor; er ging zu keinem Zeitpunkt im Bundesgebiet einer legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügte auch nie über einen eigenständig, von ihm gemeldeten Wohnsitz. Er bestritt seinen Lebensunterhalt ausschließlich über gewerbsmäßigen Suchtgifthandel oder behaupteter Schwarzarbeit. Hinzu kommt, dass er in Österreich seit Anbeginn unter einer falschen Identität aufgetreten ist und einem 2012 gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbot keine Folge leistet. Aufgrund dieser Umstände kommt der Dauer des Aufenthaltes in Österreich keine Relevanz zu.
Selbst wenn der Beschwerdeführer angibt, in Österreich eine Lebensgefährtin zu haben, verfügt er damit allein noch über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Dafür ist nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein tatsächliches und hinreichend intensives Familienleben erforderlich, welches etwa durch das Zusammenleben der betreffenden Personen und/oder das Bestehen einer finanziellen oder sonstigen Abhängigkeit gekennzeichnet ist, bedarf (vgl. etwa EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Der Beschwerdeführer ist weder vorheiratet noch wurde ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis vorgebracht oder behauptet.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall 45-jährigen und gesunden Beschwerdeführers nicht vor. Auch wenn er in Marokko über keine Familienangehörigen mehr verfügen sollte, ist eine Rückkehr aufgrund der Sicherheitslage und den wirtschaften Situation in Marokko zumutbar und möglich.
Die Rückkehrentscheidung der belangten Behörde war daher zu bestätigen.
3.3. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art 2 EMRK oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der Situation in Marokko und der Lebensumstände des Beschwerdeführers keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung dorthin unzulässig machen würden, zumal sich die Verhältnisse dort seit der Erlassung des verfahrensgegenständlichen Bescheides am 06.10.2020 nicht wesentlich geändert haben. Eine Abschiebung erweist sich damit als rechtmäßig.
3.4. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Die belangte Behörde hat das gegenständliche Einreiseverbot auf den Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 4 und 5 FPG gestützt und mit dem Umstand begründet, dass der Beschwerdeführer, welcher drei rechtskräftige Vorstrafen im Zusammenhang mit Suchtgifthandel aufweist, zuletzt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden ist, auf Grund der von ihm begangenen Straftaten und seines bisherigen Fehlverhaltens eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, zumal er einem seit 2012 erlassenen Aufenthaltsverbot keine Folge leistet und im Bundesgebiet weder über einen gemeldeten Wohnsitz verfügt noch bisher jemals eine legale Beschäftigung ausgeübt hat.
Bei der Erstellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 3 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das, diesem zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230).
Der Beschwerdeführer wurde drei Mal wegen Verbrechen nach dem SMG, insbesondere wegen Suchtgifthandels verurteilt, aber auch wegen des Verbrechens der Verleumdung und des gewerbsmäßigen Diebstahles sowie des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Erschwerend kommt die einschlägigen Tatwiederholungen im Suchtgiftbereich und vor allem die Gewerbsmäßigkeit hinzu. Auch sonst erweist sich der gesamte Aufenthalt des Beschwerdeführers als rechtswidrig, beginnend mit seinem Auftreten unter einer falschen Identität und Nationalität und einem schon daraus resultierenden unberechtigten Asylantrag, dem beharrlichen Negieren eines 2012 erlassenen Aufenthaltsverbotes und des Fehlens eines ordentlich gemeldeten Wohnsitzes bzw. einer legalen Beschäftigung in Österreich.
Das vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten, beginnend schon zwei Monate nach seiner illegalen Einreise, stellen ohne Zweifel eine die öffentliche Sicherheit auf dem Gebiet des Fremdenwesens besonders schwer gefährdende und beeinträchtigende Form von Fehlverhalten dar (vgl. VwGH 23.3.1992, 92/18/0044; 22.2.2011, 2010/18/0417). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass die Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere von Suchtgiftdelikten, jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen in der Gesellschaft, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft (Schutz und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit) darstellt. Der VwGH hat in Bezug auf Suchtmitteldelinquenz wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH 22.11.2012, 2011/23/0556; 20.12.2012, 2011/23/0554; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 1.4.2019, Ra 2018/19/0643).
Die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie einer negativen Zukunftsprognose ist damit zweifelsfrei gerechtfertigt.
Die besondere Gefährlichkeit des Beschwerdeführers wird dabei durch den Umstand, dass er den Suchtgifthandel in organisierter Weise betrieb und damit auch seinen Lebensunterhalt bestritt, unterstrichen. Nicht umsonst hat das OLG XXXX die Haftstrafe seiner letzten Verurteilung auf 5 Jahre hinaufgesetzt. Das Ausmaß des vom Beschwerdeführer und seinen Mittätern zuletzt betriebenen Suchtgifthandels dokumentieren auch die bei ihm vorgefunden € 40.000 an Bargeld.
Der Beschwerdeführer hat von Anbeginn durch sein strafrechtliche und behördliche Rechtsnormen negierendes Verhalten massiv seinen Unwillen unter Beweis gestellt, in Österreich geltende Grundinteressen der Gesellschaft zu achten, weshalb in Zusammenschau des Verhaltens des Beschwerdeführers insbesondere in Anbetracht der Schwere der begangenen Straftaten von einer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefährdung auszugehen und eine Rückfälligkeit in strafrechtswidriges Verhalten seitens des Beschwerdeführers naheliegend ist. Angesichts seines bisherigen Lebenswandels ist jedenfalls die Prognose zulässig, dieser werde künftig weiterhin durch die Begehung strafbarer Handlungen im Bereich des Suchtgifthandels versuchen, sich eine Einnahmequelle zu verschaffen.
Ein berücksichtigungswürdiges privates Interesse oder ein schützenswertes Familienleben haben sich, wie im Zusammenhang mit der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung ausgeführt, nicht ergeben.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nur durch die Verhängung eines unbefristeten Einreiseverbotes effektiv begegnet werden kann. In der Gesamtschau der oben angeführten Umstände ist das Einreiseverbot als rechtmäßig und die festgesetzte Dauer als angemessen zu qualifizieren.
3.5. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V. und VI. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 55 Abs. 4 FPG ist von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Wie bereits dargelegt, erweist sich die sofortige Ausreise des unrechtmäßig in Österreich aufhältigen und massiv straffällig gewordenen Beschwerdeführers im Interesse der öffentlichen Ordnung (zur Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens) als erforderlich.
Dass der Beschwerdeführer vor einer Ausreise noch dringende persönliche Verhältnisse zu regeln hätte, die die Einräumung einer Frist für die freiwillige Ausreise erforderlich machen würden, wurde nicht behauptet. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung samt Nichtgewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise ist daher nicht zu beanstanden und war die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des angefochtenen Bescheides daher als unbegründet abzuweisen.
4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht knappe eineinhalb Monate liegen – die gebotene Aktualität auf. Der Sachverhalt ist aufgrund des vorliegenden Behördenaktes und der im Zusammenhang mit den sonstigen behördlichen und gerichtlichen Verfahren vorliegenden Entscheidungen in Verbindung mit der Beschwerde geklärt, weshalb keine neuen Beweise aufzunehmen waren und auch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nichts zu ändern vermag. Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall Einreiseverbot Gefährlichkeitsprognose Identität Interessenabwägung öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung sicherer Herkunftsstaat soziale Verhältnisse Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung SuchtmitteldeliktEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I408.1414669.3.00Im RIS seit
27.01.2021Zuletzt aktualisiert am
27.01.2021