TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/7 I403 2237511-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.12.2020
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Entscheidungsdatum

07.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2237511-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Vera WELD, Weihburggasse 4/40, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wird gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen.“

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkt II., III. und VI. wird als unbegründet abgewiesen.

III. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird teilweise Folge gegeben und festgelegt, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat: „Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.“

IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V., mit dem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, wird Folge gegeben und Spruchpunkt V. behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin wurde am 05.10.2017 nach der Ankunft eines aus Madrid kommenden Fluges kontrolliert. Sie war in Begleitung ihrer Mutter XXXX , einer aus Nigeria stammenden nigerianischen Staatsbürgerin. Die Beschwerdeführerin weigerte sich zunächst, sich auszuweisen; im Rahmen einer Durchsuchung ihrer Handtasche wurde ein ungarischer Konventionsreisepass gefunden, wobei festgestellt werden musste, dass es sich bei dem Lichtbild nicht um die Beschwerdeführerin handelte; der Pass lautete auch auf einen anderen als den im Spruch genannten Namen. Bei der Durchsuchung des Reisegepäcks wurden ein auf den im Spruch lautenden Namen und mit dem Lichtbild der Beschwerdeführerin versehener Reisepass, ausgestellt von der nigerianischen Botschaft in Wien, ebenso wie eine Heiratsurkunde mit einem ungarischen Staatsbürger gefunden. Bei Überprüfung der Datenbanken wurde festgestellt, dass die Beschwerdeführerin 2015 ein Visum für Schweden hatte und dass in Ungarn ein Einreise-/Aufenthaltsverbot gegen sie aufrecht ist.

Bei der darauffolgenden niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 06.10.2017 zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gab die Beschwerdeführerin an, den falschen ungarischen Reisepass verwendet zu haben, um zu ihrer in Österreich lebenden Familie zu kommen; von einem ungarischen Einreiseverbot wisse sie nichts, sie habe ein Visum gehabt und habe in der Slowakei studieren wollen, doch sei das Studentenvisum abgelaufen gewesen. Sie habe dann 2017 in Ungarn einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sei im April 2017 eigenständig nach Nigeria ausgereist. Nachdem sie erfahren habe, dass ihre Großmutter verstorben sei, habe sie das Land wieder verlassen. Am Ende der Einvernahme stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am folgenden Tag erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie bereits im Dezember 2015 nach Österreich gekommen sei, wo ihre Mutter und ihre Stiefschwester leben würden. Sie sei nach einer Woche nach Italien gefahren, wo sie sich bis März 2017 aufgehalten habe; dort habe sie ihren ungarischen Ehemann geheiratet. Nach einem kurzen Aufenthalt in Ungarn sei sie dann nach Nigeria zurück, wo sie einen Monat später wieder ausgereist sei. Nach Aufenthalten in Marokko und Spanien sei sie am 05.10.2017 in Österreich eingereist. Aus Nigeria sei sie geflüchtet, da sie in den Jahren 2013 und 2014 von ihrem damaligen Freund geschlagen worden sei. Sie habe bei ihrer Großmutter gelebt, deren Haus sei inzwischen zerstört und sie wisse nicht, wo sich ihre Großmutter befinde.

Das Verfahren wurde zugelassen und die Beschwerdeführerin am 15.11.2018 niederschriftlich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Die Beschwerdeführerin gab an, von ihrem ungarischen Ehemann getrennt zu leben und wiederholte, dass es im Jahr 2014 zu Misshandlungen durch ihren damaligen Freund gekommen sei. Sie sei dann wieder zu ihrer Großmutter nach Lagos gezogen, doch ihr Freund habe sie gesucht. Sie sei bei einer Freundin gewesen, die sie zur Prostitution habe überreden wollen. Auf Wunsch der Beschwerdeführerin wurde die Einvernahme unterbrochen und am 16.11.2018 durch eine weibliche Organwalterin fortgesetzt. Sie erklärte, dass sie nach ihrer Rückkehr aus Ungarn im Jahr 2017 in Ogun auf der Straße gelebt habe; sie sei dann bei einer Frau untergekommen, die als Prostituierte gearbeitet habe. Dort sei sie dann von zwei Männern vergewaltigt worden und habe das Land verlassen wollen. Sie habe Kontakt zu einer Frau aufgenommen, welche ihr eine Überfahrt nach Europa versprochen habe. Die Beschwerdeführerin habe einen Schwur abgelegt und dann in Spanien als Prostituierte arbeiten müssen, um das Geld zurückzuzahlen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 06.10.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, der Beschwerdeführerin die Flüchtlingseigenschaft, in eventu den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, in eventu die Abschiebung für unzulässig zu erklären oder in eventu die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Die Beschwerdeführerin sei als Opfer von Menschenhandel bei einer Rückkehr nach Nigeria insbesondere der Gefahr der Zwangsprostitution ausgesetzt.

Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.04.2019 vorgelegt. Am 13.08.2019 wurde am Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle XXXX , eine mündliche Verhandlung durchgeführt; die Beschwerdeführerin wurde unter Heranziehung einer Dolmetscherin für die englische Sprache einvernommen; sie wiederholte, Opfer von Frauenhandel zu sein. Nachdem ihre Mutter, die als Zeugin geladen war, nicht zur Verhandlung am 13.08.2019 erschienen war, wurde die Verhandlung am 25.10.2019 fortgesetzt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E, rechtskräftig am 22.11.2019, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Es wurde festgestellt, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer Anwerbung in Ogun und ihrer Verbringung nach Europa nicht glaubhaft sei. Sie leide zwar an psychischen Problemen und besuche eine Psychotherapie, doch sei nicht davon auszugehen, dass sie im Falle einer Rückkehr nach Nigeria in eine existentielle Notlage geraten werde, da sie in Nigeria über einen stabilen Familienverbund verfüge, den sie im Verfahren auf internationalen Schutz allerdings zu verheimlichen versucht habe.

Die Behandlung der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019 erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26.02.2020, E1/2020 abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Am 17.03.2020 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.10.2020 wurde der Antrag gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen (Spruchpunkt II.), und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde ihr keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.) Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt VI.).

Dagegen wurde fristgerecht am 11.11.2020 Beschwerde erhoben und diese dem Bundesverwaltungsgericht am 04.12.2020 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Nigerias. Die Identität der Beschwerdeführerin steht fest. Sie ist volljährig, Angehörige der Volksgruppe Igbo, stammt aus Utumu, Delta State, und lebte in Ibadan. Sie bekennt sich zum christlichen Glauben. Sie hat in Nigeria für 12 Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen.

Die Beschwerdeführerin wuchs in Nigeria bei Verwandten ihrer Mutter auf; ob ihr Vater noch lebt, kann nicht festgestellt werden. In Nigeria leben Tanten und Onkel, wahrscheinlich auch die ältere Schwester der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin hat zudem telefonisch Kontakt zu Freunden in Nigeria.

Ihre Mutter stammt aus Nigeria, ist inzwischen aber österreichische Staatsbürgerin und lebt seit 1999 in XXXX . Hier lebt auch ihre elfjährige Halbschwester. Die Beschwerdeführerin wohnt aktuell mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester zusammen.

Die Beschwerdeführerin heiratete am XXXX .2016 in Italien einen ungarischen Staatsbürger, doch ist die Beziehung nicht aufrecht.

Die Beschwerdeführerin reiste erstmals im Dezember 2015 mit einem Visum nach Österreich ein; sie hielt sich in der Folge in Italien, Spanien und Ungarn auf, ehe sie am 05.10.2017 wieder nach Österreich einreiste. Bei der Einreise nach Österreich am 05.10.2017 fand sich in ihrer Handtasche ein ungarischer Konventionsreisepass, dessen Lichtbild allerdings nicht mit der Beschwerdeführerin übereinstimmte. In ihrem Handgepäck fand sich ihr nigerianischer Reisepass in der Kleidung versteckt.

Der exakte Zeitraum ihres Aufenthaltes in Österreich kann nicht bestimmt werden; ihren Angaben nach war sie vor ihrer (Wieder-)Einreise im Oktober 2017 nur kurz in Österreich wohnhaft.

Der Beschwerdeführerin droht keine Gefahr, in Nigeria verfolgt zu werden oder in eine existentielle Notlage zu geraten.

Die Beschwerdeführerin leidet an psychischen Problemen und besucht eine Psychotherapie.

1.2. Zur Änderung des Sachverhaltes seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes am 22.11.2020:

Im letzten Jahr hat die Beschwerdeführerin ihre Deutschkenntnisse durch den Besuch eines B1-Kurses verbessert; zudem hat sich ihr Aufenthalt um etwa 12 Monate verlängert, allerdings war die Beschwerdeführerin in dieser Zeit unrechtmäßig im Bundesgebiet. Sonstige wesentliche Änderungen im Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin in den letzten zwölf Monaten wurden nicht behauptet.

1.3. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes:

Die Beschwerdeführerin ist mittellos. Sie verblieb nach Rechtskraft der mit dem Vorerkenntnis verhängten Rückkehrentscheidung am 22.11.2020 im Bundesgebiet und kam ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Insbesondere wurden die Antragsbegründung, die schriftliche Stellungnahme vom 15.05.2020 und der Beschwerdeschriftsatz der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin berücksichtigt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Da die Beschwerdeführerin den österreichischen Behörden einen Reisepass vorlegen konnte, steht ihre Identität zweifelsfrei fest. Ihre Eheschließung mit einem ungarischen Staatsbürger steht durch Vorlage einer italienischen Heiratsurkunde fest. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 07.12.2020.

Die Feststellungen zu ihrer Einreise nach Österreich, zu ihrer Ehe mit einem ungarischen Staatsbürger, zu ihrem Leben und ihrer Familie in Nigeria ergeben sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E. In diesem Erkenntnis wurde ebenfalls bereits festgestellt, dass die Beschwerdeführerin an psychischen Problemen leidet und eine Psychotherapie besucht. Der im gegenständlichen Verfahren vorgelegte „Fachärztliche Befundbericht“ vom 22.08.2019 wurde bereits im Vorverfahren berücksichtigt, eine Änderung des Gesundheitszustandes wurde somit weder behauptet noch dargelegt.

Ebenso wie im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019 wurde auch im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass die Beschwerdeführerin keine Beziehung mit ihrem ungarischen Ehemann führt. Dem wurde mit der Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten, sondern nur darauf verwiesen, dass der in Ungarn befindliche Ehemann der Beschwerdeführerin aufgrund der durch die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie erlassenen Reisebeschränkungen der Beschwerdeführerin nicht behilflich sein könne. Dass im letzten Jahr eine Wiederbelebung der Beziehung stattgefunden hätte oder der Ehemann sich in Österreich befinden würde, wurde nicht vorgebracht.

2.3. Zur Änderung des Sachverhaltes seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2020, mit dem eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde:

2.3.1. Zum Privatleben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E wurde zum Privatleben der Beschwerdeführerin ausgeführt: „Die Beschwerdeführerin lebt aktuell mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester zusammen. Sie hat Deutschkurse besucht und die A2 Prüfung abgelegt. Sie ist auch ehrenamtlich tätig. Sie hält sich seit etwa vier Jahren in Europa auf, doch war sie in dieser Zeit in mehreren Mitgliedstaaten. Der exakte Zeitraum ihres Aufenthaltes in Österreich kann nicht bestimmt werden; ihren Angaben nach war sie vor ihrer Einreise im Oktober 2017 nur kurz in Österreich wohnhaft.“

Berücksichtigt wurden dabei die folgenden Unterlagen:

-        ÖSD-Zertifikat A1 vom 26.06.2018

-        ÖSD-Integrationsprüfung A2 vom 21.05.2019

-        Kursbesuchsbestätigung „Berufsorientierung“ vom 07.05.2018 bis 29.06.2018

-        Bestätigung der Teilnahme am Kurs „Start XXXX , Integration ab Tag 1“ vom 21.08.2018 bis 14.11.2018

-        Einstellungszusage der XXXX KG vom 30.06.2018

-        Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit bei XXXX KG vom 01.03.2018 bis 31.05.2018

-        Bestätigung über eine ehrenamtliche Tätigkeit ab April 2019 im Ausmaß von 4 bis 10 Stunden wöchentlich beim XXXX Hilfswerk

-        Empfehlungsschreiben einer Deutschtrainerin vom 12.08.2019

-        Anmeldung für den B1-Deutschkurs vom 15.07.2019 bis 11.10.2019

-        Kursbesuchsbestätigung „Werte- und Orientierungskurs“ vom 03.01.2019

Im gegenständlichen Verfahren wurden ergänzend die folgenden Unterlagen vorgelegt:

-        Kopie der E-Card der Beschwerdeführerin

-        Bestätigung der Teilnahme am B1-Deutschkurs vom 15.07.2019 bis 15.10.2019

-        Bestätigung der ehrenamtlichen Mitarbeit bei Projekten der Akademie für bildende Künste im Jahr 2019 (ausgestellt am 27.12.2019) und Empfehlungsschreiben einer an der Akademie der bildenden Künste Lehrenden vom 01.02.2020

Aus diesen Unterlagen ergibt sich keine wesentliche Änderung des in Österreich geführten Privatlebens der Beschwerdeführerin: Sie hat einen B1-Kurs absolviert und ist von einer Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse auszugehen, doch ist dies nur eine Fortsetzung ihrer bereits im Vorverfahren gezeigten Bemühungen, die deutsche Sprache zu erlernen. Dass sie sich nunmehr etwa zwölf Monate länger in Österreich aufhält, wird wesentlich dadurch relativiert, dass dieser Aufenthalt zur Gänze unrechtmäßig war. Soweit in der Beschwerde erklärt wird, ihr käme seit der Stellung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK ein „Bleiberecht“ zu, widerspricht dies der geltenden Rechtslage.

Soweit in einer schriftlichen Stellungnahme vom 15.05.2020 darauf verwiesen wird, dass die Beschwerdeführerin „ein höheres Bildungsniveau und demnach bessere Chancen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen“ habe, wird damit keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes aufgezeigt, zumal sich das „höhere Bildungsniveau“ auf den Besuch eines B1-Kurses beschränkt.

In der Beschwerde wurde, ohne dies allerdings mit Unterlagen zu belegen, behauptet, dass die Beschwerdeführerin die Möglichkeit habe, in Österreich den Hauptschulabschluss nachzuholen; der Wunsch nach einer entsprechenden Ausbildung bzw. einem Schulabschluss vermag aber ebenfalls keine wesentliche Änderung des Sachverhaltes gegenüber den Umständen, die vor etwa einem Jahr dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E zugrundegelegt wurden, aufzuzeigen. Dass sie ehrenamtlich tätig ist, war bereits im Vorverfahren berücksichtigt worden.

Zusammengefasst kann daher keine wesentliche Änderung im Privatleben der Beschwerdeführerin gegenüber jenen Umständen, die vor etwa einem Jahr dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E zugrundegelegt wurden, erkannt werden.

2.3.2. Zum Familienleben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Hinsichtlich des in Österreich geführten Familienlebens ergab sich seit Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E ebenfalls keine Änderung; in diesem Erkenntnis war berücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführerin in Österreich mit ihrer Mutter und ihrer Halbschwester, beide österreichische Staatsbürgerinnen, zusammenlebt.

Auch im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass sich seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (welche am 22.11.2019 eintrat und nicht wie von der belangten Behörde mit dem 26.02.2020 und damit mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes) die familiären Verhältnisse der Beschwerdeführerin nicht geändert haben. Dem wurde mit dem Beschwerdeschriftsatz auch nicht entgegengetreten, vielmehr wurde eine Trennung von ihrer Mutter und ihrer Halbschwester nicht als zumutbar angesehen und vorgebracht: „Die Beschwerdeführerin hatte bis dahin der Stimme ihres Herzens und allen Geboten des von Gott und dem Naturrecht gebotenen, schon durch die Vernunft einleuchtenden Zusammengehörigkeitsgefühls von Eltern/Kindern bzw. Geschwistern tapfer standgehalten und war nicht einfach in Österreich eingereist. Nun aber konnte sie nicht anders, zumal sie in Nigeria überhaupt keine Zukunft hatte und für sie (wie für jeden vernünftig fühlenden Menschen) unverständlich war, dass ihr unter diesen Umständen eine Vereinigung mit ihren Liebsten nicht möglich sein sollte. Unter großer Anstrengung schaffte es die Beschwerdeführerin daher, im November 2015 zu ihren nächsten Blutsverwandten nach Österreich zu gelangen, und hat sie (sich) seitdem, mit kurzer Unterbrechung von 2016 bis zum 05. Oktober 2017, in Österreich bei ihrer Mutter und ihrer Halbschwester aufgehalten.“

Abgesehen davon, dass es in diesem Zusammenhang bemerkenswert erscheint, dass die Beschwerdeführerin sich erst im Oktober 2017 und damit erst zwei Jahre nach ihrer Einreise in die Europäische Union im November 2015 tatsächlich bei ihrer Mutter und ihrer Halbschwester niederließ, wird mit diesem Vorbringen keine Änderung des Sachverhaltes gegenüber dem Vorerkenntnis vom 21.11.2019 aufgezeigt. In diesem Erkenntnis war bereits festgestellt worden, dass eine Trennung der Beschwerdeführerin von ihrer in Österreich lebenden Mutter und Halbschwester sehr wohl zumutbar ist.

Zusammengefasst kann daher keine wesentliche Änderung im Familienleben der Beschwerdeführerin gegenüber jenen Umständen, die vor etwa einem Jahr dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E zugrundegelegt wurden, erkannt werden.

2.4. Zur Frage einer Rückkehr nach Nigeria:

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria nicht verfolgt wird und ihr dort keine existentielle Notlage droht, ergibt sich aus dem rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E.

In ihrer Antragsbegründung verwies die Beschwerdeführerin allerdings darauf, dass sie in Nigeria nach dem Tod ihrer Großmutter keine Bezugspersonen mehr habe. Es wurde aber bereits im rechtskräftigen Erkenntnis vom 21.11.2019 festgestellt, dass die Beschwerdeführerin versucht, ihre Verwandtschaft in Nigeria zu verschleiern, dass eine solche aber sehr wohl existiert. Eine diesbezügliche Änderung der Umstände wurde von der Beschwerdeführerin nicht bewiesen und auch nicht behauptet.

Nach Übermittlung der aktuellen Länderfeststellungen zu Nigeria wurde in einer Stellungnahme vom 15.05.2020 erklärt, dass Flugreisen (aufgrund der zu diesem Zeitpunkt in Kraft befindlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie) untersagt seien. Daraus ergibt sich aber keine Gefährdung der Beschwerdeführerin in Nigeria; zudem sind staatlich organisierte Flüge zur Organisierung der Abschiebung durchaus möglich.

Soweit in der Stellungnahme weiter ausgeführt wurde, dass es sowohl aufgrund des „eigenen gesundheitlichen Wohls der Antragstellerin betreffend als auch zum Schutz der österreichischen Bevölkerung“ nicht im Sinne der Behörde sein könne, der Beschwerdeführerin eine Rückkehr aufzuzwingen, erschließt es sich dem Gericht nicht, inwieweit eine Rückkehr der in Österreich unrechtmäßig aufhältigen Beschwerdeführerin nach Nigeria dem Schutz der österreichischen Bevölkerung zuwiderlaufen würde. Eine Beeinträchtigung des gesundheitlichen Wohls der Beschwerdeführerin durch eine Rückkehr ist ebenfalls nicht gegeben, gehört die Beschwerdeführerin doch zu keiner Risikogruppe der Covid-19-Pandemie und liegen zudem die Fallzahlen in Nigeria weit unter jenen Österreichs.

Entsprechend wurde auch im angefochtenen Bescheid festgestellt, dass keine Gründe gegen eine Abschiebung und eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Nigeria sprechen.

2.5. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbotes:

Die belangte Behörde begründete die Erlassung eines Einreiseverbotes damit, dass die Beschwerdeführerin in Österreich keiner Beschäftigung nachgehe und Leistungen aus der Grundversorgung beziehe und somit mittellos sei. Der Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus einem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung (erstellt am 07.12.2020) und blieb auch in der Beschwerde unbestritten.

Soweit im Verfahren vorgebracht wurde, dass die Beschwerdeführerin von ihrer Mutter finanziert werde, ist dem entgegenzuhalten, dass ihre Mutter laut SVA-Auszug Notstandshilfe bezieht. Mit der Antragsbegründung wurde zudem eine Mitteilung des AMS über den Anspruch der Mutter der Beschwerdeführerin auf Notstandshilfe vom 13.12.2019 vorgelegt. Eine nachhaltige und umfassende finanzielle Unterstützung, unabhängig von Leistungen der Gebietskörperschaften, kann damit nicht nachgewiesen werden.

Mit der Antragsbegründung wurde außerdem ein notariell beglaubigtes Formular, betitelt als „Patenschaftserklärung“, vorgelegt, wonach der religiöse Verein „ XXXX Ministries“ der Beschwerdeführerin 5.000 Euro zur Verfügung stelle. Die belangte Behörde machte im angefochtenen Bescheid darauf aufmerksam, dass § 2 Abs. 1 Z 18 NAG, auf den sich die Patenschaftserklärung bezieht, nicht mehr zum Rechtsbestand gehört. Aktuell finden sich die Rechtsgrundlagen in § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 iVm § 56 AsylG 2005.

Nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 ist eine Patenschaftserklärung: „die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte und für mindestens drei Jahre gültige Erklärung Dritter mit Wohnsitz oder Sitz im Inland, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden im Bundesgebiet sowie bei der Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung, eines Aufenthaltsverbotes, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung, der Vollziehung der Schubhaft oder als Aufwendung für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG, BGBl. I Nr. 80/2004, umsetzt, entstehen; die die Leistungsfähigkeit des Dritten begründenden Mittel sind in der Patenschaftserklärung zu bezeichnen; deren Vorhandensein ist durch geeignete Nachweise zum Zeitpunkt der Erklärung zu belegen; Mittel der öffentlichen Hand sind jedenfalls keine tauglichen Mittel, um die Leistungsfähigkeit des Dritten zu begründen; Vereinbarungen im Zusammenhang mit der Patenschaftserklärung, wonach dem Dritten oder einem anderen eine Leistung oder ein sonstiger Vorteil versprochen oder verschafft werden soll, sind nichtig.“

Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin aber auch nach Vorlage dieser Patenschaftserklärung ihre Krankenversicherung, Miete und Verpflegung über die Grundversorgung erhielt, ergibt sich eben gerade, dass der religiöse Verein nicht für die Erfordernisse einer alle Risiken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommt. Zudem ist es durch die Begrenzung auf 5.000 Euro nicht möglich, dem Bund für den Ersatz jener Kosten zu haften, die durch den Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet entstehen. Die vorgelegte Patenschaftserklärung kann daher die Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin nicht entkräften.

Darüber hinaus wurde der Beschwerdeführerin von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid vorgeworfen, dass sie unrechtmäßig ins Bundesgebiet eingereist und ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Auch dies blieb in der Beschwerde unbestritten und ergibt sich eindeutig aus dem Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Ab-/Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids):

Der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin war mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E, rechtskräftig am 22.11.2019, abgewiesen und gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Am 17.03.2020 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28.10.2020 wurde der Antrag gemäß § 55 AsylG abgewiesen.

Wie bereits festgestellt wurde, haben sich die Umstände hinsichtlich des Privat- und Familienlebens der Beschwerdeführerin aber seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung am 22.11.2019 nicht wesentlich geändert. Daher wäre aus Sicht der erkennenden Richterin von der belangten Behörde die Anwendung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zu prüfen gewesen.

§ 58 Abs. 10 erster Satz AsylG 2005 lautet:

Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht.

Der dargestellte Zurückweisungstatbestand ist der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildet. Nach der - ausdrücklich auch für § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als maßgeblich erklärten - Judikatur zur Vorgängerbestimmung (§ 44b Abs. 1 NAG) liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt schon dann vor, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (siehe zuletzt VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0102, Rn. 10).

Die Beschwerdeführerin hat seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidung einen weiteren Deutschkurs besucht und so ihre Deutschkenntnisse verbessert. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes macht dies aber selbst bei einem Zeitablauf von knapp zwei Jahren seit der letzten Rückkehrentscheidung (im gegenständlichen Fall ist dagegen erst ein Jahr vergangen) eine Neubewertung der Abwägung im Sinn des Art. 8 EMRK nicht notwendig (VwGH, 26.06.2020, Ra 2017/22/0183). Bei den gegenständlich geltend gemachten Umständen (in Form von verbesserten Deutschkenntnissen) liegt daher bei einem Zeitablauf von zwölf Monaten keine wesentliche Sachverhaltsänderung vor, die eine Neubeurteilung auf der Grundlage des Art. 8 EMRK erfordert hätte.

In einem ähnlich gelagerten Fall, bei dem die Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eineinhalb Jahre zurücklag, hatte der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, angesichts der kaum geänderten Umstände (außer einem längeren Inlandsaufenthalt nur die abgelegte Deutsch-Prüfung für das Niveau B1 sowie die Betätigung in einem afrikanischen Kulturverein) die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzuweisen, bestätigt (VwGH, 04.03.2020, Ra 2020/21/0051).

Im gegenständlichen Fall ist angesichts des im wesentlichen unveränderten Sachverhalts eine abweichende Beurteilung nach Art 8 EMRK ausgeschlossen; die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher mit der Maßgabe abzuweisen, dass der Antrag zurückzuweisen gewesen wäre.

3.2. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Im gegenständlichen Fall verfügt die Beschwerdeführerin über ein Familienleben in Österreich, befinden sich doch ihre Mutter und ihre Halbschwester hier. Allerdings lebte die Beschwerdeführerin den Großteil ihres Lebens von ihrer Mutter getrennt und ist sie volljährig, so dass eine Trennung – die durch Besuche der Mutter in Nigeria unterbrochen werden kann – zumutbar ist. Die Beschwerdeführerin ist mit einem ungarischen Staatsbürger verheiratet, lebt aber von diesem getrennt, so dass eine Rückkehr nach Nigeria sich diesbezüglich nicht auswirkt.

Zu prüfen ist auch ein etwaiger Eingriff in das Privatleben. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Dazu ist zunächst die Aufenthaltsdauer heranzuziehen. Die Beschwerdeführerin reiste im Oktober 2017 nach Österreich ein und hält sich damit seit rund drei Jahren hier auf. Ende 2015/Anfang 2016 hielt sie sich für einen kurzen Zeitraum ebenfalls im Bundesgebiet auf.

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von etwa drei Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin das Interesse an der Achtung ihres Privatlebens überwiegt. Es liegen Aspekte einer Integration vor, so hat die Beschwerdeführerin begonnen Deutsch zu lernen und arbeitet ehrenamtlich, doch eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung kann daraus noch nicht geschlossen werden.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Das Bundesverwaltungsgericht schließt nicht aus, dass es einen psychischen Stress für die Beschwerdeführerin bedeutet, in ihr Herkunftsland zurückzukehren; eine unmittelbare Eigen- oder Fremdgefährdung kam allerdings nicht hervor und wurde auch nicht behauptet. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass die Beschwerdeführerin in Nigeria über ein soziales und familiäres Netzwerk verfügt, wird sie nach ihrer Rückkehr Unterstützung erfahren, so dass auch aus diesem Blickwinkel ihr Interesse an einem Verbleib in Österreich nicht das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen überwiegt.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.11.2019, I403 2217864-1/23E wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria zulässig ist und dass ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist. Diesbezüglich ist darauf zu verweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist, was es verunmöglicht, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse vom 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und vom 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Im gegenständlichen Verfahren wurde nichts substantiiert vorgebracht, was nahelegen würde, dass – entgegen der Sachlage vor etwa einem Jahr - nunmehr für den Fall einer Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Nigeria eine Verletzung der in Art. 2, 3 oder 8 EMRK geschützten Rechte anzunehmen wäre.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.4. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

Der mit „Frist für die freiwillige Ausreise“ überschriebene § 55 FPG lautet:

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.

Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt. Allerdings wird mit gegenständlichem Erkenntnis Spruchpunkt V., mit dem einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, behoben, so dass § 55 Abs. 4 FPG keine Anwendung findet.

Generell beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung, sofern nicht festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

In der Beschwerde wurde behauptet, das solche „besonderen Umstände“ bei der Beschwerdeführerin vorliegen würden. Dies wurde damit begründet, dass sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, welche sich bei einer rasch erforderlichen Ausreise verschlechtern würde; „es würde zumindest eines Jahres bedürfen, um die Beschwerdeführerin mit entsprechendem Coaching auf eine Verwurzelung aus Österreich ins ferne Nigeria, wo sie seit 2017 nicht mehr aufhältig war, vorzubereiten“. Es wäre ein Zeitraum von einem Jahr erforderlich, um die freiwillige Ausreise zu organisieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings bereits festgehalten, dass es sich bei den in § 55 Abs. 2 und 3 FPG genannten „besonderen Umständen“, die gegebenenfalls im Rahmen der gebotenen Abwägung zu einer Festsetzung der Frist für die freiwillige Ausreise über 14 Tage hinaus führen können, ohnehin nur um solche handeln kann, die bei der Regelung der persönlichen Verhältnisse im Zusammenhang mit der Vorbereitung und Organisation der freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen sind (vgl. VwGH 20.2.2014, 2013/21/0114; vgl näher zu der nach § 55 FPG zu setzenden Frist VwGH 16.5.2013, 2012/21/0072, mwN).

Ein einjähriges „Coaching“, um einen Drittstaatsangehörigen auf eine Rückkehr in seinen Herkunftsstaat vorzubereiten, kann nicht als erforderlich angesehen werden, um die freiwillige Ausreise vorzubereiten und zu organisieren, zumal die Beschwerdeführerin trotz einer vor mehr als einem Jahr rechtskräftig gewordenen Rückkehrentscheidung das Bundesgebiet bislang nicht verlassen hat.

Es war daher eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise zu gewähren.

3.5. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es nicht, zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise eines Fremden auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Fremden zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren (vgl. VwGH, 04.04.2019, Ra 2019/21/0053 mwN).

Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung betreffend die Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind. Derartige Umstände, die nicht nur ein öffentliches Interesse an der Aufenthaltsbeendigung begründen, sondern darüber hinaus ihren sofortigen Vollzug erfordern, hat das BFA mit dem Verweis auf den „beharrlichen“ Verbleib der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und ihre Mittellosigkeit nicht aufgezeigt.

Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides war daher zu beheben.

3.6. Zum Einreiseverbot (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

Mit Spruchpunkt VI. wurde gegen die Beschwerdeführerin auf Basis des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist in seiner Rechtsprechung darauf, dass der bloße unrechtmäßige Aufenthalt eines Fremden nach dem System der Rückführungsrichtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung darstellt, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbotes gebieten würde, dieses jedoch bei Hinzutreten weiterer Faktoren wie dem Nichtnachkommen einer Ausreiseverpflichtung oder Mittellosigkeit des Fremden durchaus geboten sein kann (VwGH, 24.05.2018, Ra 2018/19/0125).

Im vorliegenden Fall ist die Verhängung eines Einreiseverbots gegen die Beschwerdeführerin als angemessen zu erachten.

Beizupflichten ist zunächst der behördlichen Feststellung des Umstandes der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin iSd § 53 Abs. 2 Z 6 FPG. Nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen insbesondere auch dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung - unter Berufung auf Judikatur zu gleichgelagerten Vorläuferbestimmungen - festgehalten, dass ein Fremder initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen hat, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, dass sie selbst über irgendwelche Mittel zur Sicherung ihres Lebensbedarfes verfügt. Soweit sie sich auf eine Unterstützung durch ihre Mutter beruft, ist diese selbst auf die Notstandshilfe angewiesen. Zudem reicht eine freiwillige Unterstützung durch die Familie nicht aus, um von keiner Mittellosigkeit auszugehen (VwGH, 09.07.2020, Ra 2020/21/0257).

Die Vorlage der auf 5.000 Euro beschränkten Patenschaftserklärung kann ebenso nichts an der Feststellung der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin ändern: § 56 AsylG 2005 sieht unter den dort näher genannten Bedingungen die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen vor. Nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 dürfen Aufenthaltstitel nach dieser Bestimmung insbesondere nur dann erteilt werden, wenn 1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird, 2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist und 3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte. Gemäß § 56 Abs. 3 AsylG 2005 kann der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 erbracht werden.

Eine Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 steht im Sinn dieser Bestimmungen daher in engem Zusammenhang mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005; dieser ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und wären die Voraussetzungen (insbesondere die Aufenthaltsdauer) auch nicht erfüllt. Die Patenschaftserklärung nach § 2 Abs. 1 Z 26 AsylG 2005 dient nämlich im Sinn des § 56 Abs. 3 AsylG 2005 dazu, das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 zu substituieren (vgl. idS Knasmüller, Rechtsnatur und Wirksamkeit der „Patenschaftserklärung“, SIAK-Journal 2/2011 [29]). Dass die Patenschaftserklärung auch unabhängig von der Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels eine Haftung begründen soll, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (vgl. zu den im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerbestimmungen §§ 2 Abs. 1 Z 18 und 44 Abs. 4 NAG idF vor dem FrÄG 2011 VwGH 29.2.2012, 2010/21/0255).

Es ergibt sich daher im vorliegenden Fall trotz der Vorlage der Patenschaftserklärung nicht, dass der Unterhalt der Beschwerdeführerin für ihren weiteren Aufenthalt im Inland bzw. für den Fall einer erneuten Einreise gesichert wäre (VwGH, 19.06.2020, Ra 2019/19/0436). Zudem wurde trotz Ausstellung der Patenschaftserklärung im März 2020 bislang dennoch Grundversorgung von der Beschwerdeführerin bezogen.

Damit kann aber die Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit, die sich aus der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin ergibt und der durch ein Einreiseverbot nach § 53 Abs. 2 Z 6 FPG entgegengetreten werden soll, durch die Patenschaftserklärung nicht beseitigt werden.

Zudem war die Beschwerdeführerin ihrer Ausreiseverpflichtung seit über einem Jahr nicht nachgekommen, sondern verblieb sie unrechtmäßig und beharrlich im Bundesgebiet. Auch aus dieser Missachtung der fremdenrechtlichen Vorschriften ergibt sich eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

Die Verhängung eines Einreiseverbotes erscheint daher gerechtfertigt und ist auch die Dauer von drei Jahren nicht zu beanstanden. Dabei wird nicht verkannt, dass die Mutter und die Halbschwester der Beschwerdeführerin in Österreich leben, doch besteht erstens erst seit drei Jahren ein gemeinsames Familienleben, auf das sich aber aufgrund des unsicheren Aufenthalts der Beschwerdeführerin niemand verlassen konnte, und kann die Beziehung zweitens wieder durch moderne Kommunikationsmedien und Besuche der Mutter bzw. Halbschwester in Nigeria aufrechterhalten werden.

Eine kürzere Dauer des Einreiseverbotes brächte die Gefahr mit sich, dass die Beschwerdeführerin nach Ablauf dessen erneut versuchen würde, ohne entsprechende Einreise- bzw. Aufenthaltsbewilligung nach Österreich zu kommen und sich etwa nochmals durch das Stellen eines ungerechtfertigten Antrags auf internationalen Schutz eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu sichern. Bereits 2009 hatte die Mutter der Beschwerdeführerin (wobei deren Verwandtschaftsverhältnis im damaligen Verfahren nicht festgestellt werden konnte) einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel für die Beschwerdeführerin gestellt, der aber im Oktober 2013 abgewiesen worden war. 2015 reiste die Beschwerdeführerin dennoch nach Österreich ein, hielt sich dann aber die nächsten zwei Jahre in anderen Staaten der Europäischen Union auf und kehrte erst im Herbst 2017 unter Verwendung eines gefälschten Ausweises nach Österreich zurück, wo sie einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Nach dessen Abweisung verblieb die Beschwerdeführerin trotz rechtskräftiger Rückkehrentscheidung (und Vorliegen eines ungarischen Einreiseverbotes) im Bundesgebiet und stellte wenige Monate später den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK. Aus diesem Verhalten ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin bereits in der Vergangenheit nicht davor zurückgeschreckt ist, sich auch ohne entsprechende Einreise- bzw. Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet niederzulassen. Es erscheint daher angemessen, mit einem Einreiseverbot in der Dauer von drei Jahren die Gefahr hintanzuhalten, dass die Beschwerdeführerin erneut unrechtmäßig nach Österreich einreist; innerhalb von drei Jahren sollte es der Beschwerdeführerin, die in Nigeria über Verwandte verfügt, möglich sein, sich dort eine Existenz aufzubauen, so dass dann von einer geringeren Gefährdung auszugehen ist.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf von der Beschwerdeführerin unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die - unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde.

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ("Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht bei einer Zurückweisung eines Antrages ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014). Gegenständlich war der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK zurückzuweisen; über die anderen Spruchpunkte (mit Ausnahme des Einreiseverbots) wurde bereits mit dem Vorerkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2019 abgesprochen und wurden keine Änderung des Sachverhalts oder der Rechtslage behauptet.

In einem ähnlich gelagerten Fall war es vom Verwaltungsgerichtshof als unbedenklich angesehen worden, dass das BVwG gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen hat (VwGH, 04.03.2020, Ra 2020/21/0051).

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK aufschiebende Wirkung Ausreiseverpflichtung Einreiseverbot freiwillige Ausreise Frist Gefährdungsprognose Interessenabwägung Maßgabe Mittellosigkeit öffentliche Interessen öffentliche Ordnung öffentliche Sicherheit Pandemie Privat- und Familienleben psychische Störung Rückkehrentscheidung soziale Verhältnisse Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2237511.1.00

Im RIS seit

27.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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