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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. November 1994, Zl. SD 1127/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 18. November 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Bangladesh gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Dem Beschwerdeführer sei es weder im Asylverfahren noch im vorliegenden Verfahren gelungen, seine Identität nachzuweisen. Ein derartiger Nachweis wäre nur dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer einen echten amtlichen Lichtbildausweis vorgelegt oder Identitätszeugen namhaft gemacht hätte. Hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers habe bereits die Erstbehörde zutreffend auf die Widersprüche zwischen den Ausführungen des Beschwerdeführers im Asylverfahren und jenen im gegenständlichen Verfahren hingewiesen. So habe der Beschwerdeführer im Asylverfahren behauptet, daß ihm in Rumänien sein Reisepaß abgenommen worden sei, während er im vorliegenden Verfahren angegeben habe, nie ein Reisedokument besessen zu haben. Im vorliegenden Verfahren habe der Beschwerdeführer ausgesagt, als Aktivist der Jatiya Partei in Zusammenstöße mit der Regierungspartei verwickelt gewesen zu sein, bei denen zwei Personen getötet worden wären. Aus diesem Grund wäre gegen ihn ein Haftbefehl wegen illegalen Waffenbesitzes und Mordes erlassen worden. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer hingegen einen Haftbefehl überhaupt nicht erwähnt.
Schon anläßlich seiner Einvernahme im Asylverfahren habe sich der Beschwerdeführer in Widersprüche verwickelt. So habe er zunächst behauptet, seit 28. oder 29. Mai 1992 Parteimitglied und am 17. Juni 1992 nach Österreich eingereist zu sein. Kurz darauf habe er jedoch ausgesagt, bereits seit 1986 Mitglied der Partei gewesen zu sein, welche vorher allerdings einen anderen Namen gehabt hätte. Der Beschwerdeführer habe einerseits die Behauptung aufgestellt, im Jahre 1990 von Regierungsbeamten aufgesucht und bedroht worden zu sein, während er im nachfolgenden Satz zugegeben habe, daß es sich hiebei nur um eine Vermutung gehandelt hätte. Weiters habe der Beschwerdeführer behauptet, die Polizei hätte zweimal, andere Beamte noch öfter, nach ihm gesucht. An anderer Stelle habe er behauptet, daß ihm von Regierungsbeamten gesagt worden wäre, daß er geschlagen und inhaftiert würde, falls er noch eine weitere Demonstration organisiere. Der Beschwerdeführer habe einerseits ausgesagt, nur einfaches Parteimitglied gewesen zu sein, während er an anderer Stelle behauptet habe, für die Partei Demonstrationen organisiert und geleitet zu haben. Einmal habe der Beschwerdeführer behauptet, es wäre ihm gedroht worden, im Falle weiterer Demonstrationen lebenslange Haft verbüßen zu müssen, ein anderes Mal habe er ausgeführt, für diesen Fall mit seiner Ermordung bedroht worden zu sein. Es sei unklar geblieben, ob der Beschwerdeführer nach dieser Drohung noch weitere Demonstrationen veranstaltet habe, weil er dies an einer Stelle bejahe und an anderer Stelle verneint habe.
Aufgrund dieser immer wieder abweichenden Angaben, welche berechtigte Zweifel an der Richtigkeit seiner Darstellung aufkommen ließen, sei es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine Verfolgung glaubhaft zu machen. Der angebliche Haftbefehl stelle keine Verfolgung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG dar, weil Mord und illegaler Waffenbesitz überall strafrechtlich verfolgt würden.
Im übrigen ergebe sich aus einschlägigen Berichten "diverser Menschenrechtsorganisationen", daß in Bangladesh eine systematische Verfolgung von Mitgliedern der Jatiya Partei nicht stattfinde.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab (Beschluß vom 25. September 1995, B 2751/94-9) und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 20. November 1995, B 2751/94-11).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 94/18/1173).
3. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides (oben, Pkt. I. 1.) ergibt sich, daß die belangte Behörde den Angaben des Beschwerdeführers insgesamt keinen Glauben geschenkt hat. Diese Beweiswürdigung hat sie auf Widersprüche und Ungereimtheiten in den Angaben des Beschwerdeführers gestützt. Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer den im Antrag nach § 54 Abs. 1 FrG erwähnten Haftbefehl, sollte er tatsächlich vorliegen, im Asylverfahren jedenfalls zur Dartuung seiner begründeten Verfolgung erwähnt hätte, widerspricht nicht der Lebenserfahrung. Es sei erwähnt, daß dieses Argument für die Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers noch dadurch verstärkt wird, daß der Beschwerdeführer in der Berufung ausgeführt hat, es lägen zwei Haftbefehle vor, welche sich sogar in Österreich befänden (aber nicht vorgelegt wurden). Das in diesem Zusammenhang erstattete Beschwerdevorbringen, die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer "im Verfahren vorgebrachte Details" auch bereits im Asylverfahren hätte erwähnen können, sei aktenwidrig, geht schon deshalb ins Leere, weil es sich hiebei um keine Tatsachenfeststellung handelt.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner Vernehmung im Asylverfahren am 26. Juni 1992 ausgeführt, der Schlepper habe ihm in Rumänien den Reisepaß abgenommen, während er bei seiner niederschriftlichen Vernehmung im vorliegenden Verfahren am 24. Oktober 1994 ausführte, noch niemals ein Reisedokument besessen zu haben. Er hat bei der Vernehmung am 26. Juni 1992 ausgesagt, nur einfaches Parteimitglied gewesen zu sein und keine Funktion in der Partei bekleidet zu haben. Später vermeinte er dann, für diese Partei mehrmals Demonstrationen organisiert und geleitet zu haben. Er habe bei diesen insgesamt 50 bis 100 Demonstrationen jeweils auch eine Rede gehalten. Sein Name sei daher auch in der Zeitung gestanden. Er führte zunächst aus, daß ihm für den Fall der Organisation weiterer Demonstrationen angedroht worden sei, eine lebenslange Haftstrafe verbüßen zu müssen, während er an anderer Stelle aussagte, für diesen Fall damit bedroht worden zu sein, daß er "totgeschlagen" werde. Danach habe er keine Demonstrationen mehr veranstaltet. Dies steht in Widerspruch zu seiner Aussage, daß er auch nach dieser Drohung weitere Demonstrationen veranstaltet habe, allerdings nicht in seinem Heimatort.
Auch aufgrund dieser Widersprüche kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde, daß der Aussage des Beschwerdeführers insgesamt kein Glauben geschenkt werden könne, nicht als unschlüssig erachtet werden.
Insoweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, die belangte Behörde habe es verabsäumt, ihm die "amtlicherseits gehegten Zweifel an meiner Glaubwürdigkeit" vorzuhalten, die Verletzung der Verpflichtung zur Einräumung des Parteiengehörs rügt, ist ihm entgegenzuhalten, daß bereits die Erstbehörde seinen Aussagen mit im wesentlichen gleicher Begründung keinen Glauben geschenkt hat, und der Beschwerdeführer daher im weiteren Verfahren, insbesondere in der Berufung, die - von ihm nicht genützte - Möglichkeit hatte, dazu Stellung zu nehmen.
Über diese von der belangten Behörde herangezogenen Widersprüche hinaus, verwickelte sich der Beschwerdeführer auch insoweit in einen Widerspruch, als er bei seiner Vernehmung im Asylverfahren zunächst ausführte, seine Partei sei erst im Jahre 1992 verboten worden, während er an anderer Stelle angab, das Verbot sei bereits im Jahre 1990 ausgesprochen worden.
Da die Beweiswürdigung der belangten Behörde der Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof daher jedenfalls standhält, kann es in den wesentlichen Punkten dahingestellt bleiben, ob die Angaben des Beschwerdeführers tatsächlich auch bezüglich des Zeitpunkts seines Parteieintritts und der Frage, wann er von welchen Beamten gesucht worden sei, widersprüchlich ist. Auf das dazu - im Rahmen der geltend gemachten Aktenwidrigkeit - erstattete Beschwerdevorbringen braucht daher nicht eingegangen zu werden.
4. Die belangte Behörde hat somit die vom Beschwerdeführer behauptetermaßen, ihn konkret treffende politische Verfolgung in seiner Heimat aufgrund einer unbedenklichen Beweiswürdigung nicht festgestellt. Schon deshalb kann ihre Ansicht, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme einer Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers in Bangladesh im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung damit, ob die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid zu Recht auch darauf stützte, daß der Beschwerdeführer seine Identität nicht nachgewiesen habe, ein Haftbefehl wegen Mordes und illegalen Waffenbesitzes keine Verfolgung im Sinne des § 37 Abs. 2 FrG darstelle und Mitglieder der Partei des Beschwerdeführers nicht systematisch verfolgt würden.
5. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995181403.X00Im RIS seit
20.11.2000