TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 W144 2176298-2

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Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch


W144 2176298-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Andreas Huber als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX alias XXXX geb., StA. von Afghanistan, vertreten durch Mag. Martin Sauseng, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.06.2020, Zl. 1094030509/200192883, zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 iVm § 2 Abs. 1 Z 15 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass damit XXXX kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 09.11.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Anlässlich der Erstbefragung am 10.11.2015 durch die Landespolizeidirektion Niederösterreich gab der BF an, schiitischer Hazara zu sein und führte zu seinem Fluchtgrund aus, er und sein Vater hätten bei einem Paschtunen in der Landwirtschaft gearbeitet. Der BF habe sich in seine Tochter verliebt und letztlich mit ihr geschlafen. Ihr Vater dürfte das erfahren haben und habe nach dem BF gesucht. Der BF habe Angst vor dem Vater dieses Mädchens bekommen und beschlossen, Afghanistan zu verlassen.

Nachdem der BF am 09.08.2017 niederschriftlich einvernommen worden war, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 06.10.2017 den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen, unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde zur Versagung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des BF zum Fluchtgrund aus näher dargelegten Gründen nicht glaubhaft sei.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019, Zl. W266 2176298-1, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2018 als unbegründet abgewiesen. In der Beschwerdeverhandlung hatte der BF ergänzend zu seinem bisherigen Fluchtvorbringen geltend gemacht, sich für das Christentum zu interessieren. Das Bundesverwaltungsgericht stellte dazu in seiner Entscheidung unter anderem fest, dass der BF nicht vom Islam abgefallen und nicht zum Christentum konvertiert sei. Sein Interesse am Christentum erreiche kein Ausmaß, das eine asylrelevante Verfolgung begründen könne. Abgesehen vom Besuch von Bibelkursen bzw. von einem über ein bloßes Kennenlernen oder Recherchieren nicht hinausgehenden Interesse sei jedoch keine besondere Bindung zum Christentum ersichtlich.

Der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 17.07.2019 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Mit Beschluss vom 24.09.2019, E 2626/2019, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der Folge wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019 mit Beschluss vom 09.01.2020, Ra 2019/19/0550, zurück.

Am 19.02.2020 stellte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und führte dazu anlässlich der Erstbefragung am gleichen Tag vor der Landespolizeidirektion Steiermark aus, dass er seit 2016 Kontakt mit dem Christentum habe, im Juli 2019 beschlossen habe zu konvertieren und am 17.11.2019 von der „EFG XXXX “ getauft worden sei. Würde seine Familie von seinem Glaubenswechsel erfahren, müsste er um sein Leben fürchten.

In einem mit 17.02.2020 datierten Schreiben machte der BF im Wege seines rechtsfreundlichen Vertreters im Wesentlichen geltend, dass seit dem letzten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019, zwischenzeitig aufgrund einer zwischenzeitig vollzogenen inneren Glaubensüberzeugung vor dem Hintergrund der Gefährdungslage von Konvertiten in Afghanistan ein relevanter Asylnachfluchtgrund verwirklicht worden sei. Es liege daher keine entschiedene Sache vor, sodass eine Zurückweisung des Antrags unzulässig sei. Unter einem wurden eine Bestätigung über die Taufe des BF am 17.11.2019, ein Schreiben der Leitung der EFG XXXX vom 05.02.2020 und ein Schreiben eines evangelischen Pfarrers vom 05.02.2020 in Vorlage gebracht.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 05.03.2020 vor dem BFA wurde der BF näher zur christlichen Glaubenslehre, zu seinem Leben in Österreich, zu seinem Gesundheitszustand und zu seinen Angehörigen in Afghanistan befragt. In Vorlage gebracht wurden ein Konvolut von Integrationsunterlagen einschließlich zahlreicher Unterstützungsschreiben, ein Zeitungsartikel, eine Taufbestätigung und ein Schreiben an die Bezirkshauptmannschaft betreffend Austritt aus der islamischen Glaubensgemeinschaft.

Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 04.03.2020 wurde im Wesentlichen das Vorbringen im Schriftsatz vom 17.02.2020 wiederholt und bereits im Akt aufliegende Unterlagen übermittelt.

Nach Zulassung des Asylverfahrens fand am 22.05.2020 eine weitere niederschriftliche Einvernahme vor dem BFA statt, im Rahmen welcher der BF unter anderem zum Islam und zum christlichen Glauben, zu seinem Glaubenswechsel, zur Bibel und zur Ausübung seines Glaubens im Alltag befragt wurde. Der BF brachte zudem ein Konvolut von (großteils schon im Akt aufliegenden) Unterlagen zum Beweis seiner Integration und seiner Konversion zum Christentum in Vorlage.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.06.2020 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.02.2020 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), unter einem gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde zur Versagung des Status des Asylberechtigten im Wesentlichen ausgeführt, es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF aus innerster Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Dem behaupteten Nachfluchtgrund werde aus näher dargelegten Gründen kein Glaube geschenkt. Glaubhaft sei vielmehr, dass es sich im Falle des BF um eine Scheinkonversion handle, um sich einen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet zu erschleichen. Aufgrund dessen sei nicht davon auszugehen, dass der BF das ernsthafte Bedürfnis oder die Fähigkeit habe, im Falle einer Rückkehr die christliche Religion zu praktizieren, nach außen zu tragen oder missionarisch tätig zu werden. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der BF im Heimatland in irgendeiner Weise unter Beobachtung stehen würde, sodass es keinen Grund gäbe, wie seine erhaltene Taufe bekannt werden könnte. Den Ausführungen des BF, er habe seinen Glaubenswechsel in Afghanistan kundgetan, werde kein Glauben geschenkt, zumal es sich lediglich um eine Schutzbehauptung handle.

Dagegen richtete sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, worin im Wesentlichen moniert wurde, dass dem BFA ein rechtlich relevanter Irrtum unterlaufen sei, zumal die vom BFA mehrmals genannte freie evangelische Kirche nicht ident mit der evangelikal-freikirchlichen Gemeinde sei. Des Weiteren habe die Behörde nicht berücksichtigt, dass das Interesse des BF am Christentum bereits im rechtskräftigen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019 festgestellt worden sei und sich dieses Interesse im Sinne einer persönlichen Entwicklung nunmehr dermaßen verfestigt habe, als dass es spätestens zum Zeitpunkt der Asylfolgeantragstellung zu einem inneren Glaubenswechsel gekommen sei. Auch eine beweiswürdigende Auseinandersetzung mit dem umfangreichen und inhaltlich aussagekräftigen Urkundenkonvolut habe das BFA verabsäumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 19.02.2020 im österreichischen Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der BF wurde als schiitischer Moslem erzogen und kam erstmals in Griechenland mit Christen in Kontakt, die ihn und andere Geflüchtete mit Schlafplätzen und Lebensmitteln versorgten. Auch in Österreich erhielt der BF nach seiner Ankunft im Jahr 2015 von Christen Unterstützungsleistungen, sodass er die ihm in Afghanistan vermittelte negative Einstellung zum Christentum zu hinterfragen begann. Eine Frau, die er bei einem ehrenamtlichen Deutschunterricht kennengelernt hatte, lud den BF im Jahr 2016 ein, an Gottesdiensten von evangelikalen Freikirchen teilzunehmen. Seitdem besucht er regelmäßig Gottesdienste und Veranstaltungen der evangelikal-freikirchlichen Gemeinden in Graz und in XXXX . Er nimmt auch an Treffen der Jugendgruppe der evangelikalen freikirchlichen Gemeinde Graz XXXX teil. Seit November 2016 nahm er an einem wöchentlich stattfindenden Bibelgesprächskreis für Flüchtlinge teil. Am 17.11.2019 wurde er von einem Leiter der „Evangelikal Freikirchlichen Gemeinde XXXX “ nach einer mehrwöchigen Vorbereitungsphase getauft. Er hat sich aus freier persönlicher Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt.

Der BF hat seine in der Provinz Ghazni in Afghanistan lebenden Familienangehörigen im Juli 2019 über seinen Glaubenswechsel informiert und der Kontakt wurde aufgrund dessen seitens seiner Familienangehörigen abgebrochen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde der BF den christlichen Glauben weiterhin ausüben und sich zum Christentum bekennen.

Zur Situation in Afghanistan:

Religionsfreiheit

Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 30.4.2019; vgl. AA 2.9.2019). Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha´i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus (AA 2.9.2019; vgl. CIA 30.4.2019, USDOS 21.6.2019); in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan (UP 16.8.2019; vgl. BBC 11.4.2019). Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019, MPI 2004). Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist (USODS 21.6.2019; vgl. AA 9.11.2016). Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie (USDOS 21.6.2019). Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (USDOS 29.5.2018).

Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen (USDOS 21.6.2019). Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist (USDOS 21.6.2019; vgl. ICRC o.D.), sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (USDOS 21.6.2019).

Das Zivil- und Strafrecht basiert auf der Verfassung; laut dieser müssen Gerichte die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sowie das Gesetz bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. In Fällen, in denen weder die Verfassung noch das Straf- oder Zivilgesetzbuch einen bestimmten Rahmen vorgeben, können Gerichte laut Verfassung die sunnitische Rechtsprechung der hanafitischen Rechtsschule innerhalb des durch die Verfassung vorgegeben Rahmens anwenden, um Gerechtigkeit zu erlangen. Die Verfassung erlaubt es den Gerichten auch, das schiitische Recht in jenen Fällen anzuwenden, in denen schiitische Personen beteiligt sind. Nicht-Muslime dürfen in Angelegenheiten, die die Scharia-Rechtsprechung erfordern, nicht aussagen. Die Verfassung erwähnt keine eigenen Gesetze für Nicht-Muslime (USDOS 21.6.2019).

(…)

Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsalierung gegenüber religiösen Minderheiten und reformerischen Muslimen behindert (FH 4.2.2019; vgl. USDOS 21.6.2019).

Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung (FH 4.2.2019). Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 21.6.2019; vgl. FH 4.2.2019). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 21.6.2019).

Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (USDOS 21.6.2019). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind gültig (USE o.D.). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über das Religionsbekenntnis. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt. Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 21.6.2019).

Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 21.6.2019).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

•        BBC (11.4.2019): Afghanistan’s one and only Jew, https://www.bbc.com/news/av/world-asia-47885738/afghanistan-s-one-and-only-jew, Zugriff 2.9.2019

•        CIA – Central Intelligence Agency (30.4.2019): The World Factbook – Afghanistan, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/af.html, Zugriff 2.5.2019

•        FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2004321.html, Zugriff 3.5.2019

•        ICRC – International Committee of the Red Cross (o.D.): National Implementation of IHL, https://ihl-databases.icrc.org/applic/ihl/ihl-nat.nsf/implementingLaws.xsp?documentId=598034855221CE85C12582480054D831&action=openDocument&xp_countrySelected=AF&xp_topicSelected=GVAL-992BU6&from=state&SessionID=DNMSXFGMJQ, Zugriff 2.9.2019

•        UP – Urdu Point (16.8.2019): Afghanistan's Only Jew Has No Plans To Emigrate, Says Lives 'Like A Lion Here', https://www.urdupoint.com/en/world/afghanistans-only-jew-has-no-plans-to-emigra-691600.html, Zugriff 2.9.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 24.6.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/1436774.html, Zugriff 2.9.2019

•        USE – U.S. Embassy in Afghanistan (o.D.): Marriage, https://af.usembassy.gov/u-s-citizen-services/local-resources-of-u-s-citizens/marriage/, Zugriff 3.5.2019

Christentum und Konversion zum Christentum

Nichtmuslimische Gruppierungen wie Sikhs, Baha‘i, Hindus und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Genaue Angaben zur Größe der christlichen Gemeinschaft sind nicht vorhanden (USDOS 21.6.2019). USDOS schätzte im Jahresbericht zur Religionsfreiheit 2009 die Größe der geheimen christlichen Gemeinschaft auf 500 bis 8.000 Personen (USDOS 26.10.2009). Religiöse Freiheit für Christen in Afghanistan existiert; gemäß der afghanischen Verfassung ist es Gläubigen erlaubt, ihre Religion in Afghanistan im Rahmen der Gesetze frei auszuüben. Dennoch gibt es unterschiedliche Interpretationen zu religiöser Freiheit, da konvertierte Christen im Gegensatz zu originären Christen vielen Einschränkungen ausgesetzt sind. Religiöse Freiheit beinhaltet nicht die Konversion (RA KBL 1.6.2017).

Tausende ausländische Christen und einige wenige Afghanen, die originäre Christen und nicht vom Islam konvertiert sind, werden normal und fair behandelt. Es gibt kleine Unterschiede zwischen Stadt und Land. In den ländlichen Gesellschaften ist man tendenziell feindseliger (RA KBL 1.6.2017).

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Neben der drohenden strafrechtlichen Verfolgung werden Konvertiten in der Gesellschaft ausgegrenzt und zum Teil angegriffen (AA 2.9.2019). Bei der Konversion vom Islam zum Christentum wird in erster Linie nicht das Christentum als problematisch gesehen, sondern die Abkehr vom und der Austritt aus dem Islam (LIFOS 21.12.2017). Laut islamischer Rechtsprechung soll jeder Konvertit drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken (USDOS 21.6.2019).

Konvertiten vom Islam zum Christentum werden von der Gesellschaft nicht gut behandelt, weswegen sie sich meist nicht öffentlich bekennen. Zur Zahl der Konvertiten gibt es keine Statistik. In den meisten Fällen versuchen die Behörden Konvertiten gegen die schlechte Behandlung durch die Gesellschaft zu unterstützen, zumindest um potenzielles Chaos und Misshandlung zu vermeiden (RA KBL 1.6.2019).

Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens (AA 2.9.2019; vgl. USCIRF 4.2018, USDOS 21.6.2019), da es keine öffentlich zugänglichen Kirchen im Land gibt (USDOS 21.6.2019; vgl. AA 2.9.2019). Einzelne christliche Andachtsstätten befinden sich in ausländischen Militärbasen. Die einzige legale christliche Kirche im Land befindet sich am Gelände der italienischen Botschaft in Kabul (WA 11.12.2018; vgl. AA 2.9.2019). Die afghanischen Behörden erlaubten die Errichtung dieser katholischen Kapelle unter der Bedingung, dass sie ausschließlich ausländischen Christen diene und jegliche Missionierung vermieden werde (KatM KBL 8.11.2017).

Gemäß hanafitischer Rechtsprechung ist Missionierung illegal; Christen berichten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Es gibt keine Berichte zu staatlicher Verfolgung aufgrund von Apostasie oder Blasphemie (USDOS 21.6.2019).

Beobachtern zufolge hegen muslimische Ortsansässige den Verdacht, Entwicklungsprojekte würden das Christentum verbreiten und missionieren (USDOS 21.6.2019). Ein christliches Krankenhaus ist seit 2005 in Kabul aktiv (CURE 8.2018); bei einem Angriff durch einen Mitarbeiter des eigenen Wachdienstes wurden im Jahr 2014 drei ausländische Ärzte dieses Krankenhauses getötet (NYP 24.4.2014). Auch gibt es in Kabul den Verein „Pro Bambini di Kabul“, der aus Mitgliedern verschiedener christlicher Orden besteht. Dieser betreibt eine Schule für Kinder mit Behinderung (PBdK o.D.; vgl. AF 4.1.2019).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (2.9.2019): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2015806/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Islamischen_Republik_Afghanistan_%28Stand_Juli_2019%29%2C_02.09.2019.pdf, Zugriff 11.9.2019

•        AF – Agenzia Fides (4.1.2019): ASIA/AFGHANISTAN - A new missionary sister in Kabul, http://www.fides.org/en/news/65337-ASIA_AFGHANISTAN_A_new_sister_of_the_Missionaries_of_Charity_in_Kabul, Zugriff 6.5.2019

•        CURE (8.2018): An Introduction to CURE INTERNATIONAL - August 2018 Edition - Statistics from Fiscal Year 2018, https://cure.org/downloads/site/brand/cure-white-paper.pdf, Zugriff 6.5.2019

•        KatM KBL – Vertreter der katholischen Mission in Afghanistan mit Sitz in Kabul (8.11.2017): Informationen zur katholischen Mission in Afghanistan. Antwortschreiben, liegt bei der Staatendokumentation auf

•        LIFOS - Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (21.12.2017): Temarapport: Afghanistan –Kristna, apostater och ateister, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420820/1226_1515061800_171221551.pdf, Zugriff 6.5.2019

•        NYP – New York Post, The (24.4.2014): http://nypost.com/2014/04/24/3-foreigners-killed-in-attack-at-afghan-hospital/, Zugriff 6.5.2019

•        PBdK - Pro Bambini di Kabul (o.D.): Chi Siamo, http://www.probambinidikabul.org/chi-siamo/, Zugriff 6.5.2019

•        RA KBL – Lokaler Rechtsanwalt in Kabul (1.6.2017): Auskunft per E-Mail.

•        USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (4.2018): United States Commission on International Religious Freedom 2018 Annual Report; Country Reports: Tier 2 Countries: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435655/1930_1529393896_tier2-afghanistan.pdf, Zugriff 6.5.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/05/AFGHANISTAN-2018-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 24.6.2019

•        USDOS – US Department of State (26.10.2009): International Religious Freedom Report 2009 – Afghanistan, https://www.state.gov/j/drl/rls/irf/2009/127362.htm, Zugriff 6.5.2019

•        WA – Worldatlas (11.12.2018): Religious Beliefs In Afghanistan, https://www.worldatlas.com/articles/religious-beliefs-in-afghanistan.html, Zugriff 6.5.2019

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang sowie die Feststellung zum in Österreich gestellten Antrag auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit des BF gründet auf seinen Angaben. Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.2. Die Feststellungen zur ehemaligen und nunmehrigen religiösen Ausrichtung des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, seinem schriftlichen Vorbringen im verwaltungsbehördlichen Verfahren und den in Vorlage gebrachten Unterlagen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht – entgegen der Beurteilung des BFA – aufgrund folgender Erwägungen davon aus, dass sich der BF aus ernsthafter persönlicher Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat:

Wie sich aus den Angaben des BF ergibt und durch die in Vorlage gebrachten Schreiben bestätigt wurde, zeigte er seit dem Jahr 2016 Interesse am christlichen Glauben und nahm an Gottesdiensten von evangelikalen Freikirchen sowie an einem Bibelgesprächskreis teil. Im Zeitpunkt des rechtskräftigen Abschlusses des ersten Asylverfahrens in Österreich durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.06.2019, Zl. W266 2176298-1, war dieses Interesse jedoch noch nicht von einer inneren persönlichen Überzeugung getragen, sondern der BF befand sich damals noch im Stadium des Kennenlernens, sodass das Bundesverwaltungsgericht zum seinerzeitigen Zeitpunkt davon ausging, dass keine besondere Bindung zum Christentum oder eine angestrebte Konversion ersichtlich sei („Der Beschwerdeführer interessiert sich in Österreich für das Christentum und besucht Bibelkurse. Abgesehen von diesem, über ein bloßes Kennenlernen bzw. recherchieren nicht hinausgehenden Interesse, ist keine besondere Bindung zum Christentum oder gar eine angestrebte Konversion ersichtlich“).

Weder das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 19.06.2019 noch das BFA im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10.06.2020 sprach dem BF sein Interesse am christlichen Glauben ab. Vielmehr hielt das BFA im angefochtenen Bescheid beweiswürdigend fest, dass die Angaben des BF zu seiner erst in Österreich entwickelten Zuneigung zur „christlichen Kirche der freien, evangelischen Kirche“ „durchaus plausibel und schlüssig“ gewesen seien, sodass der regelmäßige Besuch von Veranstaltungen und Gottesdiensten seit Erhalt des negativen Bescheids nicht abzusprechen sei. Trotz der (als glaubhaft erachteten) regelmäßigen Kirchenbesuche und der durch die Vorlage eines Taufzeugnisses bestätigten Taufe des BF ging das BFA aus näher dargelegten Gründen davon aus, dass der christliche Glaube noch nicht tief in ihm verwurzelt und Bestandteil seiner Identität geworden sei.

Eine nähere Auseinandersetzung mit den vom BFA dargelegten Argumenten führt jedoch im Rahmen einer Gesamtabwägung - unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF sowie sämtlicher im Laufe des Verfahrens vorgelegten Beweismittel - zum Ergebnis, dass sich die Schlussfolgerung des BFA, es liege eine bloße Scheinkonversion vor, als unzutreffend erweist.

Insofern sich das BFA zunächst darauf stützt, dass der BF den Begriff der „freien evangelischen Kirche“ nicht richtig erklären habe können, ist zum einen zu entgegnen, dass das BFA selbst die evangelikale Gemeinde, welcher der BF angehört, nicht korrekt bezeichnete (wie auch im Beschwerdeschriftsatz moniert wurde), zum anderen war der BF sehr wohl in der Lage den Begriff evangelikaler Freikirchen zu erklären, zumal er im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 22.05.2020 sinngemäß auf den Umstand hinwies, dass Glaubende von Freikirchen als Jugendliche oder Erwachsene eine freie und persönliche Entscheidung für den christlichen Glauben treffen („(…) Es ist auch erst nach Entscheiden von einem Menschen selbst, von 18 Jahren, dass man die Taufe bekommt. Das heißt, alles ist freiwillig, es gibt kein Muss (…)“). Das BFA selbst weist im angefochtenen Bescheid auf das unterschiedliche Verständnis des Attributs „frei“ - unter anderem auch im Sinne einer „freiwilligen Zugehörigkeit“ - hin, übersieht jedoch, dass die obzitierten Erklärungen des BF in diese Richtung zu verstehen waren.

Soweit das BFA in weiterer Folge andeutet, dass der BF den Grund für die Auswahl einer evangelikalen Freikirche nicht plausibel darlegen habe können, vermag das Bundesverwaltungsgericht diese Auffassung nicht zu teilen. Es erscheint nachvollziehbar, dass der BF über eine Vertrauensperson zur Teilnahme an Gottesdiensten einer evangelikal-freikirchlichen Gemeinde eingeladen wurde und keine derartige Einladung zum Besuch von römisch-katholischen Gottesdiensten erhalten hat. Mag seinem Entschluss, Gottesdienste einer evangelikal-freikirchlichen Gemeinde zu besuchen, auch keine Auseinandersetzung des BF mit anderen Glaubensgemeinschaften vorangegangen seien und mag diese Entscheidung auch auf die Initiative einer Vertrauensperson zurückzuführen seien, ist es nicht lebensfremd, dass der BF offenbar aufgrund der positiven Erfahrungen in der Gemeinde und praktischer Aspekte („Ich habe damals auch die Sprache nicht gekannt, in dieser Kirche war auch ein Dolmetscher anwesend.“) in dieser evangelikal-freikirchlichen Gemeinde verblieb und sich nicht für andere Religionsrichtungen interessierte.

Es kann dem BF auch nicht vorgehalten werden, dass er sich noch nicht im Zuge seines Aufenthalts in Griechenland mit dem Christentum auseinandergesetzt hat, zumal schon aufgrund des Umstandes, dass sich der BF damals auf dem Fluchtweg befand und nur für einige Tage auf einer griechischen Insel und auf dem griechischen Festland (angesichts der von ihm geltend gemachten Gesamtdauer der Flucht von 40 Tagen) aufhältig war, eine nähere Beschäftigung mit dem christlichen Glauben und etwa auch der Besuch von Gottesdiensten aufgrund dieser Rahmenbedingungen so gut wie ausgeschlossen erscheinen.

Dass der BF die ersten Kontakte mit Christen in Griechenland, die Flüchtlinge mit Unterkunft und Essen versorgt hätten, erstmals im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 22.05.2020 erwähnt hat, lässt sich ebenso wenig zulasten des BF werten. Diesbezüglich lässt das BFA im vorliegenden Fall außer Acht, dass diese und weitere Kontakte mit hilfsbereiten Christen zwar dazu geführt haben, dass der BF die ihm in Afghanistan vermittelte negative Einstellung zum Christentum zu hinterfragen begann („Als ich in Griechenland ankam, habe ich das Christentum kennengelernt, in Afghanistan hat man uns gesagt, dass die Christen ungläubige sind und dass sie schlecht sind. Aber ich habe gesehen, wie sie uns in Griechenland helfen. (…)“), sich aber erst in Österreich die Möglichkeit bot, dieser Neugier nachzugehen, und ein konkretes Interesse am christlichen Glauben erst im Laufe der Zeit in Österreich entwickelt wurde. Vor diesem Hintergrund vermag es dem BF nicht zum Nachteil gereichen, dass er seine ersten Kontakte mit Christen in Griechenland erst im Laufe des zweiten Asylverfahrens erwähnte.

Überdies legte das BFA für die Schlussfolgerung, der BF habe im gegenständlichen Fall kein ernsthaftes Motiv für den angeblichen Wechsel der religiösen Überzeugung aufgezeigt, keine Begründung dar, aus welchen Gründen die vom BF geschilderten Motive nicht zu überzeugen vermögen. Aus einer Gesamtschau der Angaben des BF vor dem BFA ergibt sich jedoch schlüssig, dass er sich aufgrund des im Islam gegebenen Zwanges im Zusammenhang mit der Erfüllung religiöser Pflichten und der erlittenen physischen Misshandlungen durch seinen Vater sowie durch einen Imam vom Islam abgewandt und eine positive Änderung erfahren hat, seit er Christ ist. Seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 05.03.2020 zufolge hat er christliche Werte - Liebe, Hoffnung, Nächstenliebe, Barmherzigkeit - empfangen. Früher sei er ungeduldig gewesen und habe schnell geschimpft, jetzt sei er ein hoffnungsvoller Mensch und habe mit Hilfe von Jesus innere Ruhe gefunden. Diese Angaben bekräftigte der BF auch anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme am 22.05.2020 („Ich bin dadurch ein neuer Mensch geworden, ich spüre in mir drinnen Ruhe, Vergebung und Geduld. Ich bin davon überzeugt, dass ich ins Paradies komme.“). Zudem wurde die von ihm beschriebene Verhaltensänderung von Personen in seinem persönlichen Umfeld wahrgenommen und bestätigt (siehe die Bestätigung der Gemeindeleitung vom 05.02.2020 sowie das Schreiben von Frau Mag. XXXX und von Frau XXXX ). Es sind sohin keine Gründe ersichtlich, warum diesen Beweggründen des BF die Glaubhaftigkeit abgesprochen werden sollte.

Da das BFA keine weiteren Anhaltspunkte für das Vorliegen einer bloßen Scheinkonversion im Falle des BF aufgezeigt hat, vermag der Umstand, dass sich der BF erst nach rechtskräftig negativen Abschlusses des ersten Asylverfahrens taufen ließ, nicht für sich allein betrachtet die Schlussfolgerung des BFA zu tragen, dass (allein) deswegen die innerliche Zuwendung zum christlichen Glauben äußerst zweifelhaft sei.

Das BFA vermochte auch nicht konkret aufzuzeigen, aus welchen Gründen sich der BF sein Wissen zu Glaubensinhalten bloß angeeignet haben sollte, um den Eindruck entstehen zu lassen, dass er tatsächlich Interesse am christlichen Glauben hätte. Ebenso wenig legte es dar, warum die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen dazu gedient haben sollte, die Zugehörigkeit zu einer christlichen Glaubensgemeinschaft glaubhaft erscheinen zu lassen. Diese Einschätzung vermochte das BFA offenkundig lediglich auf die oben angeführten, vermeintlich gegen die Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF sprechenden Argumente zu stützen. Da diese jedoch einer gerichtlichen Überprüfung nicht Stand gehalten haben, erweisen sich die Annahmen des BFA zur Aneignung von Wissen und zur Teilnahme an religiösen Veranstaltungen des BF zum Schein letztlich als bloße Mutmaßungen bzw. Unterstellungen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die vom BFA für das Vorliegen einer Scheinkonversion ins Treffen geführten Argumente – wie bereits dargelegt – nicht hinreichend tragfähig waren, sodass letztlich keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Konversion des BF zum Christentum lediglich zum Schein erfolgt wäre. Der BF konnte im Laufe der beiden niederschriftlichen Einvernahmen vor dem BFA im gegenständlichen Verfahren grundlegende Kenntnisse zur christlichen Glaubenslehre unter Beweis stellen, mag er auch nicht jede Frage zur Gänze korrekt beantwortet haben. Diesbezüglich ist jedoch zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an das Wissen eines Asylwebers über den von ihm angenommenen Glauben bzw. im Falle von „theologischen Wissenslücken“ keine überzogene Erwartungshaltung eingenommen werden darf (vgl. VwGH 25.03.2020, Ra 2020/14/0130; VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455 und Ra 2018/18/0441). Anhand der Angaben des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren und der in Vorlage gebrachten Beweismittel sind die ersten Kontakte des BF zu Christen, sein Interesse am christlichen Glauben, die regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten, einem Bibelkurs und an einer Jugendgruppe sowie die Taufe im November 2019 für das Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar. Die aktive Teilnahme des BF am Gemeindeleben (Gottesdienste, Bibelgesprächskreis und Jugendgruppe) wurde von mehreren Personen in Form der in Vorlage gebrachten Schreiben bestätigt (siehe dazu insbesondere die Bestätigung der Gemeindeleitung vom 05.02.2020, das Schreiben eines Leiters der Evangelikalen Freikirchlichen Gemeinde XXXX vom 04.03.2020, das Schreiben des Leiters der Jugendgruppe der evangelikalen freikirchlichen Gemeinde Graz XXXX , das Schreiben der Obfrau des Vereins „Gemeinsam in XXXX “ vom 05.02.2020 und das Schreiben von Frau Mag. XXXX vom 05.02.2020), deren Inhalt von der Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid unberücksichtigt blieb.

Im Rahmen einer Gesamtschau ergibt sich sohin kein Grund daran zu zweifeln, dass sich der BF aus freier persönlicher Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der vom BF erfolgte Religionswechsel vom Islam zum Christentum nicht von einer inneren Überzeugung getragen wäre bzw. dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre. Wie bereits dargelegt wurde, waren die vom BFA geäußerten Zweifel an der wahren inneren Einstellungsänderung des BF nicht überzeugend und ließ das BFA im Rahmen seiner Beweiswürdigung das umfangreiche Konvolut an Unterstützungs- und Bestätigungsschreiben außer Acht, das nicht nur Aufschluss über die vom BF gesetzten Integrationsschritte, sondern auch über seine aktive Glaubensausübung in der Gemeinde sowie seine persönliche Entwicklung zu einem Christen geben konnte. Der BF konnte sohin glaubhaft machen, sich aus innerer Überzeugung dem christlichen Glauben zugewandt zu haben.

Da der BF in Österreich den christlichen Glauben durch die Teilnahme an Gottesdiensten, an einem Bibelgesprächskreis sowie Jugendtreffen praktiziert und auch seine in Afghanistan lebenden Familienangehörigen von seinem Glaubenswechsel in Kenntnis gesetzt hat, ist davon auszugehen, dass der BF auch im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan den christlichen Glauben ausüben und sich zum Christentum bekennen würde.

2.3. Die Länderfeststellungen zu Afghanistan ergeben sich aus den im angefochtenen Bescheid des BFA festgestellten Länderberichten. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Afghanistan zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit, Verfahren und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind gemäß § 75 Abs. 24 AsylG 2005 die §§ 2 Abs. 1 Z 15, 3 Abs. 4 bis 4b, 7 Abs. 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs. 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 24/2016.

Da der BF den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz am 19.02.2020 stellte, kommt die in § 2 Abs. 1 Z 15 und § 3 Abs. 4 AsylG 2005 idgF normierte befristete Aufenthaltsberechtigung zur Anwendung.

Zu A)

3.2. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Flüchtling im Sinne der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. zB. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; VwGH 25.1.2001, 2001/20/0011).

Für eine „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; VwGH 09.04.1997, 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse, sondern erfordert eine Prognose (vgl. VwGH 16.02.2000, 99/01/0397). Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Allein aus der Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit kann das Vorliegen von Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden (vgl. VwGH 09.11.1995, 94/19/1414). Es sind darüber hinausgehende, konkret gegen den Asylwerber gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende bzw. von diesen geduldete Verfolgungshandlungen gegen seine Person erforderlich, um die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers zu erweisen (vgl. VwGH 08.07.2000, 99/20/0203; VwGH 21.09.2000, 98/20/0557).

3.2.2. Im vorliegenden Fall macht der BF durch seine in Österreich erfolgte Konversion vom Islam zum Christentum einen Nachfluchtgrund im Sinne des § 3 Abs. 2 AsylG 2005 geltend, welcher an den Konventionsgrund der Religion anknüpft.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat, können diese neuen - in Österreich eingetretenen - Umstände, mit denen ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung (nunmehr) begründet, grundsätzlich zur Asylgewährung führen. Sie sind daher zu überprüfen, wenn sie geeignet sind, die Annahme „wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung“ zu rechtfertigen (vgl. VwGH 18.09.1997, 96/20/0923). Für die Frage des Vorliegens des geltend gemachten Nachfluchtgrundes der Konversion des Beschwerdeführers kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Fremde schon im Heimatland mit dieser Religion in Berührung gekommen ist, sondern vielmehr auf dessen nunmehr bestehende Glaubensüberzeugung (vgl. VwGH 17.09.2008, 2008/23/0675).

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäische Union vom 05.09.2012 in den verbundenen Rechtssachen C-71/11und C-99/11, Bundesrepublik Deutschland gegen Y und Z, ist Artikel 2 Buchstabe c der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen. Bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling können die Behörden dem Antragsteller nicht zumuten, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten (siehe diesbezüglich auch VfGH 12.06.2013, U 2087/2012).

Bei einer erst nach Verlassen des Herkunftsstaates erfolgten Konversion eines Fremden vom Islam zum Christentum ist zu prüfen, ob die Konversion allenfalls bloß zum Schein erfolgt ist. Hat der Fremde nicht behauptet, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat wieder vom christlichen Glauben zum Islam übertreten zu wollen, und ist der Fremde nicht nur zum Schein zum Christentum konvertiert, kommt es nicht auf die Frage an, welche Konsequenzen der Asylwerber wegen einer bloß vorübergehenden, der Asylerlangung dienenden Annahme des christlichen Glaubens zu befürchten hätte. Vielmehr ist maßgeblich, ob er bei weiterer Ausführung seines behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (VwGH 24.10.2001, 99/20/0550; VwGH 19.12.2001, 2000/20/0369; VwGH 17.10.2002; 2000/20/0102; VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/14/0302; VwGH 06.08.2020, Ra 2020/18/0017; VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0380; VwGH 22.06.2020, Ra 2020/19/0151; VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0603; VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017). In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist es jedoch nicht entscheidend, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/14/0302; VwGH 25.03.2020, Ra 2020/14/0130; VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453; VwGH 22.06.2020, Ra 2020/19/0151).

Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 05.08.2020, Ra 2020/14/0302; VwGH 06.08.2020, Ra 2020/18/0017; VwGH 25.06.2020, Ra 2019/18/0380; VwGH 25.03.2020, Ra 2020/14/0130).

Wie beweiswürdigend bereits dargelegt wurde, gibt es verfahrensgegenständlich keine Anhaltspunkte, dass die Konversion des BF zum christlichen Glauben nur zum Schein erfolgt wäre. Vielmehr hat sich in Zusammenschau der Angaben des BF vor dem BFA und der vorgelegten Beweismittel ergeben, dass sich der BF aus freier persönlicher Überzeugung vom Islam dem Christentum zugewandt, die Taufe empfangen, den christlichen Glauben verinnerlicht hat, ihn in Österreich ausübt und auch weiterhin praktizieren möchte. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation von Christen in Afghanistan, insbesondere zu den vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, wäre der BF als Person mit christlicher Überzeugung, die er offen ausüben will, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sowohl von staatlicher Seite als auch von privater Seite – ohne diesbezüglichen staatlichen Schutz – Verfolgungshandlungen von asylerheblicher Intensität ausgesetzt.

Zudem erfüllt der BF auch ein ausdrückliches Risikoprofil (Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen) der UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Richtlinien von UNHCR Indizwirkung zu bzw. ist ihnen besondere Beachtung zu schenken (vgl. VwGH 05.03.2020, Ra 2018/19/0686; VwGH 13.02.2020, Ra 2019/19/0278).

Anhand der Ermittlungsergebnisse ist daher davon auszugehen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.2.3. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht (Z 1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat (Z 2).

Aufgrund des in Afghanistan gültigen islamischen Rechtes nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie aufgrund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und der Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere Konvertiten gegenüber, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die bereits dargestellte Situation für den BF im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan ergibt, weshalb keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht.

Da sich im Verfahren auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 6 AsylG 2005 ergeben haben, ist dem BF sohin der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen.

3.2.4. Gemäß § 3 Abs. 5 ist diese Entscheidung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.3. Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gem. § 21 Abs. 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind im gegenständlichen Fall erfüllt. Wie bereits beweiswürdigend dargelegt, bestehen keine Zweifel an der ernsthaften inneren Hinwendung des BF zum christlichen Glauben, sodass der Sachverhalt diesbezüglich geklärt erscheint. Angesichts der umfangreichen Befragung des BF im verwaltungsbehördlichen Verfahren und des in Vorlage gebrachten Konvoluts an Unterstützungs- bzw. Bestätigungsschreiben sind keine Fragen bzw. Bereiche ersichtlich, die im Rahmen einer mündlichen Verhandlung ergänzend abzuklären wären.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung gesamtes Staatsgebiet Konversion Nachfluchtgründe Religion Schutzunfähigkeit Schutzunwilligkeit staatliche Verfolgung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2176298.2.00

Im RIS seit

22.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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