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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Zurückweisung einer Berufung gegen die Abweisung eines Antrags eines Rechtsanwaltsanwärters auf Zulassung zur Rechtsanwaltsprüfung und auf Befreiung von Prüfungsfächern als verspätet; Unzulässigkeit einer solchen Berufung gegen die lediglich mit Vorstellung bekämpfbare Entscheidung einer Abteilung des Ausschusses einer RechtsanwaltskammerSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ordentlicher Universitätsprofessor und Rechtsanwaltsanwärter in Innsbruck. Im Zuge des Verfahrens zur Entscheidung über seine Anträge auf Zulassung zur Rechtsanwaltsprüfung und auf Befreiung von Prüfungsfächern stellte er mit Schreiben vom 3. Jänner 1991 den Antrag, "die Bestätigung des Dr. G. G. ... mit der Praxisbestätigung des Kammerausschusses im gleichen Umfang zu versehen".
Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 31. Jänner 1991, ausgefertigt am 20. Februar 1992, abgewiesen.
1.2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer eine an die Tiroler Rechtsanwaltskammer gerichtete "Berufung" erhoben, die mit einem Schlußantrag an die Oberste Disziplinar- und Berufungskommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) versehen ist. Diese Berufung wurde mit Bescheid der OBDK vom 20. Dezember 1993 als verspätet zurückgewiesen. Die OBDK begründete ihre Entscheidung wie folgt:
"Die Ausfertigung des in Rede stehenden Bescheides wurde nach dem Vermerk auf dem Übernahmsschein am 27. Feber 1991 beim Postamt 6010 Innsbruck unter Nr 638 b eingeschrieben zur Post gegeben. Nachdem der Übernahmsschein zunächst ohne Unterschrift des Empfängers rücklangte, ersuchte die Tiroler Rechtsanwaltskammer das Postamt Innsbruck um Aufklärung. Laut dem daraufhin von der Amtsleitung des Postamtes 6010 Innsbruck der Tiroler Rechtsanwaltskammer übermittelten Doppel des Übernahmsscheines wurde die bescheinigte Sendung am 28. Feber 1991 ausgefolgt. Der Übernahmsschein trägt außer der Unterschrift des Postbediensteten noch die Stampiglie 'Die Poststelle der Universität Innsbruck' samt einer (unleserlichen) Unterschrift mit dem in Klammern gesetzten Hinweis 'Postbevollm.'.
Im vorliegenden Fall gelten nicht die Bestimmungen des Disziplinarstatuts 1990 (und daher auch nicht dessen §44), sondern die Vorschriften des AVG (§5a Abs2 Z3 RAO). Gemäß §21 AVG sind Zustellungen nach den Bestimmungen des Zustellgesetzes vorzunehmen; demnach war die Zustellung an einen Postbevollmächtigten ausreichend und wirksam (§13 Abs3 ZustG). Der angefochtene Bescheid wurde demzufolge am Donnerstag, dem 28. Feber 1991, rechtswirksam zugestellt. Nach dem gemäß §5a Abs2 Z3 RAO anzuwendenden §63 Abs5 AVG beträgt die Berufungsfrist zwei Wochen. Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden gemäß §32 Abs2 AVG mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche und des letzten Monates, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Die Frist beginnt diesfalls an dem Tag zu laufen, an dem das den Fristenlauf bestimmende Ereignis stattgefunden hat; dieses Ereignis war vorliegend die Zustellung des Bescheides, sodaß die zweiwöchige Berufungsfrist am Donnerstag, dem 28. Feber 1991 zu laufen begonnen hat und am Donnerstag, dem 14. März 1991 um 24 Uhr abgelaufen ist, zumal es sich dabei um einen Werktag gehandelt hat (vgl VwGH 18.1.1990, 89/03/0003; Walter/Mayer, Grundriß des Verwaltungsverfahrensrechts5 Rz 234, 235). Die Berufung wurde jedoch erst am Freitag, dem 15. März 1991, um 18 Uhr beim Postamt 6014 Innsbruck eingeschrieben zur Post gegeben (siehe Postaufgabevermerk am Briefumschlag); sie wurde mithin erst nach Ablauf der zweiwöchigen Berufungsfrist eingebracht, weshalb sie verspätet ist.
Recht besehen stand dem Rechtsmittelwerber im übrigen gegen die von ihm bekämpfte Entscheidung der Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer nicht das von ihm ergriffene Rechtsmittel der Berufung zu. Der Bescheid wäre vielmehr recte gemäß §26 Abs5 RAO mit Vorstellung anzufechten gewesen, worüber der Ausschuß (Plenum) der Kammer zu entscheiden gehabt hätte. Erst die Entscheidung des Plenums hätte sodann gemäß §30 Abs4 RAO mit Berufung bekämpft werden können.
Damit ist aber für den Rechtsmittelwerber nichts gewonnen. Denn gemäß §26 Abs5 RAO ist die Vorstellung binnen 14 Tagen zu erheben. Davon ausgehend, daß der Bescheid am 28. Feber 1991 zugestellt wurde, ist die 14-tägige Frist, die diesfalls gemäß §32 Abs1 AVG am 1. März 1991 zu laufen begonnen hat, am 14. März 1991 24 Uhr abgelaufen, womit auch dann, wenn das Rechtsmittel der Sache nach als Vorstellung gewertet würde, die Rechtsmittelfrist nicht gewahrt, die Vorstellung vielmehr verspätet wäre. Verspätete Rechtsmittel sind aber stets zurückzuweisen."
1.3. Dagegen richtet sich vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf rechtliches Gehör geltend gemacht und die Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
1.4. Die OBDK als belangte Behörde hat die Akten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
2.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).
2.2. All dies liegt hier nicht vor. Der Beschwerdeführer hat gegen den Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer "Berufung" erhoben. Eine Umdeutung, wonach die unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels dann unerheblich ist, wenn das Begehren deutlich erkennbar ist (siehe zB VwSlg. 3799 A/1955 und 8727 A/1974), läßt sich in diesem Fall nicht vornehmen, da - wie dem Schlußantrag eindeutig zu entnehmen ist - das Rechtsmittel an die OBDK gerichtet war. Da die OBDK vom Beschwerdeführer angerufen wurde, war sie zuständig, über die Zulässigkeit der Berufung zu entscheiden. Die Zurückweisung des Rechtsmittels seitens der OBDK ist jedenfalls schon aus dem Grunde zu Recht erfolgt, daß die Möglichkeit, gegen Abteilungsbeschlüsse ein Rechtsmittel direkt an die OBDK zu erheben, in der RAO nicht vorgesehen ist.
Die behauptete Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter hat daher nicht stattgefunden. Bei diesem Ergebnis kommt auch nicht in Frage, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sein könnte.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Berufsrecht Rechtsanwälte, Instanzenzug, Berufung, Berufungsfrist, Vorstellung, Auslegung eines AntragesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:B2407.1994Dokumentnummer
JFT_10049074_94B02407_00