TE Vwgh Erkenntnis 2010/1/27 2009/21/0404

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Veröffentlicht am 27.01.2010
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Index

19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z14
FrG 1997 §106 Abs1
FrPolG 2005 §1 Abs2
FrPolG 2005 §60
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §62
FrPolG 2005 §62 Abs1
FrPolG 2005 §66 Abs2
MRK Art8

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher, Dr. Pfiel und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des B, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. November 2009, Zl. E1/5200/2009, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug (und im zweiten Rechtsgang) erlassenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. November 2009 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen seit 1992 in Österreich aufhältigen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen.

In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den im erstinstanzlichen Bescheid festgestellten Sachverhalt wieder. Danach habe der Beschwerdeführer am 26. April 2004 einen Asylantrag gestellt. Das diesbezügliche Verfahren sei im Berufungsstadium noch anhängig, sodass der Beschwerdeführer als Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung gelte. In weiterer Folge wurden die insgesamt sieben, erstmals im Jahr 1999 erfolgten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers dem Inhalt der Strafregisterauskunft folgend angeführt und auch die den Schuldsprüchen jeweils zugrundeliegenden Tathandlungen im Einzelnen dargestellt. Neben der wiederholten Bestrafung insbesondere wegen Betrugs- und Veruntreuungstaten ist daraus zunächst die Verurteilung durch das Landesgericht Wels vom 27. April 2005 nach den §§ 106 Abs. 1 und 104 Abs. 3 FrG 1997 zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten hervorzuheben, die deshalb erfolgte, weil der Beschwerdeführer (zum Teil mit Mittätern) in der Zeit von August 2000 bis Ende September 2002 gegen Zahlung hoher Geldbeträge gewerbsmäßig (insgesamt zehn) Scheinehen zwischen Fremden und Österreichern vermittelt und in einem Fall gegen einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil Schlepperei begangen habe. Weiters ist zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 5. Jänner 2007 wegen Urkundenfälschung nach den §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt wurde. Danach liegt ihm zur Last, den durch Lichtbildaustausch von ihm verfälschten Führerschein und Reisepass seines Bruder verwendet zu haben. Zuletzt wurde über den Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. Oktober 2007 wegen des Verbrechens nach §§ 28 Abs. 2 und 4 Z 3 SMG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 110/2007) eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verhängt, weil er am 21. Mai 2007 als Mittäter 1.065,5 Gramm Heroin durch Übergabe an einen verdeckten Ermittler in Verkehr gesetzt habe.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, im Hinblick auf die zahlreichen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen sei der Tatbestand des § 62 Abs. 1 (iVm § 62 Abs. 2 und § 60 Abs. 2 Z 1) FPG erfüllt.

Die Erlassung des Rückkehrverbotes sei auch im Sinne des § 66 Abs. 1 FPG dringend erforderlich, weil sich der Beschwerdeführer immer wieder über einen sehr langen Zeitraum (teils schwere) Verfehlungen habe zu Schulden kommen lassen. Gerade an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität sowie der Verhinderung von Schlepperei und von Scheinehen bestehe ein großes öffentliches Interesse. Dem Beschwerdeführer sei zwar eine der Dauer des Aufenthaltes in Österreich seit 1992 entsprechende Integration zuzubilligen und im Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner Lebensgefährtin und dem gemeinsamen Kind werde durch die Erlassung des Rückkehrverbotes zweifelsohne in gravierender Form in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Dem sei jedoch gegenüber zu stellen, dass sich der Beschwerdeführer immer wieder (in zahlreichen Fällen) und über einen langen Zeitraum (über mehrere Jahre hindurch) strafbar gemacht habe. Weder gerichtliche Verurteilungen noch das (im ersten Rechtsgang erlassene) Aufenthaltsverbot hätten den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten und ihn zu einem "Umdenkprozess" bewegen können. So habe er weiterhin Straftaten begangen, die zuletzt zu einer (vom Beschwerdeführer mittlerweile verbüßten) zweijährigen Freiheitsstrafe geführt hätten.

In den weiteren Ausführungen betonte die belangte Behörde noch einmal das große öffentliche Interesse an der Unterbindung von Suchtgiftdelikten, insbesondere des Suchtgifthandels, und die damit verbundene besonders große Wiederholungsgefahr. Auch die Schlepperei gehöre zu den schwerwiegendsten Delikten, zumal diese Art der organisierten Kriminalität ein rigoroses Vorgehen dringend erforderlich mache.

Unter Abwägung dieser Umstände sei im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers zu stellende negative Zukunftsprognose davon auszugehen, dass die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wesentlich schwerer wiegen würden als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Rückkehrverbot sei daher auch im Sinne des § 66 Abs. 2 FPG zulässig. Im Übrigen sei aus den genannten Gründen auch die Ermessensübung nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers vorzunehmen.

Abschließend verwies die belangte Behörde hinsichtlich der Dauer des Rückkehrverbotes darauf, dass nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe für seine Erlassung wieder weggefallen sein würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach den unbekämpften Feststellungen im angefochtenen Bescheid kommt dem Beschwerdeführer weiterhin die Stellung als Asylwerber zu, sodass gegen ihn kein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann, sondern nur die Erlassung eines Rückkehrverbotes in Betracht kommt (vgl. das im ersten Rechtsgang gefällte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 2008, Zl. 2007/21/0439). Demnach hat die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen der dafür erforderlichen Voraussetzungen geprüft.

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG. Nach dem - hier in Betracht kommenden - § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als bestimmte, die erwähnte Gefährdungsprognose rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die erste und die letzte Alternative dieses Tatbestandes sind im gegenständlichen Fall ausgehend von den vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten, einmal zu einer (unbedingten) zweijährigen Freiheitsstrafe und mehrmals wegen Vermögensdelikten erfolgten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen erfüllt.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in Bezug auf Suchtgifthandel bereits wiederholt davon ausgegangen, dieser stelle ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben sei und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse bestehe (vgl. unter vielen etwa das Erkenntnis vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0474, mwN). Dazu kommt die aus fremdenrechtlicher Sicht relevante Verfälschung ausländischer öffentlicher Urkunden und deren Verwendung zur Täuschung über die Identität. In Bezug auf ein geordnetes Fremdenwesen ist aber vor allem noch die vom Beschwerdeführer betriebene Vermittlung von (insgesamt zehn) Scheinehen als besonders verwerflich zu qualifizieren, wobei sich diesbezüglich das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr aus der gewerbsmäßigen Begehung und aus den dadurch erzielten hohen Geldbeträgen ableiten lässt (vgl. das Erkenntnis vom 20. November 2008, Zl. 2008/21/0603). Schließlich wies die belangte Behörde zutreffend darauf hin, dass den Beschwerdeführer weder verhängte Strafen noch fremdenrechtliche Maßnahmen vom wiederholten einschlägigen Rückfall abhalten konnten. Angesichts dessen bestehen keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde die Gefährdungsprognose nach § 62 Abs. 1 FPG für gegeben erachtete.

Die wider diese Annahme von der Beschwerde vorgetragenen Argumente sind demgegenüber nicht stichhältig. Anders als der Beschwerdeführer meint ist nämlich der straffreie Zeitraum seit der Haftentlassung nach Verbüßung der mit Urteil vom 5. Oktober 2007 verhängten Freiheitsstrafe eindeutig zu kurz, um schon deshalb eine günstige Prognose erstellen zu können. Soweit der Beschwerdeführer auf das "erstmals verspürte Haftübel" verweist, bietet das angesichts der durch sein bisheriges Verhalten zum Ausdruck gebrachten kriminellen Energie in Bezug auf die rechtswidrige Erlangung von Vermögensvorteilen keine ausreichende Gewähr für ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers.

Nach § 62 Abs. 3 FPG ist bei der Erlassung eines Rückkehrverbotes (u.a.) auf § 66 FPG Bedacht zu nehmen. Gemäß § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, mit dem in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist, wobei in § 66 Abs. 2 FPG die für die Abwägung zwischen öffentlichem und persönlichem Interesse insbesondere zu berücksichtigenden Kriterien aufgezählt und konkret umschrieben sind (vgl. dazu Punkt 2.3. der Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom 22. Dezember 2009, Zl. 2009/21/0348).

Entgegen der Beschwerdemeinung ist aber auch die Beurteilung der belangten Behörde unter diesen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden. So hat die belangte Behörde ohnehin auf den langen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und die dadurch bewirkte Integration sowie auf die Lebensgemeinschaft mit einer Österreicherin und dem gemeinsamen Kind ausreichend Bedacht genommen und ist ausdrücklich von einem gravierenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ausgegangen. Dessen Interessen und jene seiner Angehörigen haben jedoch hinter dem schon erwähnten großen öffentlichen Interesse insbesondere an der Unterbindung von Suchtgifthandel und von Scheinehen zurückzutreten. Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn die belangte Behörde das in hohem Maß bestehende öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers, der nicht nur zuletzt in Bezug auf Handel mit Heroin in übergroßer Menge gravierend straffällig, sondern auch davor in nicht unerheblicher Weise mehrfach deliktisch auffällig wurde, zumindest gleich hoch bewertete wie das Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich. Eine aus dem Rückkehrverbot - in Verbindung mit einer (erst zu erlassenden) asylrechtlichen Ausweisung - resultierende allfällige Trennung von seiner Lebensgefährtin und dem Kind ist daher im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2010

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2010:2009210404.X00

Im RIS seit

20.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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