TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/27 96/05/0160

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §68 Abs1;
BauO NÖ 1976 §106 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/05/0161

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der

W Wohnbaugesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. April 1996, Zlen. R/1-V-94089/02 und R/1-V-94089/03, betreffend Baubewilligung bzw. einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Parteien: 1. EB in S, (betreffend den erstangefochtenen Bescheid); 2. UB in S, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W (betreffend den erstangefochtenen Bescheid);

3. Stadtgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der Zweitbeschwerdeführerin S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

Mit Bauansuchen vom 5. Oktober 1993 beantragte die Beschwerdeführerin die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage, bestehend aus den Bauteilen IV und V, mit insgesamt 36 Wohneinheiten und

36 Tiefgaragen-Abstellplätzen auf dem Grundstück Nr. 362/1, KG S. Die Bauverhandlungsschrift sowie die Projektunterlagen wurden zu wesentlichen Bescheidbestandteilen erklärt. Die Erst- und Zweitmitbeteiligten erhoben in der Bauverhandlung vom 18. Oktober 1993 Einwendungen gegen den ostseitigen Erker, die Dachform bzw. Dachneigung, die seiner Auffassung nach nicht der Bauordnung bzw. dem gültigen Bebauungsplan entsprächen. Weiters dürfe die im Flächenwidmungsplan vorgesehene Bebauungsdichte nicht überschritten werden. Die Garagenbe- und -entlüftung inklusive der Brandrauchentlüftung dürfe keinesfalls mechanisch hergestellt werden. Der bautechnische Sachverständige hielt das vorliegende Bauvorhaben bei Einhaltung von insgesamt 38 Auflagen als bewilligungsfähig.

Mit Erledigung des Bürgermeisters vom 18. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführerin die Bewilligung zum Neubau der beantragten Wohnhausanlage auf dem angeführten Grundstück erteilt. Die Protokolle über die Bauverhandlungen bildeten einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides. Die Ausführung des Bauvorhabens habe nach Maßgabe der Sachverhaltsdarstellungen und der Baubeschreibungen zu erfolgen.

Die dagegen erhobene Berufung des Erst- und der Zweitmitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeinderates der drittmitbeteiligten Partei vom 28. März 1994 als unbegründet abgewiesen.

Der dagegen von dem Erst- und der Zweitmitbeteiligten erhobenen Vorstellung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Dezember 1994 Folge gegeben, der bekämpfte Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit an die Gemeinde zurückverwiesen. Die Aufhebung wurde insbesondere mit näher ausgeführten Unklarheiten hinsichtlich des Abstandes des projektierten Wohngebäudes zur Anrainergrenze des Erst- und der Zweitmitbeteiligten begründet. Die übrigen Einwendungen des Erst- und der Zweitmitbeteiligten wurden als nicht begründet angesehen.

In der Folge wies der Gemeinderat der drittmitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 10. Februar 1995 die Berufung u.a. der Erstmitbeteiligten mit der Maßgabe als unbegründet ab, daß die im erstinstanzlichen Bescheid unrichtig zitierten Gesetzesstellen korrigiert wurden und der Abstand der nordseitigen Gebäudefront zu den Anrainergrundgrenzen Nr. 362/37 und 362/35, und somit auch zum Grundstück des Erstmitbeteiligten und der Zweitmitbeteiligten, mit 20,5 m - wie in der Sachverhaltsdarstellung der Verhandlungsschrift vom 18. Oktober 1993 zutreffend angegeben worden sei - festgelegt wurde. Alle Planparien und Unterlagen seien mit diesem Abstand zu kotieren bzw. zu berichtigen.

Die im Akt einliegende Erledigung enthält nach der Fertigungsklausel "Für den Gemeinderat: Der Bürgermeister:" einen unleserlichen Schriftzug. Eine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden enthält diese Erledigung nicht.

Die dagegen erhobene Vorstellung des Erst- und der Zweitmitbeteiligten wurde mit dem erstangefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müßten alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt habe. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrmals ausgesprochen habe, müsse, sofern eine Unterschrift unleserlich sei, der Erledigung zumindest in anderer leserlicher Form der Name zu entnehmen sein. Fehle es an einer Unterschrift im Sinne des Gesetzes und ergebe sich aus der Erledigung auch sonst kein Anhaltspunkt dafür, wer die Genehmigung erteilt habe, scheine also keine "leserliche Beifügung des Namens" des Genehmigenden auf, so liege kein Bescheid vor. Die Beifügung der Funktionsbezeichnung "Der Bürgermeister" könne dieses Erfordernis nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ersetzen. Der bekämpfte Berufungsbescheid des Gemeinderates vom 15. September 1995 stelle daher keinen Bescheid im Sinne des AVG dar. Rechtsmittel gegen derartige Erledigungen seien von der jeweiligen Rechtsmittelbehörde als unzulässig zurückzuweisen. Dasselbe gelte im übrigen für die Berufungsbehörde selbst, da der "Bescheid" des Bürgermeisters vom 18. Oktober 1993 ebenfalls nicht leserlich unterschrieben sei und ebenfalls nur die Funktionsbezeichnung "Der Bürgermeister" enthalte.

2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der drittmitbeteiligten Partei vom 27. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 109 Abs. 3 und 4 Nö Bauordnung 1976 der baupolizeiliche Auftrag erteilt, die Fortsetzung der Arbeiten zur Errichtung des ostseitigen Erkers beim Bauteil IV und V, Stiege 11, Grundstück Nr. 362/1, KG S, zu unterlassen und gleichzeitig die vier Säulen, welche zur Abstützung dieses Erkers (entgegen dem Baubewilligungsbescheid vom 18. Oktober 1993) errichtet worden seien, abzubrechen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates vom 15. September 1995 im Spruchteil I hinsichtlich der Untersagung der Fortsetzung der Arbeiten zur Errichtung des angesprochenen Erkers abgewiesen. In Spruchteil II gab der Gemeinderat der Berufung in bezug auf die Anordnung der Herstellung des konsensgemäßen Zustandes bzw. des Abbruches der vier Säulen zur Abstützung des ostseitigen Erkers Folge und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Baubehörde I. Instanz.

Die gegen Spruchteil I des angeführten Berufungsbescheides gerichtete Vorstellung wurde mit dem zweitangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Im Hinblick auf die rechtlichen Schlußfolgerungen wurde auf den erstangefochtenen Bescheid verwiesen, aus dem sich ergebe, daß für das Bauvorhaben im Hinblick auf die mangelnde Bescheidqualität der Erledigung des Bürgermeisters vom 18. Oktober 1993 keine Baubewilligung vorliege, sodaß die mit Bescheid des Bürgermeisters vom 27. Juli 1995 verfügte Einstellung der Arbeiten zur Errichtung des ostseitigen Erkers im Ergebnis zu Recht erfolgt sei. Im Hinblick auf diese Sach- und Rechtslage erübrige sich auch die Beantwortung der Frage, welche Grundrißdarstellung des Erdgeschoßes anläßlich der Bauverhandlung vom 18. Oktober 1993 tatsächlich vorgelegen sei bzw. auf welche Weise die im Berufungswege von der Beschwerdeführerin vorgelegte Planparie B des Erdgeschoßes mit der Bezugsklausel der erstinstanzlichen Baubehörde versehen worden sei, da sich beide Darstellungen auf keine Baubewilligung im Rechtssinne stützen könnten.

3. In der gegen die beiden Bescheide erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Durch beide Bescheide werde die Beschwerdeführerin in ihrem Recht gemäß § 100 Nö Bauordnung 1976 verletzt, das Bauvorhaben gemäß der durch den Bürgermeister der drittmitbeteiligten Partei vom 18. Oktober 1993 erteilten Baubewilligung auszuführen.

Die belangte Behörde hat - wie die zweit- und drittmitbeteiligte Parteien - eine Gegenschrift erstattet, weiters die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie auch die zweitmitbeteiligte Partei - die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

4.1. Zum erstangefochtenen Bescheid:

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat.

Unbestritten ist, daß der der Beschwerdeführerin zugestellte und dem Verwaltungsgerichtshof übermittelte Berufungsbescheid - wie auch die erstinstanzlich erteilte Baubewilligung - keine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden enthält. Wie die Beschwerdeführerin selbst ausführt, besteht seit der Novelle des AVG, BGBl. Nr. 199/1982, in bezug auf schriftliche Ausfertigungen das Erfordernis, daß sie mit der unter leserlicher Beifügung des Namens abgegebenen Unterschrift dessen versehen sind, der die Erledigung genehmigt hat, es sei denn, es liegt einer der abweichend geregelten Fälle des § 18 Abs. 4 AVG vor. Aus der angeführten Novelle des AVG ergibt sich, daß sich aus der Ausfertigung in leserlicher Form der Name des Genehmigenden ergeben muß. Sollte daher eine Unterschrift unleserlich sein, so muß in anderer leserlicher Form der Name des Genehmigenden der Erledigung entnehmbar sein. Der Verwaltungsgerichtshof geht - wie die Beschwerdeführerin - davon aus, daß eine Unterschrift im Sinne der hg. Judikatur (vgl. die Erkenntnisse vom 31. Oktober 1979, Slg. Nr. 5423/F, und vom 10. Dezember 1986, Zl. 86/01/0072) vorliegt. Das Erfordernis der leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigenden wird aber nur durch eine solche Unterschrift wettgemacht, aus der bei objektiver Beurteilung der Name des Genehmigenden eindeutig entnommen werden kann. Es genügen somit die Anforderungen, die an das Vorliegen einer Unterschrift geknüpft werden, in diesem Zusammenhang - wie die Beschwerdeführerin meint - nicht, daß nämlich jemand, der weiß, wer den Bescheid unterfertigt hat, auf Grund einiger erkennbarer Buchstaben den Namen des Genehmigenden herauslesen kann. Selbst nach Auffassung der Beschwerdeführerin sind nur drei Buchstaben der Unterschrift des Berufungsbescheides erkennbar (nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind selbst diese Buchstaben bei objektiver Betrachtung kaum identifizierbar), die Unterschrift ist daher zumindest nur zum Teil lesbar, weshalb eine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden auf der für die Beschwerdeführerin bestimmten Ausfertigung geboten war. Der angeführte, an die Beschwerdeführerin zugestellte Berufungsbescheid des Gemeinderates enthält eine solche für die Qualifikation als Bescheid in diesem Fall essentielle leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden nicht (vgl. die hg. Beschlüsse vom 27. März 1987, Zl. 85/12/0236, vom 18. Dezember 1987, Zl. 87/18/0095, vom 28. September 1994, Zl. 94/12/0225, und vom 10. Dezember 1986, 86/01/0072). Die Anführung der Funktionsbezeichnung vermag die im § 18 Abs. 4 AVG vorgesehene leserliche Beifügung des Namens des die Erledigung Genehmigenden nicht zu ersetzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1993, Zl. 92/05/0323, und vom 11. Oktober 1994, Zl. 94/05/0097).

Die belangte Behörde ist daher im erstangefochtenen Bescheid zutreffend davon ausgegangen, daß die Vorstellung des Erst- und der Zweitmitbeteiligten mangels Vorliegens eines tauglichen Rechtsmittelgegenstandes zurückzuweisen war.

4.2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:

Auch der zweitangefochtene Bescheid erweist sich als rechtsrichtig. Die belangte Behörde ist unter Berufung auf die Ausführungen im erstangefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß für das Bauvorhaben (Bauteile IV und V) keine Baubewilligung vorliege. Die belangte Behörde hat sich dabei im zweitangefochtenen Bescheid zwar im besonderen darauf gestützt, daß auch die Erledigung des Bürgermeisters vom 18. Oktober 1993 mangels leserlicher Beifügung des Namens des Genehmigenden zu einer unleserlichen Unterschrift kein Bescheid sei. Auch diese Auffassung erweist sich im Lichte dessen, daß der der Beschwerdeführerin zugestellte, dem Verwaltungsgerichtshof übermittelte erstinstanzliche Bescheid neben einer im Sinne der Ausführungen zu § 18 Abs. 4 AVG nicht leserlichen Unterschrift unbestritten keine leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden enthält, als zutreffend. Auch der Umstand, daß der Name des Bürgermeisters auf dem Verhandlungsprotokoll aufscheint, kann die gemäß § 18 Abs. 4 erster Satz AVG auf der schriftlichen Ausfertigung einer Erledigung geforderte leserliche Beifügung des Namens des Genehmigenden nicht ersetzen. Es lag daher auch keine rechtskräftige Baubewilligung vor, nach der erst die Ausführung des Vorhabens gemäß § 106 Abs. 1 Nö Bauordnung 1976 überhaupt zulässig ist.

Die beiden angefochtenen Bescheide erweisen sich somit als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Unterschrift des Genehmigenden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996050160.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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