TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 W282 2220659-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs5
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W282 2220659-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.: Serbien vertreten durch RA Mag. German BERTSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.07.2020 zu Recht:

a)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Gegen den Beschwerdeführer (BF), einen 1981 in Österreich geborenen, aufgewachsenen und daueraufenthaltsberechtigten serbischen Staatsangehörigen, wurde nach mehreren strafrechtlichen Verurteilungen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge Bundesamt oder belangte Behörde) nach seiner letzten Verurteilung im Jahr im Jahr 2018 ua. wegen Suchtgifthandel (§ 28a SMG) ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet. Möglich wurde dieses Verfahren durch die Aufhebung von § 9 Abs. 4 BFA-VG im Zuge des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 zum 31.08.2018. Diese Bestimmung hatte bis dahin Rückkehrentscheidungen gegen in Österreich geborene, aufgewachsene und langjährig rechtmäßig daueraufhältige Fremde für allgemein unzulässig erklärt.

2. Im April 2019 wurde dem BF vom Bundesamt ein Parteiengehör in jene Justizanstalt übermittelt, in der zu dieser Zeit in Strafhaft angehalten wurde. In Antwort übermittelte der BF durch seinen Rechtsvertreter (RV) eine Stellungnahme an das Bundesamt in der ausgeführt wird, der BF halte sich Zeit seines Lebens in Österreich auf, habe hier die Schule und eine Lehre abgeschlossen und habe kaum Verwandte in Serbien. Der BF werde aufgrund seiner guten Führung auch nicht die gesamte Strafdauer verbüßen müssen. Der BF sei in Vorarlberg sozial integriert und habe hier seine Lebensgefährtin, mit der er nach der Haft zusammenwohnen wolle.

3. Mit dem (angefochtenen) Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .2019 wurde gegen BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 5 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), seine Abschiebung nach Serbien für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.), ein auf acht Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Maßgeblich begründet wurde der angefochtene Bescheid mit den sechs strafrechtlichen Verurteilungen des BF, wodurch nach Ansicht des Bundesamtes dieser eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter in vollem Umfang Beschwerde und brachte darin vor, er sei in Österreich geboren, aufgewachsen und hier bestens integriert. Der BF halte sich Zeit seines Lebens in Österreich auf, habe hier die Schule und eine Lehre abgeschlossen und habe keine Verwandten oder sonstigen Kontakte mehr in Serbien. Der BF sei in Vorarlberg gut sozial integriert und habe hier seine Lebensgefährtin, mit der er nach der Haft zusammenwohnen werde. Diese werde in auch bei Resozialisierung unterstützen. Beantragt wurde den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen bzw. in eventu das Einreiseverbot zu verkürzen.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 01.07.2019 vom Bundesamt vorgelegt. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.07.2019 zur GZ G309 2220659-1/3Z wurde der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkannt. Mit Beschluss des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G309 abgenommen und der Gerichtabteilung W282 neu zugewiesen.

6. Am 23.07.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, anlässlich der der BF und seine derzeitige Lebensgefährtin als Zeugin einvernommen wurden. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter zu dieser Verhandlung.

7. Am 17.08.2020 übermittelte der BF zusätzliche Unterlagen bzw. Beweismittel über die Begleichung der Kosten des Krankenhausaufenthaltes sowie eine Passkopie seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Weiters gab er bekannt, nun mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin zusammenzuwohnen.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen

Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1 Der Beschwerdeführer (BF) ist serbischer Staatsbürger, er ist ledig, gesund und erwerbsfähig.

1.2 Der BF wurde 1981 in Österreich in Lustenau geboren, ist hier aufgewachsen, hat hier seine Schulpflicht absolviert und hat sich Zeit seines Lebens überwiegend im Bundesgebiet aufgehalten. In sein Heimatland hat der BF Urlaubsreisen in seiner Jugend unternommen. Der BF spricht Deutsch auf Muttersprachenniveau, weiters spricht er Serbisch. Der BF hat im Bundesgebiet seine Schulpflicht absolviert und eine Lehre als Gas-Wasser-Heizungs Installateur angeschlossen. Die Eltern des BF halten sich derzeit in Serbien auf, wollen in Zukunft jedoch in Griechenland leben. Ebenso hält sich der Bruder des BF in Serbien auf, zu diesem hat der BF jedoch kaum Kontakt.

1.3 Der BF hat sich bisher nur zu Urlaubszwecken bzw. für Verwandtenbesuche in seinem Heimatland aufgehalten. Letztmalig hielt sich der BF vor sieben Jahren in Serbien auf, um seine zwischenzeitig verstorbene Großmutter zu besuchen. Dem BF wurden seit seiner Geburt verschiedene Aufenthaltstitel bzw. Niederlassungsnachweise erteilt. Seit Jänner 2014 verfügt er über den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG), die ihm hierfür ausgestellte Dokumentationskarte ist im Jänner 2019 abgelaufen. Über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfügt er seit 2004. Der BF hat einen Antrag auf Verlängerung der Dokumentationskarte gestellt. Der BF war seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und niedergelassen.

1.4 Die Eltern des BF halten sich seit ihrem Pensionsantritt seit kurzer Zeit wieder in Serbien auf, haben aber die Absicht nach Griechenland umziehen. Die Eltern des BF verfügen über Grundbesitz bzw. ein Haus in Serbien. Der BF verfügt über keine nennenswerten Bindungen zu seinem Heimatstaat, zumal er sich dort auch in seiner Jugend nur zu Urlaubszwecken aufgehalten hat; er hat dort keine Freunde oder Bekannte. Der BF hat keine Kinder. Der BF hatte ein (ungeborenes) Kind mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, dieses verstarb jedoch 2015 noch während der Schwangerschaft aufgrund von Komplikationen als sich die ehemalige Lebensgefährtin in Rumänien aufhielt. Die ehemalige Lebensgefährtin des BF wurde in Rumänien aufgrund dieser Komplikationen operiert, wobei das ungeborene Kind den Eingriff nicht überlebt hat. Die ehemalige Lebensgefährtin des BF war in Rumänien nicht krankenversichert, wodurch durch diesen Spitalsaufenthalt hohe Kosten entstanden, für deren Begleichung der BF im Bundesgebiet in Folge Geldmittel aufzutreiben versuchte.

Der BF hat mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin seit seiner Haftentlassung im Februar 2020 nicht unmittelbar zusammengelebt, jedoch die überwiegende Zeit bei ihr verbracht und sich bereits während seiner Haftfreigänge im Herbst/Winter 2019 nach einem operativen Eingriff auch intensiv um sie gekümmert. Seit XXXX 2020 besteht mit der Lebensgefährtin und deren Tochter auch ein gemeinsamer Haushalt und ein gemeinsames Familienleben wobei der BF von seiner Lebensgefährtin auch finanziell unterstützt wird.

1.6 Der BF verfügt in Bezug auf seine sehr lange Aufenthaltsdauer über eine übliche soziale und gesellschaftliche Integration, die durch den letzten Aufenthalt in Strafhaft etwas eingeschränkt ist. Der BF verfügt über einen Freundeskreis der aus österreichischen Staatsbürgern und Angehörigen anderer Nationalitäten besteht. Der BF wurde in Haft von seiner Lebensgefährtin besucht, bis er Freigang erhielt, in dessen Rahmen er sie besuchte. Derzeit ist der BF nicht in Vereinen oder einer Kirche aktiv, er springt jedoch bei einem Dart-Verein als Spieler ein, wenn Bedarf besteht.

1.7 Der BF war nach Absolvierung seiner Lehre im 2000 bis zum Jahr 2004 erwerbstätig. Zwischen März 2005 und Ende 2006 war der BF zumindest 1 Jahr und 9 Monate in Beschäftigung. Von Mai 2007 bis Juni 2008 war der BF bei einer Personalbereitstellungsfirma tätig. Hiernach war der BF im Jahr 2013 erneut länger berufstätig (9,5 Monate), seine Erwerbstätigkeiten in den Jahren 2008 bis Anfang 2013 waren jeweils nur von kurzer Dauer. Von Dezember XXXX bis Jänner XXXX war der BF als „Security“ des Vergnügungslokals „ XXXX “ in Feldkirch tätig, wobei seine An- und Abmeldung durch den Buchhalter seines Dienstgebers nur unzuverlässig funktionierte. Letztmalig vor seiner Festnahme war der BF im April 2018 für einen Botendienst erwerbstätig. Zwischen den vorgenannten Zeiträumen bezog der BF aber 2005 vorwiegend Arbeitslosengeld bzw. manchmal auch Notstandshilfe. Derzeit bezieht der BF Arbeitslosengeld.

2. Zu den strafrechtlichen Verurteilungen:

2.1 Der Strafregisterauszug des BF weist insgesamt sechs Vorstrafen auf. Der BF wurde erstmals im Jahr 2011 straffällig, als er von einem Bezirksgericht im September 2011 wegen Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde. Auslöser der Verurteilung war, dass der BF im angetrunkenen Zustand aufgrund eines Streits einen Blumentopf gegen die Eingangstür eines Lokals warf. Ebenfalls 2011 wurde der BF von einem Landesgericht bzw. im Berufungsweg vom einem Oberlandesgericht im August 2011 wegen Betrugs, schweren bzw. gewerbsmäßigen Betrugs, und Urkundenfälschung bzw. Fälschung besonders geschützter Urkunden zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt wurde, wovon 18 Monate bedingt auf 3 Jahre nachgesehen wurden. Der BF hatte hierbei mit mehreren Komplizen Gutachten nach § 57a Abs. 1 KFG gefälscht, um Käufer durch Täuschung über Tatsachen zum Kauf von Kraftfahrzeugen zu verleiten, die tatsächlich zahlreiche schwere Mängel aufwiesen. Der BF war hierbei Beitragstäter, indem er von Dezember 2008 bis August 2010 die gefälschten Plaketten und Gutachten herstellte. Insgesamt wurden hierdurch 23 Käufer am Vermögen geschädigt, indem diese mängelbehaftete KfZ erwarben, für die der BF die Gutachten gefälscht hatte. Dem BF wurde vorgeworfen im genannten Zeitraum zumindest 250 gefälschte Gutachten erstellt zu haben. Den unbedingten Teil der Freiheitsstrafe verbüßte der BF im elektronisch überwachten Hausarrest, der bedingte Teil der Freiheitsstrafe wurde dem BF 2015 endgültig nachgesehen.

2.2 Im Jahr 2015 und 2016 erfolgten je Verurteilungen durch ein Bezirksgericht wegen leichter Körperverletzung (§ 83 StGB), zusätzlich erfolgte 2015 auch eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung. Diese Straftaten stehen in maßgeblichem Zusammenhang mit der damaligen Tätigkeit des BF als „Security“ eines Vergnügungslokals. Der BF wurde hierbei wegen der Delikte der Körperverletzung jeweils zu Geldstrafen iHv 80 und 150 Tagessätzen und wegen der Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe iHv 80 Tagessätzen verurteilt.

2.3 Letztmalig wurde der BF im Juli 2018 von einem Landesgericht wegen der Verbrechen der Vorbereitung des Suchtgifthandels und wegen Suchtgifthandels in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge (§§ 28 Abs. 1 und 2, 28a Abs. 1 und Abs. 4 Z 3 SMG) verurteilt. Der BF hat hierbei im ersten Stock seines Hauses in Vorarlberg, das er hierfür mit entsprechendem Aufwand adaptiert hat, von Anfang 2016 bis April 2018 Cannabispflanzen angebaut und aufgezogen, wodurch er eine Ausbeute von 27,3 kg Cannabiskraut erzielte. Im selben Zeitraum hat er ca. 16,20 kg Cannabiskraut an verschiedene Drogenabnehmer in Vorarlberg verkauft bzw. übergeben. Weiters wurde bei ihm bei der zur Verurteilung führenden Hausdurchsuchung im April 2018 11kg Cannabiskraut gefunden, das zum Inverkehrbringen vorbereitet war. Darüber hinaus wurde er schuldig erkannt zwischen Ende 2017 und April 2018 450 Cannabispflanzen zur Suchtgiftgewinnung von insgesamt 7,6 kg Cannabis angebaut und aufgezogen zu haben. Weiters besaß er auch einen als Taschenlampe getarnten Elektroschocker, weshalb auch eine Verurteilung nach dem Waffengesetz erfolgte.

Der BF zeigte sich bei der Hausdurchsuchung – nachdem er sich anfänglich im Haus versteckt hatte - kooperativ und wies die Polizei auf noch nicht entdecktes Suchtgift hin. Weiters zeigte er sich umfassend geständig und gab an aus Geldnot aufgrund hoher Schulden – ua wegen der Behandlungskosten für seine ehemalige Lebensgefährtin - gehandelt zu haben. Als mildernd wurde das umfassende Geständnis des BF, die hohe Sicherstellungsmenge an Suchtgift und die Tatsache, dass der BF die Ermittler auf bei der Hausdurchsuchung auf zusätzliches Suchtgift hinwies, gewertet. Erschwerend wirkte sich der lange Tatzeitraum, die Vorstrafenbelastung, das mehrfache Überschreiten der Grenzmenge an Suchtgift sowie das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen aus. Der BF wurde zu einer unbedingten Haftstrafe von 33 Monaten verurteilt, aus der er letztlich am XXXX 2020 begingt entlassen wurde, wobei das errechnete Strafende der XXXX .2021 ist.

II. Beweiswürdigung

1.1 Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes und in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts sowie durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel bestehen sowie durch Einvernahme des BF sowie der Zeugin XXXX im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 23.07.2020. Weiters wurden Auszüge aus dem zentralen Fremdenregister (IZR), Strafregister, zentralen Melderegister und des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger hinsichtlich des BF eingeholt.

1.2. Auf dem Verwaltungsakt (AS 3f) und den Auszügen aus dem Zentralen Fremdenregister basieren weiters die Feststellungen zu den bisherigen Aufenthaltstiteln des BF und der Tatsache, dass der BF nach wie vor einen aufrechten unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ nach § 45 NAG innehat. Hinweise auf eine Rückstufung auf einen befristeten Aufenthaltstitel durch die Niederlassungsbehörde finden sich im Verwaltungsakt nicht.

1.3 Die Feststellungen zu den Familienverhältnissen, der Beziehung zur Lebensgefährtin des BF und dem Kontakt zum Heimatstaat sowie der sozialen und gesellschaftlichen Integrationsstufe und den Deutschkenntnissen basiert maßgeblich auf dem im Rahmen der Einvernahme des BF vor dem Bundesverwaltungsgericht gewonnenen Eindruck (Niederschrift OZ 10) zumal der BF vom Bundesamt selbst nicht einvernommen wurde. Da der BF im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsen ist, war auch von Deutschkenntnissen auf Muttersprachen-Niveau auszugehen. Die weiteren Feststellungen zum verstorbenen ungeborenen Kind des BF und seiner damaligen Lebensgefährtin, den diesbezüglichen Umständen und den hieraus entstandenen Kosten basieren auf der lebensnahen und glaubhaften Schilderung durch den BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie auf den mit der Stellungnahme vom 17.08.2020 (OZ 11) vorgelegten Überweisungsbelegen des Dienstes „Western Union“. Der BF konnte glaubhaft machen, die erheblichen Kosten des Krankenhausaufenthaltes in Rumänien seiner damaligen rumänischen Lebensgefährtin durch diese Überweisungen abzudecken versucht zu haben.

Das der BF bereits während seiner Haftfreigänge ein Familienleben mit seiner derzeitigen Lebensgefährtin (Zeugin) aufgebaut hat, gaben sowohl der BF als auch die Zeugin weitgehend übereinstimmend an. So hat sich der BF bereits während eines Hafturlaubs Ende 2019 um die Zeugin gekümmert, nachdem diese sich einem operativen Eingriff unterziehenden musste. Vor allem die glaubhaften Schilderungen der Zeugin, dass der BF zwar sehr viel Zeit seit seiner Haftentlassung bei ihr verbringe, jedoch aufgrund der Erschwernisse durch die COVID-19 Pandemie und auch aus persönlicher Vorsicht der Zeugin, die vor der Verhaftung nichts von der letzten maßgeblichen Straftat des BF wusste, noch kein gemeinsamer Haushalt vorliegt, vermochten zu überzeugen. Mittlerweile lebt der BF jedoch mit der Zeugin in einem gemeinsamen Haushalt, wie sich aus der Stellungnahme OZ 11 und dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister ergibt.

1.4 Die Feststellungen zur in gewissem Umfang vorhandenen wirtschaftlichen Integration des BF, auch wenn zwischen den Beschäftigungszeiträumen immer wieder längere Zeiten von Arbeitslosengeld- und Notstandshilfebezug liegen, basieren auf den im Verwaltungsakt einliegenden Auszügen des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger betreffend des BF und den nachvollziehbaren Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung.

1.5. Die Feststellungen zu den Verurteilungen des BF samt den näheren Tatumständen gründen sich auf den Strafregisterauszug des BF und auf die im Akt des Bundesamtes einliegenden Abschriften der diesbezüglichen strafgerichtlichen Urteile (va. AS 39f, AS 43 bzw. 59f und Konvolut OZ 13). Die Feststellungen zur letzten Verurteilung wegen der Drogendelikte basiert maßgeblich auch dem Ermittlungsbericht der LPD Vorarlberg (AS 117f) und dem diesbezüglichen Strafurteil des LG Feldkirch (AS 139f).

Der BF gab inhaltlich nachvollziehbar an, dass die Verurteilungen 2015 und 2016 maßgeblich mit seiner Tätigkeit als „Security“ in einem Vergnügungslokal in Feldkirch zu tun hatten, diese Angabe deckt sich insoweit auch mit dem Auszug des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und den Urteilsabschriften (OZ 13) Es sei mit betrunkenen Gästen öfters zu Auseinandersetzungen gekommen, wenn diese das Lokal verlassen mussten. Er sei von diesen Personen dann manchmal attackiert oder bespuckt worden. Im Rahmen der folgenden körperlichen Auseinandersetzungen kam es dann zu den verurteilten Körperverletzungen bzw. zu einer Sachbeschädigung.

Der BF gab zu seiner letzten Verurteilung wegen Drogenhandel in der Verhandlung sichtbar emotionalisiert an, dass er nach dem Tod seines ungeborenen Kindes mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin, die in Rumänien – ohne krankenversichert zu sein – operiert werden musste in eine psychische Ausnahmesituation geriet, zumal er bereits in finanzieller Hinsicht Schulden hatte und nun zusätzlich versuchte die Geldmittel für die Behandlung seiner ehemaligen Lebensgefährtin aufzutreiben. Er gab im Hinblick auf seine Motive für den „Einstieg“ in das Drogengeschäft bzw. den Drogenhandel an, dass ihm in dieser Ausnahmesituation die Konsequenzen seines Handelns egal gewesen seien, da er nach dem Tod seines ungeborenen Kindes „am Boden zerstört“ war (Niederschrift OZ 10, S 8 f). Zwar ist hierzu nachvollziehbar und glaubhaft, dass sich der BF unmittelbar nach dem Tod seines ungeborenen Kindes in einer Extremsituation befand, einschränkend ist jedoch festzuhalten, dass der Tatzeitraum des verurteilten Suchtgiftdelikts von Anfang 2016 bis April 2018 liegt. Dass über diesen gesamten Zeitraum dieser Ausnahmezustand angehalten haben soll erscheint hierdurch nicht vollständig nachvollziehbar. Letztlich konnte aber erneut die Zeugin glaubhaft machen, dass der BF wohl überwiegend wegen dieser Ausnahmesituation das verurteilte Drogendelikt begangen hat um unter anderem auch die Kosten der Behandlung seiner ehemalignen Lebensgefährtin zu bestreiten. Hierzu passt auch die Darstellung im Ermittlungsbericht der LPD Vorarlberg, wonach der BF bei der Hausdurchsuchung, die seiner Verhaftung vorausging – nachdem er sich anfangs versteckt hatte - sehr kooperativ war und letztlich „erleichtert“ schien, betreten worden zu sein. In diesem Zusammenhang ist erscheint es auch nachvollziehbar, wenn der BF angibt, den moralischen Vorsatz gehabt zu haben, nicht mit „harten“ Drogen handeln zu wollen, da ihm auch nicht bekannt sei, dass es durch Cannabis induzierte Todesfälle gebe.

Dementgegen aktenwidrig ist die Feststellung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid (AS 292) in Bezug auf das Suchtmitteldelikt der BF habe keine Schulden gehabt und sich in keiner prekären Lage befunden. Wie aus dem Strafurteil des LG Feldkirch vom Juli 2018 (AS 145) hervorgeht hatte der BF zu diesem Zeitpunkt Schulden in der Höhe von 10tsd bis 15tsd Euro, weshalb schon deshalb seine finanzielle Lage als prekär einzuschätzen war.

Feststellungen zum Herkunftsstaat waren ggst. nicht zu treffen, da die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall unzulässig ist.

III. rechtlich war zu erwägen:

Zu A)

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg. cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit demnach Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Zu A)

3.1. Rechtsgrundlagen:

Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet wie folgt:

„(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet wie folgt:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige  

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

§ 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 56/2018 lautete wie folgt:

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn

1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder

2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

3.2 Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids (Rückkehrentscheidung):

Bei der Prüfung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien vorzunehmen. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung – nunmehr Rückkehrentscheidung – nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die folgenden Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423): Erstens die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, zweitens das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, drittens die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, viertens der Grad der Integration, fünftens die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, sechstens die strafgerichtliche Unbescholtenheit, siebentens Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, achtens die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren und schließlich neuntens die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Auch wenn das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zunimmt, so ist die bloße Aufenthaltsdauer freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären und sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 25.04.2018, Ra 2018/18/0187).

Vom Prüfungsumfang des Begriffes des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z.B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (vgl. EKMR 14.03.1980, B 8986/80; EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (vgl. EKMR 06.10.1981, B 9202/80; EuGRZ 1983, 215; VfGH 12.03.2014, U 1904/2013). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt.

Unter „Privatleben“ im Sinne von Art. 8 EMRK sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Nr. 60654/00, Sisojeva ua gg. Lettland).

Zur Aufenthaltsdauer ist festzuhalten, dass einer Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren für sich betrachtet eine sehr große Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt. Dabei geht der Verwaltungsgerichtshof in gefestigter Judikatur davon aus, dass bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Nur wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (bzw. die Nichterteilung eines humanitären Aufenthaltstitels) ausnahmsweise nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Allerdings ist auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte dann nicht zwingend vom einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. zum Ganzen grundlegend VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 11 bis 16, und darauf verweisend zuletzt, mwN, VwGH 22.8.2019, Ra 2018/21/0134, 0135, Rn. 20).

Bis zum Inkrafttreten des Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018 (FrÄG 2018) mit BGBl. I Nr. 56/2018 verhinderte § 9 Abs. 4 Z 2 BFA-VG die Erlassung von Rückehrentscheidungen ggü. Fremden, die in Österreich geboren und langjährig rechtmäßig aufhältig und niedergelassen waren. § 9 Abs. 4 leg. cit. wurde mit dieser Novelle aufgehoben und trat am 31.08.2018 außer Kraft. Die Verwirklichung des maßgeblich die Straffälligkeit des BF betreffenden Sachverhalts fand vor diesem Zeitpunkt statt.

Die Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2018 halten hierzu wie folgt fest:

„Der geltende § 9 Abs. 4 Z 2 normiert, dass gegen einen Drittstaatsangehörigen selbst bei hypothetischem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Beendigung des Aufenthalts eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden darf, wenn sich der Betreffende auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und er von klein auf im Inland aufgewachsen sowie langjährig rechtmäßig niedergelassen ist. Selbst wenn die Behörde demnach vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen die Voraussetzungen des Abs. 4 Z 2 erfüllenden Drittstaatsangehörigen im Zuge einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK zu dem Ergebnis kommen würde, dass beispielsweise aufgrund gravierender Straffälligkeit die Erlassung einer Rückkehrentscheidung dringend geboten wäre und die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer solchen damit überwiegen, kann eine Rückkehrentscheidung aufgrund des Abs. 4 Z 2 dennoch nicht erlassen werden. Ein solches absolutes Verbot zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen Drittstaatsangehörige, auch wenn diese von klein auf im Inland aufgewachsen und langjährig rechtmäßig niedergelassen sind, ist jedoch weder unionsrechtlich noch verfassungsrechtlich geboten (vgl. etwa zur Rechtmäßigkeit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gegen einen in Deutschland geborenen und dort circa 30 Jahre aufhältigen türkischen Staatsangehörigen bei erheblicher Delinquenz EGMR 28.6.2007, 31753/02 [Kaya gg. Deutschland]) und erscheint es nicht sachgerecht, die Möglichkeit zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung selbst bei objektivem Überwiegen des öffentlichen Interesses an einer Beendigung des Aufenthalts in jedem Fall auszuschließen. In diesem Sinne war auch in der Vorgängerbestimmung zu § 9 Abs. 4, § 61 Z 3 und 4 FPG idF BGBl. I Nr. 100/2005, das darin vorgesehene Verbot der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht absolut, sondern konnte bei (schwerer) Straffälligkeit eine aufenthaltsbeendende Maßnahme sehr wohl erlassen werden. Davon abgesehen ergibt sich bereits aus Abs. 1, dass vor Erlassung jeder aufenthaltsbeendenden Maßnahme im Rahmen der zwingend durchzuführenden Prüfung nach Art. 8 EMRK eine sorgfältige Abwägung der persönlichen Interessen des Fremden am Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu erfolgen hat. Die Kriterien, die dabei insbesondere zu berücksichtigen sind, sind in Abs. 2 demonstrativ genannt. Bereits nach dieser Bestimmung und unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung finden die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts sowie die Schwere allfällig begangener Straftaten des Betreffenden entsprechend umfassende Berücksichtigung. Auch die Bestimmung des Abs. 4 Z 1, wonach eine Rückehrentscheidung gegen die in Abs. 4 Z 1 genannten Drittstaatsangehörigen nur erlassen werden darf, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbots gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG vorliegen, erweist sich vor diesem Hintergrund lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt. Aus den vorgenannten Gründen wird daher vorgeschlagen, § 9 Abs. 4 ersatzlos entfallen zu lassen. An der gemäß Abs. 1 iVm Abs. 2 erforderlichen umfassenden Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK, bei der ua. die Art und Dauer des Aufenthaltes, die Bindungen zum Heimatstaat und die Schutzwürdigkeit des Privatlebens zu beachten sind, ändert ein Entfall des Abs. 4 selbstverständlich nichts. Der Entfall eines vom Einzelfall losgelösten, absolut wirkenden Rückkehrentscheidungsverbots bzw. der Vorwegnahme des Ergebnisses einer Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK führt vielmehr dazu, dass den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles in gebührender Weise Rechnung getragen werden kann.“

Auf Basis der nach der Aufhebung dieser Bestimmung resultierenden Rechtslage, in Bezug auf Fälle, in denen vor 31.08.2018 eine Rückkehrentscheidung unzulässig gewesen wäre, erging bereits Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs:

„Zur Aufhebung des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 durch das FrÄG 2018 hielt der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien (RV 189 BlgNR 26. GP 27 f) ausdrücklich fest, dass sich § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 "lediglich als Konkretisierung bzw. Klarstellung dessen, was sich unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur ohnehin bereits aus Abs. 1 iVm Abs. 2 ergibt", erweist. Ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 sind die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 weiter beachtlich (vgl. VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0121; VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152), ohne dass es aber einer ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 bedarf (siehe VwGH 25.9.2018, Ra 2018/21/0152). Es ist also weiterhin darauf Bedacht zu nehmen, dass für die Fälle des bisherigen § 9 Abs. 4 BFA-VG 2014 allgemein unterstellt wurde, dass die Interessenabwägung - trotz einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung - regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in diesen Konstellationen grundsätzlich nicht erlassen werden darf. Durch die Aufhebung dieser Bestimmung wollte der Gesetzgeber erkennbar nur bei Begehung besonders verwerflicher Straftaten und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen einen fallbezogenen Spielraum einräumen (vgl. RV 189 BlgNR 26. GP 27, wo von "gravierender Straffälligkeit" bzw. "schwerer Straffälligkeit" gesprochen wird). Dazu zählen jedenfalls die schon bisher in § 9 Abs. 4 Z 1 BFA-VG 2014 normierten Ausnahmen bei Erfüllung der Einreiseverbotstatbestände nach § 53 Abs. 3 Z 6, 7 und 8 FrPolG 2005, aber auch andere Formen gravierender Straffälligkeit (siehe VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0232, betreffend Vergewaltigung; VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0207, betreffend grenzüberschreitenden Kokainschmuggel)“ VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0238)

Demnach ist bei Vorliegen solcher besonders verwerflicheren Straftaten, auch bei einem – aufgrund der langen Aufenthaltsdauer – sehr großem Interesse des Fremden im Bundesgebiet zu verbleiben, eine Rückkehrentscheidung auf Basis von § 52 Abs. 4 oder Abs. 5 FPG zu erlassen, wenn von dem Fremden eine maßgeblich große Gefährdung ausgeht.

Vice-Versa ist aber aufgrund dieser Judikatur auch davon auszugehen, dass ggü. einem Fremden, der bis 31.08.2018 in den Anwendungsbereich des § 9 Abs. 4 BFA-VG vor dem FrÄG 2018 gefallen wäre, eine Rückkehrentscheidung unzulässig ist, wenn dieser zwar straffällig geworden ist, die Beurteilung dieser Straffälligkeit – also der Delikte und der näheren Tatumstände – jedoch den Begriff der geforderten „gravierenden Straffälligkeit“ nicht erfüllt. In diesem Fall erübrigt sich aus Sicht des Verwaltungsgerichts auch eine tiefgehende Prüfung der anderen Determinanten des § 9 Abs. 2 BFA-VG, da bereits mangels Verwirklichung dieser gravierenden bzw. schweren Straffälligkeit die Interessensabwägung des § 9 Abs. 2 leg. cit. – aufgrund des langen rechtmäßigen Aufenthalts – zu Gunsten des Fremden auszugehen hat.

Es ist daher näher zu untersuchen, ob der BF bis zum 31.08.2014 vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen seine Person durch § 9 Abs. 4 BFA-VG idF vor dem FRäG 2018 geschützt war und ob seine vorliegende Straffälligkeit iSd obigen Judikatur als „gravierend“ bzw. „schwer“ zu qualifizieren ist.

Dass der BF in den Anwendungsbereich des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFA-VG fällt, kann im gegenständlichen Fall nicht zweifelhaft sein, da festgestellt werden konnte, dass er im Bundesgebiet geboren wurde, hier von klein auf aufgewachsen ist und hier auch langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, zumal er nach wie vor den unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt- EU“ (§ 45 NAG) innehat.

Im zweiten Schritt ist somit zu prüfen, ob die vom BF begangenen Straftaten ihrer Art nach oder aufgrund der Tatumstände eine „schwere“ bzw. „gravierende“ Straffälligkeit begründen. Generell ist hierzu festzuhalten, dass sich nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts eine „gravierende“ Straffälligkeit nicht zwangsweise nur aus der Begehung von qualitativ „schweren“ Straftaten, wie die in obiger Judikatur genannten Delikte in § 53 Abs. 3 Z 6 bis 8 FPG, grenzüberschreitendem Drogenschmuggel oder Vergewaltigung ergeben kann. Vielmehr erscheint es auch möglich, dass sich aus einer hohen Quantität an Verurteilungen wegen (im Vergleich zu den zuvor erwähnten) „minderschweren“ Straftaten, insbesondere bei oftmaliger Begehung von Delikten gegen dasselbe Rechtsgut bzw. Wiederholungstaten, eine „gravierende Straffälligkeit“ iSd der oben wiedergegebenen gesetzgeberischen Überlegungen zur Aufhebung von § 9 Abs. 4 BFA-VG ergibt, wenn diese zusätzlich von einer für den Fremden negativen Zukunfts- bzw. Gefährdungsprognose begleitet wird. Die vom VwGH im obigen Judikat postulierte „spezifische Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen“ entsteht dabei durch die hohe Wahrscheinlichkeit für weitere entsprechende Tatbegehungen durch den Fremden, durch gleichzeitiges Vorliegen einer geringen Wahrscheinlichkeit für eine zukünftig erfolgreiche soziale, wirtschaftliche und vor allem rechtschaffene Integration des Fremden, auch wenn dieser bereits lange im Bundesgebiet aufhältig ist.

Hierzu ist ausdrücklich festzuhalten, dass es keineswegs das Ziel des Verwaltungsgerichts ist, die Straftaten des BF in irgendeiner Weise zu relativieren, zu beschönigen oder zu verharmlosen. Insbesondere die Verurteilung wegen Suchtgifthandels im vom BF begangenen Ausmaß und Umfang im Jahr 2018 wiegt zweifelfrei äußerst schwer. Dennoch ist die Straffälligkeit des BF bei gesamtheitlicher Betrachtung der Vorstrafen - denkbar knapp - noch nicht als „gravierend“ zu qualifizieren. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass der BF 2011 maßgeblich wegen eines Vermögendeliktes (schwerer Betrug, Urkundenfälschung) verurteilt wurde. Er verspürte aber bei dieser Verurteilung kein Haftübel, da er den unbedingten Teil seiner Freiheitsstrafe im elektronisch überwachten Hausarrest verbrachte. Die Verurteilungen 2015 und 2016 resultierten aus Delikten, die der BF während seiner Tätigkeit als „Security“ in einem Feldkircher Vergnügungslokal beging. Zwar ist diese Art von Tätigkeit naturgemäß keinerlei Rechtfertigung für die Begehung von Körperverletzungen oder Sachbeschädigung, zu berücksichtigen ist aber, dass diese Art von Tätigkeit iaR mit Situationen verbunden sein kann, in denen es gelegentlich auch zu körperlichen Auseinandersetzungen - insbesondere mit alkoholisierten Personen - kommen kann.

Die Verurteilung wegen Suchtgifthandel im Jahr 2018 stellt demgegenüber die schwerwiegendste Straftat des BF dar, zumal der BF sogar einen Teil seines Wohnhauses adaptierte, um dort Cannabispflanzen anzubauen und anschließend Cannabis zu ernten, dass er anschließend selbst verkaufte oder an Großabnehmer weiterverkaufte. Es steht außer Frage, dass die Produktion von und der Handel mit Suchtgift ein gefährliches Delikt darstellt, an dessen Verhinderung ein maßgeblich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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