TE Lvwg Beschluss 2020/11/26 LVwG-S-1697/001-2020

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Entscheidungsdatum

26.11.2020

Norm

ZustG §26a
COVID-19 MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §3 Abs2

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Dr. Maier als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 25. Mai 2020, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Covid-19-Maßnahmengesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, den

BESCHLUSS

gefasst:

1.   Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Die ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

Zu 1.: § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG)

Zu 2.: § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) iVm Artikel 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)

Begründung:

Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 25.5.2020, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer eine näher umschriebene Übertretung des COVID-19-Maßnahmengesetzes zur Last gelegt und über ihn gemäß § 3 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 360,- Euro verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde an die Abgabestelle des Beschwerdeführers versendet. Ob eine Zustellung – wie vom Zustellorgan am Zustellnachweis ausgefüllt – am 26.5.2020 vorgenommen wurde, kann nicht festgestellt werden. Eine (zusätzliche) schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung von der Zustellung an den Beschwerdeführer oder eine sonstige Person erfolgte jedenfalls nicht. Ob die Zustellung – wie im Zustellnachweis angekreuzt – tatsächlich an einen Mitbewohner erfolgte, kann nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen gründen auf dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und der Beschwerde, insbesondere jedoch auf den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung. In dieser wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers und des Zustellorgans.

Hinsichtlich des Zustellvorgangs konnten keine aussagekräftigen Feststellungen getroffen werden. Einerseits beinhaltet der Akt den Rückschein, auf dem vermerkt wurde, dass die Sendung am 26.5.2020 an einen Mitbewohner übergeben wurde. Dieser Umstand konnte jedoch im Rahmen der Zeugeneinvernahme vom Zusteller nicht mehr in Erinnerung gerufen werden. Vielmehr teilte der Zusteller mit, dass er gerade einmal eine Woche im Dienst und noch in der Einschulungsphase war. Er erhielt von seiner Einschulungsbeauftragten die Mitteilung, dass er das „Kreuz“ bei Empfänger oder Mitbewohner setzten soll. Er hat dieses „Kreuz“ in der Vergangenheit auch bei Empfänger oder Mitbewohner in jenen Fällen gesetzt, in denen er die Sendung einfach in den Postkasten eingeworfen hat. Es ist daher im vorliegenden Fall der Tatsache, dass die Sendung laut RSb-Abschnitt einem Mitbewohner zugestellt wurde, keine Bedeutung beizumessen.

Demgegenüber sind die Aussagen des Beschwerdeführers durchaus glaubwürdig, wonach es in der Vergangenheit schon des Öfteren zu Fehlzustellungen kam und er bislang das Straferkenntnis nicht zugestellt bekam. Dass es immer wieder zu Fehlzustellungen kommt, wurde vom Zusteller auch gar nicht in Abrede gestellt.

Ein Hinweis, dass eine zusätzliche Mitteilung über den Umstand der Zustellung stattgefunden hat, ist weder auf dem Rückschein vermerkt noch sonst aus der Aktenlage ableitbar. Der Zusteller teilte auch mit, dass es keinen zusätzlichen Hinweis von ihm betreffend eine Zustellung gegeben hat.

Rechtliche Erwägungen:

§ 26a Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 in der von 15. Mai 2020 bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 42/2020, lautete (auszugsweise):

„Zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19

§ 26a. Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:

 

1. Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

 

2.

[…]

 

3. Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, sind vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. […]“

Die Erläuterungen zum mit BGBl. I Nr. 16/2020 ins Zustellgesetz eingefügten § 26a Zustellgesetz lauten auszugsweise (vgl. BlgNR 397/A 27.GP, 40):

„Die vorgeschlagene Bestimmung enthält zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19.

[…]

Eine schriftliche Verständigung kann zB an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) angebracht werden. Eine mündliche Verständigung kann zB über eine allfällige Gegensprechanlage oder durch die Wohnungstüre erfolgen oder indem vom Zusteller ein entsprechender Abstand zur betreffenden Person eingehalten wird.

Die Regelung über die Verständigungspflicht stellt keine sanktionslose bloße Ordnungsvorschrift dar, sondern ist zwingendes Recht, das heißt ihre Nichteinhaltung durch den Zusteller begründet einen Zustellmangel (§ 7 ZustG).“

Nach den Feststellungen erfolgte – selbst wenn man vom Einlegen des Straferkenntnisses ausgehen würde - keine sonstige schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung des Zustellers über diesen Vorgang, weshalb die Zustellung mit einem Zustellmangel behaftet war.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 Zustellgesetz als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Da das Dokument dem Empfänger nach wie vor nicht zukam, ist von keiner wirksamen Zustellung des Straferkenntnisses auszugehen.

Die Verwaltungsgerichte wurden dazu eingerichtet, um bestimmte Akte der Verwaltung auf Grund einer Beschwerde auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Das Wesen einer – wie gegenständlich vorliegenden – Bescheidbeschwerde in Form einer Parteibeschwerde besteht in der Geltendmachung der Verletzung subjektiv öffentlicher Rechte durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde. Demgemäß kann nach Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Essentiell für eine Bescheidbeschwerde ist somit die Behauptung einer Rechtsverletzung, welche zumindest möglich sein muss. Von einer Rechtsverletzung kann jedoch nur jemand betroffen sein, demgegenüber überhaupt eine behördliche Anordnung – sprich ein Bescheid – erlassen wurde. Die Erlassung eines Bescheides verlangt gemäß § 62 AVG eine mündliche Verkündung oder Zustellung des Bescheides.

Gleiches gilt gemäß § 24 VStG auch im Strafverfahren.

Da das Straferkenntnis dem Beschwerdeführer nicht zugestellt wurde, kann sich der Beschwerdeführer nicht auf eine wirksame Rechtsverletzung stützen. Das Straferkenntnis wurde ihm gegenüber zu keinem Zeitpunkt erlassen. Dementsprechend verfügt er über keine Beschwerdelegitimation, weshalb die Beschwerde spruchgemäß zurückzuweisen war.

Mangels Abweichen von der Judikatur des VwGH und mangels Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung war die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wird daher eine neuerliche Zustellung vorzunehmen haben, sofern das Verhalten des Beschwerdeführers überhaupt noch als rechtswidrig zu werten ist.

Schlagworte

Gesundheitsrecht; Verwaltungsstrafe; COVID-19; Verfahrensrecht; Zustellung; zustellrechtliche Begleitmaßnahmen; Zustellmangel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1697.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.01.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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