TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/4 W279 2233461-2

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Entscheidungsdatum

04.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §77
VwGVG §35

Spruch

W279 2233461-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch den RA Mag. German BERTSCH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.07.2020, Zl. XXXX , und die Anhaltung in Schubhaft von 25.07.2020 bis 30.07.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 25.07.2020 bis 30.07.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwandes wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein Staatsangehöriger Rumäniens, reiste trotz aufrechtem, rechtskräftigem Aufenthaltsverbot vom 16.08.2016 spätestens am 03.07.2020 von Deutschland kommend nach Österreich ein.

2. Am 25.07.2020 wurde der BF von Beamten der Polizeiinspektion (PI) XXXX aufgrund einer verübten Körperverletzung angezeigt. Ihm wurde vorgehalten, er habe einen ehemaligen Freund angegriffen und geschlagen.

3. In seiner Einvernahme vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 25.07.2020 gab der BF an, dass er aus Deutschland nach Österreich gereist sei, da er ab Montag einer Anstellung nachgehen habe wollen. Er habe gewusst, dass in Österreich ein Aufenthaltsverbot gegen ihn bestehe, er habe jedoch nicht gewusst, wie lange dieses gültig sei. Seine Eltern sowie weitere Verwandte würden in Österreich leben und arbeiten.

4. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 25.07.2020 ordnete das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung an.

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet eingereist sei und sich ohne behördliche Meldung in Österreich aufgehalten habe, wodurch er für die Behörde nicht greifbar gewesen sei. Die Behörde gehe von einem Untertauchen und Verfahrensentzug des BF aus. Der BF sei nicht berechtigt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Zudem sei der BF bereits zweimal rechtskräftig verurteilt worden und wurde der BF am 25.07.2020 erneut aufgrund einer Körperverletzung angezeigt. Der BF habe sich aus den genannten Gründen als nicht vertrauenswürdig erwiesen und sei davon auszugehen, dass er auch künftig nicht gewillt sei, sich an die Rechtsvorschriften zu halten.

5. Mit Schreiben vom 27.07.2020 wurde der BF über die am 30.07.2020 bevorstehende Abschiebung nach Rumänien in Kenntnis gesetzt.

6. Mit Schriftsatz ebenfalls vom 27.07.2020 brachte der BF durch den zu seiner Vertretung bevollmächtigten Rechtsanwalt eine Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 25.07.2020 ein.

Vorgebracht wurde, dass der BF am 02.07.2019 aus der Haft in Deutschland entlassen worden sei. Mit Beschluss vom 27.06.2019 sei ein deutscher Auslieferungshaftbefehl aufgehoben worden und die Auslieferung für unzulässig erklärt worden, da nach Auskunft der rumänischen Behörden die Mindestbedingungen hinsichtlich der Haftraumgröße im rumänischen Strafvollzug nicht gewährleistet seien. Der BF sei in Deutschland gemeldet und habe in Österreich lediglich seine kranke Mutter, die in XXXX lebe, besuchen wollen. In Deutschland lebe auch die Lebensgefährtin und der minderjährige Sohn des BF.

7. Am 29.07.2020 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) die „Schubhaftbeschwerde“ bzw. die Vorstellung vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet ab- bzw. als unzulässig zurückzuweisen. Weiters wurde von Seiten des BFA eine Stellungnahme eingebracht, in der vorgebracht wurde, dass für die Behörde keine Gründe ersichtlich seien, die gegen die Erlassung einer Sicherungsmaßnahme sprechen würden. Es stehe fest, dass eine Abschiebung der Partei möglich und zumutbar sei. Es bestehe Fluchtgefahr und stelle der BF eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Darüber hinaus sei der BF als Person unglaubwürdig.

8. Das BVwG übermittelte das Anbringen des BFA am 30.07.2020 gem. § 6 AVG iVm § 17 VwGVG an die belangte Behörde zurück ( XXXX ) und gab begründend an, dass das vorgelegte Rechtsmittel sowohl im Rubrum als auch in der Rechtsmittelerklärung als „Vorstellung“ bezeichnet worden sei. Diese Bezeichnung sei auch in den weiteren Ausführungen verwendet und der BF durchgehend als Vorstellungswerber benannt worden. Auch aufgrund des Rechtsmittelbegehrens, das BFA möge den Bescheid aufheben und das Verfahren einstellen, könne davon ausgegangen werde, dass das Begehren des BF ein remonstratives und kein aufsteigendes Rechtsmittel sei. Anträge, die typischerweise mit einer Schubhaftbeschwerde verbunden seien, würden nicht vorliegen. Gem. § 22a Abs. 5 BFA-VG sei gegen eine Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig, weshalb diese dem BFA zur weiteren Bearbeitung rückübermittelt werde.

9. Das BFA nahm am selben Tag Kontakt mit dem Rechtsvertreter des BF auf, der telefonisch bekannt gab, dass die Vorstellung zurückgezogen und eine Schubhaftbeschwerde eingebracht werde.

10. Mit Schreiben vom 30.07.2020 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Schubhaftbeschwerde gem. § 22a BFA-VG und brachte vor, dass die verhängte Schubhaft rechtswidrig sei.

11. Am 31.07.2020 legte das BFA die nunmehrige Schubhaftbeschwerde dem BVwG vor und beantragte erneut die Abweisung der Beschwerde. Mitvorgelegt wurde eine Stellungnahme des BFA, in der das BVwG darüber informiert wurde, dass der BF am 30.07.2020 nach Rumänien abgeschoben wurde.

12. Am 04.08.2020 wurde das BVwG über die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft XXXX gegen den BF wegen einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung in Kenntnis gesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der volljährige BF, XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger Rumäniens und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder iSd § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Seine Identität steht fest.

Gegen den BF wurde am 21.06.2016 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme eingeleitet. Am 01.07.2016 wurde mittels Bescheid, Zahl XXXX , ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das bis 16.08.2020 Gültigkeit hatte. Da der BF auch zum damaligen Zeitpunkt über keine Meldeadresse im Bundesgebiet verfügte, wurde der Bescheid im Akt hinterlegt, welcher am 16.08.2016 in Rechtskraft erwuchs.

Der BF reiste spätestens am 03.07.2020 aus Deutschland nach Österreich ein und wurde am 25.07.2020 im Zuge einer Amtshandlung aufgrund einer Körperverletzung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes festgenommen.

In Deutschland verbüßte der BF eine etwa einjährige Haftstrafe. Ein deutscher Auslieferungshaftbefehl aufgrund einer noch zu verbüßenden Haftstrafe in Rumänien wurde mit Beschluss vom 15.07.2019 aufgehoben. In Deutschland verfügt der BF über eine Lebensgefährtin, XXXX , und einen minderjährigen Sohn, XXXX , geboren am XXXX . Der BF war seit 01.07.2020 gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in XXXX gemeldet.

Gegen den BF besteht ein europäischer Haftbefehl des Amtsgerichts XXXX vom 06.05.2019, XXXX .

Der BF befand sich von 25.07.2020 bis 30.07.2020 in Schubhaft und wurde am 30.07.2020 auf dem Landweg nach Rumänien abgeschoben.

Der BF weist zwei strafgerichtliche Verurteilungen auf:

1.       BG Bregenz XXXX vom 06.03.2015 gem. § 223 (1) StGB, Freiheitsstrafe 2 Wochen, bedingt, Probezeit 3 Jahre

2.       LG XXXX XXXX vom 21.06.2016 gem. §§ 127, 129 (1) Z 3 StGB, Freiheitsstrafe 6 Monate, Probezeit 3 Jahre

Es wird festgestellt, dass der BF zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen ist und über keine existenzsichernden Barmittel verfügt hat. Er kam seiner Meldeverpflichtung nicht nach, lebte im Verborgenen und entzog sich dem Zugriff der Behörde.

Die Eltern des BF leben in Österreich. Eine maßgebliche familiäre, berufliche oder soziale Verankerung des BF im Bundesgebiet kann jedoch nicht festgestellt werden, zumal die Lebensgefährtin und der minderjährige Sohn des BF in Deutschland leben.

Der BF war zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft haftfähig. Es gibt keine stichhaltigen Hinweise für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

Das erkennende Gericht stellt fest, dass für den BF eine konkrete Fluchtgefahr gegeben und die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig war. Aufgrund des Verhaltens des BF und dem daraus folgenden, überwiegenden öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung war im gegenständlichen Fall von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der vorliegenden Gerichtsakte des BVwG.

Die Feststellungen zur Person des BF und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der im Akt einliegenden Kopie des rumänischen Personalausweises.

Das gegen den BF ein aufrechtes Aufenthaltsverbot, gültig bis 16.08.2020, bestand, ergibt sich aus einer Einsicht in die Verwaltungsakte des BF.

Die Feststellung, dass der BF spätestens am 03.07.2020 in das Bundesgebiet einreiste und am 25.07.2020 im Zuge einer Amtshandlung aufgrund einer Körperverletzung festgenommen wurde, ergibt sich aus dem Bericht der zuständigen Landespolizeidirektion sowie der Befragung des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in der er angab, seit dem zweiten oder dritten Juli in Österreich zu sein (AS 3).

Die Feststellungen hinsichtlich seines Lebens sowie seiner Verurteilung in Deutschland ergeben sich aus der Schubhaftbeschwerde des BF vom 30.07.2020.

Dass gegen den BF ein europäischer Haftbefehl des Amtsgerichts XXXX vom 06.05.2019 besteht, ergibt sich aus den vom BF im Rahmen der Schubhaftbeschwerde in das Verfahren eingebrachten Unterlagen.

Die Feststellung der Schubhaftdauer sowie der am 30.07.2020 erfolgten Abschiebung ergibt sich aus den Angaben des BFA in der Beschwerdevorlage sowie einer Einsicht in die Anhaltedatei.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen ergibt sich aus einer Einsicht in das österreichische Strafregister.

Die Feststellung, dass der BF zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft in Österreich keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen ist und über keine existenzsichernden Barmittel verfügt hat, ergibt sich aus der Tatsache, dass es ihm aufgrund des aufrechten Aufenthaltsverbotes nicht möglich war, einer legalen Arbeit nachzugehen und er selbst angab, lediglich 600 Euro zu besitzen (AS 3). Dass der BF für seine Arbeitstätigkeit eingereist ist, ist nicht glaubhaft, zumal er in der Beschwerdeschrift selbst angab, dass er seine kranke Mutter hätte besuchen wollen.

Dass der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist, im Verborgenen lebte und sich dem Zugriff der Behörde entzog, ergibt sich aus einer Einsicht in das Zentrale Melderegister und der Tatsache, dass der BF in seiner Einvernahme angab, am 02. oder 03.07.2020 nach Österreich gereist zu sein, zum Zeitpunkt seiner Festnahme am 25.07.2020 jedoch über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet verfügte.

Die Feststellung, dass seine Eltern in Österreich wohnen, ergibt sich aus den Angaben des BF im Verfahren (AS 3).

Hinweise auf schwerwiegende, gesundheitliche Probleme des BF, sowie eine mögliche Haftunfähigkeit sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen, und wurden insbesondere auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht vom BF behauptet.

Dass im vorliegenden Fall von Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf auszugehen war, ergibt sich aus der Tatsache, dass der BF trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet einreiste, seiner Meldeverpflichtung nicht nachkam, im Verborgenen lebte und sich so dem Zugriff der Behörde entzog. Zudem verfügte der BF über keine maßgeblichen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

3.1 Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

§ 77 FPG Gelinderes Mittel:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

3.2 Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3 Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft von 25.07.2020 bis 30.07.2020

3.3.1 Der volljährige BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

3.3.2 Der BF ist in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.3.3 Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF nach Rumänien war auch zu rechnen. Der BF verfügte über ein Reisedokument und wurde am 30.07.2020 auf dem Landweg nach Rumänien abgeschoben.

3.3.4 Bezüglich der Fluchtgefahr führte das BFA im angefochtenen Bescheid begründend insbesondere aus, dass diese gegeben sei, da der BF trotz eines aufrechten Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet eingereist sei, sich ohne behördliche Meldung im Bundesgebiet aufgehalten habe und daher für die Behörde nicht greifbar gewesen sei. Der BF sei nicht berechtigt gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sei zudem zwei Mal rechtskräftig verurteilt worden. Der BF habe sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gem. § 76 Abs. 3 Z 2 FPG zu beurteilen, ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist. Der BF reiste – wie von der belangten Behörde bereits festgestellt – trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot, gültig bis 16.08.2020, in das Bundesgebiet ein.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG außerdem der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügte über keine maßgeblichen sozialen, familiären oder beruflichen Verankerungen im Bundesgebiet, zumal seine Lebensgefährtin und sein Sohn in Deutschland leben. Die Eltern des BF leben zwar in Österreich, seine Bindung zu diesen ist jedoch nicht derart intensiv, dass sie den BF vom Untertauchen abhalten würde. Er ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und war in Österreich weder gemeldet noch verfügte er über einen gesicherten Wohnsitz.

Die belangte Behörde ging in Zusammenschau der rechtswidrigen Einreise trotz bestehendem Aufenthaltsverbot, dem Aufenthalt des BF im Verborgenen und den mangelnden sozialen wie beruflichen Anknüpfungspunkten berechtigterweise von einer Fluchtgefahr, die die Verhängung einer Schubhaft rechtfertigt, aus.

3.3.5 Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

In einem Verfahren betreffend Anordnung der Schubhaft muss bei der Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das massive strafrechtliche Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr, die sich auch in dem erlassenen Aufenthaltsverbot manifestiert, einbezogen werden. Diesen Umständen kann nämlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insofern Bedeutung zukommen, als eine erhebliche Delinquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität seiner (baldigen) Abschiebung - in Abhängigkeit von der Schwere der Straftaten - maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2017, Ra 2009/21/0276).

Der BF ist mehrfach, u.a wegen Vermögensdelikten, strafgerichtlich verurteilt worden und wurde erneut Anklage gegen den BF wegen Körperverletzung erhoben. Der BF wurde auch in Deutschland verurteilt und verbüßte eine Haftstrafe von etwa einem Jahr, außerdem lag gegen den BF ein europäischer Haftbefehl vor. Der BF scheint nicht gewillt, sich an die Rechtsordnung zu halten, stellt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und wurde gegen den BF erneut Anklage erhoben.

Zudem verletzte der BF seine Meldeverpflichtung, reiste trotz Bestehen eines aufrechten Aufenthaltsverbotes in das Bundesgebiet ein, lebte im Verborgenen und entzog sich dem Zugriff der Behörde.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen sowie die österreichische Rechtsordnung nicht einhält. Im Verfahren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändern wird.

Die angeordnete Schubhaft erfüllte daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.3.6 Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass er trotz aufrechtem Aufenthaltsverbot einreiste, seiner Meldeverpflichtung nicht nachkam und sich dem Zugriff der Behörde entzog, war mit erheblicher Fluchtgefahr und dem Untertauchen des BF zu rechnen, weshalb mit einem gelinderen Mittel iSd § 77 FPG nicht das Auslangen gefunden werden konnte.

Aufgrund der mangelnden Bereitschaft, sich an österreichische Gesetze zu halten und der Verletzung seiner Meldeverpflichtung hat sich der BF als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Die Möglichkeit der Auferlegung von in § 77 Abs. 3 vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten erscheint dem erkennenden Gericht vor dem Hintergrund des durch das bisherige Verhalten des BF begründeten konkreten Risikos des Abtauchens seiner Person kein geeignetes Sicherungsmittel gewesen zu sein.

3.3.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

Zu A) III. und IV. Kostenanträge

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

3. Nach § 35 Abs. 4 VwGVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs. 1 die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat (Z 1), die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren (Z 2), sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand (Z 3). Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat gemäß Abs. 5 den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht. Aufwandersatz ist laut Abs. 7 auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH und EuGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsverbot Fluchtgefahr gelinderes Mittel Haftbefehl Kostenersatz Meldepflicht Mittellosigkeit öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2233461.2.00

Im RIS seit

29.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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