TE Bvwg Beschluss 2020/3/11 L517 2228859-1

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Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

AlVG §10
AlVG §38
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8a

Spruch

L517 2228859-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens im Rahmen seiner Beschwerde zum Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 23.01.2020, Versicherungsnummer: XXXX beschlossen:

A) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.


Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

23.01.2020 – Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. bB), Verlustigerklärung des Anspruches der beschwerdeführenden Partei (in Folge bP) auf Notstandshilfe für 16.12.2019 sowie 18.12.2019 bis 07.01.2020 gemäß §§ 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AlVG

20.02.2020 – Beschwerde der bP gegen den Bescheid vom 23.01.2020

24.02.2020 – Parteiengehör

24.02.2020 – Beschwerdevorlage am BVwG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0.    Feststellungen

Mit Bescheid der bB vom 23.01.2020 wurde die bP des Anspruches auf Notstandshilfe am 16.12.2019 sowie vom 18.12.2019 bis 07.01.2020 gemäß §§ 38 in Verbindung mit § 10 Abs. 4 AlVG für verlustig erklärt. Begründend wurde ausgeführt, dass die bP am 16.12.2019 sowie vom 18.12.2019 bis 07.01.2020 der Wiedereingliederungsmaßnahme „ XXXX “ unentschuldigt ferngeblieben sei.

Dieser Bescheid wurde der bP am 24.01.2020 elektronisch per eAMS zugestellt.

Am 20.02.2020 erhob die bP innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.01.2020. Es wurde ausgeführt, der Bescheid werde in seinem gesamten Umfang angefochten. Die bP stelle die Anträge, das BVwG möge den Bescheid ersatzlos aufgeben und dahingehend abändern, dass der bP rückwirkend ab dem 05.09.2019 die Notstandshilfe gewährt werde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, die Nachsicht nach § 10 Abs. 2 AlVG zu gewähren und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gleichzeitig stellte die bP einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe. Diesbezüglich führte die bP aus, es bestehe aufgrund der zahlreichen Verfahrensmängel und inhaltlichen Widersprüche Erfolgsaussicht und komme aufgrund der zahlreichen Beteiligten und widersprüchlichen bzw. fehlenden Informationen diesem Fall eine ausreichende Komplexität zu, die einer anwaltlichen Unterstützung bedürfe. Aufgrund des geringen AMS – Bezuges sei die bP nicht in der Lage, sich eine anwaltliche Vertretung zu leisten und aufgrund des massiven Machtungleichgewichtes beim AMS, das seiner gesetzlichen Pflicht der Neutralität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nicht nachkomme, sei die bP in der Durchsetzung ihrer Rechte schwer im Nachteil.

Mit Schreiben vom 24.02.2020 gewährte die bB Parteiengehör. Begründend führte das AMS aus, dass die bP seit November 2018 Notstandshilfe beziehe und ihr letztes arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis im Jahr 2011 gelegen habe. Mit Betreuungsplan vom 13.11.2019 habe das AMS der bP den Auftrag erteilt, ab 25.11.2019 bis 31.01.2020 ( XXXX ) an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen. Die beabsichtigte Vorgehensweise wurde damit begründet, dass das letzte Dienstverhältnis der bP acht Jahre zurückliege und es ihr noch nicht gelungen sei – trotz der im Jahr 2013 abgeschlossenen Ausbildung zum Bürokaufmann – eine adäquate Stelle zu finden. Auch die vom AMS aufgetragenen Eigenbewerbungen als Sachbearbeiter, Kundenbetreuer, Buchhalter, etc., haben noch nicht zum Erfolg einer Arbeitsaufnahme geführt. Die bP habe bis dato nur Absagen erhalten. Die bP erhalte bei der Wiedereingliederungsmaßnahme daher intensive Unterstützung bei der aktiven Arbeitssuche durch aktive Bewerbungsarbeit und kurze Betriebspraktika, Vermittlung von Bewerbungs – Knowhow (Erstellung eines aktuellen Lebenslaufes, Erstellung von individuellen Bewerbungsschreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden) und Hinführen zu einer erfolgreichen Kommunikation bei Bewerbungsgesprächen zur Erlangung eines Arbeitsplatzes. Wenn die bP ohne wichtigen Grund die Teilnahme an dieser Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigere oder den Erfolg dieser Maßnahme vereitle, führe dies zum Ausschluss der Notstandshilfe für sechs Wochen, im Wiederholungsfall für acht Wochen (§ 10 AlVG). Sollte die bP zu Beginn der Maßnahme verhindert sein (z. B. wegen einer Erkrankung), dann bestehe der Auftrag des AMS weiter, am ersten Werktag nach Ende der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit an der Maßnahme zur Wiedereingliederung teilzunehmen und pünktlich um 08:00 Uhr im Kurs zu erscheinen.

Am 24.02.2020 erfolgte die Beschwerdevorlage am BVwG betreffend Entscheidung über die Verfahrenshilfe.

2.0.    Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang sowie die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

3.0.    Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

- Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, idgF

- Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. I Nr. 1/1930, idgF

- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte durch Einzelrichter. Im Gesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte oder in Bundes- oder Landesgesetzen kann vorgesehen werden, dass die Verwaltungsgerichte durch Senate entscheiden.

Gemäß § 2 VwGVG entscheidet, soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung durch die Geschäftsstelle beträgt zehn Wochen.

Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senats das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses.

Grundsätzlich sollen die Verwaltungsgerichte durch Einzelmitglied zu entscheiden haben; Senatszuständigkeiten unter Mitwirkung von fachkundigen Laienrichtern sollen die Ausnahme bilden (vgl. dazu Art. 135 Abs. 1 B-VG und die ErläutRV 1618 BlgNR 24.GP und AB 1771 BlgNR 24.GP sowie § 2 VwGVG und § 6 BVwGG). Der Normgeber hat – die differenzierenden Anforderungen (Rechtsschutz, Verfahrensaufwand, Ressourceneinsatz, gesellschaftspolitische Akzeptanz der Rechtsprechung sowie quantitative, qualitative und zeitliche Aspekte) berücksichtigend – grundsätzlich vorgesehen, dass die Verwaltungsgerichte ihre Entscheidungen durch einen einzelnen Richter treffen. Damit wird deutlich, dass – unter Berücksichtigung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit – der Gesetzgeber dem Rechtsschutzsuchenden mittels schneller Entscheidungen, die weniger Koordinationsaufwand bedürfen, den Vorzug gegeben hat. Allerdings ermöglicht der Gesetzgeber, in sachlich gerechtfertigten Ausnahmefällen andere Zusammensetzungen vorzusehen. Damit entspricht er dem vielfach geäußerten Wunsch, insbesondere der Sozialpartner, in bestimmten Bereichen das Fachwissen fachkundiger Laienrichter einzubringen (vgl. ErläutRV 2009 BlgNR 24.GP).

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass Ziel und Zweck der Zusammensetzung von Rechtsprechungsorganen in Form von Senaten die Einbringung von Fachwissen der Laienrichter in bestimmten Bereichen war. In Angelegenheiten des Arbeitslosenversicherungsgesetzes wurde dem Wusch der Sozialpartner entsprochen und hat über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat zu entscheiden, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Dennoch ist zu vermerken, dass der Gesetzgeber mit § 9 Abs. 1 BVwGG eine Regelung geschaffen hat, aus der ersichtlich ist, dass nicht jede Entscheidung der Verwaltungsgerichte in der im Materiengesetz vorgesehenen Senatsbesetzung getroffen werden muss. So sind eben verfahrensrechtliche Beschlüsse vom senatsvorsitzenden Richter alleine zu treffen. Da es im gegenständlichen Fall nicht um eine inhaltliche Entscheidung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz geht, die besondere fachliche Kenntnisse betreffend den Arbeitsmarkt und die Arbeitslosenversicherung erfordert, liegt – auch unter Anerkennung der Aspekte der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit – nach Ansicht des ho. Gerichtes eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

3.4. Die für den gegenständlichen Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen lauten:

§ 8a VwGVG lautet:

Verfahrenshilfe

§ 8a. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

§ 70 AlVG lautet:

Stempel- und Gebührenfreiheit

§ 70. (1) Die im Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben und deren Beilagen, Ausfertigungen, Niederschriften, Entscheidungen, Vollmachten und Zeugnisse sind von den Stempel- und Rechtsgebühren befreit.

(BGBl. Nr. 261/1967, Art. I Z. 13)

(2) Die §§ 76, 77 und 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, und die auf Grund dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen sind im Verfahren nach diesem Bundesgesetz nicht anzuwenden.

Zu A) Nichtbewilligung der Verfahrenshilfe

3.5. In der Regierungsvorlage heißt es in den Erläuterungen zu § 8a VwGVG (1255 der Beilagen XXV. GP, S. 2):

„Die vorgeschlagenen Abs. 1 und 2 sehen die Voraussetzungen vor, unter denen ein Anspruch auf Verfahrenshilfe besteht. Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist.

Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032). Darüber hinaus regelt der vorgeschlagene § 8a die Einbringung des Antrags auf Bewilligung der Verfahrenshilfe näher.

Der vorgeschlagene § 8a Abs. 1 Einleitung sieht vor, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe nach dieser Bestimmung zu erfolgen hat, „[s]soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist“. Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte „subsidiäre Bestimmung“ handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte „Materiengesetz“ keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht.

So sieht etwa § 52 des BFA-Verfahrensgesetzes – BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 vor, dass einem Fremden oder Asylwerber in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten ein Rechtsberater beigegeben wird; diese Bestimmung entspricht den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt der vorgeschlagene § 8a daher (überhaupt) nicht zur Anwendung. Die Subsidiarität des vorgeschlagenen § 8a hat auch zur Folge, dass gesetzliche Bestimmungen, die einen entsprechenden Inhalt aufweisen, mit dem Inkrafttreten des vorgeschlagenen Bundesgesetzes nicht außer Kraft treten.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der „Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse“; in jenen Fällen, in denen es „unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde,“ müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien. Nicht maßgeblich ist, durch wen die anderen Parteien des Verfahrens vertreten sind:“

Zunächst ist auszuführen, dass in Verfahren vor dem BVwG eine Anwaltspflicht nicht besteht. Hier bewies die bP ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden als Bezieherin von Arbeitslosen- oder Kinderbetreuungsgeld und auch durch die Einbringung ihrer eigenständigen Beschwerde beim AMS, welche sämtlichen Inhaltserfordernissen einer Beschwerde nach § 9 VwGVG entspricht. Der Bescheid des AMS wurde von der bP in seinem gesamten Umfang angefochten und liegt somit im gegenständlichen Verfahren bereits eine Beschwerde vor, aus welcher der Wille der bP, dass diese ein für sie vorteilhaftes Verfahrensergebnis erreichen möchte, klar erkennbar ist. Die bP bedarf sohin keiner Unterstützung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter, um vor dem ho. Gericht ihren Willen zu artikulieren. Da das letzte sozialversicherungspflichtige Dienstverhältnis der bP bereits länger zurückliegt und es der bP noch nicht gelungen ist, eine adäquate Stelle zu finden, wurde der bP vom AMS der Auftrag erteilt, ab 25.11.2019 bis 31.01.2020 an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung „ XXXX “ teilzunehmen, welcher die bP am 16.12.2019 sowie vom 18.12.2019 bis 07.01.2020 unentschuldigt ferngeblieben ist. Maßgebliches Kriterium im Zusammenhang mit der ho. Rechtssache stellt der Sachverhalt dar, welcher durch das AMS bereits erhoben worden ist. Von einer Komplexität des Falles, die eine Beistellung eines Anwaltes erfordert, ist daher nicht auszugehen.

Aus den obigen Ausführungen ist zu schließen, dass die bP im gegenständlichen Verfahren keine Notwendigkeit zur Verfolgung ihrer Interessen treffen wird, welche sie ohne die Bereitstellung eines Anwalts überfordern würde.

Aus § 70 AlVG ergibt sich zudem, dass für die antragstellende Partei im Beschwerdeverfahren keine Kosten anfallen. Allfällige, auf eine Ladung durch das ho. Gericht anfallende Reisekosten, werden der bP im gesetzlichen Rahmen abgegolten.

Verfahrenshilfe ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG nur dann vorgesehen, wenn beide Voraussetzungen, nämlich, dass diese geboten ist und die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, kumulativ vorliegen.

Es ergibt sich ganz klar, dass im vorliegenden Fall Verfahrenshilfe zur Vertretung auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC nicht geboten ist. Somit braucht – auch ungeachtet des § 70 AlVG – nicht mehr genauer geprüft werden, ob der Antragsteller außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts bestreiten zu können. Aus demselben Grund war auch nicht mehr zu prüfen, ob die beabsichtigte Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint und liegen somit die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030).

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung (als Einzelrichter gemäß § 6 iVm § 9 BVwGG und § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG) von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da das Bundesverwaltungsgericht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes abweicht (vgl. VwGH vom 07.09.2017, Ra 2017/08/0081). Dies deswegen, als die §§ 6 und 9 BVwGG mit § 56 AlVG in einem Spannungsverhältnis stehen und eine Einzelrichterzuständigkeit als Grundsatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – wenn man bei der Senatszuständigkeit nach § 56 Abs. 2 AlVG lediglich auf die den Bescheid erlassende Behörde abstellt – praktisch, insbesondere aber auch in einem „Eilverfahren“, nie zur Anwendung kommen kann. Im Ergebnis würde die systematische Ausschließung auf Grundlage der besagten Judikatur des VwGH die beiden genannten Normen mit einer „Sinnlosigkeit“ behaften. Dieser Umstand kann aber unter Heranziehung der Judikatur des VfGH nicht Ziel und Zweck des Gesetzgebers gewesen sein, da ansonsten der VwGH dem Gesetzgeber ein sinnloses Schaffen von Normen unterstellen würde.

In diesem Sinne ist die Revision zulässig.

Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Revision zulässig Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L517.2228859.1.00

Im RIS seit

21.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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