TE Vfgh Erkenntnis 1995/10/3 B1339/95

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Veröffentlicht am 03.10.1995
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Index

L7 Wirtschaftsrecht
L7400 Fremdenverkehr

Norm

StGG Art5
Vlbg FremdenverkehrsG §5

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch die denkunmögliche Vorschreibung eines Fremdenverkehrsbeitrages an die nicht selbständig erwerbstätige Beschwerdeführerin; keine Fremdenverkehrsbeitragspflicht des Wohnungsinhabers für die Überlassung von Ferienwohnungen ohne Entgelt

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Vorarlberg ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Ferienhauses in Brand/Vorarlberg. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Brand vom 21. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführerin für das Ferienhaus gemäß §7 Abs5 des Gesetzes über die Förderung und den Schutz des Fremdenverkehrs (Fremdenverkehrsgesetz - FVkG), Vorarlberger LGBl. 9/1978, idF der Novelle Vorarlberger LGBl. 5/1991 (im folgenden: Vbg. FremdenverkehrsG) ein Fremdenverkehrsbeitrag von S 800,-- vorgeschrieben. Der dagegen rechtzeitig erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Abgabenkommission Brand vom 31. Oktober 1994 keine Folge gegeben.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, sie sei nicht selbständig erwerbstätig, weshalb ein Fremdenverkehrsbeitrag nicht vorgeschrieben werden könne, hielt die Berufungsbehörde entgegen, daß für die Abgabepflicht für Ferienwohnungen iS des §5 Abs7 Vbg. FremdenverkehrsG das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit nicht erforderlich sei. Auch der weitere Einwand, daß die Beschwerdeführerin auch eine Gästetaxe entrichte, sei nicht begründet; denn dies hindere nicht die Vorschreibung des Fremdenverkehrsbeitrages.

Die gegen diesen Berufungsbescheid erhobene Vorstellung wurde von der Vorarlberger Landesregierung mit Bescheid vom 16. März 1995 als unbegründet abgewiesen. Auch die Vorstellungsbehörde vertrat die Rechtsauffassung, daß für die Abgabepflicht für Ferienwohnungen iS des §5 Abs7 Vbg. FremdenverkehrsG das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit nicht erforderlich sei.

2. Gegen diesen Vorstellungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und des "Willkürverbots" gemäß Art14 EMRK sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Die Vorarlberger Landesregierung als belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Gemäß §1 Abs1 Vbg. FremdenverkehrsG sind das Land und die Gemeinden als Träger von Privatrechten verpflichtet, den im öffentlichen Interesse gelegenen Fremdenverkehr zu fördern. Gemeinden, in denen der Fremdenverkehr von besonderer Bedeutung ist oder die sich die Förderung des Fremdenverkehrs in besonderem Maße zur Aufgabe machen, können gemäß §1a Vbg. FremdenverkehrsG durch Beschluß der Gemeindevertretung zu Fremdenverkehrsgemeinden erklärt werden. Solche Gemeinden sind ermächtigt, zur Deckung ihres Aufwandes für fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen und Einrichtungen Fremdenverkehrsbeiträge einzuheben (§3 leg.cit.). Abgabepflichtig sind alle Personen, die von einem in der Gemeinde gelegenen Standort aus eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben (§4 Abs1 leg.cit.). Als Erwerbstätigkeit iS dieses Gesetzes gilt das auf einen wirtschaftlichen Vorteil zielende Verhalten (§4 Abs2 leg.cit.). §5 regelt die Ermittlung des abgabepflichtigen Umsatzes:

"§5

Abgabepflichtiger Umsatz

(1) Der abgabepflichtige Umsatz ergibt sich aus der Summe der Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein selbständig Erwerbstätiger im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit gegen Entgelt ausführt, sowie dem Eigenverbrauch. Der §1 Abs1 Z. 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1972 ist sinngemäß anzuwenden. Ausgenommen sind:

a)

...

b)

...

c)

Umsätze aus der Dauervermietung von Wohnungen oder Teilen von Wohnungen, soweit es sich nicht um Ferienwohnungen handelt;

d)

...

e)

...

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) ...

(6) ...

(7) Bei einer Wohnung im Sinne des §13 Abs1 ist der abgabepflichtige Umsatz die Summe der Nächtigungen von Personen mit Ausnahme des Wohnungsinhabers, vervielfacht mit dem auf eine einzelne Nächtigung entfallenden Durchschnittsentgelt. Das Durchschnittsentgelt ist unter Bedachtnahme auf die ortsüblichen Nächtigungspreise einschließlich der Preise für Nebenleistungen zu ermitteln. Abgabepflichtig ist der Wohnungsinhaber.

(8) ..."

Gemäß §7 Abs1, erster Satz, Vbg. FremdenverkehrsG hat der Abgabenschuldner jährlich bis spätestens 31. Mai die Abgabe zu bemessen und an die Gemeinde zu entrichten. Entrichtet der Abgabenschuldner die Abgabe nicht oder erweist sich die Selbstbemessung als unrichtig, hat die Behörde die Abgabe gemäß §7 Abs5 mit Bescheid festzusetzen.

Das Vbg. FremdenverkehrsG ermächtigt die Gemeinden weiters in seinem §8 Abs1, zur Deckung ihres Aufwandes für Einrichtungen und fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen eine Gästetaxe einzuheben. Abgabepflichtig sind alle Gäste, die im Gemeindegebiet nächtigen (§9 leg.cit.). Gemäß §13 leg.cit., auf dessen Abs1 in §5 Abs7 leg.cit. verwiesen wird, kann die Gästetaxe mit einem Pauschalbetrag festgesetzt werden. Der Abs1 dieser Bestimmung lautet:

"§13

Pauschalierung

(1) Für Abgabepflichtige, die als dinglich Berechtigte, Mieter oder Entleiher eine Wohnung innehaben (Wohnungsinhaber), die nicht ständig der Deckung ihres ganzjährig gegebenen Wohnungsbedarfes dient, insbesondere eine Wohnung, die nur während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig benützt wird, ist die Gästetaxe, wenn dies im Interesse der Einfachheit oder Zweckmäßigkeit gelegen ist, auf Antrag oder von Amts wegen mit Pauschalbetrag festzusetzen.

(2) ...

(3) ...

(4) ..."

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wird eine Abgabe vorgeschrieben; er greift somit in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10337/1985, 10362/1985, 11470/1987) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

3.1. Die Beschwerdeführerin rügt die Verfassungswidrigkeit des §5 Abs7 Vbg. FremdenverkehrsG, wonach nicht Erwerbstätige im Hinblick auf die Einhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen Erwerbstätigen gleichgestellt würden. Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt.

3.2. Es kann dahingestellt bleiben, ob es unsachlich wäre, Personen, die nicht selbständig erwerbstätig sind, also keine Einnahmen aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielen und aus dem Fremdenverkehr insofern keinen Nutzen ziehen, gleich selbständig Erwerbstätigen in die Abgabepflicht nach dem Vbg.

FremdenverkehrsG miteinzubeziehen; denn solches ordnet das Vbg.

FremdenverkehrsG offenkundig gar nicht an:

§5 Abs7 leg.cit. regelt im einzelnen die Berechnung des abgabepflichtigen Umsatzes für die Vermietung von Ferienwohnungen, welche schon durch §5 Abs1 litc grundsätzlich der Abgabepflicht unterworfen wird. Abgabepflichtig ist gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung der Wohnungsinhaber. §5 Abs7 Vbg. FremdenverkehrsG entbindet aber nicht von der Voraussetzung des §4 Abs1 leg.cit., wonach lediglich Personen, die von einem in der Gemeinde gelegenen Standort aus eine selbständige Erwerbstätigkeit ausüben, abgabepflichtig sind. Wohnungsinhaber, die ihre Wohnung nicht gegen Entgelt Dritten überlassen, sind daher schon nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes nicht fremdenverkehrsbeitragspflichtig. Angesichts dessen kommt ein Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien - entgegen der darauf von der belangten Behörde und der Beschwerde gestützten Auffassung, wonach das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit für die Abgabepflicht für Ferienwohnungen nicht erforderlich sei - nicht in Betracht (s. VfSlg. 5153/1965, 7698/1975, 11777/1988).

Daraus ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wurde, der bekämpfte Bescheid jedoch an einem in die Verfassungssphäre reichenden Vollzugsfehler leidet:

Auch die belangte Behörde bestreitet nicht, daß die Beschwerdeführerin nach dem bisherigen Stand des Ermittlungsverfahrens nicht selbständig erwerbstätig ist. Dann aber erweist sich die Vorschreibung von Fremdenverkehrsbeiträgen als denkunmöglich.

4. Die Beschwerdeführerin wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

Der Bescheid war daher aufzuheben.

III. Der Kostenausspruch stützt

sich auf §88 VerfGG 1953. Im zugesprochenen Betrag sind S 3.000,-

- an Umsatzsteuer enthalten.

Dies konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Fremdenverkehr, Abgaben Fremdenverkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:B1339.1995

Dokumentnummer

JFT_10048997_95B01339_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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