Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde 1. der A, 2. des J D, 3. der M D, 4. der G, 5. der B und 6. der J, alle in Wien, alle vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 5. November 1963, Zl. M.Abt. 35-2951/63, betreffend Genehmigung nach § 21 DKV (mitbeteiligte Partei: H-Gesellschaft m.b.H. in Wien), den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem Bescheid vom 5. November 1963 erteilte der Magistrat der Stadt Wien aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 21 DKV, BGBl. Nr. 83 vom 17. April 1948, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen technischen Belegen (Plänen, Beschreibungen) bei Einhaltung mehrerer Bedingungen nachträglich die Genehmigung, in der Müllverbrennungsanlage auf der Liegenschaft Wien, F-Nr. 12, drei Abhitze-Eckrohrkessel der Firma Simmering-Graz-Pauker AG, Baujahr 1961, Fabr. Nr. 4056, 4057 und 4058, mit einem Wasserinhalt von je 16.400 l, einer Heizfläche von je 1090 m2, einem höchsten Betriebsdruck von 19 atü und einer Dampfleistung von je 10,5 t Dampf/h aufzustellen und zu benützen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte mit Beschluß vom 25. Februar 1997, Zl. B 3452/95-3, deren Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer als übergangene Nachbarn in ihrem subjektiven Recht auf rechtliches Gehör, Einräumung der Parteistellung und Durchführung eines ordnungsgemäßen Genehmigungsverfahrens verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes machen sie geltend, es sei ihnen der angefochtene Bescheid niemals zugestellt worden, obwohl sie dem gegenständlichen Verfahren als Parteien zuzuziehen gewesen wären. Es sei ständige Rechtsprechung, daß die Beschwerdeführung auch Personen zukomme, denen im Verwaltungsverfahren keine Parteistellung eingeräumt wurde, die aber nach dem Gesetz dem Verwaltungsverfahren zuzuziehen gewesen wären. Es sei offensichtlich, daß die Beschwerdeführer als Nachbarn dem Bewilligungsverfahren zuzuziehen gewesen wären, da ihre Grundstücke in unmittelbarer Nähe der Müllverbrennungsanlage lägen. Der angefochtene Bescheid stütze sich auf eine gesetzwidrige Verordnung, nämlich auf eine (aus näher dargestellten Gründen) gesetzwidrige Flächenwidmung. Es werde daher die Anregung gestellt, der Verwaltungsgerichtshof möge beim Verfassungsgerichtshof beantragen, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben. Die Dampfkesselverordnung sehe eine Parteistellung der Nachbarn, deren Benachrichtigung vom Projekt, die Ladung zu einer Augenscheinsverhandlung, die Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen nicht vor. Dem gegenüber habe im Verfahren nach der Wiener Bauordnung wie auch im gewerbebehördlichen Verfahren der Nachbar der Betriebsanlagen ab Antragstellung Parteistellung und sei zur Bauverhandlung oder gewerblichen Augenscheinsverhandlung zu laden, bis zu deren Schluß Einwendungen vorgebracht werden könnten. Ratio legis sei nach der Wiener Bauordnung wie auch nach der Gewerbeordnung der Schutz der Nachbarn, insbesondere ihrer Rechte auf Unverletzlichkeit des Eigentums und Schutz der Gesundheit. Die Bedeutung der Anlagen, die nach der Dampfkesselverordnung zu verhandeln seien, sei für die Nachbarn weit größer als die "gewöhnlicher" Bauten oder Betriebsanlagen. Neben den Einwirkungen, die jedes Bauwerk und jede Betriebsanlage auf den Nachbarn und dessen Rechtsbestand ausübe, komme den Bauten und Anlagen nach der Dampfkesselverordnung durch die Größe der von diesen ausgestoßenen Emissionen besondere Bedeutung für die Nachbarn, insbesondere für deren Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Schutz der Gesundheit, zu. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, im Verfahren für Anlagen, die die Gesundheit der Nachbarn besonders stark zu gefährden geeignet seien, den Nachbarn keine Art der Beteiligung einzuräumen, während solche Beteiligungsrechte für weit weniger stark eingreifende Anlagen und Bauten zwingend vorgeschrieben seien. Es sei sachlich nicht gerechtfertigt, daß den privaten Bauwerbern und Anlagenbetreibern die Einhaltung und Durchführung von Bau- und Gewerbeverfahren auferlegt werde, während die öffentliche Hand ihre Projekte unter Ausschluß der Nachbarn plane, einreiche, begutachte genehmige und überwache, letztlich sich sogar die gesetzlichen Bedingungen für die Errichtung der Anlage selbst festsetze, wie dies hier der Fall sei. Nach der Wiener Bauordnung ebenso wie nach der Gewerbeordnung sei die Abhaltung einer Augenscheinsverhandlung zwingend vorgeschrieben. Dies sei im Verfahren nach der Dampfkesselverordnung nicht vorgesehen. Auch diese Unterscheidung sei nicht sachlich gerechtfertigt. Es werde daher die Anregung erstattet, der Verwaltungsgerichtshof möge auch in diesem Punkt beim Verfassungsgerichtshof beantragen, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und die in Rede stehenden Bestimmungen des gegenständlichen Gesetzes als verfassungswidrig aufzuheben. Außerdem habe die Behörde die Dampfkesselverordnung nicht gesetzeskonform ausgelegt, indem sie die Genehmigungen nach der Dampfkesselverordnung erst verhandelt habe, nachdem eine baurechtliche Genehmigung erteilt worden sei. Damit habe sie jede Möglichkeit ausgeschlossen, daß die Nachbarn vom Projekt informiert würden oder gar Einwendungen machten. Dadurch habe es keine Augenscheinsverhandlung und auch keine Möglichkeit der Erhebung von Einwendungen gegeben. Dies unterscheide das Zustandekommen des bekämpften Bescheides gegenüber Genehmigungsbescheiden mit weit geringeren Auswirkungen auf die Nachbarn. Es sei nicht gerechtfertigt, daß den privaten Bauwerbern und Anlagenbetreibern die Einhaltung und Durchführung von Bau- und Gewerbeverfahren auferlegt werde, während die öffentliche Hand Projekte unter Ausschluß von Mitwirkungsmöglichkeiten der Nachbarn plane, einreiche, begutachte, genehmige und überwache und letzlich sich sogar die gesetzlichen Bedingungen für die Errichtung der Anlage selbst festsetze, so wie dies hier der Fall sei.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. z.B. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. NF. Nr. 10.511/A).
Ein subjektives öffentliches Recht ist die dem Einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene "Rechtsmacht", vom Staat zur Verfolgung seiner Interessen ein bestimmtes Verhalten zu verlangen (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, zweite Auflage, S. 266). Es setzt daher voraus, daß dem einzelnen durch das Gesetz eine bestimmte Rechtstellung eingeräumt und auch eine verfahrensrechtliche Handhabe zur Durchsetzung dieses Rechtes zur Verfügung gestellt wird (vgl. den hg. Beschluß vom 17. Juni 1992, Zl. 92/02/0107).
Ein so verstandenes subjektives öffentliches Recht wird in der Dampfkesselverordnung, auf deren Grundlage der angefochtene Bescheid ergangen ist, den Nachbarn einer Dampfkesselanlage nicht eingeräumt. Denn in § 21 dieser Verordnung werden lediglich die Voraussetzungen für die Genehmigungspflicht (Abs. 1 bis 3) und die Anforderungen an das Genehmigungsansuchen (Abs. 5 und 6) geregelt und sodann im Abs. 7 bestimmt, daß das Genehmigungsansuchen samt Beilagen in dreifacher Ausfertigung bei der Genehmigungsbehörde einzubringen ist. Diese hatte eine Ausfertigung des Ansuchens dem zuständigen Überwachungsorgan (§ 49) zur Stellungsnahme zu übermitteln, das auch der Genehmigungsverhandlung als Sachverständiger beizuziehen ist. Eine Ausfertigung des Genehmigungsbescheides ist dem Überwachungsorgan zuzustellen. Eine Verpflichtung der Behörde, irgendwelche Interessen der Nachbarn im Genehmigungsverfahren oder bei Bescheiderlassung zu berücksichtigen, kennt die Dampfkesselverordnung ebensowenig, wie ein Recht der Nachbarn, am Genehmigungsverfahren teilzunehmen.
Die von den Beschwerdeführern gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung erhobenen Bedenken vermag der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die auch im Ablehnungsgbeschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 25. Februar 1997, Zl. 3452/95-3, zitierte ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Frage der Parteienrechte im Verwaltungsverfahren nicht zu teilen, zumal diese Regelungen keinesfalls wie die Beschwerdeführer offenbar meinen nur für Projekte der öffentlichen Hand galten. Sie galten in gleicher Weise für Dampfkesselanlagen privater Betreiber. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher zu der in der Beschwerde veranlaßten Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof nicht veranlaßt.
Kamen aber solcher Art den Beschwerdeführern in einem Verfahren nach der Dampfkesselverordnung subjektive öffentliche Rechte nicht zu, so können derartige Rechte auch nicht durch den angefochtenen Bescheid, der aufgrund dieser Verordnung ergangen ist, verletzt werden. Mangels Rechtsverletzungsmöglichkeit fehlt es den Beschwerdeführern aber entsprechend der oben dargestellten Rechtslage an der Beschwerdelegitimation.
Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluß zurückzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997040106.X00Im RIS seit
11.07.2001