TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/4 97/18/0396

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Veröffentlicht am 04.09.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Mag. Dr. Ralf Heinrich Höfler, Rechtsanwalt in Wien IX, Türkenstraße 25/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Mai 1997, Zl. SD 511/96, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Mai 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs.1 iVm Abs. 2 Z. 5 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer, der erstmals im Dezember 1992 einen Sichtvermerk beantragt habe, sei am 15. Juli 1996 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des versuchten Vergehens der Schlepperei gemäß § 81 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, davon acht Monate bedingt, verurteilt worden. Dieses Urteil sei vom Oberlandesgericht Wien bestätigt worden und am 25. Februar 1997 in Rechtskraft erwachsen. Der Verurteilung sei zugrunde gelegen, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Mittäter im Jänner 1995 versucht habe, um seines Vorteiles willen die gemeinsame rechtswidrige Ein- oder Ausreise von mehr als fünf Fremden von Österreich nach Deutschland in der Absicht zu fördern, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Als erschwerend habe das Gericht den Umstand angesehen, daß sowohl der Beschwerdeführer als auch der Mittäter bei ihrer Tathandlung die Notlage von Landsleuten hemmungslos ausgenützt hätten.

Es könne kein Zweifel bestehen, daß ein derartiges Fehlverhalten die öffentliche Ordnung, näherhin das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens, in hohem Maß gefährde. Es sei daher nicht nur der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG erfüllt, sondern darüberhinaus auch die im § 18 Abs.1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Der Beschwerdeführer sei für seine Ehegattin und fünf Kinder unterhaltspflichtig; diese hielten sich jedoch im Heimatland des Beschwerdeführers auf. Sonstige familiäre Bindungen seien nicht feststellbar und vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet worden. Selbst wenn man aufgrund des etwa viereinhalbjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgehen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach § 19 FrG zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, um seines Vorteiles willen Schlepperei begehe bzw. an ihr mitwirke und dabei die Notlage anderer Fremder völlig bedenkenlos ausnütze, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer - wie vom Gericht festgestellt - die strafbaren Handlungen gewerbsmäßig begangen habe.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers hätten festgestellt werden können und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt worden sei, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betreffe, so erscheine die von der Erstbehörde vorgenommene Befristung gerechtfertigt. In Anbetracht des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes, nämlich die Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, nicht vor Ablauf der festgesetzten Frist angenommen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer durch sein inkriminiertes Fehlverhalten den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG verwirklicht habe, unbekämpft. Aufgrund der unbestrittenen rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen § 81 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Im Hinblick auf die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens durch das Schlepperunwesen stößt auch die Auffassung der belangten Behörde, es sei vorliegend die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, auf keinen Einwand.

2.1. Die Beschwerde hält die Bejahung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde der §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG durch die belangte Behörde für rechtswidrig. Diese habe keine Interessenabwägung vorgenommen und als Begründung lediglich angeführt, daß der Beschwerdeführer um seines Vorteiles willen Schlepperei begangen und dabei völlig bedenkenlos die Notlage anderer Fremder ausgenützt habe. Dies sei tatsachenwidrig. Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid sei der Beschwerdeführer bei seinem ersten Schleppversuch betreten worden, weshalb nicht von einer wiederholten Tätigkeit gesprochen werden könne. Der Beschwerdeführer habe lediglich Hilfsdienste verrichtet, außerdem sei ihm die Strafwürdigkeit seines Verhaltens nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus falle auf, "daß dem Vernehmen nach dem eigentlichen Haupttäter Herrn Isuf B. keinerlei nachhaltige Konsequenzen aus dem gleichen Sachverhalt drohen". Der Haupttäter sei nach wie vor "dem Vernehmen nach im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung und wurde gegen ihn angeblich kein Aufenthaltsverbotsverfahren eingeleitet". Es gebe keine sachliche Rechtfertigung dafür, daß den "Beschwerdeführer die Konsequenzen aus diesem Fall weit schwerer treffen als den Haupttäter".

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Zunächst kann keine Rede davon sein, daß die belangte Behörde keine Interessenabwägung durchgeführt hat. Vielmehr hat sie - für den Fall der Annahme, daß überhaupt ein i.S. des § 19 FrG relevanter Eingriff durch die Verhängung des Aufenthaltsverbotes vorliege - die für und gegen die Zulässigkeit dieser Maßnahme sprechenden Interessen einander gegenübergestellt und in nachvollziehbarer Weise begründet, weshalb sie dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens den Vorrang einräumt. Dieses Abwägungsergebnis kann nicht als rechtsirrig angesehen werden. Das gewichtige öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Schlepperunwesens, das vom Beschwerdeführer durch die gewerbsmäßige Begehung der gerichtlich strafbaren Schlepperei - entgegen der Beschwerdebehauptung hat die belangte Behörde nicht "wiederholte Tätigkeit" angenommen - in gravierender Weise beeinträchtigt wurde, hatte die belangte Behörde mit dem lediglich aus einem etwa viereinhalbjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich resultierenden privaten Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet - daß gleichgerichtete familiäre Interessen vorlägen, wurde im angefochtenen Bescheid aus den dort angeführten Gründen zu Recht verneint - abzuwägen. Daß hiebei dem bezeichneten, nur schwach ausgeprägten privaten Interesse nicht annähernd das Gewicht zuzuerkennen war, das dem besagten, durch das verpönte Verhalten des Beschwerdeführers ganz erheblich gefährdeten Allgemeininteresse zukommt, bedarf keiner weiteren Darlegungen.

War demnach die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf Art. 8 Abs. 2 MRK (Schutz der öffentlichen Ordnung, Verhinderung strafbarer Handlungen) als dringend geboten und damit als im Grunde des § 19 FrG zulässig zu erachten, so gilt in Ansehung des § 20 Abs. 1 leg. cit. nichts anderes. Denn die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer, also das Bestehenbleiben der durch die gewerbsmäßige Tatbegehung (§ 70 StGB) und damit die Neigung zu chronischer Kriminalität begründeten nachhaltigen Gefährdung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen wiegt entschieden schwerer als die Auswirkung des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, d.h., sein Interesse, einen erst viereinhalb Jahre dauernden, ohne jegliche familiäre Bindungen gekennzeichneten Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.

Was das "angebliche" ("dem Vernehmen nach") Ausbleiben fremdenrechtlicher Konsequenzen für den "Haupttäter" anlangt, so genügt der Hinweis, daß Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ausschließlich die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des den Beschwerdeführer betreffenden Aufenthaltsverbots-Bescheides vom 15. Mai 1997 ist.

3. Sofern die Beschwerde mit ihrem Vorbringen, "die Verhängung des Aufenthaltsverbotes über 10 Jahre ist daher sachlich nicht gerechtfertigt", zum Ausdruck bringen sollte, daß die Gültigkeitsdauer der Maßnahme mit zehn Jahren zu hoch bemessen sei, wäre ihr entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die Gültigkeitsdauer - den Umständen des vorliegenden Falles entsprechend - in unbedenklicher Weise mit zehn Jahren festgesetzt hat. Im übrigen hätte die Beschwerde nicht einmal ansatzweise dargetan, weshalb im Fall des Beschwerdeführers ein Wegfall der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebenden Gründe, d.h. der nachhaltigen Gefährdung des besagten maßgeblichen öffentlichen Interesses, vorhersehbarerweise vor Ablauf der festgesetzten Dauer anzunehmen sei.

4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997180396.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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