TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/16 W278 2164578-2

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Entscheidungsdatum

16.04.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs1 Z2

Spruch

W278 2164578-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2019, Zl. XXXX zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

Dem Beschwerdeführer (infolge: BF), einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (infolge: BVwG) vom 31.01.2019,

Zl. XXXX , gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

Am 28.11.2019 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG. Zum Nachweis seines Aufenthaltstitels legte der BF die ihm am 31.01.2019 ausgestellte Aufenthaltsberechtigungskarte vor. In seiner angeschlossenen schriftlichen Stellungnahme führte der BF aus, er habe mehrmals versucht, bei der afghanischen Botschaft einen Reisepass zu erhalten, besitze aber keine Tazkira und keinen anderen Identitätsnachweis, weshalb ihm die Botschaft die Ausstellung des Reisepasses verweigere und verwies auf eine telefonische Auskunft eines in Kabul ansässigen Rechtsanwaltes. Begründend führte der BF zu seinem Antrag aus, er wolle mit seiner Ehefrau und seinem Sohn in den Urlaub fahren und werde - im Falle der Verweigerung der Ausstellung des Fremdenpasses - gegenüber subsidiär Schutzberechtigten ungleich behandelt.

Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom selben Tag teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA) dem BF mit, dass für die Ausstellung eines Fremdenpasses nachgewiesen werden müsse, dass die Ausstellung im Interesse der Republik Österreich liege und gewährte dem BF eine zweiwöchige Stellungnahmefrist.

Mit handschriftlichem Schreiben vom 09.12.2019 führte der BF aus, er habe in Afghanistan in einem abgelegenen Dorf gewohnt und könne weder lesen noch schreiben. Als Kind habe sein Vater keine Geburtsurkunde für ihn erhalten, weshalb er nach wie vor keine besitze. Er wolle mit seinem Mann (gemeint: seiner Frau) und dem gemeinsamen Sohn einmal im Jahr Urlaub machen, weshalb er einen Reisepass benötige.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG abgewiesen.

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der BF habe keine unbefristete Aufenthaltsberechtigung und das für die Ausstellung erforderliche Interesse der Republik Österreich trotz Aufforderung zur Stellungnahme nicht nachgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und brachte vor, er beabsichtige, mit Ablauf seiner "Aufenthaltsberechtigung plus" auf eine "Rot-weiß-rot-Karte plus" umzusteigen. Die Erklärung, wonach eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, sei gleichbedeutend mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel, der nur aberkannt werden könne, wenn der BF schwer straffällig geworden sei. Die Situation von Personen wie dem BF, deren Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt worden sei und für die es faktisch unmöglich sei, einen Reisepass zu erlangen, sei im Gesetz zwar nicht geregelt, entspreche aber jener von staatenlosen Personen bzw. subsidiär Schutzberechtigten. Für die Antragsteller sei nicht nachvollziehbar, wann und warum ein Interesse der Republik vorliege und wann nicht, was in erhöhtem Maße zu Rechtsunsicherheit führe. Da es sich bei § 88 FPG sohin um ein unbestimmtes Gesetz handle, sei eine Abweisung des Antrags verfassungswidrig, sodass ihm ein Fremdenpass auszustellen gewesen wäre. Diesbezüglich werde angeregt, § 88 FPG dem Verfassungsgerichtshof zur Überprüfung vorzulegen.

2. Feststellungen:

Der BF heißt XXXX (auch: XXXX ), ist am XXXX geboren und afghanischer Staatsangehöriger.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 31.01.2019, Zl. XXXX , wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF für auf Dauer unzulässig erklärt und ihm gemäß § 55 Abs. 1 AsylG der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt. Am selben Tag stellte das BFA dem BF eine bis 30.01.2020 befristete Aufenthaltsberechtigungskarte "Aufenthaltsberechtigung plus" aus.

Am 28.11.2019 beantragte der BF die Ausstellung eines Fremdenpasses mit der Begründung, es sei ihm nicht möglich, bei der afghanischen Botschaft einen Reisepass zu erlangen, weil er kein afghanisches Identitätsdokument besitze, die afghanische Botschaft laut telefonischer Auskunft eines in Kabul ansässigen Rechtsanwaltes vom 01.09.2016 keine Tazkira ausstellen könne und er einen Reisepass benötige, um mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn Urlaub zu machen.

Der BF verfügt über einen bis 31.01.2021 befristeten Aufenthaltstitel "Rot-weiß-rot-Karte plus".

3. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt, insbesondere dem Erkenntnis des BVwG vom 31.01.2019, Zl. XXXX , der im Akt erliegenden Kopie der dem BF ausgestellten Aufenthaltsberechtigungskarte, dem Antrag vom 28.11.2019, der handschriftlichen Stellungnahme des BF vom 09.12.2019 und einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1. Zur Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses:

§ 88 FPG lautet:

"(1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des/der Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;

4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des/der subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

[...]"

Wie das BFA zutreffend erkannte, erfüllt der BF die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Fremdenpasses im vorliegenden Fall nicht:

Der BF verfügte über einen bis zum 30.01.2020 befristeten Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus". Dieser Titel ist gemäß § 54 Abs. 2 AsylG nicht verlängerbar. Am 31.01.2020 wurde dem BF über einen in Anwendung des § 41a Abs. 9 Z 2 NAG gestellten Antrag eine "Rot-weiß-rot-Karte plus", befristet bis 31.01.2021, ausgestellt.

Sofern in der Beschwerde vorgebracht wird, die Entscheidung des BVwG, wonach die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, sei gleichbedeutend mit einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung, ist dem entgegenzuhalten, dass dem BF damit kein unbefristetes Aufenthaltsrecht zukommt. Diese Entscheidung bildete vielmehr die Grundlage für die Erteilung eines befristeten Aufenthaltsrechts (vgl. § 44a NAG), nämlich die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" (vgl. § 41a Abs. 9 Z 2 NAG), bei dem es sich gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG ebenfalls um einen bloß befristeten Aufenthaltstitel handelt.

Das BFA ging daher zu Recht davon aus, dass der BF über kein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt und die Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß § 88 Abs. 1 Z 2 FPG schon aus diesem Grund ausscheidet.

Auch sonst sind im Ermittlungsverfahren keinerlei Gründe hervorgekommen, welche die Ausstellung eines Fremdenpasses nach § 88 Abs. 1 Z 1 bis 5 FPG rechtfertigen würden. Die Staatsangehörigkeit des BF ist geklärt (§ 88 Abs. 1 Z 1 FPG) und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt-EU" (§ 88 Abs. 1 Z 3 FPG), eine Auswanderung (§ 88 Abs. 1 Z 4 FPG) oder besondere bereits erbrachte oder zu erwartende Leistungen (§ 88 Abs. 1 Z 5 FPG) wurden vom BF nicht einmal behauptet.

Wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung der im § 88 Abs. 1 FPG umschriebenen Tatbestände ist außerdem, dass die Ausstellung eines Fremdenpasses im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist.

Für die Ausstellung eines Fremdenpasses kommt es somit nicht bloß darauf an, dass diese im Interesse des Fremden gelegen ist, sondern es muss auch ein positives Interesse der Republik Österreich an der Ausstellung eines Fremdenpasses für diesen Fremden bestehen, wobei ein restriktiver Maßstab anzulegen ist (VwGH 22.01.2014, Zl. 2013/21/0043 vgl. auch VwGH vom 15.09.2010, Zl. 2010/18/0279, und vom 19.05.2011, Zl. 2009/21/0288, jeweils mwN).

Der BF begründete seinen Antrag damit, dass er mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn auf Urlaub fahren wolle.

Dazu judizierte der Verwaltungsgerichtshof, dass es gerade keinen Grund darstellt, der ein öffentliches Interesse im Sinne des § 88 Abs. 1 FPG dartun könnte, wenn dem Beschwerdeführer durch die Nichtausstellung eines Fremdenpasses die Möglichkeit einer Reise in das Ausland genommen werde (VwGH 15.09.2010, 2010/18/0279).

Auch der Umstand, der Fremdenpass werde benötigt, damit der Fremde reisen könne, bildet nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen Grund, der ein öffentliches Interesse dartun könnte (vgl. VwGH v. 2.9.1999, 96/18/0137, VwGH v. 19.11.2003, 2003/21/0053).

Neben der fehlenden formellen Voraussetzung der unbefristeten Aufenthaltsberechtigung vermochte der BF sohin auch das erforderliche öffentliche Interesse an der Ausstellung eines Fremdenpasses nicht darzutun, wovon das BFA sohin zu Recht ausging.

Im Wissen dieser Problematik bringt der BF in seiner Beschwerde nunmehr selbst vor, dass seine Situation mit dem Fall des § 88 Abs. 2 FPG vergleichbar, bzw. diese Voraussetzung analog auf seine Situation anzuwenden wäre, um die Ausstellung eines Fremdenpasses zu ermöglichen.

Diesbezüglich ist anzumerken, dass der BF eben nicht staatenlos, sondern afghanischer Staatsangehöriger ist. Von einer analogen Anwendung des Abs. 2 des § 88 FPG auf die Situation des BF geht das Bundesverwaltungsgericht gegenständlich nicht aus, da es hier keine planwidrige Lücke sieht.

Dazu führt die Literatur aus, dass "das in Absatz 1 und 2a normierte Erfordernis, dass ein Fremder nicht in der Lage ist, sich ein Reisedokument zu beschaffen, vor dem Hintergrund zu sehen [ist], dass die Ausstellung eines Fremdenpasses einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates bedeutet, weshalb dem Gesetz die Prämisse zugrunde liegt, dass Fremde sich zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung eines Reisedokuments wenden müssen" (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, NWV 2016, K8 zu § 88 FPG, S. 1288f). Dazu ist es aber nötig, dass ein Fremder auch tatsächlich in der Lage ist, ein Heimreisedokument zu erlangen (ebda., K9).

Der BF brachte dazu vor, dass er mehrmals bei der afghanischen Botschaft gewesen sei, diese ihm aber keinen Reispasse ausstelle, weil er keinen afghanischen Identitätsnachweis vorlegen könne. Seine Ausführungen stützte er auf eine Auskunft eines lokal ansässigen Rechtsanwalts in Kabul vom 01.09.2016, wonach die afghanische Botschaft nicht in der Lage sei, eine Tazkira auszustellen. Damit hat der BF aber nicht einmal nachgewiesen, sondern lediglich behauptet, dass ihm die afghanische Botschaft keinen Reisepass ausstelle, zumal er keine Bestätigung vorlegte, aus der ersichtlich wäre, dass er tatsächlich bei der afghanischen Botschaft versuchte, ein Reisedokument zu erlangen.

Selbst wenn ihm der entsprechenden Nachweis gelungen wäre, scheitert nach Ansicht des BVwG eine analoge Anwendung des § 88 Abs. 2 FPG auf die Situation BF dennoch daran, dass seine Situation - zumindest teilweise bzw. grundsätzlich - mit der eigenen Bestimmung des § 88 Abs. 1 Z 2 oder 3 FPG erfasst ist: dort können ausländische Staatsangehörige, die gerade nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, unter bestimmten weiteren Voraussetzungen einen Fremdenpass erhalten. Damit handelt es sich aber hinsichtlich der Situation des BF nicht um eine planwidrige Lücke im Gesetz, sondern um das Fehlen von wesentlichen Anwendungsvoraussetzungen für eine bestehende Bestimmung, nämlich um den Bestand eines unbefristeten Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet oder der Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" sowie um ein entsprechendes Interesse der Republik.

Das BVwG kann nicht erkennen, dass dieses Abstellen bei Drittstaatenangehörigen auf einen grundsätzlich auf Dauer angelegten Aufenthalt planwidrig ist oder auf einem Versehen beruht. Aus der RV 692 XVIII. GP zu § 55 FrG 1993 geht hervor, dass "Österreich mit der Ausstellung von Fremdenpässen den Inhabern die Möglichkeit zu Reisen [eröffnet] und damit auch eine Verpflichtung gegenüber Gastländern übernimmt. Diese an sich nur gegenüber Staatsangehörigen einzunehmende Haltung erfordert einen restriktiven Maßstab". Die 3. RV 330 XXIV. GP erklärt nun ausdrücklich, dass "terminologische Anpassungen vorgenommen [werden sollen] und der Begriff des "unbefristeten Aufenthaltstitels", der in dieser Form im NAG nicht mehr existiert, durch die beiden relevanten Dokumentationen des unbefristeten Niederlassungsrechts, nämlich "Daueraufenthalt-EG" und "Daueraufenthalt-Familienangehöriger" sowie der Begriff "unbefristeter Aufenthalt" durch den präziseren Terminus "unbefristetes Aufenthaltsrecht" ersetzt werden (Z 2 und 3)." Diese auch kürzliche Entwicklung deutet nun nicht darauf hin, dass von Gesetzgeberseite die Berücksichtigung von befristeten Aufenthaltstiteln übersehen wurde. Eine Analogie aufgrund einer planwidrigen Lücke scheidet daher aus.

Diese Argumente treffen auch auf das Vorbringen einer analogen Anwendung des § 88 Abs. 2a FPG - betreffend subsidiär Schutzberechtigte - zu.

Schließlich bringt der BF einen Eingriff in sein Recht auf Freizügigkeit vor, und zwar insbesondere in sein Recht, jedes Land, einschließlich sein eigenes, verlassen zu dürfen (Art. 2 Abs. 2 4. Zusatzprotokoll zur EMRK). Diese Garantie der EMRK gilt auch für Personen, die nicht die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates der EMRK besitzen, aus dem sie ausreisen wollen (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Auflage, Abs. 44 zu § 21, S 217).

Mit dieser Grundrechtsgarantie ist unter anderen das Recht gemeint, ein Land für ein anderes Land der Wahl einer betroffenen Person verlassen zu dürfen, sofern dieses die Einreise erlaubt (EGMR, Baumann/Frankreich, 22.05.2001, Zl. 33592/96, § 61). Im Zusammenhang mit Ausreisebeschränkungen, vor allem beim Vorenthalt von Reisedokumenten, entschied der EGMR bisher folgende Szenarien: Ausreisebeschränkungen wegen anhängiger Strafverfahren, wegen der Durchsetzung von strafrechtlichen Verurteilungen, bei anhängigen Insolvenzverfahren, bei der Weigerung Steuern, Zollstrafen oder Zusprüche an Private nach Gerichtsentscheidungen zu bezahlen, der Kenntnis von Staatsgeheimnissen, der Verweigerung des Wehrdienstes, Gerichtsentscheidungen betreffend die Außerlandesbringung von Minderjährigen, bei Befürchtung der Verletzung von Einwanderungsbestimmung eines anderen Staates und schließlich bei der fehlender Kinderunterhaltszahlung (siehe für eine Auflistung der entsprechenden Referenzen EGMR, Battista/Italien, 01.12.2014, Zl. 43978/09, § 36). Dort, wo die Rechtsprechung Ausländer betraf, ging es um die Einbehaltung von Reisedokumenten (siehe dazu zB wie oben Baumann/Frankreich, § 57; Riener/Bulgarien, 23.05.2006, Zl. 46343/99). Keine Rechtsprechung des Gerichtshofes befasste sich bisher damit, ob Art. 2 Abs. 2 4. Zusatzprotokoll zur EMRK auch eine positive Verpflichtung des Mitgliedstaates beinhalten würde, Drittstaatenangehörigen Reisedokumente auszustellen, um ihnen eine entsprechende Freizügigkeit zu ermöglichen.

Inwieweit eine solche Verpflichtung auch für die Situation des BF besteht, kann im gegenständlichen Fall dahingestellt bleiben. Der Eingriff beruht auf einem ausreichend bestimmten und nachvollziehbaren Gesetz, nämlich § 88 FPG und verfolgt wohl die legitimen Ziele der Aufrechterhaltung des ordre public und des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer dahingehend, dass die Verantwortungsübernahme Österreichs gegenüber Gastländern und der Eingriff in die Souveränität anderer Staaten an die Einhaltung bestimmter formeller Kriterien gebunden sein soll. Das Bundesverwaltungsgericht vermeint schließlich auch, dass die Maßnahme bzw. der Eingriff verhältnismäßig ist: Der BF ist zur Zeit daran gehindert, einen Fremdenpass zu erlangen, weil er über keinen unbefristeten Aufenthaltstitel in Österreich bzw. nicht über die Voraussetzungen für die Erteilung des Titels "Daueraufenthalt - EU" verfügt und auch noch nicht abschließend geklärt ist, ob er nicht Reisedokumente von seinem Herkunftsstaat erlangen kann. Damit kann ihm jedoch die Erlangung eines Fremdenpasses in der Zukunft, nach Erfüllen der notwendigen Voraussetzungen für einen unbefristeten Aufenthalt in Österreich und entsprechender, zielführender aber ergebnisloser Versuche bei der Botschaft und Vorlage eines entsprechenden Nachweises offenstehen und ist seine Freizügigkeitsbeschränkung daher voraussichtlich nicht dauerhaft.

Im Hinblick auf das nachvollziehbar große Interesse der Republik an einer restriktiven und an einen unbefristeten Aufenthalt gebundenen Übernahme von Verantwortung für Fremde in Bezug auf Gastländer genauso wie im Verhältnis zu anderen Staaten, deren Angehörigkeit Fremde haben, sowie der Subsidiarität der Ausstellung eines Fremdenpasses in Bezug auf Dokumente des Herkunftsstaats sind diese Kriterien für Personen, die einen österreichischen Fremdenpass wollen, nicht unverhältnismäßig und zumutbar.

Da der BF bereits die Formalvoraussetzungen des § 88 Abs. 1 FPG nicht erfüllt, muss an dieser Stelle nicht weiter geprüft werden, ob eine restriktive Auslegung des "Interesses der Republik" an der Ausstellung eines Fremdenpasses bei Bestehen der Formalvoraussetzungen mit Art. 2 Abs. 2 des 4. Zusatzprotokolls zur EMRK vereinbar ist.

Grundsätzlich wird darauf hingewiesen, dass verfassungsrechtliche Bedenken der Vertretung des BF in der Beschwerde nicht geteilt werden und somit von einer verfassungsrechtlich unproblematischen Anwendung der Bestimmungen des § 88 FPG ausgegangen wird, weshalb auch keine Anregung an den Verfassungsgerichtshof zur Gesetzesprüfung erfolgt.

Die Beschwerde gegen die Nichtausstellung eines Fremdenpasses ist daher als unbegründet abzuweisen.

4.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach Abs. 4 leg. Cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetze nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtslage nicht erwarten lässt, und einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389, (2010, C 83/02) entgegensteht.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Zufolge des Abs. 2 leg. cit. hat jede Person das Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Nach Art. 25 Abs. 1 GRC muss jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht brachte der Verfassungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 14.03.2012, U 466/11, u.a. zum Ausdruck, er hege vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung weder Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG, noch könne er finden, dass der Asylgerichtshof der Bestimmung durch das Absehen von der Verhandlung einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt habe. Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, steht im Einklang mit Art. 47. Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei.

Übertragen auf den vorliegenden Beschwerdefall erfordert ein Unterbleiben einer Verhandlung vor dem BVwG somit, dass aus dem Akteninhalt der belangten Behörde die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Entfall einer mündlichen Beschwerdeverhandlung ausgesprochen, dass es der ständigen Rechtsprechung entspricht, dass zur Beurteilung, ob der Sachverhalt im Sinn des § 21 Abs. 7 BFA-VG geklärt erscheint und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach dieser Bestimmung unterbleiben kann, folgende Kriterien beachtlich sind (siehe jüngst VwGH 28.06.2018, Ra 2018/19/0090):

"Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. grundlegend VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 01.03.2018, Ra 2017/19/0410, mwN)."

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes und vollständiges Ermittlungsverfahren vorausgegangen und wurde dem BF die Möglichkeit gegeben, sein Vorbringen näher auszuführen und etwaige bestehende Unterlagen oder Beweismittel vorzulegen. Der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist daher unzweifelhaft aus dem Akteninhalt nachvollziehbar und wurde unter Berücksichtigung des vom BF während des gesamten Verfahrens weitgehend gleich gebliebenen Vorbringens dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt. Das BVwG gelangt - wie aufgezeigt - zu denselben Feststellungen wie die Behörde und teilt deren tragende Erwägungen in der Beweiswürdigung.

Der angefochtene Bescheid wurde am 12.12.2019 erlassen. Der BF hatte zuvor mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme Gelegenheit, sein Vorbringen zu konkretisieren und wiederholte in der eingebrachten schriftlichen Stellungnahme seine bisherigen Angaben, sodass der Sachverhalt nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist.

In seiner Beschwerde brachte der BF ergänzend zu seinen bisherigen Angaben vor, dass er beabsichtige, auf einen Aufenthaltstitel "Rot-weiß-rot-Karte plus" umzusteigen, was vom erkennenden Gericht entsprechend berücksichtigt und dem gegenständlichen Sachverhalt zugrunde gelegt wurde.

Da der Sachverhalt somit anhand der Aktenlage unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF geklärt erscheint und der BF in der Beschwerde nicht darlegte, zu welchen Umständen noch Einvernahmen notwendig wären, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten im Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Fremdenpass mangelnder Anknüpfungspunkt Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W278.2164578.2.00

Im RIS seit

10.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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