TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/30 W213 2232338-1

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Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
WG 2001 §26 Abs1 Z2
WG 2001 §36a Abs1 Z2

Spruch

W213 2232338-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Albert SLAMANIG als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommandos Tirol, Ergänzungsabteilung, vom 26.05.2020, GZ. P1449529/3-MilKdo T/Kdo/ErgAbt/2020 (6), betreffend gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 2 WehrG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

!.1.Mit Schreiben vom 20.01.2020 beantragte der Beschwerdeführer unter Hinweis auf seine familiäre Situation ihn von der Leistung des Grundwehrdienstes zu befreien, wobei im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass seine Mutter, XXXX (geb. XXXX ), Eigentümerin und Bewirtschafterin des geschlossenen Hofes XXXX sei. Es würden 12,23 ha Grünland, 23 ha Wald und 11,88 ha Almfläche bewirtschaftet. Am Hof würden 17 Milchkühe samt Nachzucht, insgesamt 25 GVE, gehalten. Der Vater des Beschwerdeführers, XXXX (geb. XXXX ), lebe seit Juli 2019 nicht mehr am Betrieb. Der Beschwerdeführer sei neben seiner Mutter die einzige Arbeitskraft am Betrieb. Daher sei es notwendig, dass er vor und nach seiner Arbeit als Zimmerer bei der Firma XXXX und in den freien Tagen zur Mithilfe am Betrieb zur Verfügung stünde. Fremdarbeitskräfte zur Überbrückung seiner Abwesenheit durch einen Maschinenring wären finanziell nicht tragbar.

I.2. Die belangte Behörde forderte im Zuge des Ermittlungsverfahrens mit Schreiben vom 28.01.2019 die Heimatgemeinde des Beschwerdeführers und die Landwirtschaftskammer Tirol zur Bekanntgabe nähere Informationen über die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und seine Mutter sowie näherer Angaben über Art und Umfang des von der Mutter des Beschwerdeführers bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebes auf. Ferner wurde der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.03.2020 aufgefordert ärztliche Atteste hinsichtlich des Gesundheitszustandes seiner Mutter vorzulegen.

I.3. Nach Durchführung der obigen Ermittlungsschritte setzte die belangte Behörde den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 21.04.2020 in Kenntnis. Der Beschwerdeführer gab hierzu keine Stellungnahme ab.

I.4. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den nunmehr angefochtenen Bescheid dessen Spruch nachstehenden Wortlaut hatte:

„Ihr Antrag vom 20.01.2020 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes wird abgewiesen.

Rechtsgrundlage:

§ 26 Abs. 1 Ziffer 2 des Wehrgesetzes 2001 – WG 2001, BGBl. I Nr. 146, in der derzeit geltenden Fassung.“

In der Begründung wurde nach Wiedergabe des Verfahrensganges unter Hinweis auf die einschlägige gesetzliche Bestimmung des §§ 26 WehrG ausgeführt, dass nach bestehender Rechtslage wirtschaftliche bzw. familiäre Interessen im Wesentlichen lediglich durch konkrete, weitgehend gefährdete Eigentumsrechte des betroffenen Wehrpflichtigen selbst hinsichtlich seiner betrieblichen Existenzgrundlage bzw. durch die ausschließliche Abhängigkeit einer allenfalls gegebenen Unterstützungsbedürftigkeit eines nahen Familienangehörigen in lebenswichtigen Belangen von der uneingeschränkten Verfügbarkeit des Antragstellers begründet worden.

Weiters sei jeder taugliche Staatsbürger unbeschadet des Grundrechtes auf freie Existenzgestaltung im Interesse einer Harmonisierung seiner beruflichen (wirtschaftlichen) bzw. familiären Gegebenheiten mit seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des gesetzlich vorgesehenen Präsenzdienstes verhalten, allenfalls im Einvernehmen mit seinen Angehörigen, seine Belange dahingehend auszurichten.

In diesem Zusammenhang sei in Ansehung eines nicht geleisteten Präsenzdienstes im Rahmen persönlicher und beruflicher Planung darauf entsprechend Bedacht zu nehmen und sind vorhersehbare Schwierigkeiten möglichst zu vermeiden bzw. zu verringern, nicht jedoch zu vergrößern oder gar erst zu schaffen; es sei somit Sache des Wehrpflichtigen, unter Bedachtnahme auf die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehr-dienstes seine wirtschaftlichen Angelegenheiten so einzurichten, dass einer Einberufung keine vorhersehbaren Schwierigkeiten entstehen.

Werde diese Harmonisierungspflicht verletzt, so sei den allenfalls im Zuge einer Antragstellung daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen eine besondere Rücksichtswürdigkeit im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung abzusprechen.

Die wirtschaftlichen Interessen hinsichtlich der Aufrechterhaltung bzw. Fortführung der gegenständlichen Landwirtschaft seien ausschließlich bei der Mutter des Beschwerdeführers gelegen und könnten nicht Gegenstand dieses Verfahrens sein. Die für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes maßgeblichen wirtschaftlichen Interessen hätten auch in der Person des Antragstellers gelegen zu sein.

Die Mutter des Beschwerdeführers sei ebenso wie dieser selbst, in Kenntnis seiner noch ausstehenden Präsenzdienstverpflichtung gehalten, ihre wirtschaftlichen Interessen mit der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes zu harmonisieren und so von vornherein auf das auf seine Mitarbeit aufbauende Engagement zu verzichten oder so zu disponieren, dass er während der Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht ausreichend vertreten werden könne.

Der Grundsatz der Dispositionspflicht im Hinblick auf eine bevorstehende Präsenzdienst-leistung sei auch auf den Fall zu übertragen, dass sich der Wehrpflichtige auf die angebliche Bedrohung seiner Existenz berufe.

In diesem Zusammenhang werde bemerkt, dass die nunmehrige Einberufung des Beschwerdeführers zum Grundwehrdienst in eine möglichst wohnsitznahe Garnison sei, was eine Untestützung zusätzlich erleichtere.

Es lägen zwar familiäre Interessen vor, weil bei der Mutter des Beschwerdeführers eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 60 % festgestellt worden sei. Die Frage aber, ob diese Interessen so besonders rücksichtswürdig seien, dass die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gerechtfertigt wäre, sei zu verneinen.

Dies deshalb, weil besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 26 leg. cit. nur dann vorlägen, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung des Wehrpflichtigen bedürfe, die ihm dieser aber wegen der Leistung des Grundwehrdienstes nicht gewähren könne und wenn der unterstützungsbedürftige Familienangehörige als Folge des Ausbleibens dieser Unterstützung in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet würde. Die Gefährdung der Gesundheit von Familienangehörigen etwa in Form einer Pflegebedürftigkeit durch die Leistung des Grundwehrdienstes habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht und sei dem Antrag auch nicht zu entnehmen gewesen. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer auch schon bisher infolge seiner außerlandwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit als Arbeitskraft auf der von seiner Mutter betriebenen Landwirtschaft nur in eingeschränktem Ausmaß zur Verfügung gestanden.

Ferner sei zur Unterstützung eines Familienmitgliedes nicht ausschließlich der Sohn, der zur Erfüllung seiner Wehrpflicht einberufen werden soll, sondern vielmehr die gesamte Familie berufen. Es sei daher auch der Bruder des Beschwerdeführers dazu verhalten, seinen Mutter im Bedarfsfall zu unterstützen.

Schließlich werde auch der Beschwerdeführer selbst während der Leistung des Grundwehrdienstes, nach Maßgabe der dienstfreien Zeit, insbesondere aber an den Wochenenden, Gelegenheit haben, Simon Mutter bei schweren Arbeiten in der Landwirtschaft zu unterstützen. Falls dennoch die körperliche Belastung für Ihre Mutter unzumutbar erscheine, sei nötigenfalls auch eine vorübergehende Einschränkung der Tierhaltung, auch wenn diese mit Einkommenseinbußen verbunden sei, zumutbar.

I.5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass der landwirtschaftliche Betrieb XXXX grundbücherlich momentan noch im Eigentum seiner Mutter XXXX stehe. Er sei der potentielle Hofübernehmer. Nur aufgrund seines geringen Alters sei der landwirtschaftliche Betrieb bislang von seiner Mutter noch nicht an ihn übergeben worden. Sein Bruder XXXX lebe derzeit zwar noch am Hof, habe aber keinerlei Interesse an der Landwirtschaft und werde deshalb trotz des Umstandes, dass er der ältere sei, den Hof nicht übernehmen. Eine Mithilfe seines Bruders XXXX am Hof fände de facto nicht statt, da dieser voll erwerbstätig sei und seinerseits keinerlei Interesse an der Landwirtschaft bestehe. Seine Mutter in ihrer Erwerbsfähigkeit stark eingeschränkt, was für den täglichen Betrieb am Hof bedeute, dass die gesamte Arbeit fast zur Gänze von ihm zu erbringen sei.

Seine Mutter ist bei der Bewirtschaftung des Hofes XXXX gänzlich auf ihn angewiesen und sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen alleine nicht in der Lage, den Betrieb ordnungsgemäß zu führen. Darüber hinaus würden sich die gesundheitlichen Probleme seiner Mutter wahrscheinlich sogar noch verstärken, wenn sie zusätzliche Arbeiten, welche er aufgrund der Ableistung des Grundwehrdienstes nicht mehr erledigen könnte, übernehmen müsste. Es sei zwar richtig, dass er momentan auch berufstätig sei, tatsächlich komme ihm sein Arbeitgeber, welcher gut um seine private und familiäre Situation wisse, bei der Zeiteinteilung sehr entgegen. Andernfalls wäre eine Vollbeschäftigung mit dem Betrieb der Landwirtschaft wohl nicht vereinbar.

Zusammenfassend wolle er ausführen, dass es ihm bei der Beantragung auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes insbesondere darum gehe, den landwirtschaftlichen Betrieb XXXX welcher in naher Zukunft ihm gehören werde, gemeinsam mit seiner Mutter weiterhin so bewirtschaften zu können, dass keine schwerwiegenden familiären und/oder wirtschaftlichen Nachteile entstünden.

Es werde daher die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer wurde am 01.02.2017 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden. Er war im Besitz eines Einberufungsbefehls für den Einberufungstermin 02.06.2020, der ihm am 17.01.2020 rechtswirksam zugestellt wurde. Dieser Einberufungsbefehl wurde in Entsprechung einer fernmündlichen Rücksprache am 19.05.2020 durch Bescheid der belangten Behörde vom 20.05.2020 auf den Einberufungstermin 01.09.2020 abgeändert.

Eigentümerin und Bewirtschafterin der Liegenschaft XXXX , ist die Mutter des Beschwerdeführers, XXXX . Der gegenständliche Betrieb, dem 90 Erschwernispunkte zugeordnet sind, umfasst eine Grünlandfläche von 12,36 ha, davon 4,55 ha Weidefläche und 7,81 ha Mähfläche. sowie ca. 21 ha Waldfläche (Anteile an der dazugehörigen XXXX ). Der Viehstand beträgt mit Stichtag 01.02.2020, 23,2 GVE (17 Milchkühe samt Nachzucht) Im Jahr werden ca. 95.000 kg Milch an die Tirol Milch geliefert.

Die maschinelle Einrichtung entspricht der ortsüblichen Maschinenausstattung. Die Rinder werden in einem Anbindestall mit Rohrmelkanlage und Entmistungsanlage gehalten.

Als Arbeitskräfte stehen der Beschwerdeführer seine Mutter ( XXXX ) zur Verfügung. Der Hof liegt im Einzugsgebiet des Maschinenrings XXXX . Von diesem können im Bedarfsfall Aushilfskräfte mit dem Kostenaufwand von ca. EURO 18,50 pro Arbeitsstunde angefordert werden.

Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Mutter XXXX (geschieden, geb. XXXX ) und seinem Bruder XXXX (ledig, geb. XXXX ) im gemeinsamen Haushalt. Der Fahrt im Zeitraum vom 03.07. 2017 bis 02.07.2019 eine Lehre zum Zimmerer bei der Firma XXXX absolviert und war bis 20.12.2019 als Zimmerer beschäftigt. Seit 14.04.2020 bis voraussichtlich Dezember 2020 ist er wieder als Zimmerer bei o.a. Unternehmen beschäftig.

Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Attesten seiner Mutter XXXX ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60% .

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellung konnten unmittelbar auf Grund der Aktenlage getroffen werden. Dabei ist hervorzuheben, dass die unstrittigen Feststellungen über Art und Umfang des landwirtschaftlichen Betriebes der Mutter des Beschwerdeführers auf den eingeholten Angaben der Gemeinde XXXX , der Landwirtschaftskammer Tirol und dem Vorbringen des Beschwerdeführers beruhen. Auch hinsichtlich der persönlichen und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers wurde dessen Angaben Glauben geschenkt.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte daher im Hinblick auf den unstrittigen Sachverhalt gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit – mangels derartiger gesetzlicher Bestimmungen - Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

§ 26 WehrG lautet:

„Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Als sonstige öffentliche Interessen gelten insbesondere gesamtwirtschaftliche oder familienpolitische Interessen sowie die Tätigkeiten von Fachkräften der Entwicklungshilfe nach § 15 des Entwicklungshelfergesetzes. Als familiäre Interessen gelten auch solche aus einer eingetragenen Partnerschaft. Eine Befreiung ist auch zulässig, wenn eine Voraussetzung nach Z 1 oder 2 während eines Präsenzdienstes eintritt. Befreiungen nach Z 1 hat der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport zu verfügen.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

Bescheide nach Abs. 1 Z 1 sind, sofern es sich um eine Befreiung wegen einer beruflichen Tätigkeit handelt, dem Auftraggeber für diese berufliche Tätigkeit, insbesondere dem Arbeitgeber des Wehrpflichtigen, zur Kenntnis zu bringen.

(3) Tauglichen Wehrpflichtigen ist, sofern militärische Interessen nicht entgegenstehen, der Antritt des Grundwehrdienstes aufzuschieben, wenn

1. sie nicht zu einem innerhalb eines Jahres nach ihrer jeweiligen Heranziehbarkeit zum Grundwehrdienst gelegenen Termin zu diesem Präsenzdienst einberufen wurden und sie durch eine Unterbrechung einer bereits begonnen Schul- oder Hochschulausbildung oder sonstigen Berufsvorbereitung einen bedeutenden Nachteil erleiden würden oder

2. sie vor der rechtswirksam verfügten Einberufung zum Grundwehrdienst eine weiterführende Ausbildung begonnen haben und eine Unterbrechung dieser Ausbildung eine außerordentliche Härte bedeuten würde.

Ein Aufschub ist auf Antrag der Wehrpflichtigen zu verfügen. Der Aufschub darf bis zum Abschluss der jeweiligen Berufsvorbereitung gewährt werden, längstens jedoch bis zum Ablauf des 15. September jenes Kalenderjahres, in dem diese Wehrpflichtigen das 28. Lebensjahr vollenden.

(4) Mit Erlassung eines Bescheides, durch den einem Wehrpflichtigen eine Befreiung oder ein Aufschub gewährt wurde, wird eine bereits rechtswirksam verfügte Einberufung für den Zeitraum dieser Befreiung oder dieses Aufschubes für ihn unwirksam.“

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Belange so zu gestalten, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung eines Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Wenn der Wehrpflichtige es unterlässt seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 26 Abs. 1. Z. 2 WehrG angesehen werden. Die Auffassung, wirtschaftliche Interessen des Wehrpflichtigen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes die wirtschaftlichen Interessen so schwer getroffen würden, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz gerechnet werden müsse, ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass der Wehrpflichtige derart durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte. Die wirtschaftlichen Interessen können somit auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WehrG 2001 anerkannt werden, wenn auf Grund der Verletzung der Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden, durch die Leistung des Präsenzdienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte. In einem solchen Fall hätte der Wehrpflichtige die Gefährdung seiner Existenz nämlich selbst herbeigeführt (VwGH, 18.11.2008, GZ. 2008/11/0096 mwN).

Der Wehrpflichtige ist gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinn der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden (Hinweis E 29. September 2005, 2003/11/0026). Ist der Wehrpflichtige nicht selbst Inhaber des landwirtschaftlichen Betriebes, in dem er arbeitet, sondern sind dies vielmehr seine Eltern, so ist das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen iSd § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 daher auszuschließen. Die künftig vorgesehene Übernahme dieses Betriebes durch den Wehrpflichtigen vermag nämlich ein wirtschaftliches Interesse des Wehrpflichtigen an seiner Befreiung nicht zu begründen (VwGH, 13.12.2005, GZ. 2005/11/0167 mwN).

Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen (hier: Eltern bzw. Geschwister) eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie zB der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen. Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten.

Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen iSd § 36a Abs 1 Z 2 WehrG 1990 liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. VwGH, 24.05.2005, GZ. 2004/11/0022, mwN).

Die Harmonisierungspflicht schließt mit ein, rechtzeitig für eine erforderliche Vertretung des Wehrpflichtigen durch Dritte vorzusorgen (VwGH, 29.09.2005 GZ. 2003/11/0026).

Die Obliegenheit zur Harmonisierung der (beruflichen) Dispositionen mit der Wehrpflicht beinhaltet auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (VwGH, 23.09.2014, GZ. Ro 2014/11/0081 mwN).

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers verneint hat, da sich diese auf seine Person beziehen müssen. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer im elterlichen landwirtschaftlichen Betrieb arbeitet und beabsichtigt diesen später zu übernehmen ist dafür nicht hinreichend.

Soweit der Beschwerdeführer besonders rücksichtswürdige familiärer Interessen ins Treffen führt, ist festzuhalten, dass ungeachtet der schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Mutter des Beschwerdeführers und der daraus resultierenden Belastungen für die anderen Familienangehörigen im Sinne der Harmonisierungspflicht der Beschwerdeführer und seiner Familienangehörigen Vorkehrungen zu treffen haben, um die Erfüllung der Wehrpflicht durch den Beschwerdeführer zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang wird auf die in Österreich bestehenden soziale Dienstleistungen (Näheres unter https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/soziale_dienste/1/Seite.1210120.html#Familienhilfe und Dorfhelfer) verwiesen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG i.V.m. § 26 Abs. 1 Z. 2 WehrG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie oben unter eingehender Auseinandersetzung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs dargestellt wurde, ist die hier zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eindeutig gelöst.

Schlagworte

Befreiungsantrag besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen Harmonisierungspflicht Minderung der Erwerbsfähigkeit Wehrpflicht Wehrpflichtbefreiung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W213.2232338.1.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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