TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/11 W268 2230698-2

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Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W268 2230698-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.05.2020, Zl. XXXX zu Recht:

A)

I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Spruchpunkte I-III, V und VI wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

II. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt IV. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

„IV. Gemäß § 53 FPG wird gegen XXXX ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge: BF), ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, jedoch wohnhaft in der Türkei, reiste zu einem nicht bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein.

I.2. Er wurde am 25.11.2019 festgenommen und anschließend gegen ihn die Untersuchungshaft verhängt wegen des Verdachts gemäß §§ 99 Abs. 1 und 142 Abs. 1 StGB.

I.3. Mit Protokolls- und Urteilsvermerkt vom 03.03.2020, zu XXXX , wurde der BF wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 5 Z 2 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt, wobei 16 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen wurden.

I.4. Mit Bescheid vom 04.04.2020 wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen ihn ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

Dagegen erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

I.5. Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.05.2020, XXXX , wurde der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben. Die Angelegenheit wurde zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, über einen von Amts wegen zu prüfenden Aufenthaltstitel „besonderer Schutz“ nach § 57 AsylG abzusprechen.

I.6. Mit dem im Spruch angeführten und neuerlichem Bescheid vom 28.05.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde stellte die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG in die russische Föderation fest (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 PFG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

I.7. Der Bescheid wurde dem Rechtsvertreter des BF am 05.06.2020 zugestellt. Dieser erhob am 03.07.2020 gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

I.8. Am 15.06.2020 reiste der BF freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei aus.

I.9. Die Beschwerdevorlage langte am 10.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde in Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

I.10. Mit Schriftsatz vom 16.07.2020 schränkte der BF die verfahrensgegenständliche Beschwerde auf den Spruchpunkt IV. ein.

I.11. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes sowie des Inhalts der Beschwerde im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Da die Beschwerde zu den Spruchpunkten I. bis III., V. und VI. des bekämpften Bescheides mit Schreiben vom 16.07.2020 zurückgezogen wurde, richtet sich die Beschwerde ausschließlich gegen Spruchpunkt IV. (Einreiseverbot) des bekämpften Bescheides.

1.2. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Er ist verheiratet und seine Ehefrau lebt mit den drei gemeinsamen minderjährigen Kindern in der Türkei. Der BF lebte vor seiner Einreise nach Österreich in der Türkei. Die Eltern des BF leben in der Ukraine. Der BF ist gesund, arbeitsfähig und der russischen Sprache mächtig. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden. Der BF verfügt in Österreich über keinerlei familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte. Der BF ging in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

1.3. Der genaue Einreisezeitpunkt ins Bundesgebiet konnte nicht festgestellt werden. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet erwies sich als unrechtmäßig.

1.4. Der BF verfügt weder über familiäre noch soziale Anknüpfungspunkte in Österreich, und geht keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach. Auch sonst konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer – besonderen – Integration des BF in Österreich festgestellt werden.

1.5. Der BF wurde im österreichischen Bundesgebiet straffällig.

Der BF hat am 24. und 25. November 2019 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter einem Geschädigten

A)       In verabredeter Verbindung durch Schläge und Tritte, die einen Eindrückungsbruch des linken Jochbeins, starke Schmerzen am Rücken und eine Prellung des rechten Knies zur Folge hatten, am Körper verletzt;

B)       mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe von € 200,-- Bargeld, sowie einer Uhr XXXX , eines Paars Handschuhe XXXX , einer Aktentasche XXXX , fünf Mobiltelefonen XXXX , zwei Mobiltelefonen XXXX , eines PHILIPS Aufnahmegeräts XXXX , eines Paars Manschettenknöpfe XXXX , eines Paars Manschettenknöpfe XXXX , eines Fernglases XXXX , 12 Ledergürtel, fünf Krokodilledergürtel, eines Regenschirms, acht Pullunder verschiedener Marken, sechs Winterpullover, drei Poloshirts Marke XXXX und fünf weiterer Pullover, eines Paars Handschuhe XXXX , eines Strickpullovers XXXX , eines Pullovers XXXX , eines Necessaires XXXX und eines Paars Kopfhörer XXXX genötigt, indem sie ihn in eine Wohnung seiner Wohnhausanlage zerrten, ihm abwechselnd zahlreiche Faustschläge und Tritte versetzten und eine Whisky-Flasche gegen sein Knie schlugen, ihn wiederholt mit dem Umbringen und damit bedrohten, ihn nach Prag zu bringen und dort festzuhalten, bis jemand für ihn Geld bringe;

C)       im Zeitraum vom 24.11.2019, etwa 20.00 Uhr, bis zum 25.11.2019, etwa 02.00 Uhr, widerrechtlich gefangen gehalten, indem sie ihn teilweise in gefesseltem Zustand zunächst in einer Wohnung im Erdgeschoss seines Wohnhauses und sodann in seiner Wohnung festhielten.

Mit rechtskräftigem Urteil eines Landesgerichtes vom 03.03.2020 wurde der BF wegen dieser Handlungen wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 5 Z 4 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 StGB, des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Annahme, Weitergabe oder Besitz falscher oder verfälschter besonders geschützter Urkunden nach § 224a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe (16 Monate) wurde dem BF unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Das Gericht berücksichtigte den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd. Erschwerend jedoch das Zusammentreffen von mehreren Straftaten.

1.6. Im Übrigen stellt das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensgang fest, wie dieser bei Punkt I wiedergegeben ist.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der Verwaltungsakten des Bundesamtes und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die Feststellungen zum derzeitigen Familien- und Privatleben und dem Integrationsausmaß des BF ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften und im wesentlichen gleichen Verfahrensangaben. Was den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit des BF betrifft, so sind im gesamten Verfahren keine schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF hervorgekommen und er hat selbst solche nicht vorgebracht.

2.3. Dass sich die Beschwerde ausschließlich gegen die Spruchpunkt IV. richtet, ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 16.07.2020, mit dem die Beschwerde eingeschränkt wurde.

2.4. Die Feststellungen zu den vorliegenden Verurteilungen des BF ergeben sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister in Verbindung mit dem im Verwaltungsakt aufliegenden Strafurteil. Der BF bestritt auch zu keinem Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens seine strafbaren Handlungen und das Bestehen der Verurteilung. Aus dem Urteil gehen die festgestellten Straftaten sowie die mildernden und erschwerenden Umstände ausreichend klar hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

I. Aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde zu den Spruchpunkten I-III, V und VI sind die genannten Spruchpunkte des erstinstanzlichen (im Spruch genannten) Bescheids rechtskräftig geworden und daher das diesbezügliche Verfahren mit Beschluss einzustellen.

II.1. Der mit „Einreiseverbot“ betitelte § 53 FPG lautet wie folgt:

„§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;
2.         wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;
3.         wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;
4.         wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;
5.         wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;
6.         den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;
7.         bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;
8.         eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder
9.         an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn
1.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;
2.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;
3.         ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;
4.         ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;
5.         ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
6.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§ 278f StGB);
7.         auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
8.         ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs. 3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. § 73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs. 3 Z 1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.“

II.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Zum Einreiseverbot:

Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 idF FrÄG 2011 umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrunde liegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (vgl. VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (vgl. VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Wie sich aus § 53 Abs. 2 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. In diesem Zusammenhang weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den das Strafgericht für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen hat (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096).

Der BF wurde unbestritten mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes aufgrund des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. Dabei wurden 16 Monate unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Im gegebenen Zusammenhang ist anzumerken, dass es bei der gebotenen Prognosebeurteilung in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen letztlich immer auf das zugrundeliegende Verhalten ankommt. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. dazu und zu den im FPG vorgesehenen Gefährdungsprognosen sowie deren "Rangordnung" das Erkenntnis des VwGH vom 20.11.2008, Zl. 2008/21/0603).

Gemäß § 53 Abs. 1 iVm 3 FPG ist ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat unter anderem nach Z 1 leg. cit. zu gelten, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist, und nach dem qualifizierten Tatbestand der Z 5 leg. cit., wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist.

Insofern kommt damit im vorliegenden Fall ein Einreiseverbot von bis zu 10 Jahren in Betracht. Maßgebend für die Bemessung ist das konkrete Fehlverhalten im Einzelfall. Das Fehlverhalten der schweren absichtlichen Körperverletzung weist einen hohen Unrechtsgehalt auf, auch wenn keine schweren Dauerfolgen eingetreten sind. Dem BF ist jedoch der bisherige ordentliche Lebenswandel zugute zu halten. Hinsichtlich der Nötigung auf Übergabe von Vermögensgegenständen ist festzuhalten, dass diesbezüglich kein finanzieller Schaden entstanden ist. Die damit im Zusammenhang stehenden Faustschläge, Tritte und Freiheitsentziehung weisen aber nicht unerhebliche kriminelle Energien auf. Das vom BF gezeigte rechtsverletzende Verhalten legt allerdings nahe, dass dieser im Grunde kein Interesse an der Beachtung gültiger Rechtsnormen und sohin auch nicht an einer Integration in die österreichische Gesellschaft hegt. Den öffentlichen Interessen zuwider, agierte der BF einzig im eigenen Interesse, (in Bereicherungsabsicht) unter Missachtung gültiger Rechtsnormen und Interessen anderer.

Das dargestellte Verhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen und konnte keine Gefahrenprognose zu Gunsten des BF erstellt werden. Auf Grund des oben Angeführten geht das erkennende Gericht davon aus, dass nach wie vor eine kriminelle Gefahr vom BF ausgeht. Den insoweit geminderten persönlichen Interessen des BF stehen sohin zum einen der Umstand der offensichtlich fehlenden sozialen, familiären, persönlichen und beruflichen Bezüge, sowie zum anderen die aufgrund seines in einer Straftat gipfelnden Verhaltens resultierende erhebliche Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber.

Das von der belangten Behörde angeordnete Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG erweist sich somit dem Grunde nach als gerechtfertigt, weshalb eine gänzliche Aufhebung des Einreiseverbotes nicht in Betracht kommt.

II.3. Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes mit sechs Jahren als nicht angemessen. Dies aus folgenden Erwägungen:

Das dargestellte Verhalten des BF ist unbestritten den Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit massiv zuwidergelaufen. Es ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Erlassung eines Einreiseverbots in der Dauer von sechs Jahren im gegenständlichen Fall in jenen Fällen nur noch wenig Spielraum lassen würde, in denen eine Person eine noch größere Anzahl von Delikten begeht oder es sich um zu schützende Rechtsgüter noch höheren Ranges handelt. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht verkannt, dass der BF in Österreich nur wegen seiner kriminellen Aktivitäten in Erscheinung trat. Jedoch muss die verhängte Dauer des Einreiseverbotes in einer Relation zur möglichen Gesamtdauer des Einreiseverbotes stehen. So ist zu bedenken, dass der BF bis zum Zeitpunkt seiner Verurteilung einen ordentlichen Lebenswandel gezeigt hat und es sich um seine erste Verurteilung vor einem österreichischen Strafgericht handelt. Zudem ist anzumerken, dass der BF zwar zu einer 24-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde, ihm jedoch ein Großteil des Strafausmaßes in der Höhe von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und er somit zu einer achtmonatigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Der BF wurde jedoch letztendlich am 05.05.2020 nach einer Dauer von nur sechs Monaten aus der Strafhaft entlassen.

Unter diesen Prämissen ist die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbotes im Ausmaß von sechs Jahren zu hoch angesetzt. Daher war in einer Gesamtbetrachtung die Dauer des Einreiseverbots auf vier Jahre herabzusetzen.

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird daher mit der Maßgabe insofern stattgegeben, als die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und Z 4 FPG auf vier Jahre herabgesetzt wird.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im Übrigen waren im gg. Fall alleine Fragen der gerichtlichen Beweiswürdigung entscheidungsrelevant.

Schlagworte

Einreiseverbot Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen Resozialisierung Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung Verfahrenseinstellung Verhältnismäßigkeit Zurückziehung der Beschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W268.2230698.2.00

Im RIS seit

03.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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