Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
LMG 1975 §7 Abs1 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des Dkfm. G, vertreten durch Dr. Maximilian Eiselsberg, Dr. Dieter Natlacen, Dr. Georg Walderdorff und Dr. Raimund Cancola, Rechtsanwälte in 1030 Wien, Schwarzenbergplatz 7, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 24. März 1997, Zl. 12/59, 60-2/1996, betreffend Übertretungen nach dem Lebensmittelgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ, nämlich als Vorstand der A-AG, zu verantworten, daß in der Betriebsstätte der A-AG in N. am 26. September 1994 und 28. November 1994 näher bezeichnete Waren in Verkehr gebracht wurden, die im Zeitpunkt des Ablaufes der angegebenen Aufbrauchsfrist Anzeichen eines beginnenden Verderbs aufgewiesen hätten. Die Produkte seien daher mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe über den nach der Verkehrsauffassung, insbesondere der Verbrauchererwartung, wesentlichen Umstand der Haltbarkeit in Verkehr gesetzt worden. Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 9 Abs. 1 VStG iVm § 74 Abs. 1 iVm § 7 Abs. 1 lit. c LMG begangen. Es wurden Geldstrafen von je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je drei Tage) verhängt.
Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens dargelegt, der Beschwerdeführer habe sich auf die Bestellung einer verantwortlichen Beauftragten berufen und eine die Bezeichnung der A-AG tragende, von deren Dienstnehmerin Maria P. gefertigte Erklärung mit folgendem Wortlaut vorgelegt:
"Haftungserklärung
für lebensmittelrechtliche Vorschriften
1.
Im Rahmen meines Dienstverhältnisses wurde mir die Betreuung folgender Abteilung übertragen:
Fleischabteilung
2.
Ich erkläre, über die Bestimmungen der lebensmittelrechtlichen Vorschriften betreffend das Feilbieten, Kennzeichnen, Lagern und Überprüfen von Lebensmitteln unterrichtet worden zu sein.
3.
Ich übernehme für folgende Bereiche hinsichtlich der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen die volle Verantwortung und Haftung den Behörden gegenüber:
"
Aus dieser Erklärung ergebe sich nicht, daß ein Organ der A-AG Maria P. zur verantwortlichen Beauftragten bestellt hätte. Es ergebe sich aus der Erklärung weiters nicht, daß dieser eine entsprechende Anordnungsbefugnis übertragen worden wäre. Schließlich enthalte die Erklärung auch keine räumliche und sachliche Abgrenzung der Verantwortung, weil Punkt 3. nicht ausgefüllt worden sei. Ebenso fehle eine Zustimmung zur Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung; Maria P. habe auch als Zeugin ausgesagt, daß sie der Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung nach dem Lebensmittelgesetz nicht ausdrücklich zugestimmt habe. Dem Beschwerdeführer sei es auch nicht gelungen, das Bestehen eines tauglichen Kontrollsystems nachzuweisen. Er habe sich lediglich auf die Erteilung von Weisungen an die Gebiets- und Filialleiter und die Vornahme ständiger Kontrollen berufen, aber nicht vorgebracht, wie das Kontrollsystem funktioniere, insbesondere, welche Personen mit der Überwachung betraut wurden, welche Anordnungen getroffen wurden, wie deren Einhaltung überwacht werde und auf welche Art, in welchem Umfang und in welchen zeitlichen Abständen Kontrollen durchgeführt würden. Der angefochtene Bescheid enthält weiters Darlegungen zur Frage des beginnenden Verderbs der in Rede stehenden Waren, der Deklaration der Aufbrauchsfristen, zum Verschulden und zur Strafbemessung; eine detaillierte Wiedergabe ihres Inhaltes ist für Zwecke des vorliegenden Beschwerdeverfahrens entbehrlich.
Die Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die - im Hinblick auf seine Stellung als "zur Vertretung nach außen Berufener" gemäß § 9 Abs. 1 VStG grundsätzlich gegebene - strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers infolge wirksamer Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (der Maria P.) gemäß § 9 Abs. 2 und 4 VStG ausgeschlossen ist.
Die Wirksamkeit der Bestellung einer Person, die nicht dem Kreis der zur Vertretung nach außen Berufenen angehört, zum verantwortlichen Beauftragten setzt (neben dem Wohnsitz im Inland und der Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung) deren ausdrückliche Zustimmung zur Bestellung als strafrechtlich verantwortlicher Beauftragter, die klare Abgrenzung des sachlichen und räumlichen Bereiches, für den der verantwortliche Beauftragte bestellt wurde, und die Einräumung einer entsprechenden Anordnungsbefugnis voraus.
Die Beschwerde wendet sich zunächst gegen die Auffassung der belangten Behörde, es fehle eine Zustimmung zur Übernahme der strafrechtlichen Verantwortung. Sie vertritt die Auffassung, aus der "Bestellungsurkunde" vom 26. September 1994 sei unmißverständlich zu ersehen, daß Maria P. für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften betreffend die zum Unternehmen der A-AG gehörende weitere Betriebsstätte in N. zur verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt wurde. Dieser Bestellung habe sie durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zugestimmt.
Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Die Beschwerde bezieht sich mit den soeben wiedergegebenen Darlegungen offenbar auf Punkt 3. der von Maria P. gefertigten Erklärung vom 26. September 1994, wonach diese "für folgende Bereiche hinsichtlich der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen die volle Verantwortung und Haftung den Behörden gegenüber" übernehme (wobei die "folgenden Bereiche" im Anschluß an diese Textpassage nicht bezeichnet werden).
Diese Erklärung ist nicht als ausdrückliche Zustimmung zur Bestellung als (strafrechtlich) Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG zu deuten. Die Wichtigkeit der Übernahme der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit erfordert es, daß die Bestellung und die damit übereinstimmende Zustimmung so erklärt werden, daß kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. März 1993, Zl. 91/19/0158).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die oben wiedergegebene Erklärung der Maria P. nimmt in keiner Weise auf eine Bestellung zur strafrechtlich verantwortlichen Beauftragten (durch die zur Vertretung nach außen Berufenen) Bezug; sie kann daher auch nicht als Zustimmung zu einer solchen Bestellung gedeutet werden. Es kann daher nicht gesagt werden, daß die Bestellung und die Zustimmung hiezu in einer jeden Zweifel über ihren Inhalt ausschließenden Weise erklärt worden wären. Die Erklärung der Dienstnehmerin, "hinsichtlich der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen die volle Verantwortung und Haftung den Behörden gegenüber" zu übernehmen, konnte mangels einer eindeutigen Bezugnahme auf die Bestellung zur verwaltungsstrafrechtlich verantwortlichen Beauftragten keinen Übergang der strafrechtlichen Verantwortung vom primär verantwortlichen Organ auf die Dienstnehmerin bewirken. Es erübrigt sich daher eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Erklärung eine klare Abgrenzung des sachlichen und räumlichen Bereiches der strafrechtlichen Verantwortung und eine entsprechende Anordnungsbefugnis dokumentiert.
Der Beschwerdeführer konnte sich von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG somit nicht durch den Nachweis der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG befreien.
Das Verschulden des Beschwerdeführers an der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung wird mit dem nicht weiter konkretisierten Hinweis bestritten, der Beschwerdeführer habe ein Kontrollsystem eingerichtet.
Zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich somit um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 27. Februar 1995, Zl. 90/10/0078).
Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Unternehmer (Arbeitgeber, strafrechtlich Verantwortliche) aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf mögliche und zumutbare Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Dabei trifft ihn jedoch die Obliegenheit, durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems sicherzustellen, daß seinen Anordnungen entsprochen wird, wobei er der Behörde bei einem Verstoß gegen die entsprechenden Vorschriften dieses System im einzelnen darzulegen hat. Davon, daß der Verantwortliche das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft gemacht hätte, kann nur gesprochen werden, wenn konkret dargelegt wird, in welcher Weise im Unternehmen sichergestellt wird, daß Verletzungen der in Rede stehenden Vorschriften vermieden bzw. Verstöße wahrgenommen und abgestellt werden; insbesondere ist darzulegen, auf welche Weise der Verantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso er dessen ungeachtet die in Rede stehende Übertretung nicht verhindern konnte. Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, die Erteilung entsprechender Weisungen und auf stichprobenartige Überprüfungen genügt den dargelegten Anforderungen nicht (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 6. Mai 1986, Zl. 94/10/0116).
Die Beschwerde tritt der auf der soeben wiedergegebenen Rechtsprechung aufbauenden Darstellung des angefochtenen Bescheides, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsstrafverfahren das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems nicht konkret dargelegt, nicht entgegen; mit der bloßen Behauptung, es bestehe ein Kontrollsystem, kann somit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt werden.
Angesichts der Wiedergabe des Inhaltes der Berufung im angefochtenen Bescheid, deren Richtigkeit und Vollständigkeit in der Beschwerde nicht bestritten wird, und der oben zusammenfassend wiedergegebenen Darlegungen der Bescheidbegründung ist auch der Vorwurf der Beschwerde, die belangte Behörde habe die in der Berufung erhobenen Einwände nicht berührt, geschweige denn sich damit auseinandergesetzt, nicht nachvollziehbar; damit wird kein Begründungsmangel aufgezeigt.
Auf welches "Beweisergebnis" die Beschwerde sich mit ihrem Vorwurf bezieht, die belangte Behörde habe keine befristete Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt, ist anhand des Inhaltes der Beschwerde nicht erkennbar. Schon deshalb - und auch im Hinblick auf das Fehlen von Hinweisen, was der Beschwerdeführer vortragen und die belangte Behörde feststellen hätte können, wenn eine Stellungnahme aufgetragen worden wäre - wird damit kein Mangel des Berufungsverfahrens aufgezeigt.
Welche konkreten Feststellungsmängel die Beschwerde der belangten Behörde mit dem Hinweis vorwirft, diese hätte feststellen müssen, "ob im gegenständlichen Tatzeitraum für die A-AG ein verantwortlicher Beauftragter bestellt war", ist angesichts der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers ebenfalls nicht erkennbar.
Auch mit dem Hinweis, es sei im Verfahren kein Beweisergebnis hervorgekommen, das eine Bestellung durch den Beschwerdeführer ausschließe, wird keine relevante Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt, weil sich die belangte Behörde mit der Behauptung des Beschwerdeführers, seine strafrechtliche Verantwortlichkeit sei gemäß § 9 Abs. 2 VStG auf Maria P. übergegangen, hinreichend auseinandersetzte, und der Beschwerdeführer darüber hinaus die Bestellung eines anderen verantwortlichen Beauftragten für den in Rede stehenden Bereich des Unternehmens nach der unbekämpften Darstellung des angefochtenen Bescheides weder im Strafverfahren behauptet hat noch in der Beschwerde behauptet.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Verantwortung für Handeln anderer Personen AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997100091.X00Im RIS seit
20.11.2000