Index
L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung LärmerregungNorm
AVG §7 Abs1 Z5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde der C in Dornbirn, vertreten durch Dr. Clement Achammer und Mag. Martin Mennel, Rechtsanwälte in Feldkirch, Schloßgraben 10, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 12. September 1994, Zl. I-2-8/1994, betreffend Bordellbewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Höchst), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG (namens der Gemeindevertretung) ergangenen Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde Höchst wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bordellbewilligung für ein näher bezeichnetes Gebäude in Höchst nicht stattgeben. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, die zwingende Voraussetzung des § 6 Abs. 3 Sittenpolizeigesetz (SPG), wonach das Gebäude nicht in einem mit Wohngebäuden dicht bebauten Gebiet liegen dürfe, sei nicht erfüllt. Ob nämlich ein "mit Wohngebäuden dicht bebautes Gebiet" vorliege, sei nach der in Vorarlberg typischen und üblichen Überbauung - meist mit einem Einfamilienwohnhaus und umliegenden Garten - zu beurteilen. Ein Gebiet, dessen Grundstücke überwiegend bebaut seien, sei als dicht bebautes Gebiet anzusehen; es komme ausschließlich auf die konkrete Umgebungssituation an. Innerhalb eines Radius von 100 m um das in Rede stehende Objekt lägen 33 Grundstücke mit einer durchschnittlichen Größe von ca. 850 m2. Von diesen Grundstücken seien 20 mit Wohngebäuden (Einfamilien- und Zweifamilienwohnhäusern) verbaut. Auf einem Grundstück befinde sich eine Betriebsstätte mit Wohnung, auf zwei weiteren Grundstücken würden in absehbarer Zeit zwei Wohngebäude errichtet werden. Im besonderen seien - mit einer Ausnahme - sämtliche unmittelbar (an das Objekt der Beschwerdeführerin) angrenzenden Grundstücke bebaut; auf dem noch freien Grundstück solle aber in nächster Zeit ein Wohnhaus errichtet werden. Bei den bebauten Grundstücken handle es sich überwiegend um nicht mehr weiter verbaubare Grundstücke, weil die gemäß Bebauungsplan zulässige Baunutzungszahl bereits annähernd erreicht bzw. teilweise sogar schon überschritten sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung an die Gemeindeaufsichtsbehörde, in der sie das Vorliegen von Befangenheit bei den Mitgliedern der Berufungskommission rügte, weil diese bereits vorgefaßte ablehnende Meinungen zum Vorhaben der Beschwerdeführerin gehabt hätten, bevor sie überhaupt mit der Sache befaßt worden seien. Es sei vor der Entscheidung auch zu Kontakten mit der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch gekommen, sodaß keine eigenständige Entscheidung vorliege. Schließlich machte die Beschwerdeführerin "vorsichtshalber" geltend, daß auch der Befangenheitsgrund des § 7 Abs. 1 Z. 5 AVG vorliege. In der Sache bestritt sie die Auffassung der Berufungskommission, daß das zur Bewilligung beantragte Objekt in einem mit Wohngebäuden dicht bebauten Gebiet liege. Verglichen mit örtlichen oder innerstädtischen Zentren liege nämlich keine dichte, sondern eine aufgelockerte Bebauung vor. Der Hinweis auf eine in Vorarlberg typische und übliche Überbauung sei durch keinerlei Sachverhaltsermittlungen gedeckt und unrichtig. Selbst aufgrund der behördlichen Feststellung, daß von 33 Grundstücken lediglich 20 mit Wohngebäuden bebaut seien, ergebe sich, daß nicht einmal zwei Drittel der vorhandenen Grundstücke bebaut seien. Im übrigen seien die bestehenden und nicht die zukünftigen Verhältnisse maßgebend und es besage eine niedrige Baunutzungszahl lediglich, daß eine lockere und eben keine dichte Bebauung vorliege. Da weiters auszuschließen sei, daß durch das beantragte Bordell Nachbarn belästigt oder Belange des Jugendschutzes gefährdet werden könnten, hätte dem Antrag der Beschwerdeführerin auch unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des SPG stattgegeben werden müssen.
Mit dem (namens der Vorarlberger Landesregierung) ergangenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 12. September 1994 wurde der Vorstellung keine Folge gegeben. Begründend wurde u.a. ausgeführt, kein Mitglied der Berufungskommission habe an der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides mitgewirkt. Im übrigen könne weder aus dem Akteninhalt einschließlich der Sitzungsprotokolle, noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ein Umstand erkannt werden, der auf die Befangenheit eines an der Entscheidung mitwirkenden Verwaltungsorgans schließen lasse. Aus welchen Gründen Kontakte einer Gemeinde zur Gemeindeaufsichtsbehörde (Landesregierung oder Bezirkshauptmannschaft) die Befangenheit von Gemeindeorganen zu bewirken geeignet sein sollten, sei unerfindlich. Die Rüge der Beschwerdeführerin, der Sachverhalt sei mangelhaft erhoben worden, sei unzutreffend. Es sei nämlich eine mündliche Augenscheinsverhandlung durchgeführt worden, zu der auch die Beschwerdeführerin geladen gewesen sei und es seien die erforderlichen Pläne und Beschreibungen vorgelegen. Die Gemeinde habe die Prüfung, ob das Vorhaben in einem mit Wohngebäuden dicht bebauten Gebiet liege, nach der tatsächlichen Situation zu beurteilen gehabt. Der Lageplan bereits ergebe, daß die derzeitige Bebauung "dicht" sei und daß sich in einem Umkreis von 100 m um das beantragte Objekt, gemessen an der Zahl der ausgewiesenen Bauparzellen und den tatsächlich schon vorhandenen Wohngebäuden eine Verbauungsdichte von über 60 Prozent ergebe, was ganz allgemein nach den örtlichen Verhältnissen in Höchst und nach den Bebauungsverhältnissen in Vorarlberger Rheintal als "dicht" zu bezeichnen sei. Zufolge Fehlens einer der Bewilligungsvoraussetzungen gemäß § 6 Abs. 3 SPG sei die Beschwerdeführerin daher durch den Bescheid der Berufungskommission in ihren Rechten nicht verletzt worden.
Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem der Verfassungsgerichtshof deren Behandlung mit Beschluß vom 26. Februar 1996, B 2238/94, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 SPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten. Soweit nicht Ausnahmen aufgrund einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, ist gemäß § 4 Abs. 2 die Gewährung oder Beschaffung von Gelegenheiten, insbesondere die Überlassung von Räumen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht oder zum Anbieten hiezu untersagt.
Gemäß § 5 SPG kann die Behörde durch Bescheid die Überlassung von Räumen eines bestimmten Gebäudes zum Anbieten und zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht durch Personen weiblichen Geschlechts bewilligen, wenn dies geeignet erscheint, durch gewerbsmäßige Unzucht hervorgerufene Störungen einzuschränken.
Die Erteilung einer solchen Bewilligung setzt gemäß § 6 Abs. 3 SPG voraus, daß das Gebäude nicht in einem mit Wohngebäuden dicht bebauten Gebiet oder in der Nähe von Kirchen, Friedhöfen, Krankenanstalten, Schulen, Kindergärten, Kinder- und Jugendspielplätzen, Jugendheimen und dergleichen liegt. Gemäß § 6 Abs. 4 SPG muß weiters Gewähr dafür bestehen, daß durch den Betrieb des Bordells die Nachbarschaft nicht unzumutbar belästigt und sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solcher der Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der Gesundheit, des Jugendschutzes und des Fremdenverkehrs nicht verletzt werden.
Die Beschränkungen hinsichtlich des Standortes sind - so die Gesetzesmaterialien (RV, 27. Beilage im Jahre 1975 zu den Sitzungsberichten des XXII. Vorarlberger Landtages, 812 f) - aus öffentlichen Rücksichten (Nachbarschaftsschutz, Jugendschutz) notwendig. "Ein Bordell soll demnach insbesondere in einem Wohngebiet (entscheidend ist die tatsächliche Nutzung) oder in der näheren Umgebung von Schulen und Kindergärten nicht eingerichtet werden dürfen."
Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, es sei ihr die beantragte Bordellbewilligung zu Unrecht verweigert worden, weil kein dicht bebautes Gebiet im Sinne des § 6 Abs. 3 SPG vorliege und bei Verwirklichung ihres Vorhabens Beeinträchtigungen im Sinne des § 6 Abs. 4 SPG ausgeschlossen seien. Weiters seien die Grundlagen für die Entscheidung nur mangelhaft ermittelt, das Ermittlungsverfahren daher nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Die Beschwerde ist nicht berechtigt. Ob nämlich ein "mit Wohngebäuden dicht bebautes Gebiet" im Sinne des § 6 Abs. 3 SPG vorliegt, bemißt sich - wie aus dieser Bestimmung vor dem Hintergrund der Gesetzesmaterialien deutlich wird - ausschließlich danach, ob die im fraglichen Gebiet gelegenen Grundstücke in ihrer überwiegenden Anzahl mit Wohngebäuden tatsächlich bebaut sind und das Gebiet daher den Charakter eines Wohngebietes aufweist. Daß dies auf das in Rede stehende Gebiet zutrifft, ist nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten nicht zweifelhaft und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Soweit die Beschwerdeführerin aber behauptet, das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft geblieben, hat sie es unterlassen, zugleich auch die Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996100080.X00Im RIS seit
20.11.2000