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L08010 Vereinbarungen nach Art 15a;Norm
BBetrG 1991;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des Sozialhilfeverbandes X, vertreten durch Dr. Kurt Hanusch, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Erzherzog-Johann-Straße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Mai 1997, Zl. GS 5-F-41.024/4-97, betreffend Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe gemäß § 61 NÖ SHG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Das Land Steiermark hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des beschwerdeführenden Sozialhilfeverbandes auf Kostenersatz der für ein näher bezeichnetes Ehepaar aufgewendeten Sozialhilfe abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei dem genannten Ehepaar um "anerkannte Konventionsflüchtlinge im Sinne des § 3 Asylgesetz 1991" handle, die in der Zeit vom 21. Juli 1994 bis 17. Februar 1995 (im Rahmen der Bundesbetreuung) in einem vom Bundesministerium für Inneres bezahlten Flüchtlingsquartier in Niederösterreich betreut worden seien. Das Bundesministerium für Inneres habe dafür pro Tag und Person S 230,-- (inklusive Taschengeld) aufgewendet. Überdies sei das Ehepaar während der Unterbringung in Niederösterreich vom Verein "Zentralstelle für Asylanten und Flüchtlinge" betreut worden (Hilfe bei Behördenwegen, psychologische Betreuung, Integrationshilfe). Das näher bezeichnete in Niederösterreich gelegene Quartier sei im fraglichen Zeitraum vom Bundesministerium für Inneres als Flüchtlingsquartier benützt worden. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, daß der Zweck der Betreuung und Zusammenfassung der Flüchtlinge durch den Bund in Flüchtlingslagern und Quartieren ein fürsorglicher sei und nicht in erster Linie der Befriedigung von Wohnbedürfnissen diene. Es habe sich in der Praxis als notwendig erwiesen, einen Großteil der Flüchtlinge sowohl körperlich als auch seelisch zu betreuen, wobei zu dieser Art der Betreuung auch die Erleichterung des Fortkommens durch Unterweisung über die Auswanderungsmöglichkeiten und durch Umschulung gehören. Die Unterbringung des Ehepaares in diesem als Flüchtlingsquartier benützten Gasthaus habe somit tatsächlich primär fürsorglichen Charakter gehabt.
Gemäß § 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 9200/6-0, sei jener Sozialhilfeträger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe durch mindestens fünf Monate aufgehalten habe. Nach Abs. 2 der zitierten Bestimmung habe unter anderem der Aufenthalt in einer Anstalt oder einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken diene, bei der Fristberechnung außer Ansatz zu bleiben.
Bei der Feststellung, ob Aufenhalte in Einrichtungen primär Wohnzwecken dienten oder nicht, sei es alleine entscheidend, ob Betreuungs- und Beratungsdienste, die fürsorglichen Charakter aufweisen, erbracht worden seien. Der Einwand des Beschwerdeführers, daß diese fürsorglichen Leistungen von der Einrichtung selbst, das heiße konkret vom Betreiber des Gasthauses, erbracht werden müßten, um den Aufenthalt bei der Fristberechnung gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. b der Ländervereinbarung außer Ansatz zu lassen, fehle. Entscheidend sei vielmehr, daß das Ehepaar in einem vom Bundesministerium für Inneres bezahlten privaten Flüchtlingsquartier versorgt und betreut worden seien, wobei es keinen Unterschied mache, daß die Betreuung faktisch durch den Verein "Zentralstelle für Asylanten und Flüchtlinge" (der zu 50 % vom Bundesministerium für Inneres dotiert werde) und nicht direkt vom Bundesministerium erfolgt sei. Daher diene die Unterbringung des Ehepaares im Flüchtlingsquartier nicht in erster Linie Wohnzwecken, weshalb dieser Unterbringungszeitraum bei der Fristberechnung gemäß Art. 3 Abs. 1 und 2 der genannten Ländervereinbarung außer Ansatz zu lassen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 61 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 9200, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 9200-5, hat die Landesregierung die in Vereinbarungen mit anderen Ländern nach Art. 15a B-VG über einen Kostenersatz zwischen dem Land und Sozialhilfeträgern anderer Länder sowie den Umfang der zu leistenden Amtshilfe festgelegten Verpflichtungen des Landes durch Verordnung in Kraft zu setzen, sofern nach diesen Vereinbarungen bestimmte im Gesetz näher genannte Voraussetzungen erfüllt sind.
Gemäß § 61 Abs. 2 ist in der Verordnung jedenfalls festzulegen, daß das Land als Träger der Sozialhilfe zum Ersatz aller Kosten verpflichtet ist, die den Sozialhilfeträgern anderer Länder erwachsen, wenn sich der Hilfesuchende in der Regel während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe mindestens fünf Monate im Land aufgehalten hat.
Die Ländervereinbarung ist aufgrund dieser gesetzlichen Bestimmungen mit Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über den Kostenersatz in Angelegenheiten der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 9200-6, mit 3. Juni 1976 in Kraft gesetzt worden. Diese Verordnung lautet in Art. 3:
"(1) Soweit in den folgenden Absätzen nichts anderes bestimmt ist, ist jener Träger zum Kostenersatz verpflichtet, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende während der letzten sechs Monate vor Gewährung der Hilfe durch mindestens fünf Monate aufgehalten hat und der nach den für ihn geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Kosten für Leistungen, wie sie dem Kostenanspruch zugrunde liegen, zu tragen hat.
(2) Bei der Berechnung der Fristen nach Abs. 1 haben außer Betracht zu bleiben:
a)
ein Aufenthalt im Ausland bis zur Dauer von zwei Jahren;
b)
der Aufenthalt in einer Anstalt oder in einem Heim, das nicht in erster Linie Wohnzwecken dient;
c)
die Zeit der Unterbringung eines Minderjährigen unter 16 Jahren in fremder Pflege;
d)
die Zeit während welcher Sozialhilfe, öffentliche Jugendwohlfahrtspflege oder Behindertenhilfe gewährt wird, sofern eine derartige Maßnahme einen den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines Trägers überschreitenden Aufenhaltswechsel bedingt hat;
e)
bei Frauen im Zeitraum von 302 Tagen vor der Entbindung.
(3) ...
(4) ..."
Unbestritten ist, daß das hilfebedürftige Ehepaar, dem der beschwerdeführende Sozialhilfeträger Leistungen gewährt hat, während der letzten sechs Monate vor der im örtlichen Wirkungsbereich des beschwerdeführenden Sozialhilfeträgers eingetretenen Hilfebedürftigkeit sich in Niederösterreich aufgehalten hat. Strittig ist, ob einer der Ausnahmetatbestände des Art. 3 Abs. 2, insbesondere der lit. b dieser Verordnung vorliegt.
Der beschwerdeführende Sozialhilfeträger bestreitet dies, da es primäres Anliegen der öffentlichen Hand (gemeint offenbar: im Rahmen der Bundesbetreuung für Flüchtlinge) sei, diesen "ein Dach über dem Kopf" zur Verfügung zu stellen. Die daneben erbrachten Betreuungsmaßnahmen seien zwar zielführend, änderten aber nichts daran, daß die Unterbringung zu überwiegenden Teilen auch in erster Linie zur Abdeckung der Wohnbedürfnisse diene. Die Flüchtlingsbetreuung, wie z.B. Hilfestellung bei Behördenwegen, sei nur "turnusmäßig und als Nebenleistung für die Flüchtlinge erforderlich". Auch die psychologische Betreuung habe sich offenbar nur auf den allwöchentlich einmal erfolgten Besuch bezogen und es sei davon auszugehen, daß aufgrund der Anzahl der Flüchtlinge hiefür nur jeweils wenige Minuten pro Flüchtling für den Betreuer an Zeit zur Verfügung stehe. Die Begriffe "Anstalt oder Heim" könnten nur im Sinne eines Alten- oder Pflegeheimes oder einer sonstigen Anstalt zur Behebung geistiger oder körperlicher Gebrechen verstanden werden.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag der in der Beschwerde vertretenen Auffassung aus folgenden Gründen nicht beizupflichten:
Die Absicht, jemanden ein "Dach über den Kopf" zu verschaffen, ist jeglicher Unterbringung von Personen eigen, auch wenn diese Unterbringung in einer Anstalt oder in einem Heim erfolgt. Es kann daher eine wertende Beurteilung, ob die "Wohnzwecke" im Vordergrund stehen bzw. welchen Anteil die Wohnzwecke im Verhältnis zu anderen Zwecken quantitativ betragen, für die hier erforderliche Abgrenzung nicht zielführend sein.
Die Bestimmung des Art. 3 Abs. 2 der Ländervereinbarung (bzw. der hier anzuwendenden Verordnung) hat vielmehr erkennbar zum Zweck, jene Aufenthalte nicht in die Frist des Art. 3 Abs. 1 einzurechnen, die andere Ursachen haben, als bloß jene des Wohnens. Dies trifft aber auf den Aufenthalt in einer Unterkunft im Rahmen der Bundesbetreuung zu:
Gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die Bundesbetreuung von Asylwerbern geregelt wird (Bundesbetreuungsgesetz), BGBl. Nr. 405/1991, übernimmt der Bund die Betreuung hilfsbedürftiger Fremder, die einen Antrag nach § 2 des Asylgesetzes gestellt haben (Asylwerber). Die Bundesbetreuung umfaßt Unterbringung, Verpflegung und Krankenhilfe sowie sonstige notwendige Betreuungsmaßnahmen. Die einzelnen Leistungen können unter Berücksichtigung des Grades der Hilfsbedürftigkeit auch teilweise gewährt werden.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. wird Bundesbetreuung jedenfalls nur solchen Asylwerbern gewährt, die sich bereit erklären, an der Feststellung ihrer Identität und Hilfsbedürftigkeit mitzuwirken und die Umstände, die für die Beurteilung ihrer Hilfsbedürftigkeit von Bedeutung sein können, unverzüglich mitzuteilen. Gemäß § 2 Abs. 3 leg. cit. ist Asylwerbern möglichst frühzeitig der Ort mitzuteilen, an welchem ihnen Bundesbetreuung gewährt wird. Bei der Zuteilung ist auf bestehende familiäre Beziehungen, auf das besondere Schutzbedürfnis alleinstehender Frauen und Minderjähriger, auf ethnische Besonderheiten und persönliche Wünsche nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen.
Gemäß § 3 endet die Bundesbetreuung mit dem Wegfall der Hilfsbedürftigkeit, spätestens aber mit dem rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens nach dem Asylgesetz.
Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. sind Asylwerber möglichst in privaten Unterkünften, ausnahmsweise und nur in unbedingt notwendigem Ausmaß in Betreuungsheimen des Bundes unterzubringen. Nach Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle hat sich der Bund bei der Bundesbetreuung möglichst privater, humanitärer und kirchlicher Einrichtungen, Institutionen der freien Wohlfahrt oder der Gemeinden zu bedienen, mit denen zu diesem Zweck privatrechtliche Verträge nach einheitlichem Muster abzuschließen sind, die auf regionale Unterschiede Bedacht zu nehmen haben. Gemäß § 8 Abs. 1 ist der Bundesminister für Inneres ermächtigt, vor Beginn jedes Kalenderhalbjahres auf der Grundlage der um die Zahl der Gastarbeiter und die geschätzte Zahl ihrer Angehörigen verminderten Bevölkerungszahlen der Länder Quoten für die länderweise Unterbringung von Asylwerbern in der Bundesbetreuung festzulegen und den Ländern mitzuteilen.
Gemäß § 7 Abs. 2 des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, kann mit Bescheid die Aufenthaltsberechtigung von Asylwerbern auf Teile des Bundesgebietes eingeschränkt oder können Teile des Bundesgebietes davon ausgenommen werden, soweit dies im Interesse einer gleichmäßigen Verteilung von Asylwerbern auf das Bundesgebiet unter Bedachtnahme auf § 8 des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, oder zur Verhinderung einer unzumutbaren Konzentrierung von Asylwerbern in Teilen davon, notwendig ist.
Diese Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zeigen, daß ein in Bundesbetreuung befindlicher Asylwerber hinsichtlich seiner Unterbringung zwar Wünsche äußern, diese jedoch nicht durch eigenen Willensentschluß beeinflussen kann.
Es liegt auch - gleichgültig ob die Unterbringung in kleineren oder größeren Einheiten erfolgt - eine organisierte und betreute Unterbringung vor, wie sie auch bei einem Aufenthalt in einer Anstalt typisch ist, mag sie naturgemäß auch Wohnzwecken dienen. Daß die Gewährung derartiger Fürsorgemaßnahmen, wenn sie einen bestimmten Aufenthalt erfordern, grundsätzlich bei der Frist des Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung nicht berücksichtigt werden sollen, zeigt im übrigen auch die Ausnahme des Art. 3 Abs. 2 lit. d: während dort ein Aufenthaltswechsel zum Zwecke der Gewährung von Sozialhilfe ausdrücklich bei der Berechnung der Frist außer Betracht bleibt (wobei die Ländervereinbarung ersichtlich eine Grenzüberschreitung von einem Land in das andere Land vor Augen hatte), ist hier der Erstaufenthalt in Österreich durch Zwecke der Gewährung von Bundesbetreuung bedingt, deren Funktionen mit denen der Sozialhilfe durchaus vergleichbar sind.
Die von der belangten Behörde vertretene und vom Verwaltungsgerichtshof geteilte Auslegung, wonach Zeiten in Bundesbetreuung in die Berechnung der Frist im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Ländervereinbarung nicht einzurechnen sind, entspricht daher auch dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmungen dieser Vereinbarung.
Da somit der beschwerdeführende Sozialhilfeträger eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war seine Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997080441.X00Im RIS seit
13.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010