TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/11 W282 2100176-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.08.2020
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Entscheidungsdatum

11.08.2020

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W282 2100176-3/3E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Kosovo, vertreten durch RA Dr. Farhad PAYA, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang und Feststellungen:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom XXXX .2015, Zl. XXXX wurde dem Beschwerdeführer (BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen den BF gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt I.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 3 Z 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Maßgeblicher Grund für die Erlassung dieser Rückkehrentscheidung war die gravierende Straffälligkeit des BF. Dieser wurde 2006 von einem Bezirksgericht wegen Körperverletzung (§ 83 StGB) und Nötigung (§ 105 StGB) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt. Schon 2007 wurde der BF erneut wegen Körperverletzung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt. Im Jahr 2010 wurde er erneut wegen Körperverletzung (§ 83 StGB) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt. Erneut wurde der BF im Jahr 2013 wegen Körperverletzung (§ 83 StGB), diesmal von einem Landesgericht zu 3 Monaten unbedingter Haft verurteilt. Im Jahr 2014 wurde der BF wegen Körperverletzung bzw. schwerer Körperverletzung (§ 83, 84 StGB) sowie wegen versuchtem Widerstand gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 StGB) und wegen versuchter absichtlicher schwere Körperverletzung (§§ 15, 87 StGB) zu einer
(Zusatz-)Freiheitsstrafe von 3 Jahren verurteilt. Abschließend wurde der BF 2015 wegen Suchtgifthandel (§28a Abs. 1 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

2. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.06.2016, GZ. G313 2100176-1/11E, mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf sechs Jahre herabgesetzt wurde. Im Übrigen wurde der angefochtene Bescheid und die Rückkehrentscheidung bestätigt. Das BVwG hat in seiner Entscheidung berücksichtigt, dass sich der BF zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses eine Aggressions- und Suchttherapie unterzieht, welche noch nicht abgeschlossen war. Festgestellt wurde in diesem Erkenntnis ua auch:

„1.3. Der private und familiäre Lebensmittelpunkt des BF befindet sich in Österreich. Im Bundesgebiet leben die Mutter sowie einige Geschwister des BF. Der BF ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Der BF verfügt darüber hinaus über zahlreiche Freunde und Bekannte in Österreich. Der BF besuchte in Österreich die 3. und 4. Schulstufe der Hauptschule Villach und in der Folge den Polytechnischen Lehrgang in Villach. Der BF stand seit dem Jahr 2004 fast durchgehend in Beschäftigungsverhältnissen und war zuletzt Teilhaber des Restaurants Mykonos in Kärnten.“

In der rechtlichen Begründung wurde weiters wie folgt festgehalten:

„Zunächst ist auszuführen, dass die belangte Behörde die getroffene Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 4 FPG gestützt hat. Dies ergibt sich daraus, dass sich der BF aufgrund des fristgerecht eingebrachten Verlängerungsantrages seines Aufenthaltstitels aktuell gemäß § 24 Abs. 1 NAG rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Im Fall des BF wird § 52 Abs. 4 Z. 4 FPG schlagend, da das gegen ihn erlassene Einreiseverbot gem. § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG einer weiteren Verlängerung seines Aufenthaltstitels entgegensteht.

Der BF fällt nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Der BF verfügt über zahlreiche familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Diesbezüglich ist der belangten Behörde zu folgen, wenn diese in dem Zusammenhang ausführt, dass der BF durch seine sich über einen Zeitraum von neun (!) Jahren erstreckende Straftaten wiederholt in Kauf genommen hat, durch etwaige Haftaufenthalte von seinen Familienangehörigen getrennt zu werden, sodass eine Rückkehrentscheidung und damit verbundene Trennung von seinen Familienangehörigen gerechtfertigt erscheint. Schließlich wäre es den volljährigen Geschwistern des BF sowie seiner ebenfalls in Österreich lebenden Mutter auch möglich und zumutbar, den Kontakt zum BF durch fallweise Besuche im Herkunftsstaat aufrechtzuerhalten. Der BF hat selbst vorgebracht im Jahr 2013 im Kosovo auf Urlaub gewesen zu sein, sodass eine gewisse nach wie vor aufrechte Bindung zum Herkunftsstaat seinem eigenen Vorbringen zu entnehmen ist. Der BF lebt seit über 15 Jahren in Österreich, hat hier teils eine Schulausbildung sowie eine Berufsausbildung absolviert und war über weite Strecken in Österreich berufstätig, sodass zweifellos Hinweise für eine berücksichtigungswürdige Integration des BF gegeben sind. Dieser zu seinen Gunsten zu wertende Umstand wird dadurch massiv relativiert, dass der BF wie oben angeführt bereits sieben Mal in Österreich rechtskräftig verurteilt wurde und sich die von ihm verübten Straftaten über den dargestellten langen Zeitraum erstrecken.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts des BF im Bundesgebiet das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen.

Die belangte Behörde ist des Weiteren auch nach Abwägung aller dargelegten persönlichen Umstände des BF zu Recht davon ausgegangen, dass dem BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen nicht zu erteilen ist.

Schließlich sind daher im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat Kosovo unzulässig wäre.

3.2.3. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung vorliegen, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 52 Abs. 4 Z. 4 iVm. Abs. 9 und § 46 FPG sowie §§ 55 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.“

3. Aufgrund des Beschlusses des Landesgerichts Klagenfurt vom XXXX 2018, XXXX , wurde der BF am XXXX .2018 unter Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen bedingt entlassen. Seiner Ausreisepflicht leistete der BF nicht Folge.

4. Mit Schreiben vom 30.01.2019 stellte der BF einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete, gestützt auf § 46 Abs. 1 Z 1 und Z 4 FPG. Darin wird ausgeführt, dass im Hinblick auf die dem BF erteilten Weisungen und Auflagen nunmehr ein schützenswertes Privatleben vorliege. Die Teilnahmen an einem Antigewalttraining und einer psychosozialen Beratung sowie die Behandlung seiner Drogen- und Alkoholsucht führe zu einer höheren Schutzwürdigkeit des in Österreich etablierten Privatlebens. Der durch die Außerlandesbringung bedingte Abbruch der Therapien und der Bewährungshilfe würde nicht nur einen Widerruf der bedingten Entlassung, sondern auch seine Resozialisierung und Heilung seiner Alkohol- und Drogensucht massiv gefährden. Auch verfüge der BF bereits über eine Einstellungszusage.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX 2019 wurde der Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm Abs. 1 Z 1 und 4 FPG abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass bereits im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung geprüft und festgestellt wurde, dass eine Abschiebung sowohl gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 FPG als auch gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig ist. Auch habe das BVwG die Alkohol- und Suchtproblematik in seiner Entscheidung bereits berücksichtigt.

6. In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde erneut vorgebracht, dass der Umstand einer medizinischen bzw. therapeutischen Behandlung eine höhere Schutzwürdigkeit des Privatlebens bewirken könne. Eine Abschiebung hätte auch einen Widerruf der bedingten Entlassung zur Folge. Auch sei die vorliegende Einstellungszusage nicht entsprechend rechtlich gewürdigt worden. Es wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorübergehend für unzulässig zu erklären bzw. festzustellen, dass die Abschiebung in den Kosovo gemäß § 46 FPG unzulässig ist und dem Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete stattzugeben. In Eventu wurde beantragt den Bescheid aufzuheben und an das Bundesamt zurückzuverweisen.

7. Mit (unbekämpft gebliebenem) Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020, GZ G310 2100176-2/7E wurde diese Beschwerde als unbegründet abgewiesen. In diesem Erkenntnis wird begründend wie folgt festgehalten:

„Der BF stützt seinen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete auf § 46a Abs. 1 Z 1 und 4 FPG.

Gemäß § 46a Abs. 1 FPG ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung gemäß §§ 50, 51 oder 52 Abs. 9 Satz 1 FPG unzulässig ist, vorausgesetzt die Abschiebung ist nicht in einen anderen Staat zulässig (Z 1) oder die Rückkehrentscheidung im Sinne des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG vorübergehend unzulässig ist (Z 4).

Eine Verletzung in Rechten des Art. 8 EMRK ist in Z 4 erfasst. Dessen Voraussetzungen liegen aber schon angesichts der aufrechten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht vor. Das gilt im Hinblick auf die gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig mit der Rückkehrentscheidung ergangene rechtskräftige Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers auch für den Tatbestand nach der Z 1. Es ist bezüglich dieser Fragen keine neuerliche inhaltliche Prüfung vorzunehmen (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0196).

Auch kann bei einer behördlich angeordneten „unfreiwilligen“ Außerlandesbringung nicht davon die Rede sein, dass sich der BF im Sinne des § 53 Abs. 2 StGB beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzieht bzw. die ihm auferlegten Weisungen mutwillig nicht befolgt (vgl. OGH vom 16.11.2016, 15 OS 11/16m, wonach laut Ansicht der Gerneralprokuratur gegen die in einem ähnlichen Fall getroffenen Annahmen, der bedingt Entlassene habe sich beharrlich dem Einfluss des Bewährungshelfers entzogen, erhebliche Bedenken bestünden).

Die Beschwerde zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.“

Nach Ergehen dieses Erkenntnisses leistete der BF seiner Ausreisepflicht erneut nicht Folge und verblieb weiter unrechtmäßig im Bundesgebiet.

8. Zwischenzeitig stellte der BF am 13.12.2019 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird darin ausgeführt, die Stellung dieses Antrags sei gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zulässig um die eine bestehende Rückkehrentscheidung iSd § 60 Abs. 3 FPG zu durchbrechen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens erforderlich scheint. Erneut wird darin inhaltlich weitgehend identisch zum obigen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete vorgebracht, dass der Umstand einer medizinischen bzw. therapeutischen Behandlung eine höhere Schutzwürdigkeit des Privatlebens bewirken könne. Der BF absolviere noch immer eine Therapie die er im Kosovo nicht fortsetzen in gleichartig fortsetzen könne. Er verfüge weiters über eine Einstellungszusage. Er habe im Kosovo keine familiären Anknüpfungspunkte mehr und erhalte dort keine Sozialhilfe. Weiters wurden Unterlagen zur Therapie des BF vorgelegt.

9. Mit angefochtenem Bescheid vom XXXX .2020 wies das Bundesamt - nach Einvernahme des BF am 10.01.2020 - den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurück und führte darin aus, dass gegen den BF eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot bestehe, vor allem aber eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 1. Satz AsylG 2005 aus dem Antragsvorbringen nicht hervorgeht. Eine Neuabwägung iSd § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG sei daher nicht geboten, da schon mit Erkenntnis des BvWG zur GZ G313 2100176-1/11E eine umfassende und insbesondere die Aspekte der Therapie mitberücksichtigende Abwägung erging.

10. Mit Beschwerde vom 18.02.2020 erhob der BF durch seinen Rechtsvertreter Beschwerde gegen diesen Bescheid und brachte darin inhaltlich weitgehend ident zum Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels vor. Weiters wird vorgebracht, das Bundesamt hätte eine Neubewertung iSd § 58 Abs. 10 AsylG 2005 durchzuführen gehabt. Beantragt werde den Bescheid zu beheben und dem Bundesamt die Verfahrensfortsetzung aufzutragen, in eventu den Bescheid aufzuheben und an die belangte Behörde zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

11. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 24.02.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

12. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung G313 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt des Bundesamtes zum gegenständlichen Verfahren, insbesondere in die Niederschrift der Einvernahme des BF im gegenständlichen Verfahren (AS 147) sowie in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zum ggst. Verfahren sowie der bezughabenden Verfahren zu den GZ G310 2100176-2 und G313 2100176-1 sowie und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden (Auszug aus dem Zentralen Melderegister und Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister sowie Strafregisterauszug) und den Beschwerdeschriftsatz und der hierzu vorgelegten Urkunden.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und dem Inhalt der Vorverfahren des BF ergeben sich aus den Verwaltungsakten und jeweiligen Bescheiden des Bundesamtes und den Erkenntnissen des BVwG zu den in den Feststellungen angegeben Geschäftszahlen und Daten.

Die Feststellungen zur Straffälligkeit ergeben sich aus dem Strafregisterauszug betreffend den BF sowie aus dem Erkenntnis des BVwG zur GZ. G313 2100176-1.

2.       Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

2.1 Rechtsgrundlagen:

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Antragstellung und amtswegiges Verfahren“ betitelte § 58 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt,

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird oder

5. ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 oder 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(5a) Solange aufgrund von Maßnahmen, die zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 getroffen werden, die Bewegungsfreiheit oder der zwischenmenschliche Kontakt eingeschränkt ist, sind Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 abweichend von Abs. 5 nicht persönlich, sondern postalisch oder auf elektronischem Wege beim Bundesamt einzubringen. Bei Stattgebung des Antrags kann der Aufenthaltstitel abweichend von Abs. 12 auch zu eigenen Handen zugestellt werden.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) Aufenthaltstitel dürfen Drittstaatsangehörigen, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, nur persönlich ausgefolgt werden. Aufenthaltstitel für unmündige Minderjährige dürfen nur an deren gesetzlichen Vertreter ausgefolgt werden. Anlässlich der Ausfolgung ist der Drittstaatsangehörige nachweislich über die befristete Gültigkeitsdauer, die Unzulässigkeit eines Zweckwechsels, die Nichtverlängerbarkeit der Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 56 und die anschließende Möglichkeit einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu erlangen, zu belehren.

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten.“

Der mit „Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen“ betitelte § 60 AsylG 2005 lautet wie folgt:

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1. der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2. der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3. der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

4. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

3.2. Zur Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darf ein Verwaltungsgericht auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Beschwerde nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides, nicht hingegen meritorisch über den Antrag selbst entscheiden (vgl. VwGH 18.12.2014, 2014/07/0002, 0003; 19.12.2018, Ra 2016/06/0063). „Sache“ im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG und demnach Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf den Spruchpunkt I. des Bescheides ist im vorliegenden Fall – da der Antrag des Beschwerdeführers zurückgewiesen wurde – die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, weil ansonsten der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde. Ein inhaltlich rechtswidriger Zurückweisungsbescheid ist vielmehr „ersatzlos“ zu beheben, um den Weg für eine (erstmalige) Entscheidung der Verwaltungsbehörde in der Hauptsache frei zu machen (vgl. Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG § 28 VwGVG Rz 39).

Zu prüfen ist daher, ob die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu Recht erfolgte:

Einleitend ist festzuhalten, dass das Beschwerdevorbringen zumindest in jenem Punkt zutrifft, in dem ausgeführt wird, dass es nach der Judikatur der Höchstgerichte zur verfassungsmäßigen Kompatibilität des § 60 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. des § 60 FPG 2005 mit Art. 8 EMRK möglich ist, zur Durchbrechung einer Rückkehrentscheidung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 zu stellen.

„Es genügt aber, dass Drittstaatsangehörige, die nicht fristgerecht ausgereist sind, aus diesem Grund ein gegen sie erlassenes Einreiseverbot zwar nicht gemäß §60 Abs1 FPG bekämpfen, jedoch dessen Gegenstandslosigkeit gemäß §60 Abs3 Z2 FPG erwirken können, indem sie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG 2005 stellen.

In verfassungskonformer Interpretation muss §55 AsylG 2005 dahingehend verstanden werden, dass ein auf diese Bestimmung gestützter Antrag einem in Entsprechung eines Einreiseverbotes im Ausland aufhältigen Drittstaatsangehörigen - wie einem nicht ausgereisten Drittstaatsangehörigen - ermöglicht, auch vor Ablauf der Hälfte der Dauer eines Einreiseverbotes iSd §60 Abs2 FPG bei Vorliegen entsprechender im Hinblick auf Art8 EMRK relevanter Umstände die Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbotes zu erwirken.“ (VfGH 14.03.2018, E4329/2017, G408/201).

Festzuhalten ist aber auch hierzu bereits, dass zur Zulässigkeit dieses Antrags auf einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 eine in Bezug auf die ergangene Rückkehrentscheidung maßgeblich relevante Sachverhaltsänderung im Hinblick auf Umstände des Art. 8 EMRK eingetreten sein muss, um den Antrag formal zulässig erscheinen zu lassen. Vor allem aber müssen diese vorgebrachten Änderungen überhaupt durch ihre Bedeutung geeignet sein, einen anderen Ausgang der Abwägung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG herbeizuführen.

Die Überprüfung der vorgebrachten Änderungen auf eine solche Relevanz ist anhand des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zu überprüfen. Sind die vorgebrachten Änderungen maßgeblich relevant, dann ist eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK, also iSd § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG durchzuführen. Ist aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG ein bedeutend geänderter Sachverhalt nicht zu erblicken, ist der Antrag des § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen.

Zu letzterer Bestimmung hält der VwGH wie folgt fest:

„Nach der zu § 44b Abs. 1 Z 1 NAG 2005, der Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG 2005, ergangenen Judikatur, liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr läge ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufgewiesen hätten, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK geboten hätte. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zulässig (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; VwGH 22.7.2011, 2011/22/0127; VwGH Ra 2014/22/0115).

[..]

Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der einer Antragszurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 entgegen steht, liegt schon dann vor, wenn die geltend gemachten Umstände nicht von vornherein eine zu Gunsten des Fremden vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK als ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. VwGH 19.9.2019, 2019/21/0173).“ (VwGH 23.01.2020, Ra 2019/21/0356)

Weder im Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels, noch in der Einvernahme des BF vor dem Bundesamt, noch in der Beschwerde gegen die Zurückweisung dieses Antrags durch das Bundesamt werden Umstände geltend gemacht, die - wie sinngemäß schon im Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020 zur GZ G310 2100176-2 letztlich festgehalten wird - eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK geboten erscheinen lassen.

Maßgeblich wären solche Umstände vor allem dann, wenn diese nicht schon im Rahmen der vorergehenden Rückkehrentscheidung oder einer andren Abwägung gemäß § 9 BFA-VG geprüft und berücksichtigt worden wären. Im Hinblick auf das Vorbringen zur Therapie des BF ist eben auf das rk. Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020 zur GZ G310 2100176-2/7E mit dem der abweisende Bescheid des Bundesamtes über die Ausstellung einer Karte für Geduldete nach § 46a FPG zur Zl. XXXX bestätigt wurde, zu verweisen. Die Umstände der Therapie des BF und der Möglichkeiten diese im Kosovo fortzusetzen als auch die vorliegende Einstellungszusage wurde bereits in diesem Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete umfangreich vorgebracht und letztlich sowohl vom Bundesamt als auch vom Bundesverwaltungsgericht selbst für die nur vorübergehende Unzulässigkeitserklärung der Rückkehrentscheidung als nicht maßgeblich verworfen. Bezugsmaßstab dieses abweisenden Bescheids und auch des diesen bestätigenden (unbekämpft gebliebenen) Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020 war das Erkenntnis des BVwG vom 21.06.2016, GZ.
G313 2100176-1/11E mit dem die Rückkehrentscheidung gegen den BF bestätigt wurde.

Ungeachtet dessen fehlt es den vom BF geltend gemachten Umständen jedenfalls an der von der oben zitierten Judikatur des VwGH geforderten Bedeutung in Bezug auf die bestehende Rückkehrentscheidung, sodass diese die Notwendigkeit der Neuabwägung iSd Ar. 8 EMRK bzw. § 9 Abs. 2 BFA-VG von vornherein als ausgeschlossen erscheint:

Die Beschwerde ignoriert konsequent die Tatsache, dass zu Gunsten des BF insbesondere das intensive Familienleben, sein intensives Privatleben, die nur geringen Bindungen zu seinem Heimatstaat, die Schulausbildung sowie eine Berufsausbildung des BF bereits maßgeblich in der im Juni 2016 vom BVwG bestätigten Rückkehrentscheidung berücksichtigt wurden. Demgegenüber gestellt wurde im genannten Bescheid bzw. Erkenntnis im Jahr 2016 aber das deutlich überwiegende öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK, dass eine Aufenthaltsbeendigung des BF unbedingt erforderlich macht. Maßgeblicher Grund für letzteren Umstand ist vor allem die gravierende, wiederholte und über neun Jahre fortgesetzte Straffälligkeit des BF, der insgesamt sieben Vorstrafen zu verantworten hat, wobei die überwiegende Zahl der Verurteilungen wegen - teils schwerer - Gewaltdelikte erfolgte. Schon aufgrund dieser derart gravierend zu Lasten des BF wirkenden Umstände ist eine zu Gunsten des BF vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK ausgeschlossen, soweit nicht tatsächlich maßgebliche und demgegenüber erhebliche Änderungen von Sachverhaltsumständen im Hinblick auf Art. 8 EMRK vorgebracht würden, sodass eine zu einem ein anderes Ergebnis führende Abwägung iSd genannten Bestimmung bzw. § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG überhaupt denkmöglich wäre.

Eben solche erheblichen und maßgeblichen Änderungen werden aber ggst. vom BF nicht vorgebracht. Die als maßgeblich behaupteten Änderungen von Umständen betreffend das Vorliegen einer Einstellungszusage und der Frage der Einhaltung der Auflagen aus der Bewährungshilfe sowie der Fortsetzung der Therapie des BF im Kosovo wurden – wie oben festgehalten – schon mit Erkenntnis des BVwG vom 03.02.2020 zur GZ G310 2100176-2/7E als nicht maßgeblich für eine Neubewertung iSd Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA-VG (vgl. § 46a Abs. 1 Z 4 FPG) verworfen. Auch das erneute Vorbringen zur langen Aufenthaltsdauer des BF im Bundesgebiet geht ins Leere, zumal ebendiese bereits in der 2016 gegen den BF ergangenen Rückkehrentscheidung tragend berücksichtigt wurde und der BF sich seitdem überwiegend in Strafhaft aufgehalten hat. Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist das Vorbringen in der Beschwerde, der BF habe sich seit mehr als 5 Jahren wohlverhalten, da der BF erst im Oktober 2018 überhaupt aus der Strafhaft entlassen wurde. Es wirkt daher ansatzweise zynisch, wenn vorgebracht wird, der BF habe sich den überwiegenden Teil dieses Zeitraums, den er eben in Haft verbracht hat, wohlverhalten, wenngleich es doch Sinn und Zweck des Verspürens des Haftübels ist, eine Änderung zum Wohlverhalten des in Strafhaft Angehaltenen herbeizuführen.

Überhaupt werden sowohl im ggst. Antrag als auch in der Beschwerde (Seiten 7 bis 9) - mit Ausnahme der oben genannten Umstände - weitestgehend nur Umstände in Bezug auf die Abwägung nach Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA-VG vorgebracht, die sich seit Ergehen des Erkenntnisses des BVwG, mit dem die Rückkehrentscheidung im Juni 2016 bestätigt wurde, nicht maßgeblich verändert haben und somit auch schon dort weitestgehend Berücksichtigung gefunden haben. Dies gilt insbesondere für das Familienleben des BF, den Aufenthaltsort dieser Familienmitglieder im Bundesgebiet und auf für die Frage einer Existenzmöglichkeit bzw. dem Bezug von Sozialhilfe im Kosovo. Hinsichtlich letzteren Umstandes scheitert die Beschwerde auch an sich selbst, wird doch darin angegeben, dass das entsprechende kosovarische Sozialhilfegesetz bereits seit 2003, und somit lange vor der im Jahr 2016 gegen den BF ergangenen Rückkehrentscheidung in Kraft war, weswegen auch dieser Umstand in dieser in der Abwägung nach § 9 BFA-VG Berücksichtigung gefunden hat.

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die geltend gemachten Umstände von vornherein eine zu Gunsten des BF vorzunehmende neue Beurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 MRK als ausgeschlossen erscheinen lassen, insbesondere, weil sie die von der Judikatur des VwGH geforderte ausreichende Bedeutung für eine denkmögliche Neubewertung nicht aufweisen. Das Bundesamt hat daher den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu Recht gemäß § 58 Abs. 10 1 Satz AsylG 2005 zurückgewiesen und war daher die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abzuweisen.

Da der Antrag zu Recht zurückgewiesen wurde, musste auch keine inhaltliche Auseinandersetzung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Einreiseverbots iSd § 60 FPG - wie in der Beschwerde gefordert- erfolgen.

Über das gesagte hinaus ist noch festzuhalten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht dem Eindruck nicht gänzlich erwehren kann, dass der BF unter beharrlicher Missachtung seiner Ausreiseverpflichtung, die ihn grds. bereits seit seiner Haftentlassung 2018 trifft, maßgeblich darum bemüht ist, die Durchsetzung der gegen ihn 2016 bestätigten und wohlerwogenen Rückkehrentscheidung, deren Erlassung maßgeblich seiner erheblichen Straffälligkeit geschuldet ist, durch fortgesetzte Antragstellungen - sei es im Hinblick auf den Antrag nach §46a FPG oder den ggst. Antrag - zu verzögern. Es wird daher nun Sache des Bundesamtes sein, als zuständiges Organ den aus Art. 8 Abs. 2 EMRK entspringen öffentlichen Interessen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie dem geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften dadurch Rechnung zu tragen, dass eine zeitnahe Effektuierung der schon seit der Haftentlassung des BF durchsetzbaren aufenthaltsbeenden Maßnahme erfolgt.

4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zur Frage der Verhandlungspflicht führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergebe, dass das Vorbringen tatsachenwidrig sei, stehe im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden habe, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt worden sei (vgl. VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das oben zitierte Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012 festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gegenständlich abgesehen werden, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt im Sinne der obigen Judikatur aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Das Bundesamt hat in Bezug auf den gestellten Antrag ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt und den BF auch zu einem Antrag einvernommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich den maßgeblichen Feststellungen und der Beweiswürdigung des Bundesamtes in den tragenden Gründen angeschlossen. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146).

Zu B)     

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Ausreiseverpflichtung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung strafrechtliche Verurteilung wesentliche Sachverhaltsänderung Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2100176.3.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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