Entscheidungsdatum
09.09.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W279 2234671-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX geb. XXXX .1986, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX vom XXXX .2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX .08.2020 für rechtmäßig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte im Gefolge seiner schlepperunterstützten unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 20.02.2017 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung am 21.02.2017 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Schwechat gab der Beschwerdeführer an, den Namen XXXX zu führen und Staatsangehöriger der Türkei zu sein. Er sei am XXXX 1986 und habe zuletzt in der Stadt XXXX in der Provinz XXXX gelebt, Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, bekenne sich zum alevitischen Glauben und sei ledig.
Im Hinblick auf seinen Reiseweg brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er habe die Türkei am XXXX .2017 illegal mit einem Lastkraftwagen verlassen und sei dermaßen schlepperunterstützt auf dem Landweg nach Österreich verbracht worden.
Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte der Beschwerdeführer aus, ein Freund von ihm habe sich im sozialen Medium Facebook schlecht über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan geäußert und sei deshalb festgenommen. Auch er habe via Facebook über den türkischen Staatspräsidenten „geschimpft“ und er fürchte daher ebenfalls die Festnahme.
2. Nach Zulassung des Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 05.05.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , im Beisein eines geeigneten Dolmetschers in türkischer Sprache niederschriftlich von der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.
3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2017, Zl. 1143421100-170226065, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – soweit für das Beschwerdeverfahren von Relevanz – nach der Wiedergabe der Einvernahmen des Beschwerdeführers und den Feststellungen zu dessen Person insbesondere aus, der Beschwerdeführer sei in der Türkei weder vorbestraft, noch werde nach ihm gefahndet. Im Fall einer Rückkehr in die Türkei habe der Beschwerdeführer keine staatlichen Sanktionen zu befürchten.
Der Beschwerdeführer verfüge im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, er sei ein gesunder junger Mann, der in der Lage sei, durch Arbeit selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Der Beschwerdeführer sei in die türkische Gesellschaft integriert und der Landessprache mächtig, und es erweise sich deshalb eine Rückkehr als zumutbar und möglich. Eine asylrelevante Verfolgung im Rückkehrfall sei nicht feststellbar.
In der gewissenhaft und ausführlich vorgenommenen Beweiswürdigung wird diesbezüglich dargelegt, der Beschwerdeführer habe sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft darlegen können, da er ein sich steigerndes Vorbringen zu verantworten habe, sich die im Verfahren vorgebrachte Beschimpfung der türkischen Staatspräsidenten in Facebook in dieser Form nicht bewahrheitet habe und die entsprechenden Postings allesamt auf den 20.02.2017 und damit den Tag der Antragstellung im Bundesgebiet konzentrieren würden. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer in zahlreiche Wiedersprüche und Ungereimtheiten verwickelt und stelle die Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe bzw. zur alevitischen Religion keine asylrelevante Verfolgung dar.
In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zu gewärtigen, sodass kein internationaler Schutz zu gewähren sei. Dem Beschwerdeführer sei der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen, da er in der Türkei über genügend Anknüpfungspunkte verfüge und keine reale Gefahr einer Verletzung in elementaren Rechte sowie keine Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts drohe. Dem Beschwerdeführer sei schließlich kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen und erweise sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Privatlebens als zulässig.
4. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und der Beschwerdeführer ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.
5. Gegen den dem Beschwerdeführer am 24.05.2017 durch Hinterlegung zugestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2017 richtet sich die im Wege der bevollmächtigten Rechtsberatung fristgerecht am 06.06.2017 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
In dieser wird inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert und beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen bzw. die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären und dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 zu erteilen. Eventualiter wird ein Aufhebungsantrag gestellt und jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht begehrt.
In der Sache bringt der Beschwerdeführer nach Wiederholung seiner bereits vorgebrachten Ausreisegründe im Wesentlichen vor, er sei mehrmals gefoltert worden und habe dabei Zähne verloren, darüber hinaus wären ihm Messerstiche zugefügt worden. Allenfalls divergierende Aussagen wären auf psychische Instabilität zurückzuführen und würde er im Fall einer Rückkehr in die Türkei in eine ausweglose Lage geraten.
6. Die Beschwerdevorlage langte am 16.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2019 wurden der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in der Türkei, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 09.05.2016 zu Konsequenzen bei negativen Äußerungen über den Staatspräsidenten in sozialen Netzwerken, der Bericht des British Home Office „Turkey: Kurdistan Workers’ Party“ vom August 2018 und der Bericht des British Home Office „Turkey: Kurds“ vom September 2018 zur Vorbereitung der für den 19.02.2019 anberaumten mündlichen Verhandlung übermittelt und die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme dazu freigestellt. Innerhalb der eingeräumten Frist langte keine Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers ein.
8. Der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.02.2019 blieb der Beschwerdeführer – wie unmittelbar vor Verhandlungsbeginn seitens seiner rechtsfreundlichen Vertreterin telefonisch angekündigt – fern. Er brachte am 19.02.2019, 12.52 Uhr, eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung einer Ärztin für Allgemeinmedizin in Wien in Vorlage, wonach er vom 19.02.2019 bis zum 22.02.2019 wegen Krankheit arbeitsunfähig sei. In der Folge wurde mittels zweier Eingaben seiner rechtsfreundlichen Vertretung vom 22.0.2019 detailliertere Befunde nachgereicht, mit welchen eine krankheitsbedingte Verhinderung des Beschwerdeführers hin Hinblick auf die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.02.2019 hinreichend nachgewiesen wurde.
9. Am 17.04.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung, eines Vertreters des belangten Bundesamtes sowie eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die für die türkische Sprache durchgeführt.
Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Türkei anhand des der anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen und Anfragebeantwortungen erörtert. Der Beschwerdeführer brachte im Gefolge der Verhandlung Urkunden zu seiner Integration im Bundesgebiet in Vorlage. Zuletzt brachte der Beschwerdeführer kurz vor Schluss der Verhandlung erstmals und erst über explizite Nachfrage seines rechtsfreundlichen Vertreters vor, Vater der im Bundesgebiet rechtmäßig aufhältigen minderjährigen XXXX , geb. XXXX 2015, zu sein.
Hinsichtlich der gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde wurde das Beschwerdeverfahren vom Bundesverwaltungsgerichte nach Schluss der Verhandlung am 17.04.2019 als entscheidungsreif erachtet und in weiterer Folge die gegen Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2017, Zl. XXXX , erhobenen Beschwerde mit mündlich verkündetem Teilerkenntnis als unbegründet abgewiesen.
10. Am 18.04.2019 richtete das Bundesverwaltungsgericht zunächst ein Ersuchen an den Standesamtsverband XXXX um Übermittlung eines Auszuges aus dem Personenstandsregister in Ansehung der minderjährigen XXXX , geb. XXXX 2015. Dem Ersuchen wurde am 24.04.2019 entsprochen.
11. Da im Personenstandsregister eine andere Person als der Beschwerdeführer als Vater der minderjährigen XXXX aufschien, wurde der Beschwerdeführer mit Note des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2019 ersucht, ein qualifiziertes Vaterschaftsanerkenntnis in Vorlage zu bringen oder die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft nachzuweisen.
12. Mit Eingabe seiner rechtsfreundlichen Vertretung vom 14.05.2019 übermittelte der Beschwerdeführer einen an das Bezirksgericht XXXX gerichteten Antrag auf Feststellung der Vaterschaft, ein Schreiben der Kindesmutter und Lichtbilder der minderjährigen XXXX .
13. Am 24.05.2019 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung den Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom 17.05.2019 über die Zurückweisung seines Antrages auf Feststellung der Vaterschaft als unzulässig und die Ablichtung einer Kopie seines Antrags auf Gewährung von Verfahrenshilfe zur Erhebung eines Rekurses gegen diesen Beschluss.
14. Am 26.06.2019 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht die öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers, seiner rechtsfreundlichen Vertretung, eines Vertreters des belangten Bundesamtes sowie eines gerichtlich beeideten Dolmetschers für die für die türkische Sprache fortgesetzt und die Mutter der minderjährigen XXXX , XXXX , geb. XXXX .1993, sowie der rechtliche Vater der minderjährigen XXXX , XXXX , geb. XXXX 1991, als Zeugen einvernommen und der Beschwerdeführer ergänzend befragt. Im Anschluss an die Einvernahmen wurde im Einvernehmen mit den Parteien die Einholung einer Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft XXXX als Kinder- und Jugendhilfeträger als letzter Verfahrensschritt festgelegt.
15. Die Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft XXXX als Kinder- und Jugendhilfeträger langte am 25.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Stellungnahme wurde unter einem mit aktualisierten Informationen zur Lage im Herkunftsstaat mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.08.2019 den Parteien des Beschwerdeverfahrens zur Wahrung des Gehörs übermittelt.
Die bezughabende Stellungnahme des belangten Bundesamtes langte am 07.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein, der Beschwerdeführers ließ die ihm eingeräumte Frist ungenutzt verstreichen.
16. Das BVwG wies mit Erkennntis L521 2161610-1/38E vom 22.08.2019 die Beschwerde den übrigen Spruchpunkten ebenfalls ab, die Revision wurde mit Beschluss Ra 2019/21/0299-7 vom 24.10.2019 vom Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen.
17. Mit Urteil XXXX vom XXXX .06.2020 wurde der BF vom LG für Strafsachen XXXX wegen Nötigung nach §§105 Abs. 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt verurteilt.
18. Am XXXX .06.2020 wurde zur Sicherung der Abschiebung eine Unterkunftnahme und eine tägliche Meldeverpflichtung bei einer Polizeiinspektion dem BF auferlegt.
19. Am XXXX 06.2020 wurde dem BF aufgetragen, sich am XXXX .06.2020 beim Generalkonsulat der Republik Türkei zur Erlangung eines HRZ einzufinden. Der BF kam daraufhin seiner Meldeverpflichtung nicht mehr nach.
20. Am XXXX .08.2020 wurde der BF festgenommen und in Schubhaft genommen.
21. Am XXXX .08.2020 wurde der BF dem türkischen Generalkonsulat vorgeführt und als Staatsangehöriger der Türkei identifiziert.
22. Am XXXX .08.2020 stellte der BF einen neuerlichen Asylantrag. Das BFA geht von einer Asylantragsstellung aus Verzögerungsabsicht aus und hielt dies in einem Aktenvermerk nach §76 Abs. 6 FPG am XXXX .08.2020 fest.
23. Am XXXX .08.2020 wurde mit Bescheid des BFA XXXX ein Aufenthalstitel nach §57 AsylG nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung festgestellt, einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist zur freiwilligen Ausreise gewährt.
24. Gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid wurde am 02.09.2020 gegenständliche Beschwerde, die sich im Wesentlichen auf die Möglichkeit der Unterkunftnahme bei der Schwester stützt, erhoben.
25. Am 03.09.2020 langte die Stellungnahme des BFA beim BVwG ein.
Der BF befindet sich nach wie vor in Schubhaft. Verfahrensgegenständlich ist die Rechtmäßigkeit der Schubhaft bisher sowie die Frage der Fortsetzung der aufrechten Schubhaft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Verfahrensgang wird festgestellt.
Zum Privat- und Familienleben des BF wird festgestellt:
Der BF kann wie in der Beschwerde ausgeführt bei seiner Schwester im Bundesgebiet Unterkunft nehmen.
Der BF hatte vor fünf bis sechs Monaten zuletzt persönlichen Kontakt mit seiner Tochter und ist über das Internet in Kontakt mit ihr.
Es besteht nach wie vor Fluchtgefahr.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt und dem hg. Erkenntnis L521 2161610-1/38E vom 22.08.2020.
Die Feststellungen bezüglich der im Bundesgebiet aufhältigen Tochter und Schwester des BF ergeben sich aus seinen hierzu vorgebrachten Angaben.
Soweit der BF sucht den Verstoß gegen die periodische Meldeverpflichtung, das darauffolgende Untertauchen sowie das Fernbleiben vom aufgetragenen Termin beim türkischen Generalkonsulat durch eine Ortsabwesenheit und einen Aufenthalt in Deutschland zu rechtfertigen, wird festgehalten, dass dadurch die Fluchtgefahr noch zusätzlich erhärtet und keinesfalls relativiert wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“
3.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
„§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Zu A)
3.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
3.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
4. Zur Schubhaft bisher:
4.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
Der Flugverkehr ist aufgrund der COVID-19 Pandemie nach wie vor eingeschränkt, wurde aber teilweise wieder aufgenommen. Eine Abschiebung ist auch über den Luftweg jedenfalls innerhalb der zulässigen Höchstdauer der Schubhaft von 18 Monaten möglich. Die COVID-19 Pandemie und ihre Auswirkungen stehen einer Schubhaft somit in casu nicht grundsätzlich entgegen. Es sind auch keine Anzeichen aufgekommen, dass der BF Angehöriger einer COVID-19 Risikogruppe wäre.
4.2. Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Aktuell liegt jedenfalls eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bezogen auf Afghanistan vor.
Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der bestehenden durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, der mangelnden Ausreisebereitschaft, der strafgerichtlichen Verurteilung des BF, dem Stellen eines Asylantrages in Verzögerungsabsicht, dem Fehlen einer geregelten Beschäftigung, der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit, dem Verstoß gegen die periodische Meldeverpflichtung und dem darauf folgenden Untertauchen. Das Bundesamt stützte sich dabei auf die Ziffern 1, 1a und 3 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.
Dem Vorliegen der Voraussetzungen der Ziffern 1, 1a und 3 wurde auch in der Beschwerde nicht hinreichend substanziell entgegengetreten. Wie die Beschwerde richtig ausführt, reicht die fehlende Ausreisebereitschaft per se für die Verhängung von Schubhaft nicht aus. Vielmehr ist in der Gesamtschau festzustellen, ob Fluchtgefahr gegeben ist. Gegen eine Fluchtgefahr könnte im gegenständlichen Fall lediglich die Beziehung zu seiner Tochter oder seiner Schwester sprechen. Da die Unterkunftnahme bei seiner Schwester ihn aber bisher schon nicht vom Untertauchen abgehalten hat und die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu seiner Tochter beinahe Ausschließlich über das Internet erfolgt, ist in der Gesamtschau jedenfalls von Fluchtgefahr auszugehen.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Auch hier kann nur die Beziehung zu seiner Schwester und seiner Tochter gegen einen Sicherungsbedarf sprechen. In der Gesamtbetrachtung ist auch von Sicherungsbedarf auszugehen.
Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.
Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Auch hier könnte nur aufgrund der bestehenden Wohnmöglichkeit bei der Schwester und die Bindung zu seiner Tochter die gegenständliche Schubhaft als unverhältnismäßig erscheinen lassen. Aufgrund der Straffälligkeit des BF ergibt sich allerdings zudem ein erhöhtes öffentliches Interesse an einem geregelten Fremdenwesen. Es ist nicht davon auszugehen, dass ihn die Beziehung zu seiner Tochter oder Schwester nun, da eine Heimreise in die Türkei nach der Vorführung zum Generalkonsulat noch näher gerückt ist, von einem Untertauchen abhalten würde. In der Gesamtschau ist die Fluchtgefahr, der Sicherungsbedarf und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft somit zu bejahen.
5. Zur Fortsetzung der Schubhaft:
5.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA VG übertragbar.
5.2. Für die Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem nur über geringe familiäre Anknüpfungspunkte (Schwester und Tochter) im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem Untertauchen abhalten sollte.
Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1,1a und 3 des § 76 Abs. 3 FPG (wie oben dargelegt) erfüllt.
Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne der Z 9 leg. cit. sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen würden, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, soziale Anknüpfungspunkte, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind diese exemplarisch genannten Punkte nur teilweise und in sehr geringem Ausmaß gegeben, andere wurden nicht dargelegt. Die Wohnmöglichkeit bei der Schwester und die Existenz der Tochter sind unstrittig. Diese erhöhen die soziale Verankerung im Bundesgebiet im konkreten Fall aber nur sehr geringfügig.
In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine klare Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.
Im gegenständlichen Fall ist die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig. Die Anwendung eines gelinderen Mittels erscheint zudem ausgeschlossen, da der BF bereits einmal gegen die periodische Meldeverpflichtung verstoßen hat und daraufhin untergetaucht ist.
Substanzielle gesundheitliche Probleme oder gar eine fehlende Haftfähigkeit wurden in der Beschwerde im Übrigen nicht behauptet.
5.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
6. Entfall einer mündlichen Verhandlung
6.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
6.2. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.
7. Kostenersatz
7.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
7.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
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ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2234671.1.00Im RIS seit
09.11.2020Zuletzt aktualisiert am
09.11.2020