TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/8 96/21/0923

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Veröffentlicht am 08.10.1997
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des (am 26. Juli 1961 geborenen) AC, vertreten durch Dr. August Rogler, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, Parkstraße 15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. September 1996, Zl. St 298/96, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen slowakischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG sowie den §§ 19 und 20 leg. cit. ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer sich seit 19. Juli 1989 im Bundesgebiet aufhalte. Die Einreise sei unter Umgehung der Grenzkontrolle mit Hilfe eines Schleppers erfolgt. Der nach der Einreise gestellte Asylantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Über Antrag des Beschwerdeführers sei ihm am 15. Juni 1990 ein Sichtvermerk erteilt worden, in der Folge weitere und zuletzt am 6. Juni 1995 eine bis 5. Juni 1996 gültige Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Am 22. April 1996 habe der Beschwerdeführer einen Verlängerungsantrag nach dem Aufenthaltsgesetz eingebracht. Bei den daraufhin gepflogenen Erhebungen sei bekannt geworden, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Hauptzollamtes Linz vom 11. April 1994 wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei gemäß § 37 Abs. 1 lit. a und der Monopolhehlerei gemäß § 46 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz mit einer Geldstrafe von S 8.000,-- bestraft worden sei.

Der Beschwerdeführer sei mittlerweile mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft worden: Mit Strafverfügung vom 26. Juli 1993 sei er wegen einer gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung gemäß § 52a Z. 10a StVO mit einer Geldstrafe von S 3.000,-- belegt worden. Nachdem der Beschwerdeführer ein KFZ auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein, gelenkt habe, sei er mit Strafverfügung vom 14. Dezember 1993 gemäß § 64 Abs. 1 KFG bestraft worden. Schließlich sei er mit Straferkenntnis vom 1. Februar 1996 gemäß § 5 Abs. 2 StVO, § 4 Abs. 1 lit. a StVO (in zwei Fällen), § 99 Abs. 2 lit. e i.V.m. § 31 Abs. 1 StVO und § 4 Abs. 2 StVO bestraft worden. Diesem Straferkenntnis liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer am 16. September 1995 einen PKW in vermutlich alkoholbeeinträchtigtem Zustand gelenkt habe, wobei er im Ortsgebiet von der Fahrbahn abgekommen sei und gegen das Gebotszeichen "vorgeschriebene Fahrtrichtung" sowie weitere Leiteinrichtungen gestoßen sei, wodurch diese beschädigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, sofort anzuhalten und ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Er habe seine Fahrt fortgesetzt und sei im Ortsgebiet mit einem entgegenkommenden PKW zusammengestoßen. Der Beschwerdeführer habe es wiederum unterlassen, sofort anzuhalten und die nächste Sicherheitsdienststelle zu verständigen. Anschließend habe er am Gendarmerieposten Schörfling die Durchführung des Alkotests verweigert. Wegen dieses Vorfalles sei der Beschwerdeführer auch vom Bezirksgericht Vöcklabruck mit rechtskräftigem Urteil vom 12. Dezember 1995 wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung und des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 88 Abs. 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB und § 89 (81 Z. 2) StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, daß er einer Beschäftigung nachgehe. Seine nicht berufstätige Ehegattin würde sich der Erziehung der gemeinsamen zwei minderjährigen Kinder widmen. Der Beschwerdeführer sei mit seiner Familie seit Juli 1989 in Österreich wohnhaft und sozial integriert.

Aufgrund der erwähnten verwaltungsrechtlichen Bestrafungen sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt, weil Verwaltungsübertretungen nach § 4 und § 5 StVO bzw. nach § 64 Abs. 1 KFG zu den schwerwiegendsten Verwaltungsübertretungen zählten.

Durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes werde in "nicht unbeträchtlichem Ausmaße" in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingegriffen. Angesichts der von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden großen Gefahr für die Allgemeinheit und des Umstandes, daß das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne Lenkerberechtigung zu den gröbsten Verstößen gegen das Kraftfahrgesetz zähle, sowie des hohen Stellenwertes, welcher der Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung überhaupt zukomme, sei nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend geboten. In Anbetracht der schwerwiegenden und regelmäßigen schweren Verwaltungsübertretungen sei das Aufenthaltsverbot dringend geboten, zumal ständige rechtskräftige Bestrafungen den Beschwerdeführer nicht von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen hätten abhalten können.

Dem Beschwerdeführer sei in Anbetracht seines siebenjährigen Aufenthaltes eine entsprechende Integration, insbesonders auch in beruflicher Hinsicht, zuzubilligen. Die von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehende Gefahr lasse jedoch die öffentlichen Interessen an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen als die negativen Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Daran könnten auch die Hinweise des Beschwerdeführers auf seine familiäre und berufliche Situation nichts ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde wird die Feststellung der rechtskräftigen Bestrafungen als richtig zugestanden. Auch die - zutreffende - Beurteilung der belangten Behörde, daß dadurch der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, wird nicht bekämpft.

Der Beschwerdeführer meint, er stelle keinesfalls ein solches Risiko für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, welches eine "Abschiebung" rechtfertige.

Die belangte Behörde hat bei Beurteilung der im § 18 Abs. 1 FrG umschriebenen Annahme zutreffend darauf hingewiesen, daß wiederholte Bestrafungen den Beschwerdeführer nicht davon abgehalten haben, sich neuerlich einer schwerwiegenden Verwaltungsübertretung schuldig zu machen. Dies im Zusammenhang mit den besonderen, von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit, rechtfertigt die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Im Hinblick auf diese großen Gefahren für die öffentliche Sicherheit ist die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers dringend geboten.

Der Beschwerdeführer hält die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 20 Abs. 1 FrG jedenfalls für unzulässig. Sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht er geltend, daß er sich mit seiner Familie bereits seit sieben Jahren in Österreich aufhalte und vollkommen sozial integriert sei. Die Behörde hätte Nachforschungen anstellen müssen, um die familiären und sonstigen sozialen Bindungen des Beschwerdeführers und seiner Familie zu ermitteln. Demgegenüber seien die festgestellten Vergehen nicht so schwerwiegend. Es handle sich durchwegs um Delikte im kriminalistischen Bagatellenbereich.

Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg. Die bisher getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen nämlich noch nicht aus, um eine verläßliche Gewichtung der maßgebenden öffentlichen Interessen einerseits und der diesen zuwiderlaufenden privaten Interessen des Beschwerdeführers andererseits vorzunehmen. Das Gewicht der betroffenen öffentlichen Interessen ist zwar im Hinblick auf Art und Anzahl der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden verwaltungsbehördlichen Bestrafungen und der gerichtlichen Verurteilung keineswegs gering zu veranschlagen; zu seiner genauen Einschätzung und der daraus zu ziehenden Gefährlichkeitsprognose bedarf es aber noch der Feststellung, welches Verhalten den verwaltungsbehördlichen Bestrafungen und dem Finanzvergehen zugrundegelegen ist. Dies ist schon deswegen erforderlich, weil diese rechtskräftigen Bestrafungen zwei bzw. drei Jahre zurückliegen.

Zum anderen geht die belangte Behörde von einem siebenjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers aus. Es werden jedoch keine Aussagen über die Rechtmäßigkeit dieses Aufenthaltes getroffen und auch nicht über die Dauer des Aufenthaltes der Ehegattin und der Kinder des Beschwerdeführers. Die belangte Behörde hat (Seite 7 des angefochtenen Bescheides) von der Aufnahme weiterer Beweise Abstand genommen, weil ihr der entscheidungsrelevante Sachverhalt ausreichend ermittelt schien. Die belangte Behörde hat aber auch zu den im erstinstanzlichen Bescheid getroffenen Feststellungen über einen Wohnsitz des Beschwerdeführers in seinem Heimatland und dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen keinerlei Feststellungen getroffen. Diese Umstände sind jedoch zu einer verläßlichen Interessenabwägung im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zwingend erforderlich.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. An Barauslagen waren nur die erforderlichen Stempelgebühren für die Beschwerde (dreifach, insgesamt S 360,--) und die Bescheidvorlage (S 60,--) zuzusprechen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996210923.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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