Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des A***** Z*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters I***** Z*****, vertreten durch Dr. Anastasia Mitrofanova, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 2020, GZ 44 R 570/19b-200, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Kinder- und Jugendhilfeträger gewährt dem Sohn des Revisionsrekurswerbers aufgrund einer Vereinbarung mit der allein obsorgeberechtigten Mutter volle Erziehung nach den §§ 30 und 31 WKJHG. Damit wurde ihm zwar die Ausübung der Obsorge faktisch übertragen, rechtlich hat sich aber nichts daran geändert, dass die Mutter mit der Obsorge betraut ist (RS0127384). Sollten die Unterbringung des Kindes in einer Wohngemeinschaft oder andere Gründe für eine Änderung der bestehenden Kontaktregelung sprechen, läge es daher an der Mutter, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen; dies sinnvollerweise im Einvernehmen mit dem Kinder- und Jugendhilfeträger.
[2] 2. Eine eigenständige „Regelungsbefugnis“ dieses Trägers besteht in diesem Zusammenhang selbstverständlich nicht, auch das Rekursgericht hat keine solche Befugnis angenommen. Vielmehr hat es klargestellt, dass das Erstgericht ausschließlich über den Antrag des Vaters auf Ausdehnung seines Kontaktrechts abgesprochen hat. Die bestehende Kontaktrechtsregelung wurde damit nicht eingeschränkt und ist daher unverändert aufrecht; Ausführungen des Rekursgerichts zu dieser Regelung sind daher als bloße obiter dicta nicht zu überprüfen.
[3] 3. Die Nichteinvernahme des Vaters im Rahmen der Beweisergänzung durch das Rekursgericht könnte zwar einen Verfahrensmangel begründen. In seiner Zulassungsbeschwerde zeigt der Vater aber die Relevanz dieses Mangels nicht auf. Denn auch das Rekursgericht stellt nicht in Abrede, dass sich der Vater um das Wohlergehen seines Sohnes bemüht. Entscheidend für die Abweisung seines Antrags war vielmehr der Umstand, dass er sich nicht an die bestehende Regelung gehalten und dadurch den ohnehin schon bestehenden Loyalitätskonflikt seines Sohnes zu dessen Nachteil vertieft hatte. Wenn das Rekursgericht auf dieser Grundlage die Auffassung vertrat, dass (jedenfalls) eine Ausdehnung des Kontaktrechts nicht im – allein maßgebenden (RS0047958) – Interesse des Sohnes liege, hat es seinen im Einzelfall bestehenden Beurteilungsspielraum (RS0097114) nicht überschritten. Wünsche des betroffenen Minderjährigen sind in Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren zwar ein beachtliches Kriterium, von dem aber zur Wahrung des Kindeswohls abgewichen werden kann (RS0047937).
Textnummer
E129449European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00115.20F.0806.000Im RIS seit
05.11.2020Zuletzt aktualisiert am
05.11.2020