TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/3 W161 2131083-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W161 2131083-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2020, Zl. 1094560309/200173854, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 07.01.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung des XXXX als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.02.2022 verlängert.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 09.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

In seiner Erstbefragung am 12.11.2015 gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen an ledig zu sein, seine Muttersprache sei Farsi und spreche er auch schlechtes Englisch. Er sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Saadat an. Er habe fünf Jahre die Grundschule in XXXX und in XXXX , sechs Jahre die Mittelschule in XXXX und zwei Jahre die Universität in XXXX besucht. Zuletzt sei er Student gewesen. Seine Eltern, sein Bruder und seine vier Schwestern würden im Iran leben. Ein mitgereister Onkel und seine Schwägerin seien ebenfalls in Österreich. Er sei im Iran geboren und habe dort auch gelebt. In Afghanistan (Bamiyan) sei er 10 Tage lang für einen Behördenweg aufhältig gewesen. Er sei Schüler und Student gewesen und habe als Schweißer und Landarbeiter gearbeitet. In Afghanistan gäbe es Grundstücke eines Großvaters, im Iran hätten sie nichts. Die finanzielle Situation der Familie sei schlecht. Der Vater und die Mutter würden arbeiten.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 30.06.2016 gab der BF zusammengefasst an, gesund zu sein. Sein Bruder lebe mittlerweile nicht mehr im Iran, sondern in Schweden. Er befinde sich in Grundversorgung und lebe hier gemeinsam mit seinem Onkel mütterlicherseits.

Zu seinem Lebenslauf gab er an, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein. Er habe die zwölfte Klasse dort abgeschlossen und sei im dritten Jahr seines Studiums (Architektur) gewesen, als er das Land verlassen habe. Er habe hin und wieder gearbeitet, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er sei vor drei Jahren einmal für zwei Wochen in Afghanistan (Herat) gewesen. Er sei nur dort gewesen, um ein Studentenvisum zu beantragen. Seine Familie komme aus Bamiyan. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Er habe als Schweißer auf dem Bau gearbeitet. Befragt, welche Angehörigen er noch in Afghanistan habe, gab der BF an: „Ich habe einen Onkel aber ich weiß wo er sich aufhält“. Er habe heute zuletzt mit seiner Mutter gesprochen, diese befinde sich im Iran. Seiner Familie gehe es gut.

2. Mit Bescheid des BFA vom 05.07.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid brachte der BF fristgerecht eine Beschwerde ein.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2017, Zl. W123 2131083-1/5E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wurde stattgegeben und dem BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 idgF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 08.02.2018 erteilt. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen.

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes stellte im Wesentlichen fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei und der Volksgruppe der Sadat angehöre. Die Familie des BF stamme ursprünglich aus Bamiyan, sei aber aufgrund von Schwierigkeiten in Afghanistan in den Iran geflüchtet. Der BF sei im Iran geboren und dort aufgewachsen. Er sei für zwei Wochen in Afghanistan (Herat) gewesen. Die Familie des BF lebe im Iran.

In der Begründung zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass es sich beim BF zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmefähigkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF im Iran geboren, aufgewachsen und – bis auf einen zweiwöchigen Aufenthalt in Afghanistan – sein gesamtes Leben auch dort verbracht habe. Die Familie des BF lebe nach wie vor im Iran. In Afghanistan verfüge der BF somit über keine sozialen oder familiären Netzwerke. Der BF wäre daher im Falle der Rückkehr nach Afghanistan auf sich alleine gestellt und gezwungen, nach einem – wenn auch nur vorläufigen – Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Das BFA habe daher zu Unrecht den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen und könne nunmehr als ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes angesehen werden, dass eine Rückkehr nach Afghanistan allenfalls zumutbar sei, wenn der Betroffene dort über ein ausreichendes soziales und wirtschaftliches Netz verfüge, welches zu der vertretbaren Annahme führe, dass dem Rückkehrer notwendige Unterstützung zu Teil werde (VfGH vom 06.06.2013, U 144/2103). Da sich im Verfahren ergeben habe, dass ein derartiges Netz in keiner Weise vorhanden sei, könne schon aus diesem Grund nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der BF in Afghanistan in eine auswegslose Lage geraten würde, die einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK gleich zu halten wäre. Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheine daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Er wäre bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der realen Gefahr ausgesetzt, in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

3. Am 11.12.2017 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005. Mit Bescheid des BFA vom 16.01.2018 wurde dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 08.02.2020 erteilt. Ausgeführt wurde, dass aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag, das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig bewertet werden können.

4. Am 07.01.2020 stellte der BF neuerlich einen Antrag auf Verlängerung der subsidiären Schutzberechtigung gemäß § 8 AsylG 2005.

Im Zuge des Antrages wurden ein Dienstvertrag von XXXX (Eintrittsdatum 17.12.2019, als Mitarbeiter in der Systemgastronomie für 35h pro Woche, befristet auf einen Monat zur Probe) und ein ÖSD-Zertifikat B2 vom 13.11.2019 vorgelegt.

5. Am 14.02.2020 wurde der BF von der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari einvernommen.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen gab er an, seine Muttersprache sei Dari, er spreche auch Farsi, Deutsch auf B2 Niveau und Englisch. Er sei gesund und nehme keine Medikamente ein. Er arbeite seit zwei Monaten bei XXXX . Er gehöre der Volksgruppe der Sadat an und sei schiitischer Moslem. Jetzt sei er aber ohne Bekenntnis. Seit er in Österreich sei, habe er nichts mehr mit dem Islam zu tun. Er sei im Iran geboren, habe dort die Schule mit Matura abgeschlossen und zwei Jahre Architektur studiert. Nebenbei habe er als Schweißer gearbeitet. Er sei nicht verheiratet und habe keine Kinder. Seine gesamte Familie lebe im Iran. Dazu würden seine Eltern und seine vier Schwestern zählen. Er habe fünf Onkel mütterlicherseits und ca. sieben oder acht Onkel väterlicherseits, eine Tante mütterlicherseits. Wie viele Tanten väterlicherseits er habe, wisse er nicht. Die meisten würden im Iran leben. Die anderen würden in Griechenland, Deutschland und Afghanistan leben. Die kenne er aber nicht. Er wisse, dass ein Onkel väterlicherseits in Afghanistan lebe und mit seinem Vater in Kontakt stehe. Er glaube, der Onkel lebe in Bamiyan. Er könne aber keinen Kontakt zu diesem herstellen, da er selbst keine Kontakte in Afghanistan habe. Letzte Woche habe er zuletzt mit seiner Mutter gesprochen. Mit seinem Vater habe er vor ca. vier Monaten gesprochen. Über Internettelefonie erreiche er die Mutter, den Vater müsse er so anrufen, dies koste ihn etwas. Die Eltern würden aber zusammenwohnen. Der Familie gehe es gut, auch finanziell würde es ihnen gut gehen, der Vater würde immer arbeiten gehen.

Befragt, welche Befürchtungen er für den Fall einer Rückkehr nach Afghanistan habe, gab der BF an, nicht darüber nachdenken zu wollen. In Mazar-e Sharif könne er wegen der schlechten Sicherheitslage nicht leben. Er habe sein ganzes Leben im Iran verbracht. Befragt, welche Befürchtungen er im Falle einer Rückkehr nach Herat habe, gab der BF an, nur für zwei Wochen, wegen seines Studentenvisums dort gewesen zu sein. Er kenne dort niemanden. Befragt, welche Befürchtungen er im Falle einer Rückkehr nach Bamiyan habe, gab der BF an, dort noch nie gewesen zu sein und es nicht zu kennen.

Zu seinem Leben in Österreich gab er an, einen Weiterbildungskurs als Schweißer gemacht zu haben. Er habe Deutschkurse besucht und die Prüfungen bis B2 bestanden. Jetzt arbeite er bei XXXX . Familiäre oder private Bindungen in Österreich habe er nicht. Er sei auch nicht Mitglied in Vereinen oder Organisationen.

6. Aus einem Aktenvermerk des BFA geht hervor, dass sich Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen würden, da eine taugliche IFA bestehe. Es sei somit von der Erfüllung des Tatbestandes des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG auszugehen.

7. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 18.02.2020 erkannte das BFA dem BF den mit Bescheid vom 08.02.2017 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde sein Antrag vom 07.01.2020 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). In Spruchpunkt III. wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Das BFA stellte fest, dass der BF afghanischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Sadat angehöre, schiitischer Moslem sei und Dari, Farsi und Deutsch spreche. Er sei im Iran geboren und aufgewachsen. Er sei arbeitsfähig und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er sei ledig, habe im Iran die Matura abgeschlossen, zwei Jahre lang studiert und habe Arbeitserfahrung als Schweißer gesammelt. Er überzeuge mit seiner Flexibilität und Aufgeschlossenheit. Er sei anpassungsfähig und anpassungswillig. Er sei mit den Gebräuchen sowie Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen aktuell nicht vor. Die genannten (positiven) Eigenschaften seien zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vorgelegen, seien der Behörde allerdings nicht bekannt gewesen. Es liege keine Gefährdungslage auf Afghanistan allgemein vor und könne er eine IFA in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und in der Provinz Bamiyan in Anspruch nehmen. Dort würde er Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Diese Städte seien zumutbar, sicher und gefahrenlos zu erreichen.

In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis vom 08.02.2017 lediglich zuerkannt worden sei, weil für ihn als Zivilperson im Falle einer Rückkehr eine reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens nicht habe ausgeschlossen werden können, umso mehr, da er über keine familiären Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt haben solle. Aufgrund dessen sei davon ausgegangen worden, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt sein werde.

Dies habe sich nun geändert, da der BF einen Onkel in Bamiyan habe, zu denen seine Familie Kontakt habe. Da der BF Kontakt zu seiner Familie habe, könne er auch Kontakt zu den Verwandten in Afghanistan herstellen und verfüge er somit über ein soziales Netzwerk in Afghanistan, welches er in Anspruch nehmen könne. Da die Provinz Bamiyan als zumutbar gelte, könne er dort seinen Lebensunterhalt bestreiten, umso mehr er diese Provinz auch ohne Gefährdung erreichen könne. Er könne sich dort ein Leben aufbauen und seine dortig vorhandenen Netzwerke nutzen. Eine Neuansiedelung in den Städten Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan sei zumutbar. Er sei im erwerbsfähigen Alter und arbeitsfähig. Er habe die Schule besucht, Matura gemacht und mehrere Jahre hinweg Arbeitserfahrung gesammelt. Dies werde ihm bei der Arbeitssuche und bei der Wiedereingliederung in die afghanische Gesellschaft nützlich sein. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat führe nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedelung, da er ein erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann sei, der seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen könne und dabei im Bedarfsfall auf diverse Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGOs) zurückgreifen könne. In der Provinz Bamiyan könne er ebenso seinen Lebensunterhalt bestreiten, da er dort über soziale Anknüpfungspunkte verfüge. Auch der VwGH gehe davon aus, dass selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützungen in Mazar-e Sharif oder Herat nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Rückkehr an diesen Ort führen. Da es ihm gelungen sei, seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten und er im Alltag immer wieder auftretende Schwierigkeiten in den diversen Bereichen bewältige, sei es ihm zuzumuten mit seiner (neu gewonnenen) Lebenserfahrung auch in Afghanistan zumutbar leben zu können. Betreffend eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in Mazar-e Sharif, Herat oder Bamiyan wurde ausgeführt, dass mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben seien, um diesen Problemen Abhilfe zu schaffen. Auch sei es einem Erwachsenen zumutbar, sich in den Großstädten seines Herkunftsstaates Kenntnisse über die örtlichen Begebenheiten anzueignen. Nunmehr habe sich auch aufgrund der Schilderung seines Lebenslaufes die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen seiner Person gänzlich konträr dargestellt, zumal sich der BF durch ein freundliches Verhalten auszeichne und mit seiner Flexibilität und Aufgeschlossenheit überzeuge. Die positiven Eigenschaften würden ihm im Rahmen der Rückkehr von hohem Nutzen sein. Auch sei es gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in weitestgehend unbekannter Umgebung zu knüpfen. Er könne auch Unterstützung von UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen. Laut den Länderfeststellungen sein Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan gut bzw. sicher erreichbar. Sein Onkel in Afghanistan könne den BF mit Sicherheit – wenn auch nur kurzfristig – unterstützen. Ebenso spreche er die Landessprachen und könne er seine in Österreich erlernten Fähigkeiten nutzen und wohl schnell Arbeit finden.

In der rechtlichen Beurteilung verwies die belangte Behörde ua. auf Rechtsprechung des EuGH (Bilali), des VwGH, des AsylGH und des BVwG und führte zu Spruchpunkt I. aus, dass im gegenständlichen Fall nach § 9 Abs. 1 Z 1 1. Fall abzuerkennen sei, da – wie sich aus der Beweiswürdigung ergebe – im Falle des BF die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht vorliegen würden, umso mehr er auf Nachfragen des zur Entscheidung berufenen Organwalters nichts vorgebracht oder glaubhaft gemacht habe, was eine aktuell vorliegende Gefährdung seiner Person im gesamten Heimatstaat annehmen ließe. Auch nach den Richtlinien von UNHCR vom 30.08.2018 brauche es für eine IFA keine externe Unterstützung für alleinstehende, leistungsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter, soweit keine spezifischen Vulnerabilitäten vorliegen würden. Selbst nach der Rechtsprechung des VwGH (Ra 2019/20/0175) könne dem BF eine IFA zugemutet werden. Die psychischen Leiden des BF seien in Afghanistan behandelbar. Den obigen Ausführungen entsprechend (Feststellungen und Beweiswürdigung) falle der BF unter die Personengruppe, der eine IFA in Mazar-e Sharif und Herat offenstehe. Außerdem könne er nach Bamiyan zurückkehren, da er dort noch Onkel habe, die ihn unterstützen könnten. Er könne deren Netzwerke verwenden, um schnell eine Arbeitsstelle und eine Wohnung zu finden, da diese schon längere Zeit in dieser Provinz wohnen würden und somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Netzwerke haben würden. Nach aktuellem Kenntnisstand der Behörde zur Situation in seinem Heimatland erfülle der BF derzeit nicht die Voraussetzungen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG und § 11 AsylG, weshalb gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigen abzuerkennen gewesen sei. Diese Entscheidung werde keineswegs alleine von einer Änderung der Rechtsprechung alleine getragen, sondern von einer Aktualisierung des Kenntnisstandes der Behörde zur allgemeinen Situation im Herkunftsland des BF. Berücksichtigt worden sei dabei auch die konkrete Einzelsituation des BF, wobei das Ermittlungsverfahren spezifische Kenntnisse und Fähigkeiten zu Tage gebracht habe, die im Zeitpunkt der Zuerkennung des Schutzstatus keine Berücksichtig gefunden hätten (dazu werde auf die Feststellungen zur Person des BF und die Beweiswürdigung verwiesen).

8. Dagegen wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und der Bescheid im gesamten Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung wegen mangelhafter Beweiswürdigung und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass sich die Situation des BF seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw. seit der Verlängerung nicht verändert habe. Die Behörde gehe in ihrer Begründung teilweise von bloßen Annahmen aus, ohne sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt zu haben. Die Aberkennung sei rechtwidrig, da die Gründe für die Zuerkennung nach wie vor vorlägen und stütze die belangte Behörde die Aberkennung zum Großteil auf geänderte Rechtsprechung. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren sei grob mangelhaft und sei das BFA der Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhaltes nicht nachgekommen, zumal der BF dann erklären hätte können, dass er mittlerweile einen sehr westlichen Lebensstil habe und er den islamischen Glauben ablehne bzw. sich nicht mehr den mit diesen einhergehenden gesellschaftlichen Regeln und Pflichten unterwerfen wolle. Diese Umstände seien auch für die Beurteilung einer IFA bzw. für den subsidiären Schutz relevant. Die Behörde hätte auch erfragen müssen, wie der BF im Iran aufgewachsen sei und hätte er dann angeben können, dass seine Eltern Farsi und nicht Dari mit ihm gesprochen haben, er in eine iranische Schule gegangen sei und bis zum Gymnasium nur iranische Freunde gehabt habe. Seine Familie habe die afghanischen Kulturen und Traditionen nicht gepflegt, weshalb ihm die afghanische Kultur fremd sei. Weiters sei in der Einvernahme vom 14.02.2020 zwar protokolliert worden, dass der BF Dari spreche, dies sei aber ein Fehler im Protokoll, die Einvernahme sei tatsächlich in Farsi durchgeführt worden. Auch die am 30.06.2016 durchgeführte Einvernahme sei in Farsi durchgeführt worden. Zudem hätte sich die Behörde mit der Frage der Erreichbarkeit der Städte Herat und Mazar-e Sharif bzw. Bamiyan auseinandersetzen müssen. Soweit das BFA auf den Fall Bilali verweise, so sei die Behörde in diesem Fall nachträglich zur Erkenntnis gelangt, dass der BF eine andere Staatsangehörigkeit – als im Zuerkennungsbescheid angenommen – besitze und für die neu festgestellte Staatangehörigkeit der Schutz nicht gegeben worden wäre. Auch müsse die falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen sowie die nachträglich als unzutreffend erwiesenen Tatsachen für die Schutzzuerkennung ausschlaggebend gewesen sein. Gegenständlich vermeine die Behörde, dass der BF nunmehr einen Onkel in Bamiyan habe, zu welchem die Familie des BF Kontakt habe und er daher ein soziales Netz in Afghanistan habe bzw. ihm eine IFA in Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan zur Verfügung stehen würde. Der BF habe sowohl in seiner Einvernahme am 30.06.2016, als auch in der Einvernahme am 14.02.2020 angegeben, dass er von einem Onkel wisse, der noch in Afghanistan lebe, er allerdings keinen Kontakt zu diesem habe. In der Einvernahme am 14.02.2020 habe er zusätzlich angegeben, dass der Vater zu seinem Onkel Kontakt habe, er aber vermute, dass der Onkel in Bamiyan lebe. Der Vater habe allerdings keinen telefonischen Kontakt mit dem in Afghanistan lebenden Onkel des BF, sondern hätten diese lediglich Kontakt, wenn der Onkel auf Besuch im Iran sei. Die Familie des BF verfüge auch nicht über eine Kontaktnummer oder eine Adresse des Onkels in Afghanistan. Zudem handle es sich bei der Angabe des BF, wonach der Onkel in Bamiyan lebe um eine bloße Vermutung. Dem BF sei nicht bekannt, wo genau in Afghanistan sich sein Onkel aufhalte oder ob es seinem Onkel möglich sei, ihn finanziell zu unterstützen bzw. von welchen Mitteln der Onkel lebe. Aufgrund dessen könne nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der BF sozialen oder familiären Anschluss in Afghanistan vorfinden werde. Das Bundesamt habe lediglich eine andere rechtliche Beurteilung bzw. Subsumtion vorgenommen, welche nicht geeignet sei, eine Statusaberkennung zu begründen. Auch die Aberkennung aufgrund eines Rechtsirrtums sei ausgeschlossen. Eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG sei nur in Fällen möglich, in welchen aufgrund einer Tatsachenänderung oder eines Tatsachenirrtums eine neuerliche rechtliche Beurteilung geboten sei. Eine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, die sich lediglich auf eine geänderte rechtliche Beurteilung stütze, widerspreche dem Unionsrecht und sei unzulässig. Auch hätte eine einzelfallbezogene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt werden müssen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen weiterhin vor und müssten auch die UNHCR-Richtlinien und EASO-Berichten berücksichtigt werden müssen, da diesen Indizwirkung zukomme. Der BF sei im Iran geboren und aufgewachsen und habe sein ganzes Leben bis zu seiner Flucht nach Europa im Iran verbracht. Er sei im Iran sozialisiert worden und spreche Farsi, kein Dari. Er sei mit den in Afghanistan herrschenden Gebräuchen und Sitten nicht ausreichend vertraut und würde bei einer Rückkehr sofort auffallen. Er lehne den muslimischen Glauben ab und lebe nach westlichen Werten. Es könne nicht mit der notwendigen Sicherheit dazu ausgegangen werden, dass der BF über ein familiäres Unterstützungsnetzwerk verfüge. Er habe keinen persönlichen Kontakt mit seinem Onkel, auch seine Familie habe vom Onkel keine Kontaktdaten. Über den Aufenthaltsort des Onkels könne der BF lediglich Vermutungen aufgrund der Herkunft der Familie anstellen. Er habe somit keine Möglichkeit bei einer Rückkehr auf ein familiäres Unterstützungsnetzwerk zurückzugreifen. Der BF würde bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage geraten, welche einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK gleich zu halten wäre. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes würden sohin weiterhin vorliegen. Abschließend wurde ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Mit der Beschwerde wurden ein ÖSD-Zertifikat B2 vom 13.11.2019, eine Teilnahmebestätigung an einem Werte- und Orientierungskurs vom 31.05.2017, der unbefristete Dienstvertrag des BF von XXXX sowie Lohnzettel (für Dezember 2019 und Jänner 2020) vorgelegt.

9. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.03.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den hg. Akt betreffend den BF, durch Einsicht in das dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegte Länderinformationsblatt zu Afghanistan vom 13.11.2019 sowie durch Einholung eines aktuellen Strafregisterauszugs.

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Sadat und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er spricht Farsi, Dari, ein wenig Englisch und Deutsch auf B2 Niveau. Er ist ledig und kinderlos.

Die Eltern des BF stammen ursprünglich aus der Provinz Bamyan in Afghanistan und zogen bereits vor der Geburt des BF in den Iran. Der BF wurde im Iran geboren und ist dort aufgewachsen. Er hat im Iran die Grund- und Mittelschule abgeschlossen und zwei Jahre lang eine Universität besucht (Studium: Architektur). Er hat im Iran hin und wieder als Schweißer und Landarbeiter gearbeitet. In seinem Heimatland Afghanistan hat sich der BF lediglich zwei Wochen lang (in Herat) aufgehalten.

Die Eltern und Schwestern des BF leben nach wie vor im Iran. Der BF steht mit der Mutter in regelmäßigem Kontakt. In Afghanistan (Provinz Bamyan) hält sich nach wie vor ein Onkel des BF auf, zu dem der BF selbst keinen Kontakt hat. Allfällige andere Verwandte in Afghanistan kennt der BF nicht.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und –willig.

Der BF ist Mitarbeiter in der Systemgastronomie ( XXXX ). Zudem hat er in Österreich, neben Deutschkursen, einen Weiterbildungskurs als Schweißer und einen Werte- und Orientierungskurs gemacht.

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF sowie der humanitären Lage bzw. Sicherheits- und Versorgunglage in Afghanistan, insbesondere auch in der Herkunftsprovinz seiner Eltern (Bamyan) sowie in den Städten Herat und Mazar-e Sharif, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2017 bzw. seit der letzten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 16.01.2018 wesentlich verändert oder nachhaltig verbessert haben.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des BF (Staatsangehörigkeit, seinem Leben im Iran, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Sprache und Herkunft der Eltern) seinen Lebensumständen, seinem Lebenswandel sowie zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des BF im Laufe des Asylverfahrens.

Die Feststellung, dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seinen Angaben während des Verfahrens.

Die Feststellungen zum aktuellen Aufenthalt der Eltern und Schwestern des BF bzw. dem regelmäßigen Kontakt des BF zu seiner Mutter, ergeben sich aus den Angaben des BF während des Verfahrens (insbesondere aus seiner Einvernahme am 14.02.2020), wobei den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zu entnehmen ist, dass sie grundsätzlich ebenso davon ausgeht, dass sich die Eltern und die Geschwister des BF im Iran aufhalten.

Die Feststellungen zum Berufsweg des BF in Österreich bzw. zu seinen Deutschkenntnissen ergeben sich aus den Angaben des BF in seiner Einvernahme vor dem BFA vom 14.02.2020 und aus den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 08.02.2017 sowie auch seit der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid des BFA vom 16.01.2018 nicht wesentlich geändert und nachhaltig verändert bzw. verbessert haben, folgt zum einen aus der Begründung des angefochtenen Bescheides und konnte zudem im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides getroffen werden. Dabei erfolgt insbesondere eine Gegenüberstellung des Inhalts der dem Erkenntnis vom 08.02.2017 zugrundeliegenden Begründung mit der, die die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides herangezogen hat, sowie auch mit der zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung bestehenden individuellen Situation des BF (siehe dazu wie folgt in der rechtlichen Beurteilung).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist in § 9 AsylG geregelt, der wie folgt lautet:

„§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

[…]“

Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 idgF BGBl. I Nr. 53/2019 (AsylG) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen fu?r die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.

Bei richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG kommt eine Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes im Lichte des Art. 19 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 u?ber Normen fu?r die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, fu?r einen einheitlichen Status fu?r Flu?chtlinge oder fu?r Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und fu?r den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) nur bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der „falschen Darstellung“, des „Verschweigens von Tatsachen“ oder der „Verwendung gefälschter Dokumente, die fu?r die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausschlaggebend“ waren, in Betracht (Böckmann-Winkler/Lipphart-Kirchmeir in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht § 9 AsylG 2005, E5). Im gegenständlichen Fall ergeben sich jedoch aus dem angefochtenen Bescheid keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, dass eines dieser Tatbestandsmerkmale vorliegt. Das BFA konnte in seinen begründenden Ausführungen nicht dartun, dass die Aberkennung im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG zu Recht erfolgt wäre. Soweit sich das BFA dabei auf die Rechtsprechung des EuGH (Bilali) beruft, so ist darauf hinzuweisen, dass das BFA im Fall Bilali (irrtümlich) eine andere Staatsangehörigkeit angenommen hat, ihm deshalb der Status des subsidiär Schutzberechtigten (nicht rechtmäßig) zuerkannt wurde und die Aufrechterhaltung dieses Status daher nicht mehr gerechtfertigt war. Im Fall des BF liegt allerdings keine vergleichbare Konstellation vor.

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist „die zu entscheidende Angelegenheit“ im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiär Schutzberechtigten an sich und sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht lediglich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG beschränkt (auf den sich das BFA im vorliegenden Fall berufen hat), sondern hat vielmehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 3 AsylG aufzugreifen.

Nach dem mit „Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus“ u?bertitelten Art. 19 Abs. 1 Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes gefu?hrt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Diese maßgeblichen Sachverhaltsänderungen können nicht immer (allein) in Änderungen im Herkunftsland, sondern auch entscheidungswesentlich in der persönlichen Situation des Schutzberechtigten gelegen sein. Dabei sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu beru?cksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es du?rfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle fu?r die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Im konkreten Fall hat das Bundesverwaltungsgericht die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten vom 08.02.2017 auf die Feststellung gestützt, dass es sich beim BF zwar um einen arbeitsfähigen und gesunden jungen Mann handle, bei dem die grundsätzliche Teilnahmefähigkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne, es müsse demgegenüber aber maßgeblich berücksichtigt werden, dass der BF im Iran geboren, aufgewachsen und – bis auf einen zweiwöchigen Aufenthalt in Afghanistan – sein gesamtes Leben auch dort verbracht habe. Die Familie des BF lebe nach wie vor im Iran. In Afghanistan verfüge der BF somit über keine sozialen oder familiären Netzwerke. Der BF wäre daher im Falle der Rückkehr nach Afghanistan auf sich alleine gestellt und gezwungen, nach einem – wenn auch nur vorläufigen – Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Eine Rückkehr des BF könne allenfalls zumutbar sein, wenn der Betroffene dort über ein ausreichendes soziales und wirtschaftliches Netz verfüge, welches zu der vertretbaren Annahme führe, dass dem Rückkehrer notwendige Unterstützung zu Teil werde (VfGH vom 06.06.2013, U 144/2103). Da sich im Verfahren ergeben habe, dass ein derartiges in keiner Weise vorhanden sei, könne schon aus diesem Grund nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der BF in Afghanistan in eine auswegslose Lage geraten würde, die einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK gleich zu halten wäre. Die Rückkehr des BF nach Afghanistan erscheine daher derzeit unter den dargelegten Umständen als unzumutbar. Er wäre bei einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der realen Gefahr ausgesetzt, in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden.

Im angefochtenen Bescheid wurde nun im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Lage nunmehr geändert habe, da der BF einen Onkel in Bamiyan habe, zu denen seine Familie Kontakt habe. Da der BF Kontakt zu seiner Familie habe, könne er auch Kontakt zu den Verwandten in Afghanistan herstellen und verfüge er somit über ein soziales Netzwerk in Afghanistan, welches er in Anspruch nehmen könne. Er könne in der Provinz Bamyan ein Leben aufbauen, seinen Lebensunterhalt bestreiten und seine dortig vorhandenen Netzwerke nutzen. Weiters wurde der BF - unter Bezugnahme auf das Länderinformationsblatt vom 13.11.2019 – auf eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Herat oder Mazar-e Sharif verwiesen. Dies wurde maßgeblich damit begründet, dass der BF im erwerbsfähigen Alter, erwachsen, gesund und arbeitsfähig sei. Er habe die Schule besucht, Matura gemacht und mehrere Jahre hinweg Arbeitserfahrung gesammelt. Im Bedarfsfall könne er auf diverse Unterstützungsnetzwerke (von internationalen und nationalen Rückkehrorganisationen bzw. NGOs, UNHCR oder IOM) zurückgreifen. Da es ihm gelungen sei, seinen Lebensunterhalt in Österreich zu bestreiten und er im Alltag immer wieder auftretende Schwierigkeiten in den diversen Bereichen bewältige, sei es ihm zuzumuten mit seiner (neu gewonnenen) Lebenserfahrung auch in Afghanistan zumutbar leben zu können. Auch sei es einem Erwachsenen zumutbar, sich in den Großstädten seines Herkunftsstaates Kenntnisse über die örtlichen Begebenheiten anzueignen. Nunmehr habe sich auch aufgrund der Schilderung seines Lebenslaufes die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen seiner Person gänzlich konträr dargestellt, zumal sich der BF durch ein freundliches Verhalten auszeichne und mit seiner Flexibilität und Aufgeschlossenheit überzeuge. Die positiven Eigenschaften würden ihm im Rahmen der Rückkehr von hohem Nutzen sein. Auch sei es gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in weitestgehend unbekannter Umgebung zu knüpfen. Laut den Länderfeststellungen sein Mazar-e Sharif, Herat und Bamiyan gut bzw. sicher erreichbar. Sein Onkel in Afghanistan könne den BF mit Sicherheit – wenn auch nur kurzfristig – unterstützen. Ebenso spreche er die Landessprachen und könne er seine in Österreich erlernten Fähigkeiten nutzen und wohl schnell Arbeit finden. In der rechtlichen Beurteilung wurde Weiters noch ausgeführt, dass die psychischen Leiden des BF in Afghanistan behandelbar seien bzw. er nach Bamiyan zurückkehren könne, da er dort noch Onkel habe, die ihn unterstützen könnten. Er könne deren Netzwerk verwenden, um schnell eine Arbeitsstelle und eine Wohnung zu finden, da diese schon längere Zeit in dieser Provinz wohnten und somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Netzwerke hätten.

Eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit Erkenntnis vom 08.02.2017 geführt haben, bzw. eine nachhaltige geänderte Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage in Afghanistan ist jedoch nicht erkennbar.

Soweit sich das BFA hinsichtlich einer Rückkehr des BF nach Bamyan darauf stützt, dass der BF nunmehr einen Onkel in Bamyan habe, zu dem die Familie des BF in Kontakt stehe bzw. der BF Kontakt zu seiner Familie habe, er daher auch Kontakt zu seinen Verwandten in Afghanistan herstellen könne und er daher über ein soziales Netzwerk in Afghanistan verfüge, welches er in Anspruch nehmen könne; so ist darauf hinzuweisen, dass der BF schon in seiner Einvernahme vor dem BFA am 30.06.2016 angab, einen Onkel in Afghanistan zu haben (vgl. AS 108). Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat unter Einbeziehung dieser Einvernahme (ohne mündliche Verhandlung) entschieden und dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weshalb nunmehr eine wesentliche und nachhaltige Änderung vorliegen sollte, erschließt sich dem Bundesverwaltungsgericht daher nicht. Hinzu kommt Weiters, dass der BF in der letzten Einvernahme vor dem BFA lediglich angab, er glaube, dass sein Onkel in Bamyan lebe (vgl. S. 3 Einvernahmeprotokoll vom 14.02.2020). Die belangte Behörde hat sich somit auf eine bloße Vermutung des BF gestützt, ohne aber konkret zu wissen bzw. zu erfragen, unter welchen finanziellen/sozialen Verhältnissen der Onkel des BF in Bamyan lebt, ob dieser einer Arbeit nachgeht bzw. der Onkel den BF generell unterstützen will oder kann. In der rechtlichen Beurteilung geht die belangte Behörde dann überhaupt davon aus, dass der BF in Bamyan mehrere Onkel habe, die ihn unterstützen könnten und er deren Netzwerke (für die Suche nach einer Arbeitsstelle oder Wohnung) verwenden könne, da diese schon längere Zeit in dieser Provinz wohnten und somit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Netzwerke hätten. Auch diese Ausführungen der belangten Behörde entbehren jeglicher Grundlage und sind mit dem Akteninhalt nicht vereinbar. Insgesamt ist aufgrund der Aktenlage somit nicht davon auszugehen, dass der BF über ein ausreichendes soziales und wirtschaftliches Netzwerk verfügt, welches den BF bei einer Rückkehr hinreichend unterstützen kann und ist somit in diesem Punkt keine wesentliche und nachhaltige Änderung des Sachverhaltes eingetreten.

Soweit sich das BFA nunmehr hinsichtlich der Begründung einer zumutbaren IFA ua. darauf stützt, dass der BF im erwerbsfähigen Alter bzw. arbeitsfähig sei, er die Schule besuche, Matura gemacht und Arbeitserfahrung gesammelt habe, so wurden diese Umstände schon vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich gewürdigt und ist es dennoch zu einer Zuerkennung von subsidiären Schutz gekommen. Eine wesentliche Sachverhaltsänderung wird damit nicht dargetan.

Dass dem Alter des BF bei der Zuerkennung bzw. nunmehriger Aberkennung des subsidiär Schutzberechtigten eine wesentliche Rolle zugekommen ist, erscheint zweifelhaft, zumal der BF bereits zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung volljährig war.

Wenn die belangte Behörde nunmehr auch ausführt, dass der BF eine Landessprache Afghanistans spreche, so wird auch damit keine wesentliche Verbesserung aufgezeigt, zumal der BF schon bei seiner Einreise nach Österreich Dari bzw. Farsi gesprochen hat.

Hinsichtlich des Gesundheitszustandes des BF führte die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung aus, dass die „psychischen Leiden“ des BF in Afghanistan behandelbar seien. Der BF brachte während seines Asylverfahrens allerdings gar nie vor, psychische Problem zu haben und erweisen sich daher auch diese Ausführungen der belangten Behörde als aktenwidrig.

Richtig ist zwar, dass der BF in Österreich durch seine Erwerbstätigkeit neue Fähigkeiten erlernt bzw. neue Lebenserfahrung gewonnen hat, allerdings hat der BF unverändert selbst keinen Kontakt zu Verwandten im Herkunftsstaat, sondern ist seine Kernfamilie (Eltern und Schwester) unverändert im Iran aufhältig und ist der BF unverändert (bis auf den zweiwöchigen Aufenthalt in Herat) nie mehr in Afghanistan aufhältig gewesen.

Soweit das BFA zur individuellen Situation des BF Weiters ausführte, dass der BF mit seinen positiven Eigenschaften (Flexibilität, Aufgeschlossenheit und freundlichem Verhalten) überzeuge, so mögen diese positiven Eigenschaften beim BF zwar vorliegen, eine wesentliche und nachhaltige Änderung der individuellen Situation kann allein dadurch aber nicht gesehen werden und hat das BFA auch nicht dargetan, weshalb es gerade zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgeht, dass diese Eigenschaften beim BF vorliegen.

Insgesamt ist eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der individuellen Situation des BF seit Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht erkennbar.

Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat (Stand 13.11.2019) nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist.

Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Insbesondere lässt sich in den Feststellungen der belangten Behörde zur allgemeinen Rückkehrsituation kein Hinweis auf eine Entspannung der Lage entnehmen, sondern wird von begrenzten Aufnahmekapazitäten und besorgniserregenden Zuständigen hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage in den informellen Siedlungen – in denen zahlreiche Rückkehrer leben – berichtet. Die Herkunftsprovinz der Eltern des BF (Bamyan) galt schon im Jahr 2016 (Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes) als eine der sichersten Regionen Afghanistan und ist dies auch heute noch, weshalb keine wesentliche und nachhaltige Veränderung/Verbesserung eingetreten ist. Zu den Städten Mazar-e Sharif und Herat ist Weiters zu ergänzen, dass diese beiden Städte auch im Jahr 2016 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. Auch wurde der internationale Flughafen Mazar-e Sharif bereits im Jahr 2013 eröffnet, der Flughafen Herat gilt seit dem Jahr 2012 als internationaler Flughafen. Der Vollständigkeitshalber ist noch auszuführen, dass sich gestützt auf die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 jedenfalls auch nicht festgestellt werden kann, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.

Insofern die Verwaltungsbehörde auf die nunmehr bestehenden Hilfsprogramme von Hilfsorganisationen/internationalen Organisationen (wie UNHCR oder IOM) verweist, lässt sich auch daraus keine wesentliche Sachverhaltsänderung ableiten, zumal derartige Programme – wie ein Vergleich der Länderinformationen zeigt – bereits seit Jahren bestehen und nicht erst kürzlich etabliert wurden.

Zur von der belangten Behörde zitierten aktuellen Judikatur zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative für junge, gesunde, arbeitsfähige Männer auch ohne familiären Rückhalt, ist darauf zu verweisen, dass der VwGH jüngst im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbareren Fällen erblickt werden kann (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Die Änderung der Rechtsprechung zu einer Norm bietet keine rechtliche Grundlage, den Grundsatz der Rechtskraft zu durchbrechen und die Entscheidung eines Gerichts oder einer Behörde ohne hinreichenden Grund zu beseitigen und neu zu entscheiden. Jedenfalls lässt sich weder aus § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 noch aus der Statusrichtlinie eine solche Berechtigung ableiten.

Das BFA hat sohin mit seinen Ausführungen entgegen richtlinienkonformer Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG und des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 eine maßgebliche Änderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit Erkenntnis 08.02.2017 bzw. seit dem Bescheid vom 16.01.2018, mit dem die befristete Aufenthaltsberechtigung vom BFA verlängert wurde, geführt haben, nicht dargetan. Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen sohin gegenständlich nicht vor. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides über die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten war daher ersatzlos zu beheben.

3.2. Zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Nachdem mit gegenständlichen Erkenntnis Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde – ersatzlos behoben wurde, waren auch die weiteren, damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III. bis VI.) ersatzlos zu beheben, zumal sie schon infolge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

Nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für zwei weitere Jahre zu verlängern.

Da nicht festgestellt werden konnte, dass sich die Gründe, aufgrund derer dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nachhaltig und wesentlich geändert hätten (und gegenständlich auch keine sonstigen Aberkennungsgründe vorliegen) liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den BF weiterhin vor. In Stattgabe der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides war sohin die befristete Aufenthaltsberechtigung des BF auf zwei weitere Jahre zu verlängern.

Vor dem Hintergrund, dass der gegenständlich angefochtene Bescheid bereits auf Grund der Aktenlage aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich zudem als klar und eindeutig. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation individuelle Verhältnisse Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage soziales Netzwerk Verlängerung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W161.2131083.2.01

Im RIS seit

30.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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