Entscheidungsdatum
17.06.2019Index
L82009 Bauordnung WienNorm
BauO Wr §134 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr.in Lettner über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei - …, vom 26.3.2019, Aktenzahl 7/2018-1, mit welchem I) gemäß § 8 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG 1991) iVm § 134 Abs. 3 Bauordnung für Wien (BO) festgestellt wurde, dass Herrn A. B. keine Parteistellung zukommt, II) gemäß § 17 iVm § 8 AVG 1991 iVm § 134 Abs. 3 BO der Antrag auf Akteneinsicht zurückgewiesen wurde,
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Bescheid vom 26.3.2019, Zahl MA37/7/2018-1, behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit Ansuchen vom 30.11.2018 beantragte die G. GmbH die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 70 BO für die Errichtung eines Neubaues auf der Liegenschaft in Wien, C.-gasse ident D. ident E.-Straße, EZ 8 (Gst.Nr. 9/14) und EZ 6 (Gst. Nr. 9/8), beide KG F.. Die Bezeichnung des Projekts auf dem Einreichplan lautet „J. H., K.“. Mit Schriftsatz vom 1.2.2019 stellte Herr A. B., Grundmiteigentümer der Liegenschaft in Wien, D. …, EZ 5, KG F., hinsichtlich der Einreichungen bei der Baubehörde 1.) „H.“ (Bauvorhaben zum Umbau des H. und Neugestaltung des umliegenden Areals D., …) und 2.) „Straßenprojekt E.-straße/C.-gasse/D.“ (Bauvorhaben zum Umbau und zur Verschwenkung der E.-straße) an den Magistrat der Stadt Wien, MA 37, einen Antrag auf Akteneinsicht und auf bescheidmäßige Feststellung der Parteistellung des Antragstellers in diesem bzw. diesen Bewilligungsverfahren sowie um Auskunft, ob eines oder beide der genannten Verfahren derzeit anhängig sind.
Seine Liegenschaft liegt der zu bebauenden Liegenschaft jenseits der öffentlichen Verkehrsfläche D., die breiter als 20 m ist, gegenüber.
Die Behörde entschied über diesen Antrag mit Bescheid vom 26.3.2019, Zahl MA37/7/2018-1. In Spruchpunkt I) sprach die Behörde aus, dass gemäß § 8 AVG iVm § 134 Abs. 3 BO auf Antrag des Herrn A. B. (in der Folge: Beschwerdeführer) festgestellt werde, dass diesem hinsichtlich des Baubewilligungsverfahrens betreffend die Errichtung … auf der Liegenschaft in Wien, C.-gasse (…) keine Parteistellung zukommt.
In Spruchpunkt II) wies die Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht als unzulässig zurück.
Die Behörde begründete diese Entscheidungen zusammengefasst damit, dass der Beschwerdeführer die in § 134 Abs. 3 BO geregelten Voraussetzungen für die Parteistellung im Baubewilligungsverfahren nicht erfülle, weil seine Liegenschaft von der zu bebauenden Liegenschaft durch eine öffentliche Verkehrsfläche mit einer Breite von mehr als 20 m getrennt sei. Da das Recht auf Akteneinsicht ein Parteienrecht sei, dem Beschwerdeführer jedoch keine Parteistellung zukomme, sei sein Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht als unzulässig zurückzuweisen.
Zum Antrag auf Erteilung der Auskunft, ob die o.a. Bewilligungsverfahren anhängig seien, verwies die Behörde auf die bekannt gegebene Aktenzahl und erachtete die begehrte Auskunft damit als erteilt.
Zu dem vom Beschwerdeführer angeführten „Straßenprojekt E.-straße/C.-gasse/D.“ hielt die Behörde in der Bescheidbegründung fest, dass städtebauliche Maßnahmen an öffentlichen Verkehrsflächen nicht in den Anwendungsbereich der BO fielen bzw. kein baurechtliches Verwaltungsverfahren der Behörde nach sich zögen. Der diesbezügliche Antrag des Beschwerdeführers müsse daher ins Leere gehen.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer laut aktenkundigem Rückschein am 4.4.2019 zugestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde wurde am 30.4.2019 zur Post gegeben und damit rechtzeitig eingebracht. Die Behörde übermittelte die Beschwerde mit dem Bezug habenden Verwaltungsakt an das Verwaltungsgericht Wien. Mit der Beschwerde legte die Behörde auch einen Lageplan des o.a. Bauprojektes vor, aus dem die zu bebauende Liegenschaft und die benachbarten Liegenschaften ersichtlich sind.
Der Beschwerdeführer argumentierte in seiner Beschwerde zusammengefasst dahingehend, dass ihm im Hinblick auf die außerordentliche Größe des geplanten Objektes im Baubewilligungsverfahren betreffend das o.a. Projekt Parteistellung zukomme, obwohl seine Liegenschaft unbestritten durch eine mehr als 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von der zu bebauenden Liegenschaft getrennt sei. Er führte dies auf die von ihm näher dargestellte „verfassungskonforme Interpretation“ des § 134 Abs. 3 BO zurück.
Der Beschwerdeführer bemängelte weiters den geänderten Bebauungsplan PD … vom 1.6.2017, der nunmehr die Möglichkeit zur Errichtung höherer Bauwerke auf dem Areal vorsehe. Es handle sich dabei um eine gesetzwidrige Verordnung, die gegen mehrere Rechtsvorschriften verstoße und verfassungswidrig sei.
Er brachte weiters vor, dass er durch das Bauprojekt in dem Fall, dass ihm im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zuerkannt werde, in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit, Schutz des Eigentums und auf den gesetzlichen Richter verletzt werde.
Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil dem Beschwerdeführer zu Unrecht die Akteneinsicht verweigert worden sei. Gemäß § 134 Abs. 3 BO komme das Recht auf Akteneinsicht Nachbarn bereits ab der Einreichung des Bauvorhabens zu. Das Recht auf Akteneinsicht komme auch dem zu, der seine Parteistellung behaupte. Dies habe der Beschwerdeführer mit dem verfahrensgegenständlichen Antrag getan. Die Behörde hätte ihm daher zumindest bis zur Feststellung, dass ihm keine Parteistellung zukommt, Akteneinsicht gewähren müssen.
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Baubewilligungsverfahren keine Parteistellung zukomme, sei rechtwidrig. Der Beschwerdeführer habe beantragt, festzustellen, dass ihm Parteistellung zukomme. Über einen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung könne zulässigerweise nur auf drei Arten abgesprochen werden: dem Antrag könne stattgegeben werden, der Antrag könne zurückgewiesen werden (z.B. beim Fehlen von Antragsvoraussetzungen) oder der Antrag könne abgewiesen werden. Es sei jedoch unzulässig, aufgrund dieses Antrages festzustellen, dass dem Nachbarn keine Parteistellung zukomme.
Der angefochtene Bescheid leide weiters unter Verfahrensmängeln, da die Behörde es unterlassen habe, zu prüfen, in welchem genauen Abstand die Liegenschaft des Beschwerdeführers und die zu bebauende Liegenschaft zueinander lägen und diesbezüglich Feststellungen zu treffen.
Der Beschwerdeführer beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass die Parteistellung des Beschwerdeführers festgestellt und ihm Akteneinsicht gewährt werde, in eventu die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.4.2019, …, wurde festgestellt, dass hinsichtlich des Bauvorhabens „H.“, „K.“ und „D.“ eine Umweltverträglichkeitsprüfung im vereinfachten Verfahren nach dem UVP-G 2000 durchzuführen ist. Diese Feststellung stützt sich laut der Begründung dieses Erkenntnisses auf Z 18 lit b des Anhanges I UVP-G 2000 („Städtebauvorhaben mit einer Flächenbeanspruchung von mindestens 15 ha und einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 150.000 m2“).
Dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht liegen Beschwerden gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16.10.2018, …, zu Grunde, mit dem festgestellt wurde, dass hinsichtlich des Bauvorhabens „H.“, „K.“ und D. keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
Das Projekt wird in diesem Bescheid dahingehend umschrieben, dass es die Grundstücke Nr. 9/8 (EZ 6) und Nr. 9/14 (EZ 8), beide KG F., umfasst. Es handle sich um das … Areal zwischen C.-gasse, D., L.-straße und E.-straße. Geplant sei der Neubau des bereits bestehenden H., der Neubau des bestehenden Gebäudes ….
In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 3 Abs. 3 UVP-G 2000 sind die nach den bundes- oder landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften für die Ausführung des Vorhabens erforderlichen materiellen Genehmigungsbestimmungen, auch soweit sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, von der Behörde (§ 39) in einem konzentrierten Verfahren mit anzuwenden (konzentriertes Genehmigungsverfahren), wenn ein Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen ist.
Vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung oder der Einzelfallprüfung dürfen gemäß § 3 Abs. 6 UVP-G für Vorhaben, die einer Prüfung gemäß Abs. 1, 2 oder 4 unterliegen, Genehmigungen nicht erteilt werden und kommt nach Verwaltungsvorschriften getroffenen Anzeigen vor Abschluss der Umweltverträglichkeitsprüfung keine rechtliche Wirkung zu. Entgegen dieser Bestimmung erteilte Genehmigungen können von der gemäß § 39 Abs. 3 zuständigen Behörde innerhalb einer Frist von drei Jahren als nichtig erklärt werden.
Gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G hat die Behörde auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. (…)
Gemäß § 39 Abs. 1 und 2 UVP-G ist für die Verfahren nach dem ersten und zweiten Abschnitt die Landesregierung zuständig. Die Zuständigkeit der Landesregierung erstreckt sich auf alle Ermittlungen, Entscheidungen und Überwachungen nach den gemäß § 5 Abs. 1 betroffenen Verwaltungsvorschriften und auf Änderungen gemäß 18b. Sie erfasst auch die Vollziehung der Strafbestimmungen. Die Landesregierung kann die Zuständigkeit zur Durchführung des Verfahrens, einschließlich der Verfahren gemäß § 45, und zur Entscheidung ganz oder teilweise der Bezirksverwaltungsbehörde übertragen. Gesetzliche Mitwirkungs- und Anhörungsrechte werden dadurch nicht berührt.
Gemäß § 39 Abs. 2 UVP-G beginnt in Verfahren nach dem zweiten Abschnitt die Zuständigkeit der Landesregierung mit der Rechtskraft einer Entscheidung gemäß § 3 Abs. 7, dass für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, oder sonst mit dem Antrag auf ein Vorverfahren gemäß § 4 oder, wurde kein solcher Antrag gestellt, mit Antragstellung gemäß § 5. Ab diesem Zeitpunkt ist in den Angelegenheiten gemäß Abs. 1 die Zuständigkeit der nach den Verwaltungsvorschriften sonst zuständigen Behörden auf die Mitwirkung an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes eingeschränkt. Die Zuständigkeit der Landesregierung endet, außer in den im § 21 Abs. 4 zweiter Satz genannten Fällen, zu dem in § 21 bezeichneten Zeitpunkt.
Im vorliegenden Fall wurde Folgendes erwogen:
Das gegenständliche Verfahren betreffend die Erteilung der Baubewilligung, auf das sich die Anträge des Beschwerdeführers beziehen, umfasst, wie sich aus dem von der Behörde vorgelegten Einreichplan (Lageplan vom 30.11.2018, Plannummer …), dem eingesehenen Baubewilligungsakt und dem Spruch des angefochtenen Bescheides der Behörde ergibt, im Wesentlichen dasselbe Vorhaben, wie das, hinsichtlich dessen die o.a. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ergangen ist. Das Baubewilligungsprojekt stellt den Hauptteil des vom Bundesverwaltungsgericht beurteilten Vorhabens dar, es schließt lediglich das Straßenbauvorhaben nicht ein.
Zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages auf Erteilung der verfahrensgegenständlichen Baubewilligung war der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, für die Erledigung sachlich zuständig. Mit der rechtskräftigen Feststellung der Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G geht die Zuständigkeit gemäß § 39 Abs. 2 UVP-G allerdings auch hinsichtlich jener Genehmigungen, die aufgrund von Gesetzesbestimmungen zu erteilen sind, die im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zu vollziehen sind, auf die Landesregierung über. Der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, war daher ab der Erlassung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.4.2019, Zahl …, wonach für das Bauvorhaben „H.“, „K.“ und „D.“ eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist, sachlich nicht mehr zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der beantragten Baubewilligung für das Projekt „J. H., K.“ zuständig.
Der Magistrat der Stadt Wien, MA 37, war daher auch nicht dafür zuständig, über das (im Zusammenhang mit dem o.a. Baubewilligungsverfahren gestellte) Ansuchen des Beschwerdeführers auf Akteneinsicht bzw. bescheidmäßige Feststellung der Parteistellung abzusprechen.
Infolge der Feststellung der UVP-Pflicht für das o.a. Projekt und der damit einhergehenden Änderung der sachlichen Zuständigkeit ist auch das Verwaltungsgericht Wien nicht (mehr) zur Entscheidung über die Beschwerde in der Sache zuständig; die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes Wien beschränkt sich darauf, die Unzuständigkeit der Behörde wahrzunehmen. Der angefochtene Bescheid war somit mangels sachlicher Zuständigkeit der Behörde ersatzlos zu beheben. Der Beschwerdeführer wird seine Parteistellung gegebenenfalls im UVP-Verfahren geltend machen müssen.
Eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien konnte gemäß § 24 Abs. 2 lit 1 VwGVG unterbleiben.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Baubewilligungsverfahren; Zuständigkeit; Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht; Akteneinsicht; AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.111.072.6795.2019Zuletzt aktualisiert am
23.10.2020