Entscheidungsdatum
10.06.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z5Spruch
W109 2115824-2/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 11.09.2018, XXXX - XXXX , zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und III. bis VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
II. In Erledigung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dem Antrag vom 27.07.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und die befristete Aufenthaltsberechtigung von XXXX als subsidiär Schutzberechtigter um zwei Jahre verlängert.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Am 07.09.2014 stellte der - damals minderjährige - Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, einen Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 07.09.2015 (in der Folge: Zuerkennungsbescheid) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abwies, dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte (Spruchpunkt II.) und ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.09.2016 erteilte (Spruchpunkt III.). Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründend aus, im Heimatland wäre dem Beschwerdeführer die Lebensgrundlage gänzlich entzogen, zumal er über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke in Afghanistan verfüge und seine Mutter im Iran lebe.
Auf seinen Antrag vom 07.07.2016 hin wurde dem Beschwerdeführer mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2017 eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 07.09.2018 erteilt. Begründend führt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils im Wesentlichen aus, die Voraussetzungen für die Verlängerung würden vorliegen. Eine weitere Begründung könne, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben würde, gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen.
Die gegen Spruchpunkt I. des Zuerkennungsbescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.04.2018, GZ W166 2115824-1/5Z, als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 27.07.2018, bei der Behörde am selben Tag eingelangt, beantragte der Beschwerdeführer erneut die Verlängerung seiner befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11.09.2018 (in der Folge: Aberkennungsbescheid), zugestellt am 14.09.2018, erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer - nach niederschriftlicher Einvernahme am 07.09.2018 - den mit Zuerkennungsbescheid vom 07.09.2015 zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies den Antrag vom 24.07.2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, es seien "hinsichtlich weiterer Verwandter in Afghanistan [...] Indizien aufgetreten, welche ebensolche als wahrscheinlich beurteilen" ließen. Nach weiterer Nachfrage seien immer weitere Verwandte zu Tage getreten. Es stehe somit fest, dass der Beschwerdeführer augenscheinlich versuche, jegliche Verwandtschaft zu verheimlichen, um eine Rückkehr nach Afghanistan als unmöglich darzustellen. Zudem verfüge der Beschwerdeführer über soziale Kontakte in Afghanistan, zumal er jahrelang dort aufhältig gewesen und auch eine Schule besucht habe. Die Länderfeststellungen würden belegen, dass eine Rückkehr für einen arbeitsfähigen, jungen Afghanen zumutbar sei. Die Zuerkennung sei nur aufgrund der damaligen Sicherheitslage erfolgt, weil der Beschwerdeführer minderjährig gewesen und kein tragfähiges Netzwerk zur Verfügung gehabt habe. Die subjektive Bedrohungslage habe sich geändert, weil der Beschwerdeführer mittlerweile volljährig sei und der Zugriff auf die Netzwerke der Hazara, so wie er dies in Österreich praktiziere, gewährleistet sei. Der Beschwerdeführer könne auf die Unterstützung seiner Verwandtschaft bzw. auf Rückkehrprogramme zurückgreifen. Er könne seinen Lebensunterhalt in Kabul bestreiten. Er kenne die afghanischen Traditionen und Gepflogenheiten und es müsse ihm aufgrund dessen möglich sein, in sein Heimatland zurückzukehren, um sich dort ein neues Leben aufzubauen, zumal er auch noch über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfüge.
Was die Lebenserfahrung des Beschwerdeführers betreffe, habe er mit seinem Aufenthalt in Österreich unweigerlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was ihm zweifelsohne im Fall der Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnenen Erfahrungsschatzes zugutekomme und entsprechend hilfreich sei. Es sei auf die Existenz der Verbindungen der Volksgruppe der Hazara, sowie auf internationale und auch nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer nach Afghanistan hinzuweisen. Die subjektive Lage habe sich geändert. Die islamische Glaubensgemeinschaft sei bestrebt, Schutz- und Unterkunftssuchende zu beherbergen, Schutzsuchende würden Unterstützung in Moscheen und anderen islamischen Einrichtungen erhalten. Der Beschwerdeführer könne im Auffangbecken der Volksgruppe landen. Die Entscheidungspraxis des Verwaltungsgerichtshofes erfordere kein soziales oder familiäres Netzwerk in Kabul. Der Beschwerdeführer spreche Dari und verfüge über Schulbildung, dies werde einen Berufseinstieg massiv erleichtern. Eine schwierige Lebenssituation reiche nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, um die Zumutbarkeit der innerstaatlichen Fluchtalternative zu verneinen. Der geltenden Judikatur sei zu entnehmen, dass nicht mehr davon auszugehen sein, dass der Beschwerdeführer familiärer Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten im Fall der Rückkehr bedürfe.
3. Gegen den oben dargestellten Aberkennungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.09.2018 richtet sich die am 04.10.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, bei einer Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG sei in richtlinienkonformer Interpretation zu prüfen, ob sich die Umstände tatsächlich wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert hätten. Die Gesamtsicherheitslage habe sich rapide verschlechtert. Die Situation für Rückkehrer sei prekär, der Beschwerdeführer könne nicht in zumutbarer Weise auf eine Ansiedelung in Afghanistan, insbesondere in Kabul, verwiesen werden.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
- Deutschkursbestätigungen
- Medizinische Unterlagen
- Schulbesuchsbestätigungen
- Empfehlungsschreiben
- Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs
- Meldezettel
- Arbeitsvertrag
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde am XXXX geboren, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Uruzgan geboren, wo er mit seinen Eltern im Herkunftsdorf im Haus des Vaters lebte. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitete als LKW-Fahrer. Der Beschwerdeführer hat im Herkunftsstaat zwei Jahre eine Koranschule besucht.
Der Vater des Beschwerdeführers starb vor der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsstaat. Danach reiste der Beschwerdeführe mit etwa 14 Jahren in Begleitung seiner Mutter aus dem Herkunftsstaat in den Iran aus, wo die Mutter des Beschwerdeführers seither lebt. Der Beschwerdeführer reiste nach Österreich weiter.
Der Beschwerdeführer hat keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Ein Onkel väterlicherseits lebt in Pakistan, eine Tante mütterlicherseits lebt ebenso in Pakistan.
Der Beschwerdeführer kehrte seit seiner Ausreise im Alter von etwa 14 Jahren nicht mehr nach Afghanistan zurück.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich sechs Monate die Schule besucht und an einigen Deutschkursen teilgenommen. Er verfügt weder über eine Berufsausbildung, noch über einen Schulabschluss. Der Beschwerdeführer verfügt über geringe Berufserfahrung als Lagerarbeiter.
1. 2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt betroffen.
Die Provinz Uruzgan zählte 2014 bis heute zu den relativ volatilen Provinzen des Herkunftsstaates. Die Präsenz der Taliban war zuletzt groß, alle Distrikte sind aktuell umkämpft bzw. stehen unter Kontrolle der Taliban. Zuletzt wurde im Juni 2019 von einer Verschlechterung der Sicherheitslage berichtet. 2018 dehnten die Taliban ihre Aktivitäten auf bisher verschonte Gebiete aus.
Hinsichtlich der Hauptstadt Kabul ist ein negativer Trend in Bezug auf die Sicherheitslage für Zivilisten deutlich erkennbar. Die Stadt ist vom innerstaatlichen Konflikt und insbesondere stark von öffentlichkeitswirksamen Angriffen der Taliban und anderer regierungsfeindlicher Kräfte betroffen. Kabul verzeichnet die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans, die insbesondere aus Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte resultieren. Die afghanische Regierung führt regelmäßig Sicherheitsoperationen in der Hauptstadt durch. Die Konfliktsituation ist geprägt von asymmetrischer Kriegsführung.
In Balkh hat sich die Sicherheitslage - nachdem die Provinz lange zu den relativ ruhigen Provinzen gezählt wurde - verschlechtert. In Mazar-e-Sharif ist es zu einem Anstieg krimineller Aktivitäten wie Raub, Mord, Entführung etc. gekommen. Im Jahr 2018 ist die Anzahl ziviler Opfer in Balkh im Vergleich zu 2017 um 76 % angestiegen. Hauptursachen sind Bodenkämpfe, Unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen und gezielte Tötungen. Insbesondere sind die Todesfälle infolge von Bodenoffensiven um 296 % angestiegen. UNOCHA stuft Mazar-e-Sharif hinsichtlich der Schwere des Konfliktes in der zweithöchsten Kategorie ein.
Hinsichtlich der Provinz Herat kam es zuletzt zu einer Steigerung der zivilen Opfer um 54 % im Vergleich der Jahre 2018 und 2019. Hauptursache dafür waren improvisierte Sprengkörper, Bodenkämpfe und gezielte Tötungen. Hinsichtlich Herat (Stadt) kam es zuletzt zu einem Anstieg der Kriminalität, Raubüberfälle nahmen zu, Entführungen finden statt. Im Vergleich der Jahre 2017 und 2018 sank die Zahl ziviler Opfer dagegen um 48 %.
Versorgungslage und Lebensbedingungen im Herkunftsstaat haben sich in den letzten Jahren nicht verbessert. Rückkehrhilfe wird bereits seit längerem gewährt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seiner Muttersprache ergeben sich aus den gleichbleibenden und plausiblen Angaben des Beschwerdeführers, die auch die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht ihren Entscheidungen zugrunde legten.
Dass der Beschwerdeführer gesund ist, ergibt sich daraus, dass weder anderslautendes Vorbringen erstattet, noch aktuelle medizinische Unterlagen in Vorlage gebracht worden sind. Aktenkundig ist lediglich eine Appedektomie (Blinddarmopperation) im Jahr 2014 (AS 85 ff.).
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug. Zudem ist aktenkundig, dass die Staatsanwaltschaft Linz unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr vorläufig von der Verfolgung des Beschwerdeführers wegen § 27 Abs. 2 SMG zurückgetreten ist (OZ 8). Damit ist der Beschwerdeführer allerdings nach wie vor unbescholten.
Die Feststellungen zu Herkunft und Lebenswandel des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden Angaben im Lauf des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und dem Bundesverwaltungsgericht. Auch der Aberkennungsbescheid teilweise entsprechende Feststellungen (Aberkennungsbescheid. S. 16). Ansonsten legte die belangte Behörde diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung erkennbar zugrunde.
Dass der Vater bereits vor der Ausreise verstoreben ist, hat der Beschwerdeführer gleichbleibend angegeben und ging auch die belangte Behörde (und im Übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht) durchgehend davon aus, dass der Beschwerdeführer mit etwa 14 Jahren in Begleitung seiner Mutter aus dem Herkunftsstaat in den Iran ausreiste. Auch dem angefochtenen Aberkennungsbescheid liegt erkennbar zugrunde, dass die Mutter seither im Iran lebt (Aberkennungsbescheid, S. 124).
Dazu, dass der Beschwerdeführer keine sozialen und familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat hat, ist den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Aberkennungsbescheid zu entnehmen, dass diese nunmehr davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer über weitere Verwandte in Afghanistan verfügt. Sie führt aus, es seien "Indizien aufgetreten, welche ebensolche als wahrscheinlich beurteilen lassen" (Aberkennungsbescheid, S. 124) und unterstellt dem Beschwerdeführer sodann, er habe im Lauf der Einvernahme am 07.09.2018 augenscheinlich versucht, jegliche Verwandtschaften zu verheimlichen, um so eine Rückkehr nach Afghanistan als unmöglich darzustellen. Die Behörde habe hinsichtlich der Angehörigen mehrfach nachfragen müssen und es seien "dabei immer weitere Verwandte zu Tage getreten". Aufgrund dieser Verheimlichungen habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer über keine Verwandten in Afghanistan verfüge. Der Beschwerdeführer habe jahrelang in der Heimatprovinz gelebt und sei es daher wahrscheinlich, dass er über soziale Kontakte in Afghanistan verfüge (Aberkennungsbescheid S. 124-125). Damit liefert die belangte Behörde jedoch lediglich eine nicht nachvollziehbare Scheinbegründung.
So hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben, dass sein Onkel väterlicherseits in Pakistan lebt (Einvernahme am 20.01.2015, AS 67; Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2018, Protokoll S. 4; Einvernahme am 07.09.2018, Protokoll S. 4). Auch, dass er keine Geschwister hat, hat der Beschwerdeführer durchgehend angegeben (Einvernahme am 20.01.2015, AS 65; Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2018, Protokoll S. 4; Einvernahme am 07.09.2018, Protokoll S. 4). Ebenso gleichbleibend hat der Beschwerdeführer verneint, noch weitere Angehörige in Afghanistan zu haben (Einvernahme am 20.01.2015, AS 65; Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2018, Protokoll S. 4; Einvernahme am 07.09.2018, Protokoll S. 4). Auch die Tante führt der Beschwerdeführer wiederholt an (Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 23.04.2018, Protokoll S. 4; Einvernahme am 07.09.2018, Protokoll S. 5). Angesichts dieser gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers ist es für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, wie die Behörde zu dem Schluss kommt, der Beschwerdeführer habe Angehörige verheimlicht. Damit ruht die Feststellung der belangten Behörde hinsichtlich allfälliger Angehöriger jedoch ausschließlich auf einer unterschiedlichen Beweiswürdigung eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltssubstrat (Vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262) und hat das Bundesveraltungsgericht daher dem gleichbleibenden Vorbringen - und im Übrigen wie im Zuerkennungsbescheid vom 07.09.2015 festgestellt -, dass der Beschwerdeführer keine sozialen oder familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat hat sowie, dass ein Onkel väterlicherseits und eine Tante mütterlicherseits in Pakistan leben.
Eine Rückkehr nach Afghanistan nach der Ausreise ergibt sich nicht aus dem Lebenswandel des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu Schulbesuch und Deutschkurse beruhen auf den vorgelegten Bestätigungen, Berufsausbildung oder Schulabschluss ergeben sich nicht aus dem festgestellten Lebenswandel des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur geringen Berufserfahrung des Beschwerdeführers als Lagerarbeiter beruht auf dem am 06.11.2018 vorgelegten Dienstvertrag des Beschwerdeführers.
2.2. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat:
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt), der EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance) und dem auch deren Grundlage bildenden EASO COI Report. Afghanistan. Security situation. von Juni 2019 sowie den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Uruzgan beruhen auf dem Länderinformationsblatt (Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.32.Urzugan), dem EASO COI Report Afghanistan, Securitiy situation von Juni 2019 (2.33 Uruzgan, S. 270 ff.), sowie den Länderfeststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Zuerkennungsbescheid (Zuerkennungsbescheid, S. 24 f.; AS 144-145).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen im Wesentlich auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, den UNHCR-Richtlinien und dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.1 Kabul city, S. 67 ff. So berichten Länderinformationsblatt und UNHCR-Richtlinien von einer Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul sowie von einer Zunahme der zivilen Opfer. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien berichten von negativen Trends hinsichtlich der Sicherheitslage und bestätigen, dass Kabul wiederholt die höchste Zahl ziviler Opfer verzeichnet und diese insbesondere auf Selbstmordanschläge und komplexe Angriffe regierungsfeindliche Kräfte zurückgehen, die zahlreiche Zivilisten auf ihren täglichen Wegen das Leben kosten. Die Gefahr, Opfer eines solchen Angriffs zu werden, sei bei sozialen und wirtschaftlichen Aktivitäten allgegenwärtig, etwa auf dem Arbeits- oder Schulweg, auf dem Weg zu medizinischen Behandlungen, beim Einkaufen, auf Märkten, in Moscheen oder an anderen Orten, wo viele Menschen zusammentreffen (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 4. Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative in Kabul, Buchstabe a) Die Relevanz von Kabul als interner Schutzalternative, S. 127 f.). Insbesondere ergibt sich aus dem EASO COI Report. Afghanistan. Security situation von Juni 2019 auch keine Trendumkehr in Bezug auf die Sicherheitslage in Kabul, weswegen eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul festgestellt wurde.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Balkh und Mazar-e Sharif basieren auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019, Kapitel 3.5. Balkh, S. 108 ff.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat.
Zur Versorgungslage ist auszuführen, dass in diesem Bereich von einer Verbesserung der Situation nicht berichtet wird. Es wird unverändert von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten, von fortbestehender Abhängigkeit von Hilfsleistungen wegen der unveränderten Konfliktbetroffenheit berichtet (Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung und Wirtschaft) und lässt sich den Informationen zur allgemeinen Rückkehrsituation ebenso (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr und Kapitel 19. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge) nicht entnehmen, dass es zu einer Entspannung der Situation gekommen wäre. Zur medizinischen Versorgungslage ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt (Kapitel 21. Medizinische Versorgung) eine noch immer deutlich mangelhafte Gesundheitsversorgung, auch wenn grundsätzlich von Fortschritten in den letzten zehn Jahren berichtet wird. Eine Verbesserung der Versorgungslage im Herkunftsstaat ist jedoch - insbesondere im Vergleich mit den vom Bundesverwaltungsgericht seinem Erkenntnis vom 11.07.2014 zugrunde gelegten Informationen (siehe "Vorläufige Sachverhaltsannahmen des Bundesverwaltungsgerichts zur maßgeblichen Lage in Afghanistan", insbesondere AS 437) nicht ersichtlich, weswegen eine dementsprechende Feststellung getroffen wurde.
Zur Rückkehrhilfe ist bereits den vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Zuerkennungsbescheid getroffenen Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat zu entnehmen, dass Rückkehrhilfe verfügbar ist (AS 164-165). Gleiches berichtet das aktuelle Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr, mögen die Unterstützungsprogramme nunmehr auch andere Namen tragen oder anders organisiert sein.
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Parteiengehör bezüglich der in dieser Entscheidung verwendeten Länderberichte konnte entfallen. Die belangte Behörde hat aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Abfassung von Länderberichten Kenntnisse über ebendiese Länderberichte; weiter wurden diese ausschließlich zugunsten des Beschwerdeführers verwendet, weshalb auch diesbezüglich eine Notwendigkeit zur Gewährung von Parteiengehör nicht gegeben war. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur ersatzlosen Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten):
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von amtswegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG) nicht oder nicht mehr vorliegen.
§ 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat, während § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall jene Konstellationen betrifft, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005 m.w.N.).
Die belangte Behörde stützt sich in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides lediglich auf § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG ohne explizit zu erkennen zu geben, auf welchen konkreten Aberkennungstatbestand sie Bezug nimmt. In der rechtlichen Beurteilung des Aberkennungsbescheides stellt die Behörde jedoch auf eine Änderung der subjektiven Lage (Aberkennungsbescheid, S. 128), bzw. auf das nicht mehr Vorliegen der Gründe, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben (Aberkennungsbescheid, S. 135), sowie auf eine Änderung der Judikatur (Aberkennungsbescheid, S. 135) ab, sodass sich klar ergibt, dass die belangte Behörde sich auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG stützt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung nicht geändert hat (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353). Auch der Verfassungsgerichtshof hat zu § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG bereits ausgesprochen, dass diese Bestimmung keine Neubewertung eines rechtskräftigen entschiedenen Sachverhaltes erlaubt, sondern eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG lediglich in Frage kommt, wenn sie die Umstände nach der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten maßgeblich geändert haben (VfGH 24.09.2019, E 2330/2019).
In seiner Judikatur zum Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zeichnet der Verwaltungsgerichtshof im Wesentlichen das Prüfschema vor, dass zunächst zu ermitteln ist, ob, seit dem Beschwerdeführer zuletzt eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG erteilt wurde, neue Umstände hinzugetreten sind. Erst wenn dies zu bejahen ist, ist eine erneute Gesamtbeurteilung vorzunehmen, bei der alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, auch wenn sie sich vor der letzten Verlängerung ereignet haben (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Zur unionsrechtskonformen Interpretation des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG zieht der Verwaltungsgerichtshof das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (in der Folge: Statusrichtlinie) heran (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Art. 16 Abs. 1 Statusrichtlinie sieht vor, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr hat, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist. Nach Abs. 2 leg. cit. berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei Anwendung des oben zitierten Abs. 1, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorrübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.
Eine solche Änderung der Umstände kann sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus einer Änderung der tatsächlichen Umstände im Herkunftsstaat ergeben, aber auch in der persönlichen Situation des Fremden gelegen sein, wobei es regelmäßig nicht auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).
Dem Beschwerdeführer wurde zuletzt mit Verlängerungsbescheid vom 19.01.2017 eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt, weswegen gegenständlich Änderungen im Hinblick auf den in diesem Zeitpunkt maßgeblichen Sachverhalt relevant sind.
Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Aberkennungsbescheid klar darauf ab, dass die Lage sich seit dem seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt insofern geändert habe, als dem Beschwerdeführer nunmehr eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul zur Verfügung stehe (Aberkennungsbescheid S. 128 ff). Allfällige Änderungen hinsichtlich der tatsächlichen Umstände in der Herkunftsprovinz führt die Behörde nicht an und berührt die Rückkehrsituation, die der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsdorf vorfinden würde, in ihrer Begründung nicht. Auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht haben sich Hinweise auf eine Verbesserung der Sicherheitslage in der Herkunftsprovinz nicht ergeben und deuten die festgestellten jüngeren Entwicklungen in der Provinz Uruzgan auch nicht auf eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage im Sinne der oben zitierten Bestimmungen und Judikatur hin.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bringt § 8 Abs. 3 AsylG allerdings unmissverständlich zum Ausdruck, dass die in § 8 Abs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht gegeben sind, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG zur Verfügung steht. Damit ist auch das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Aberkennungsverfahren beachtlich (VwGH 29.01.2020, Ro 2019/18/0002).
Jedoch zeigt die belangte Behörde keinerlei Sachverhaltsänderung auf, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf eine neue, anderslautende Beurteilung eines unveränderten Sachverhaltes, die sie zu einer Änderung der subjektiven Lage stilisiert.
Aus dem Zuerkennungsbescheid vom 07.09.2015 ergibt sich, dass für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an den Beschwerdeführer - abseits der allgemeinen Lage im Land - maßgeblich war, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat über keinerlei soziale oder familiäre Netzwerke verfügt. Dem Verlängerungsbescheid vom 19.01.2017 ist zudem nicht zu entnehmen, dass das weitere Vorliegen der Voraussetzungen nunmehr aus maßgeblich anderen Gründe bejaht wurde.
Hinsichtlich sozialer Netzwerke führt die belangte Behörde im Aberkennungsbescheid zwar aus, ebensolche seien als wahrscheinlich zu beurteilen. Wie jedoch schon beweiswürdigend ausgeführt, beschränkt sich die Behörde hierbei darauf, hinsichtlich eines im Wesentlichen gleichen Vorbringens ohne maßgebliches neues Sachverhaltselement eine unterschiedliche Beweiswürdigung vorzunehmen. Dies erweist sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als unzulässig (Vgl. VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262). Bei allfälligen Kontakten aus der Schulzeit bzw. dem Aufenthalt des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat selbst vor der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten handelt es sich ebenso nicht um ein neues Sachverhaltselement. Änderungen hinsichtlich sozialer Anknüpfungspunkte tut die Behörde ansonsten nicht dar, auch nicht mit der von ihr konstatierten Möglichkeit einer Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Angehörigen vom Ausland aus.
Die Ausführungen der belangten Behörde, dass die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers für die Zuerkennung maßgeblich gewesen sei, erweist sich dagegen als aktenwidrig. Derartige Erwägungen sind dem Zuerkennungsbescheid nicht zu entnehmen. Zudem geht der Verwaltungsgerichthof in seiner Rechtsprechung von einer maßgeblichen Änderung der Umstände im Fall eines um zwei Jahre fortgeschrittenen Lebensalters, selbst wenn hierdurch - wie auch gegenständlich - die Volljährigkeit erlangt wird, für sich betrachtet nicht von einer maßgeblichen Änderung der Umstände aus (VwGH 29.01.2020, Ra 2019/18/0262).
Der von der belangten Behörde konstatierte nunmehr mögliche Zugriff auf "Netzwerke der Hazara" sowie allfällige Unterstützung durch muslimische Einrichtungen wird dagegen weder nachvollziehbar dargelegt, noch ist ersichtlich, dass es sich bei der Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit um eine Sachverhaltsänderung handelt. Hinsichtlich der Verfügbarkeit von Rückkehrprogrammen ist anzumerken, dass auch hierin keine Sachverhaltsänderung liegt, nachdem grundsätzlich auch in der Vergangenheit Rückkehrhilfe verfügbar waren. Auch inwiefern die Kenntnis des Beschwerdeführers hinsichtlich afghanischer Tradition und Gepflogenheiten - die der Beschwerdeführer, nachdem er seit seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat nicht mehr zurückgekehrt ist, nur vor Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erworben haben kann - stellen ebenso keine Änderung dar. Hinsichtlich der von der belangten Behörde konstatierten Lebenserfahrung ist anzumerken, dass die belangte Behörde sich (auch) in diesem Zusammenhang lediglich sinnentleerter Floskeln bedient, während ein maßgeblicher Lebenserfahrungsgewinn seit der letzten Verlängerung nicht ersichtlich ist. So verfügt der Beschwerdeführer weiterhin nicht über Schulabschluss oder Berufsausbildung und konnte lediglich etwas Berufserfahrung sammeln. Zudem war für die Zuerkennung (und Verlängerung) allenfalls mangelnde Lebenserfahrung des Beschwerdeführers nicht maßgeblich. Inwiefern der Beschwerdeführer mit seinem Aufenthalt in Österreich auf bestehende Netzwerke zurückgegriffen hat, erschließt sich für das Bundesverwaltungsgericht nicht, wird auch nicht nachvollziehbar dargelegt und erweist sich damit als weitere inhaltsleere Floskel.
Hinsichtlich der Ausführungen der belangten Behörde, denen zufolge "ganz eindeutig der geltenden Judikatur zu entnehmen" sei, dass es "derzeit nicht mehr der Fall" sei, dass der Beschwerdeführer "familiäre[r] Anknüpfungspunkte und Unterstützungsmöglichkeiten im Falle einer Rückkehr bedürfen" würde, ist die belangte Behörde darauf hinzuweisen, dass eine Änderung in der Judikatur hinsichtlich ähnlich gelagerter Sachverhalte keine Änderung des Sachverhaltes selbst darstellt. So betont der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung, dass von einer nachträglichen Änderung der Sache der Fall zu unterscheiden ist, dass der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird (VwGH 07.03.2019, Ro 2019/21/0002). Insbesondere liegt der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge eine maßgebliche Änderung der Umstände im Herkunftsstaat nicht per se in neuerer Judikatur zu vergleichbaren Fällen (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011). Sie betrifft ausschließlich die Tatsachenebene.
Änderungen im Hinblick auf die Tatsachenebene zeigt die belangte Behörde allerdings - wie bereits ausgeführt - hinsichtlich der individuellen Situation des Beschwerdeführers nicht auf und ist eine solche in der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat nicht im Sinne einer Verbesserung ersichtlich. Von einer solchen geht allerdings auch die Behörde nicht aus und konnte auch das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich keine Verbesserungen feststellen. Hinsichtlich Kabul und Mazar-e Sharif ist viel mehr von einer Verschlechterung der Sicherheitslage auszugehen, während sich hinsichtlich Herat ein klarer Trend zwar nicht erkennen lässt. Von einer Verbesserung ist jedoch klar nicht auszugehen. Auch die jüngeren Entwicklungen in der Provinz Uruzgan lassen - wie bereits ausgeführt - nicht auf eine nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage schließen.
Im Wesentlichen liefert die belangte Behörde mit ihren Ausführungen lediglich eine Scheinbegründung, die klar das Ziel verfolgt, dem Beschwerdeführer trotz unverändertem Sachverhalt den Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.
Mangels hinzutreten neuer Umstände steht sohin einer neuen Gesamtbeurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtskraft des Zuerkennungsbescheides vom 08.03.2017 entgegen (VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "die zu entscheidende Angelegenheit" im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das Bundesverwaltungsgericht nicht lediglich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG beschränkt, sondern hat viel mehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.
Hinweise darauf, dass einer der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall, Z 2, Z 3 oder 2 AsylG erfüllt wäre, haben sich im Verfahren nicht ergeben. So ist der Beschwerdeführer nach wie vor unbescholten.
Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war damit ersatzlos zu beheben.
3.2. Zur ersatzlosen Behebung der Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Aberkennungsbescheides:
Nachdem dem Beschwerdeführer infolge der Behebung von Spruchpunkt I. des angefochtenen Aberkennungsbescheides mit gegenständlichem Erkenntnis weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war auch die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Aberkennungsbescheides nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassene Rückkehrentscheidung, sowie die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte III., V. und VI.) ersatzlos zu beheben (Vgl. VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
3.3. Zur Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Aberkennungsbescheides (Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG):
Nach § 8 Abs. 4 AsylG ist die gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden für jeweils zwei weitere Jahre zu verlängern. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts fort, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.
Nachdem mit gegenständlichem Erkenntnis das weitere Vorliegen der Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bejaht wurden (siehe oben unter 3.1.), war dem Beschwerdeführer in Stattgebung der Beschwerde gegen Spruchpunkte II. des angefochtenen Bescheides die mit Zuerkennungsbescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG spruchgemäß um weitere zwei Jahre zu verlängern.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nicht nur aus Anlass der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsberechtigung, sondern auch bei der Verlängerung die Gültigkeitsdauer der zu erteilenden Berechtigung ausgehend vom Entscheidungszeitpunkt festzulegen (VwGH 27.12.2019, Ra 2019/18/0281). Beim im Aberkennungsverfahren durch Einzelrichter entscheidenden Bundesverwaltungsgericht ist dies der Zeitpunkt, in dem die Entscheidung erlassen, das heißt verkündet oder zugestellt wird (VwGH 27.04 2016, Ra 2015/05/0069). Die befristete Aufenthaltsberechtigung gilt damit zwei Jahre ab Zustellung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer.
3.4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter anderem entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Gegenständlich ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt, dass eine maßgebliche Änderung der Umstände nicht aufgetreten ist und dass die belangte Behörde eine solche im Bescheid auch nicht aufgezeigt hat. Da der Sachverhalt sohin klar ist, konnte die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung unterbleiben.
4. Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht folgt in seiner Prüfung hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten der vorliegenden jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Themenkomplex der Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG, die unter 3. zitiert wird.
Schlagworte
Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung familiäre Situation individuelle Verfolgungsgefahr Rückkehrentscheidung behoben Rückkehrsituation Sicherheitslage soziales Netzwerk Verlängerung Verschlechterung Volljährigkeit wesentliche ÄnderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W109.2115824.2.00Im RIS seit
28.10.2020Zuletzt aktualisiert am
28.10.2020