TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/10 I408 2232707-1

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Veröffentlicht am 10.07.2020
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Entscheidungsdatum

10.07.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66
FPG §66 Abs1
FPG §66 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §54
NAG §55 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I408 2232707-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Nordmazedonien vertreten durch RA Dr. Thomas KÖNIG, LL.M gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.05.2020, Zl. 1134650208/200083626, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer heiratete am 30.09.2016 eine freizügigkeitsberechtigte ungarische Staatsangehörige. Am 07.12.2016 wurde dem Beschwerdeführer aufgrund seines Antrages vom 10.11.2016 als Angehöriger einer EWR-Bürgerin eine bis 07.12.2021 gültige Aufenthaltskarte ausgestellt. Diese Ehe wurde am 17.07.2018 geschieden.

2.       In Folge der erneuten Eheschließung mit einer nordmazedonischen Staatsangehörigen und der darauffolgenden Antragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für diese, leitete die belangte Behörde ein Verfahren zur Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ein.

3.       Am 13.02.2020 wurde der Beschwerdeführer dazu von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

4.       Mit dem im Spruch genannten Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm einen einmonatigen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.).

5.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 17.06.2020.

6.       Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nordmazedoniens.

Er heiratete am 30.09.2016 die ungarische Staatsbürgerin XXXX und erhielt am 07.12.2016 eine Aufenthaltskarte als Angehöriger eines EWR-Bürgers, gültig bis zum 07.12.2021. Die Ehe, welche kinderlos blieb, wurde am 17.07.2018, sohin nach einer Dauer von annähernd 22 Monaten, geschieden.

Der Beschwerdeführer ist seit 04.10.2016 durchgehend in Österreich gemeldet und hielt sich aufgrund der ihm erteilten Aufenthaltskarte rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus seiner nunmehrigen Ehefrau, seinen Eltern, zwei Schwestern und einem Großvater lebt in Nordmazedonien. Der Beschwerdeführer steht mit diesen in Kontakt und besucht sie zwei bis drei Mal jährlich.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit 06.02.2017 mit Unterbrechungen durch mehrere kurze Bezüge von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beinahe durchgehend als Kranfahrer beschäftigt und spricht Deutsch auf Niveau A1. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen. Seine Freizeit verbringt er im Kreise seiner Arbeitskollegen. Weitere Aktivitäten in Bezug auf eine Integration haben sich nicht ergeben und sind auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden.

Strafgerichtlich ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht in Erscheinung getreten.

Es haben sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben, dass er bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in seiner Person gelegenen Gründen oder auf Grund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK geschützten Rechte ausgesetzt wäre. Nordmazedonien ist ein sicherer Herkunftsstaat iSd HStV (§ 1 Z 4).

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zur geschiedenen Ehe sind dem Scheidungsbeschluss des Amtsgerichtes Subotica (AS 61 ff) sowie den Angaben des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme am 13.02.2020 entnommen. Die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ist im Fremdenregister (IZR) dokumentiert. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers und seinem persönlichen Umfeld in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den vorgelegten Dienstbestätigungen (AS 67 ff) sowie dem eingeholten Auszug aus dem AJ-WEB Auskunftsverfahren.

Der Beschwerde ist kein neues Vorbringen zu entnehmen, zumal der Beschwerdeführer zu seinen persönlichen und sozialen Verhältnissen in Österreich von der belangten Behörde ausführliche befragt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zur Ausweisung (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist. Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG unter anderem der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, insofern er den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Gemäß § 54 Abs. 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht drittstaatsangehöriger Ehegatten bleibt (soweit entscheidungswesentlich) bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß § 54 Abs. 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf (Z 5).

Der Beschwerdeführer ist als Staatsangehörige von Nordmazedonien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Durch seine Ehe mit einer ungarischen Staatsangehörigen erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen.

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG ankommt.

Dem Beschwerdeführer wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs. 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Die Ehe dauerte weniger als drei Jahre – konkret knapp 22 Monate – und blieb kinderlos. Es sind daher die Fälle des § 54 Abs. 5 Z 1 bis 3 und 5 NAG trotz der Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers auszuschließen, da ein kumulatives Vorliegen der Voraussetzungen erforderlich ist.

Trotz der Behauptung des Beschwerdeführers, das Alleinverschulden am Scheitern der Ehe träfe seine Ex-Ehefrau, bestehen auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs. 5 Z 4 NAG vorliegt. Mit dieser Bestimmung wurde Art 13 Abs. 2 Unterabs 1 Buchst c der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) im nationalen Recht umgesetzt (VwGH 15.03.2018, Ro 2018/21/0002), wonach die Ehescheidung dann nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt, wenn es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe. Da der Beschwerdeführer weder Opfer häuslicher Gewalt während der Ehe wurde noch vergleichbare andere "besonders schwierige Umstände" erkennbar sind, aufgrund derer die Aufrechterhaltung seines bisherigen Aufenthaltsrechts "erforderlich" wäre, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs. 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs. 1 FPG können EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 66 Abs. 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs. 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer hält sich seit seiner Einreise im Oktober 2016 nunmehr knapp unter vier Jahren im Bundesgebiet auf. Er war während dieses Zeitraumes annährend durchgehend sozialversicherungspflichtig beschäftigt und hat beginnende Deutschkenntnisse vorzuweisen. Familiäre oder maßgebliche private Bindungen bestehen in Österreich nicht. Vielmehr leben die Ehefrau des Beschwerdeführers, welche nach dessen eigenen Angaben das erste gemeinsame Kind erwartet, seine Eltern, seine Schwestern und sein Großvater in Nordmazedonien, sodass eine Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet das Familienleben des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigt. Soziale und private Kontakte in Österreich bestehen nur zu Arbeitskollegen.

Die Behörde ist daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt und der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu einem maßgeblichen Teil auch darauf zurückzuführen ist, dass dieser die bereits im Jahr 2018 erfolgte Scheidung der Behörde nicht bekannt gab, sondern diese erst mit Beantragung einer Aufenthaltskarte für die nunmehrige Ehefrau des Beschwerdeführers Kenntnis von der Ehescheidung erlangte.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Erteilung eines Durchsetzungsaufschubes (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

In Ermangelung einer im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gelegenen raschen Ausreisenotwendigkeit hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zu Recht einen Durchsetzungsaufschub im Ausmaß von einem Monat erteilt.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Angehörigeneigenschaft Ausweisung Ausweisung rechtmäßig Ausweisungsverfahren Durchsetzungsaufschub Integration Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Scheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I408.2232707.1.01

Im RIS seit

23.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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