Index
19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §17 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der L, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien I, Reichsratsstraße 13, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 6. März 1995, Zl. SD 304/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 6. März 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine armenische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 19. Dezember 1993 mit einem von der österreichischen Botschaft in Moskau ausgestellten Touristensichtvermerk, der bis zum 24. Dezember 1993 Gültigkeit gehabt habe, in das Bundesgebiet eingereist. Nach Ablauf dieser Aufenthaltsberechtigung sei sie weiterhin in Österreich verblieben und habe am 27. Dezember 1993 einen Asylantrag gestellt, der abgewiesen worden sei. Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung sei dieser Bescheid in Rechtskraft erwachsen. Demnach halte sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig in Österreich auf, sodaß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG gegeben seien.
Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so liege im Hinblick darauf, daß die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Mutter in Österreich lebe, ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in ihr Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei aber ihre Ausweisung zum Schutz der öffentlichen Ordnung, im besonderen auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Der etwa einjährige unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich gefährde die öffentliche Ordnung im hohen Maße, zumal die Beschwerdeführerin von vornherein nicht mit einem längeren Aufenthalt in Österreich habe rechnen dürfen. Dem Interesse an einem geordneten Fremdenwesen würde es grob zuwiderlaufen, wenn sich ein Fremder auf solche Weise den tatsächlichen, jedoch unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich auf Dauer erzwingen könnte.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und bantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß die Frage ihrer Aufenthaltsberechtigung in Österreich von ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Abweisung ihres Asylantrages in erster Instanz abhänge. Über ihre Berufung gegen die Abweisung ihres Wiedereinsetzungsantrages in erster Instanz sei noch nicht entschieden worden.
1.2. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin die Rechtslage. Dies deswegen, weil der Beschwerdeführerin ihr erst am 27. Dezember 1993 - und damit länger als eine Woche nach ihrer Einreise am 19. Dezember 1993 - gestellter Asylantrag nach § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verschaffen konnte. Somit kam der Beschwerdeführerin nach Ablauf der Geltungsdauer ihres Touristensichtvermerkes (unbestritten) mit 24. Dezember 1993 keine Aufenthaltsberechtigung in Österreich mehr zu.
Im übrigen sei - der Vollständigkeit halber - angemerkt, daß die (bloße) Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages bzw. die Erhebung einer Berufung gegen die Abweisung des Antrages in erster Instanz nichts daran ändern könnte, daß das die Beschwerdeführerin betreffende Asylverfahren mit dem Eintritt der Rechtskraft des negativen Asylbescheides als abgeschlossen und grundsätzlich unabänderlich anzusehen wäre und der Beschwerdeführerin daher - selbst wenn sie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung verfügt hätte - diese nach § 7 Abs. 3 des Asylgesetzes 1991 seither nicht mehr zukäme.
Der Gerichtshof hegt daher gegen die auf den unbestrittenen maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen beruhende Auffassung der belangten Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde hält den angefochtenen Bescheid weiters deshalb für rechtswidrig, weil die belangte Behörde die Bestimmung des § 19 FrG unrichtig angewendet habe. Die Beschwerdeführerin halte sich seit "nunmehr nahezu eineinhalb Jahren" in Österreich auf, sie sei weder straffällig geworden noch sonst der Allgemeinheit zur Last gefallen. Sie lebe in Wien in Gemeinschaft mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater. Eine Abschiebung in ihre Heimat Armenien würde für die Beschwerdeführerin mit der "Entwurzelung jeglicher sozialer Bande" verbunden sein; in ihrer früheren Heimat habe sie auch keine Verwandten oder Freunde.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat die familiären und privaten Verhältnisse der Beschwerdeführerin im Rahmen der Abwägung nach § 19 FrG zu ihren Gunsten berücksichtigt und zutreffend einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in ihr Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie diesem Eingriff das - nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) einen hohen Stellenwert aufweisende - öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften gegenübergestellt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 95/18/1367, mwH). Dieses maßgebliche öffentliche Interesse hat die Beschwerdeführerin durch ihren etwa 15-monatigen - bis auf fünf Tage - unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich gravierend beeinträchtigt. Die diesem somit sehr gewichtigen öffentlichen Interesse an der Ausweisung gegenüberstehenden privaten Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib in Österreich wiegen vergleichsweise geringer, kann doch ihrer Integration in Österreich wegen ihres kurzen Aufenthaltes, der noch dazu fast zur Gänze unerlaubt war, kein hoher Stellenwert eingeräumt werden. Die in der Beschwerde behaupteten Umstände, daß die Beschwerdeführerin weder straffällig geworden noch der Allgemeinheit zur Last gefallen sei, konnten an dieser Beurteilung nichts ändern, würde doch dadurch nicht bewirkt, daß dieses maßgebliche öffentliche Interesse wegfiele oder geschmälert würde. Auch der Beschwerdehinweis, die Beschwerdeführerin verlöre durch eine Abschiebung in ihre Heimat - zumal sie dort keine Verwandten oder Freunde mehr habe - ihre soziale Bande, geht ins Leere. Zum einen verkennt die Beschwerdeführerin, daß mit der Ausweisung lediglich die Verpflichtung des Fremden begründet wird, das Bundesgebiet zu verlassen (siehe § 22 Abs. 1 FrG), nicht aber (auch) ausgesprochen wird, daß er in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1997, Zl. 96/18/0600, mwN); zum anderen bezieht sich § 19 FrG lediglich auf das Privat- und Familienleben des Fremden in Österreich (vgl. in diesem Sinne das hg. Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0079).
3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995180600.X00Im RIS seit
20.11.2000