TE OGH 2020/9/16 7Ob69/20b

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Mag. Marco und Mag. Amelie Kunczicky, Rechtsanwälte in Mayrhofen, gegen die beklagte Partei D***** AG *****, vertreten durch Dr. Uwe Foidl, Rechtsanwalt in Fügen, wegen Feststellung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 23. Jänner 2020, GZ 4 R 176/19t-33, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. September 2019, GZ 41 Cg 35/19v-24, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.844,46 EUR (darin 307,41 EUR an USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die H***** GmbH hat für ihren Zimmereibetrieb samt Sägewerk mit der Beklagten einen Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag abgeschlossen. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB/EHVB 2009) idF 2012 zugrunde. Die AHVB lauten auszugsweise:

„[…]

Artikel 7

Was ist nicht versichert (Risikoausschlüsse)?

2. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben. Dem Vorsatz wird gleichgehalten

2.1 eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (z.B. im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);

[…]“

Die EHVB lauten auszugsweise:

„Abschnitt A:

Allgemeine Regelungen für alle Betriebsrisken

1. Erweiterung des Versicherungsschutzes

1. Versichert sind im Rahmen des im Versicherungsvertrag bezeichneten Risikos (Art. 1 AHVB) nach Maßgabe des Deckungsumfanges der AHVB Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers aus Innehabung und Verwendung der gesamten betrieblichen Einrichtung.

[…]

3. Mitversichert sind im Rahmen der Punkte 1 und 2 Schadenersatzverpflichtungen

3.1 der gesetzlichen Vertreter des Versicherungsnehmers und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat;

3.2 sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtung verursachen, jedoch unter Ausschluss von Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle (Berufskrankheiten) unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes im Sinne der Sozialversicherungsgesetze handelt.

Die im Betrieb mittätigen Familienangehörigen des Versicherungsnehmers sind gemäß Pkt. 3.1 oder Pkt. 3.2 auch ohne Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mitversichert.

[…]“

Das Erweiterungspaket 54C – BAUGEWERBE-PAKET (HAFTPFLICHT) lautet auszugsweise:

„[…]

4. Arbeitsunfälle

Abweichend von Abschnitt A, Ziff 1, Pkt 3.2 EHVB sind Schadenersatzverpflichtungen sämtlicher übriger Arbeitnehmer für Schäden, die sie in Ausübung ihrer dienstlichen Verrichtungen verursachen, mitversichert.

Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz bleiben Regressansprüche des Sozialversicherungsträgers wegen Personenschäden, soweit es sich um Arbeitsunfälle unter Arbeitnehmern des versicherten Betriebes im Sinne der Sozialversicherungsgesetze handelt.

[…].“

Der Kläger begehrt als Mitversicherter die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten. Das Berufungsgericht sprach in seinem die klagsabweisende Entscheidung des Erstgerichts aufhebenden Beschluss aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Zur Frage der Mitversicherung in der Betriebshaftpflichtversicherung liege insbesondere im Zusammenhang mit den vom Erstgericht festgestellten Usancen in dieser Versicherungsbranche und der daraus folgenden Bedeutung des § 333 Abs 1 und 4 ASVG für die Frage der als Arbeitnehmer mitversicherten Personen keine Rechtsprechung des Höchstgerichts vor.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Auch die Zurückweisung eines solchen Rekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO; RS0043691):

1. Der Kläger hält den Rekurs der Beklagten unter Hinweis auf RS0007218 für unzulässig, weil das Berufungsgericht keinen „echten“ Aufhebungsbeschluss gefasst, sondern eine abändernde Entscheidung getroffen habe. Diese Ansicht ist deshalb unzutreffend, weil das Berufungsgericht eine einer selbständigen Entscheidung nicht zugängliche Vorfrage (vgl RS0044029), nämlich die Reichweite des Deckungsschutzes (der mitversicherten Schadenersatzansprüche), abweichend vom Erstgericht gelöst, aber keine abschließende Entscheidung in der Hauptsache getroffen (vgl 5 Ob 273/08w), sondern dem Erstgericht die ergänzende Klärung von Tatfragen zum Vorliegen eines Risikoausschlusses aufgetragen hat. Das Berufungsgericht hat somit einen „echten“ Aufhebungsbeschluss gefasst.

2. Die Aktivlegitimation des Klägers wird im Rekursverfahren nicht aufgegriffen.

3.1. Der vom Berufungsgericht vertretenen und zur Begründung des Zulässigkeitsausspruchs herangezogenen Rechtsansicht zu der für die Mitversicherung ausreichenden arbeitnehmerähnlichen Stellung des Klägers tritt die Beklagte in ihrem Rekurs nicht grundsätzlich entgegen. Sie wendet insofern nur ein, dass der Geschädigte ein Mitarbeiter eines Elektrounternehmens gewesen sei, welches Installationsarbeiten im Betrieb der Versicherungsnehmerin durchgeführt habe. Der Kläger sei, als er den Gabelstapler betätigt habe, mit dessen Hilfe der später Geschädigte zuvor in die Arbeitsposition gehoben worden sei, nicht als Mitarbeiter der Versicherungsnehmerin, sondern des Elektrounternehmens tätig geworden. Überdies habe der Kläger mit dem Betätigen des Gabelstaplers zum Herablassen des dabei Geschädigten keine objektiv wirtschaftlich nützliche Arbeitsleistung erbracht, die außerdem nicht im Rahmen des versicherten Risikos gelegen sei. Dem ist Folgendes zu entgegnen:

3.2. Sinn und Zweck einer Betriebshaftpflichtversicherung ist es, alle Haftpflichtgefahren, die dem versicherten oder mitversicherten Betriebsangehörigen aus dem betreffenden Betrieb erwachsen können, unter Versicherungsschutz zu stellen. Das Betriebshaftpflichtrisiko ist daher nicht nur auf typische Betriebsgefahren beschränkt, sondern umfasst im Hinblick auf die Vielfalt der mit einem Betrieb verbundenen Haftpflichtgefahren alle Tätigkeiten, die mit diesem Betrieb in einem inneren ursächlichen Zusammenhang stehen (RS0081009). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versicherungsvertrag – wie hier – keine klare Risikobeschränkung enthält (7 Ob 79/00v). Die notwendigerweise einzelfallbezogene Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach sich die Mitwirkung des Klägers an Wartungsarbeiten (Austausch von Leuchtmitteln) für den Betrieb der Versicherungsnehmerin als der Art nach versicherte Tätigkeit darstellt, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

4. Ausgehend vom Trennungsprinzip ist die Frage der zivilrechtlichen Haftpflicht des Versicherungsnehmers (des Mitversicherten) im Haftpflichtprozess zwischen diesem und dem Geschädigten zu klären, während die Deckungspflicht des Versicherers zwischen diesem und dem Versicherungsnehmer (Mitversicherten) im Deckungsprozess geprüft werden muss. Die Frage, ob der Versicherer Versicherungsschutz zu gewähren hat, ist also von jener zu trennen, ob der Versicherungsnehmer dem Dritten Schadenersatz schuldet. Grundlage für die Prüfung, ob ein gedeckter Versicherungsfall vorliegt, ist zwar der geltend gemachte Anspruch ausgehend von den vom Geschädigten behaupteten Sachverhalt (vgl 7 Ob 142/18k mwN). Ob der von der Beklagten behauptete Risikoausschluss im Sinn von Art 7.2.1 AHVB aber vorliegt, hängt von ganz spezifischen Voraussetzungen, insbesondere betreffend die Reichweite des beim Versicherungsnehmer (Mitversicherten) vorgelegenen Vorsatzes ab (vgl dazu die Nachweise im RS0081721), die mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Begriff der fahrlässigen oder vorsätzlichen Schadenszufügung nicht übereinstimmen. Die Behauptungen des Geschädigten im Haftpflichtprozess, worin dieser das „Alleinverschulden“ des Klägers erblickt, lassen daher keine abschließende Beurteilung der im Deckungsprozess selbständig zur klärenden Frage des Vorliegens des Risikoausschlusses nach Art 7.2.1 AHVB zu. Wenn das Berufungsgericht bei richtigem Verständnis der nach Art 7.2.1 AHVB zu prüfenden Voraussetzungen die weitergehende Klärung von Tatfragen für erforderlich hält, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten (RS0042179).

5.1. Der Rekurs ist somit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig und daher zurückzuweisen.

5.2. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Kläger hat inhaltlich die fehlende Zulässigkeit des Rekurses aufgezeigt.

Textnummer

E129426

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00069.20B.0916.000

Im RIS seit

22.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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