Entscheidungsdatum
26.05.2020Norm
AVG §38Spruch
W129 2162158-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Kommando Luftstreitkräfte vom 16.05.2017, Zl. P811637/46-KdoLuSK/A1/2017, betreffend Aussetzung, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er beantragte am 05.02.2015 die rückwirkende Anrechnung seiner vor dem 18. Lebensjahr zurückgelegten Zeiten, damit verbunden die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages und die entsprechende Bezugsnachzahlung.
Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Kommando Luftstreitkräfte vom 16.05.2017, zugestellt am 06.06.2017, wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union, welcher durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 19.12.2016, GZ 9 ObA 141/15y-14, angerufen wurde, ausgesetzt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, welche am 19.06.2017 bei der belangten Behörde einlangte. Darin führt er auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, dass die Dienstbehörde die höchstgerichtliche Judikatur negiere. Der Beschwerdeführer stelle daher den Antrag, dass das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufheben und darauf erkennen möge, dass sein Vorrückungsstichtag und seine daraus resultierende besoldungsrechtliche Einstufung antragsgemäß neu festzusetzen und ihm die entsprechenden Bezugsdifferenzen innerhalb offener Verjährungsfrist nachzuzahlen seien. Ebenfalls möge darauf erkannt werden, dass infolge der sich daraus mittelbar ergebenden Erhöhung seines Besoldungsdienstalters eine entsprechende Verbesserung für seine seit der Bundesbesoldungsreform 2015 wirksame Einstufung einzutreten hat und auch diesbezüglich die entsprechenden Bezugsdifferenzen nachzuzahlen seien.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Kommando Landstreitkräfte vorgelegt und sind am 21.06.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Beschwerdeverfahren mit Beschluss gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.06.2017, W128 2148285-1/2Z, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen aus.
Mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, hat der EuGH über das Vorabentscheidungsersuchen entschieden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Gemäß der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).
Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und auch unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung, welche der Beschwerdeführer auch nicht beantragt hat, abgesehen werden.
Zu A)
Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. beim zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht es nach § 38 AVG dem Gesetz, im Fall von beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren ein Verwaltungsverfahren auszusetzen, wenn die zu entscheidende Vorlagefrage für das Verfahren präjudiziell ist (vgl. zB VwGH 28.10.2008, 2008/05/0129; 09.12.2010, 2009/09/0260; 26.04.2011, 2011/03/0015; 09.11.2011, 2011/22/0284; 13.12.2011, 2011/22/0316).
Mit Beschluss des OGH vom 19.12.2016 hat dieser dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1.1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG iVm Art 21 der Grundrechtecharta, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein (in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr) altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein neues Besoldungssystem ersetzt wird, die Überleitung der Bestandsbediensteten in das neue Besoldungssystem aber dadurch erfolgt, dass das neue Besoldungssystem rückwirkend auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Stammgesetzes in Kraft gesetzt wird, sich die erstmalige Einstufung in das neue Besoldungssystem aber nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem für einen bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) tatsächlich ausbezahlten Gehalt richtet, sodass die bisherige Altersdiskriminierung in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?
1.2. Für den Fall der Bejahung der Frage 1.1.:
Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 17 der Richtlinie 2000/78/EG, dahin auszulegen, dass Bestandsbedienstete, die in Bezug auf die Anrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr im alten Besoldungssystem diskriminiert wurden, einen finanziellen Ausgleich erhalten müssen, wenn diese Altersdiskriminierung auch nach Überleitung in das neue Besoldungssystem in ihren finanziellen Auswirkungen fortwirkt?
1.3. Für den Fall der Verneinung der Frage 1.1.:
Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 47 GRC, dahin auszulegen, dass dem darin verbrieften Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz eine nationale Regelung entgegensteht, nach der das alte diskriminierende Besoldungssystem in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden ist und sich die Überleitung der Besoldung von Bestandsbediensteten in das neue Besoldungsregime allein nach dem für den Überleitungsmonat zu ermittelnden bzw ausbezahlten Gehalt richtet?
2. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art 45 AEUV, Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union, und Art 20 f GRC, dahin auszulegen, dass es einer Regelung entgegensteht, nach der Vordienstzeiten eines Vertragsbediensteten
- in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, uä zur Gänze,
- in einem Dienstverhältnis zu einem anderen Dienstgeber nur bei Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren anrechenbar sind?"
Der Beschwerdeführer scheint - wie sich aus seiner Beschwerde ergibt - der Ansicht zu sein, dass die belangte Behörde negativ über seinen Antrag entschieden hat. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde sein Verfahren lediglich ausgesetzt hat, bis die dem EuGH vorgelegten Fragen geklärt sind. Danach wird erst ein abschließender Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers ergehen.
Diese vorgelegten Fragen sind auch für den Ausgang des Verfahrens des Beschwerdeführers relevant und daher präjudiziell.
Darüber hinaus hat der EuGH mit Urteil vom 08.05.2019, C-396/17, inhaltlich über das im Verfahrensgang genannte Vorabentscheidungsersuchen des Bundesverwaltungsgerichtes entschieden.
Es sind daher bei den für den Beschwerdeführer anzuwendenden Normen zweifelsfrei Fragen der Auslegung des Unionsrechts entstanden, für die der EuGH zuständig ist.
Die belangte Behörde hat daher das Verfahren des Beschwerdeführers zu Recht ausgesetzt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden ist.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung oder bestünden Zweifel an der Präjudizialität der Vorlagefragen für das vorliegende Verfahren; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aussetzung Beamter EuGH OGH Präjudizialität Vorabentscheidungsersuchen Vorabentscheidungsverfahren Vorfrage Vorrückungsstichtag Vorrückungsstichtag - NeufestsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W129.2162158.1.00Im RIS seit
09.10.2020Zuletzt aktualisiert am
09.10.2020