TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W171 2232359-1

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Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W171 2232359-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Dom. Rep., vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF stattgegeben und der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.06.2020, Zl: XXXX aufgehoben, sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 19.06.2020 bis zum 02.07.2020 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Die Anträge der Parteien auf Kostenersatz werden gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) reiste 2015 in das Bundesgebiet ein und wurde bald darauf straffällig.

Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 30.05.2017 (rk 23.06.2017) wurde der BF in der Folge wegen §§ 206 (1) und 201 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt und mit Bescheid vom 01.09.2017 ein Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen, welches am 18.10.2017 in Rechtskraft erwuchs.

Während laufender Strafhaft stellte der BF am 14.11.2018 sohin einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid vom 07.03.2019 abgewiesen wurde. Dabei wurde dem BF kein Asyl und kein subsidiärer Schutz erteilt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF nicht erteilt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Am 18.06.2020 endete die seit 18.12.2016 laufende Strafhaft und der BF wurde in Verwaltungsverwahrungshaft überstellt. Am 19.06.2020 wurde er zur Verhängung der Schubhaft durch ein Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen u. Asyl (in Folge: BFA bzw. Bundesamt oder auch Behörde) einvernommen. Er sagte im Wesentlichen aus, er habe im Gefängnis als XXXX gearbeitet und besitze einen gültigen Reisepass. Im Bundesgebiet würden keine Familienangehörigen oder enge Freunde leben. Er sei gesund und werde in Hungerstreik gehen, wenn er nicht seine Lehrabschlussprüfung machen dürfe. Er habe etwa € 2.800,--.

Am 19.06.2020 wurde der gegenständlich angefochtene Schubhaftbescheid zu Sicherung der Abschiebung erlassen und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 3 u. 9 FPG erfüllt und sei daher von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Sicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.

Mit Beschwerdeschrift vom 25.06.2020 wurde im Wesentlichen das Fehlen von Sicherungsbedarf und die Unverhältnismäßigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht.

Der BF sei bisher stets greifbar gewesen und wurde die Verhängung eines gelinderen Mittels nicht ernsthaft von der Behörde geprüft. Er verfüge über € 2.800,--, die er sich in der Strafhaft zusammengespart habe. Der BF sei von der Strafhaft direkt in die Schubhaft überstellt worden und sei es daher nicht verwunderlich, dass er über keine Unterkunft bzw. Meldung in Österreich verfüge. Nach Beendigung seiner Lehre beabsichtige er sich um eine freiwillige Ausreise zu kümmern. Aus der Straffälligkeit könne keine Fluchtgefahr abgeleitet werden. In der Strafhaft habe er sich wohlverhalten und regelmäßig Ausgänge zu Therapiesitzungen genehmigt bekommen. Eine Gefährdung der öffentl. Sicherheit oder aber die Gefahr des Untertauchens sei daher nicht gegeben. Die gegenständliche Schubhaft sei rechtswidrig, da zum einen kein Sicherungsbedarf bestehe und zum anderen die laufende Haft jedenfalls nicht als verhältnismäßig anzusehen sei.

Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Einvernahme des BF sowie der Ersatz der Aufwendungen gem. VwG-Aufwandersatzverordnung.

Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 26.06.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde wie nachstehend ausgeführt:

 

„Es wurde im Rahmen einer durchgeführten Einzelfallprüfung das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sowie das Vorliegen einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar geprüft.

Auf die Niederschrift vom 19.06.2020 darf explizit hingewiesen werden.

Die durch den RV behauptete Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann ha sohin zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Anordnung nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden – es existiert langjährige Judikatur des BVwG und VwGH, im Zuge welcher bei gleichgelagerten Sachverhalten Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig angesehen wurde.

Die belangte Behörde machte sich auch sonst keiner wie immer gearteten Säumigkeit schuldig – die Buchung einer Einzelrückführung für den BF ist bereits seit dem 08.06.2020 laufend.

Auf Grund der weltweiten COVID-Maßnahmen wird – wie der BVwG bereits in zahlreichen Judikaten äußerte – die Außerlandesbringung zwar zeitlich verzögert, jedoch schadet dies dem Verfahren nicht in der Weise, dass bei Vorliegen der restlichen Voraussetzungen die Anordnung von Schubhaft per se unverhältnismäßig wäre.

In der ns EV wurde der BF dazu befragt, ob er Angehörige im Bundesgebiet vorweist – dies wurde explizit verneint. Es bestehen daher zum Bundesgebiet keine wie immer gearteten familiären oder sozialen Beziehungen, welche durch den BF als verfahrenssichernd ins Treffen geführt werden könnten.

Es bestand – wie aus der Aktenlage ersichtlich – ein eklatanter Sicherungsbedarf, welcher jedoch durch die massive Straffälligkeit des BF noch weiter zu seinem Nachteil gewichtet wurde, sodass letztlich eine ultima-ratio-Situation vorlag.

Wenn in der Beschwerde gerügt wird, dass nach Ansicht des RV in casu ein ordentlicher Schubhaftbescheid zu erlassen gewesen wäre, so ist dem die Judikatur des BVwG entgegenzuhalten, wonach „Schubhaft auf Vorrat“ jedenfalls unzulässig ist.

Der BF verbüßte eine mehrjährige Strafhaft und wurde das Vorliegen von Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit und einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar und untadelig geprüft.

Wie der BF selbst in der Beschwerde äußert, ist mit einer Aufnahme des internationalen Flugverkehrs zu Beginn des Juli 2020 zu rechnen – die Außerlandesbringung des BF wird folglich innerhalb einer solchen Zeitspanne zu effektuieren sein, dass die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben.

Letztlich darf noch darauf hingewiesen werden, dass die Ausführungen des RV zum Verhalten des BF in der Strafhaft vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH ins Leere gehen.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen,

2.       den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.

Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde

XXXX € Gebühren

Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde

XXXX € Gebühren

Summe der Gesamtgebühren

 

€ XXXX Summe“

 

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person:

1.1. Der BF reiste 2015 in das Bundesgebiet ein und ist Staatsangehöriger der Dom. Rep.. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.

1.2. Er stellte am 14.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. In weiterer Folge hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurde aufgrund seiner Straffälligkeit ein Aufenthaltsverbot über ihn verhängt. Das Aufenthaltsverbot ist durchsetzbar.

1.3. Der BF leidet an keinen nennenswerten Erkrankungen.

1.4. Er wurde in Österreich strafgerichtlich verurteilt und befand sich von 18.12.2016 bis 18.06.2020 in Strafhaft.

Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Seit dem 18.10.2017 besteht gegen den BF ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot.

2.2. Der BF besitzt einen gültigen Reisepass der Dom. Rep..

2.3. Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf/Verhältnismäßigkeit:

3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.2. Der BF stellte einen Antrag auf internationalen Schutz zu einem Zeitpunkt als bereits ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot gegen ihn bestand.

3.3. Er war in den bisherigen Verfahren nur teilweise kooperativ.

Zur familiären/sozialen Komponente:

4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.

4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit, abgesehen von der in Haft begonnenen XXXX , die er nun nicht fortsetzen kann, nach, ist aufgrund der fehlenden regelmäßigen Einnahmen auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig und weist keine besonderen Integrationsmerkmale auf.

4.3. Er verfügt über € 2.788,14 (per 26.06.2020) an Erspartem.

4.4. Der BF hat in Österreich keinen gesicherten Wohnsitz.

Zum behördlichen Verfahren:

5.1. Die Behörde hat es unterlassen, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchzuführen und trotz einer Strafhaft von dreieinhalb Jahren (von 18.12.2016 bis 18.06.2020) am 19.06.2020 einen Mandatsbescheid zur Verhängung der Schubhaft ohne vorhergehende ordnungsgemäße Ermittlung erlassen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.4.):

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich des Bestehens eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes und die Antragstellung von Asyl ergeben sich aus dem Akteninhalt und wurde auch nicht in Zweifel gezogen. Weiters sind keine nennenswerten Erkrankungen des BF aktenmäßig erfasst (1.3.) und hat der BF auch selbst stets angegeben, gesund zu sein (EV vom 19.06.2020). Aus den Eintragungen in der Anhaltedatei war ebenso nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist. Die strafgerichtlichen Verurteilungen und die Haftzeiten waren dem Strafregister zu entnehmen (1.4.).

2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):

Die Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).

Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich daraus, dass sich im Akt Farbkopien eines gültigen Reisepasses befinden und der BF selbst wiederholt angegeben hatte, einen Reisepass zu besitzen.

Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Der BF wurde nach einer diesbezüglichen Äußerung vom Verein Dialog zu seinen Suizidgedanken befragt und liegt dem Gericht kein Bericht über eine tatsächlich bestehende Selbstgefährdung des BF vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.

2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.5.):

Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Das Aufenthaltsverbot erwuchs nach den Angaben im Verwaltungsakt am 18.10.2017 in Rechtskraft. Am 14.11.2018 stellte der BF sodann einen Antrag auf internationalen Schutz (3.2.).

Der BF verhielt sich während des Aufenthaltsverbotsverfahren nicht unkooperativ, zumal er sich zu dieser Zeit in Strafhaft befand und gerade seine Lehre absolvierte. Im Rahmen des Schubhaftverfahrens trat der BF nunmehr unkooperativ in Erscheinung, als er mit Hungerstreik drohte, wenn er nicht Ausgang zu seiner Prüfung erhalten würde. Schließlich verweigerte er auch die Unterschrift unter das Einvernahmeprotokoll vom 19.06.2020 (3.3.).

2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.4.):

Aufgrund der Aktenlage (behördlicher und gerichtlicher Schubhaftakt) ergibt sich, dass der BF über keinerlei familiäre oder anderweitige wesentliche soziale Kontakte in Österreich verfügt. Derartiges wurde auch nicht behauptet bzw. bescheinigt (4.1.). Der BF hat auch keine Aussicht auf eine legale Berufstätigkeit nach einer etwaigen Entlassung aus der Schubhaft. Die in der Haft begonnene XXXX kann er offenbar aktuell nicht beenden. Es kann daher auch nicht von einem periodischen Einkommen ausgegangen werden. Der BF verfügt zwar aktuell über einen höheren Geldbetrag (Feststellung 4.3.), dadurch ist sein Aufenthalt jedoch lediglich für kurze Zeit abgesichert. Eine nachhaltige Einkunftsquelle, die den BF zur Deckung seiner Lebensbedürfnisse verhelfen kann, ist jedoch nicht gegeben.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist keine Wohnmöglichkeit für den BF erkennbar geworden und wurde Derartiges auch nicht behauptet (4.4.).

2.5. Die Feststellung, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen sowie der Umstand, dass sie einen Mandatsbescheid erließ, ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem angefochtenen Bescheid.

2.6. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Zu Spruchpunkt I. – Rechtswidrigkeit des Mandatsverfahrens:

Das Bundesamt hat, obwohl sich der BF seit 18.12.2016 in Strafhaft befand, nach einer knapp gehaltenen Einvernahme am 19.06.2020 einen Mandatsbescheid erlassen. Der Bescheid ist mit „Mandatsbescheid“ bezeichnet und stützt sich im Spruch auf § 57 Abs. 1 AVG.

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen. Dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Der Beschwerde ist dahingehend zu folgen, dass der VwGH im Erkenntnis vom 27.01.2010, Zl 2009/21/0009 festgehalten hat, dass der Gesetzgeber die Verhängung der Schubhaft jedenfalls dann nicht im Mandatsverfahren zulassen wollte, wenn sich der Fremde bereits aus einem anderen Grund in Haft befindet und diese Anhaltung nicht bloß kurzfristig ist. In diesem Fall liegt gemäß dem VwGH nämlich keine Gefahr im Verzug dahingehend vor, dass sich ein Fremder (etwa) seiner Abschiebung entziehen könnte. Es ist somit in den Fällen, in denen ein Fremder bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides nicht bloß kurzfristig in Haft angehalten wird geboten, im Fall der beabsichtigten Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides ein Ermittlungsverfahren durchzuführen. Das Ergebnis dieses Verfahrens ist dem Fremden im Rahmen des ihm zustehenden Parteiengehörs zur Kenntnis zu bringen, um die rechtzeitige Wahrnehmung seiner Rechtsschutzbehelfe, die ihm nach Erlassung des Bescheides zustehen (§ 76 Abs 7 iVm § 82 Abs 1 Z 3 FrPolG 2005), nicht zu vereiteln.

Der Beschwerdeführer befand sich im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zur Erlassung eines die Schubhaft anordnenden Bescheides jedenfalls bereits seit dreieinhalb Jahren und damit nicht bloß kurzfristig in Haft.

Er wurde zwar vor Bescheiderlassung zur Verhängung der Schubhaft einvernommen, ein Ermittlungsverfahren ist dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Die Angaben des Beschwerdeführers wurden weder überprüft und fanden sie zum Teil nicht Eingang in den Bescheid. Daher findet sich im Bescheid etwa auch eine Feststellung, die den Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 19.06.2020 widerspricht. Der BF ist aktuell nachweislich nicht mittellos.

Dass es der Behörde nicht möglich gewesen wäre, vor Ende der Strafhaft des Beschwerdeführers ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zu führen, lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und wurde von der Behörde auch nicht vorgebracht.

Der gegenständliche Schubhaftbescheid erweist sich damit als rechtswidrig.

Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattzugeben und der gegenständliche Schubhaftbescheid für rechtswidrig zu erklären.

Im gegenständlichen Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid über den BF die Schubhaft angeordnet und diese auch in Vollzug gesetzt.

Da sich der angefochtene Schubhaftbescheid - wie bereits dargelegt - als rechtswidrig erwiesen hat und die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft somit nicht von einem Bescheid gedeckt ist, erweist sich auch die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattzugeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

4.1. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF nicht rechtmäßig im Inland aufhältig ist und gegen ihn ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot besteht. Der BF hat in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Er kann nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ oder aber als vertrauenswürdig angesehen werden.

Der BF ist in Österreich nicht sozial verfestigt, hat keine Familienangehörigen im Inland und konnte auch keinen gesicherten Wohnsitz darlegen. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens auch keinerlei weitere nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht oder wurden in der Beschwerdeschrift vorgebracht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Der BF ist gesund und haftfähig. Es besteht kein familiäres- oder sonstiges soziales Netz das dem BF Halt geben und diesen vom Untertauchen erfolgreich abhalten könnte.

Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 (Ziffer 3, 5 und 9) jedenfalls von Fluchtgefahr hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso ausreichenden Sicherungsbedarf für gegeben an.

Bestechend, aber im vorliegenden Fall nicht zutreffend war das Argument zu bewerten, dass der BF im Rahmen der Strafhaft bereits regelmäßigen Ausgang gehabt habe und daher nicht von Fluchtgefahr auszugehen sei. Aus dem Akteninhalt und dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift ergibt sich unzweifelhaft, dass dem BF der Abschluss seiner XXXX sehr wichtig ist. Es ist daher klar davon auszugehen, dass der BF, der zum nahenden Abschluss seiner Berufsausbildung die Abschlussprüfungen machen muss, nicht vor Erreichung dieses Zieles der Strafhaft entfliehen würde und sich so der Chance des Lehrabschlusses begeben würde, da ein Abschluss nur im Rahmen der Strafhaft möglich ist.

In Schubhaft ist die Situation diesbezüglich anders, da die Schubhaft eben gerade keinen Lehrabschluss bieten kann und jedenfalls für den BF weit weniger „attraktiv“ ist. Es zeigt sich daher, dass der angestrengte Vergleich im konkreten Fall nicht überzeugen kann. Ebenso verhält es sich mit dem Wohlverhalten des BF in Strafhaft und der nun in Schubhaft gezeigten Unkooperativität, weshalb auch eine Beischaffung des Vollzugsaktes unterbleiben konnte.

4.2. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zwar bisher nicht untergetaucht ist, aber sonst keinerlei nennenswerten familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat in der Beschwerdeschrift zwar einerseits dargelegt, dass er die noch fehlende Lehrabschlussprüfung machen möchte, doch wäre eine diesbezügliche Vorführung vor die Prüfungskommission an sich auch aus der Schubhaft möglich und bedarf daher nicht jedenfalls einer Enthaftung. Durch die begangenen massiven Straftaten hat der BF andererseits gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurde über ihn mittlerweile neben einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung auch ein Aufenthaltsverbot verhängt. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts nunmehr ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und auch eine Wiederkehr des BF nicht gewünscht werde. Daraus lässt sich sohin auch ein erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF klar erkennen. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal ein Reisepass bereits vorliegt und von einer tendenziell kurzen Haftdauer auszugehen ist. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich durch das Verhalten im Verfahren zur Abschiebung und zur Schubhaft letztens gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.

4.3. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen noch zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Wochen einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist aus derzeitiger Sicht jedenfalls realistisch.

Wie oben angeführt, ist der BF in Österreich zum Straftäter geworden. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus diesen Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.

4.4. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass mehrere im Gesetz angeführte Kriterien die der BF durch sein Verhalten erfüllt hat gegeben sind und sohin auch die Gefahr des Untertauchens evident ist. Der BF ist auch in der Lage sich im Verborgenen über längere Zeit finanziell „über Wasser“ zu halten, da er über eine größere Summe Geldes verfügt. Ein Untertauchen ist daher auch aus diesem Aspekt als wahrscheinlich anzusehen. Dadurch wäre jedoch eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ein evidentes Interesse daran gezeigt hat, dass er im Inland verbleiben kann, nicht untertauchen würde, wo er weder sozialen Anschluss, noch einen gesicherten Wohnsitz vorweisen konnte. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF gerade jetzt, wo eine Abschiebung in den kommenden Monaten real durchführbar sein wird, im Verfahren unkooperativ wurde um die nahende Abschiebung zu behindern. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Auch die im vorliegenden Fall u. U. mögliche finanzielle Sicherheitsleistung wäre nach Ansicht des Gerichts nur ungenügend in der Lage, ein Untertauchen des BF zu unterbinden, zumal er diese Geldmittel zur persönlichen Versorgung dringend benötigen würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

4.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

5. Im vorliegenden Fall konnte aber auch von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor und wurden auch in der Beschwerdeschrift nicht konkret vorgebracht. Der Schubhaftbescheid war mit Rechtswidrigkeit behaftet. Sohin hat das Gericht aus dem vorliegenden Akteninhalt klare Feststellungen getroffen, die der gegenständlichen Entscheidung zugrunde zu legen waren.

Zu Spruchpunkt III. Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da weder die Verwaltungsbehörde, noch die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, steht demnach keiner der Parteien der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

Zu Spruchpunkt B. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot Ermittlungsverfahren Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2232359.1.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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