TE Vwgh Beschluss 2020/9/9 Ra 2020/22/0181

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Veröffentlicht am 09.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §55
B-VG Art133 Abs4
FrPolG 2005 §52 Abs3
FrPolG 2005 §52 Abs9
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des A S A in S, vertreten durch Mag. Thomas Loos, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Schönauerstraße 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2020, W242 2166153-2/12E, betreffend Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung ua. (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 14. Juli 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, vom 30. September 2015 auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.

2        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies mit Erkenntnis vom 6. September 2018 die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 2019, Ra 2019/20/0128, wurde die dagegen erhobene Revision zurückgewiesen.

3        Am 18. Juni 2019 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK, der mit Bescheid des BFA vom 11. November 2019 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen wurde; weiters wurde ua. gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei.

4        Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des BVwG wurde die dagegen erhobene Beschwerde abgewiesen. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend stellte das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wesentlichen fest, der Revisionswerber gehöre der Volksgruppe der Hazara an, sei verheiratet und habe drei Kinder. Seine Ehefrau und Kinder sowie weitere Verwandten lebten im Iran. Ein Bruder sei in Afghanistan aufhältig. Der Revisionswerber habe im Iran sieben Jahre lang die Schule besucht und viele Jahre im Bereich der Metallbearbeitung undMetallverarbeitung berufliche Erfahrungen gesammelt. Daneben habe er sich auch berufliche Erfahrungen als Maler und Anstreicher angeeignet. Er leide an Depressionen und Schlafstörungen, sei aber arbeitsfähig. Der Revisionswerber sei unter Umgehung von Grenzkontrollen am 3. September 2015 in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Seit Abschluss seines Asylverfahrens halte sich der Revisionswerber an einem Ort aufgehalten, den er vor den Behörden geheim gehalten habe. Er gehe gelegentlich einer unerlaubten Erwerbstätigkeit nach, wodurch er ein geringes monatliches Einkommen von € 100,-- bis € 150,-- erwirtschafte. In Österreich verfüge der Revisionswerber über keine familiären Bindungen, habe aber einen umfangreichen Freundes- und Bekanntenkreis. Während seines Aufenthaltes habe der Revisionswerber einen Deutschkurs A 2 absolviert, einen Deutschkurs B 1 besucht und an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Er habe gemeinnützige Arbeiten ausgeführt, vom 18. Februar 2019 bis 17. August 2019 eine Beschäftigungsbewilligung als Saisonarbeitskraft erhalten und sei unbescholten.

6        Weiters traf das BVwG unter Berücksichtigung der aktuellen EASO Country Guidance Notes Feststellungen zur Situation des Revisionswerbers im Herkunftsland und zu einer möglichen Rückkehr.

7        In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, der Revisionswerber sei nach Abschluss seines Asylverfahrens illegal im Bundesgebiet verblieben, wohne unangemeldet bei Freunden und wechsle regelmäßig seinen Aufenthaltsort, um diesen vor den Behörden zu verbergen. Der Zeitraum seines Aufenthaltes in Österreich von etwas mehr als vier Jahren sei als relativ kurz zu bewerten und es begründe die vom Revisionswerber erlangte Integration noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, sodass von außergewöhnlichen Umständen gesprochen werden könne, aufgrund derer ein dauerhafter Verbleib des Revisionswerbers in Österreich ermöglicht werden müsste. Bei allen Integrationsschritten hätte sich der Revisionswerber seines ungewissen Aufenthaltes bewusst sein müssen, sodass seine privaten Interessen dadurch geschwächt seien.

8        Der Revisionswerber erhob gegen dieses Erkenntnis Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 841/2020-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit ausführt, der Revisionswerber habe unter Vorlage konkreter aktueller Nachweise vorgebracht, dass er „in der nunmehrigen sich seit dem letzten maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt verschlechterten Situation in Afghanistan Gefahren ausgesetzt sei, die eine Abschiebung unzulässig machen würden“, legt sie weder dar, welche Feststellungen des BVwG in Bezug auf den Herkunftsstaat nicht zuträfen, noch welche konkreten Umstände des Revisionswerbers vom BVwG nicht ausreichend berücksichtigt worden wären. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, wonach die EASO Country Guidance Notes (Stand Juni 2019) eine spezifische Beurteilung für jene Gruppe von Rückkehrern enthalte, die entweder außerhalb Afghanistan geboren worden seien oder lange Zeit außerhalb Afghanistans gelebt hätten, ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (unter Berücksichtigung der EASO Richtlinien) entgegenzuhalten, wonach es einem gesunden Mann im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrscht, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und die Möglichkeit hat, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Rückkehr nach Afghanistan zuzumuten ist, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren wurde, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan hat, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen ist (vgl. VwGH 10.6.2020, Ra 2019/18/0143, sowie VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0500, jeweils mwN).

13       Weiters bringt der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, er habe eine Ehefrau und Kinder, die im Iran lebten und zu denen er regelmäßig Kontakt hätte. Eine Nichtgewährung eines Aufenthaltsrechtes in Österreich bzw. eine Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan hätte negative Auswirkungen auf die Familienkonstellation und insbesondere auf das Kindeswohl. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels würde dem Revisionswerber eine wesentlich bessere Unterstützung seiner Kinder ermöglichen und diesen auch die Möglichkeit bieten, nach Österreich nachzuziehen. Werde der Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich beendet, so entfalle die Unterstützungsmöglichkeit des Revisionswerbers. Vor dem Hintergrund der Feststellungen des BVwG, wonach sich der arbeitsfähige Revisionswerber eine Existenzgrundlage in Afghanistan sichern kann, zeigt die Revision nicht auf, inwiefern ihm die Unterstützung seiner Familie von Afghanistan aus nicht möglich sei.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020220181.L00

Im RIS seit

20.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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