TE Vwgh Beschluss 2020/9/18 Ro 2016/08/0020

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Veröffentlicht am 18.09.2020
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
72/13 Studienförderung

Norm

ASVG §76 Abs1 Z2 litc
StudFG 1992 §13
StudFG 1992 §14
StudFG 1992 §15

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2019/08/0021 B 22.10.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der Steiermärkische Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) als belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2016, G305 2122282-1/11E, betreffend Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung (mitbeteiligte Partei: K L in G, vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwält_innen GmbH in 1080 Wien, Alser Straße 21), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass - in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten - der Bescheid der Revisionswerberin vom 5. Jänner 2016, mit dem der monatliche Beitrag des Mitbeteiligten zur studentischen Selbstversicherung in der Krankenversicherung für das Jahr 2015 ab dem 22. Mai 2015 mit € 97,01 festgesetzt wurde, behoben und festgestellt werde, dass die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG zur Anwendung gelange.

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu im Wesentlichen aus, nach Auffassung der Revisionswerberin käme nicht die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG zur Anwendung, weil der Mitbeteiligte das im April 2015 begonnene Doktoratsstudium nicht innerhalb von zwölf Monaten nach seinem (bereits) im Jahr 2004 (in seinem Heimatland) abgeschlossenen Masterstudium aufgenommen hätte, was Anspruchsvoraussetzung nach § 15 Studienförderungsgesetz (StudFG) 1992, auf den § 76 Abs. 1 Z 2 lit. c ASVG verweise, wäre.

Diese Rechtsauffassung der Revisionswerberin sei aber nicht zutreffend. Der Mitbeteiligte erfülle die (näher erörterten) Voraussetzungen für die studentische Selbstversicherung nach § 16 Abs. 2 ASVG, strittig sei lediglich die Auslegung des § 76 Abs. 1 ASVG dahingehend, ob die (allgemeine) Beitragsgrundlage nach Z 1 oder die begünstigte Beitragsgrundlage nach Z 2 zur Anwendung gelange. Bei Auslegung dieser Vorschrift nach dem klaren Gesetzeswortlaut ergebe sich, dass die begünstigte Beitragsgrundlage dann anzuwenden sei, wenn nicht eine der Ausnahmen des § 76 Abs. 1 Z 2 lit. a bis c ASVG vorliege. Gegenständlich komme der Tatbestand der lit. c leg. cit. in Betracht, wonach die allgemeine Beitragsgrundlage anzuwenden sei, wenn vor dem gegenwärtigen Studium schon ein Hochschulstudium im Sinn der §§ 13 bis 15 StudFG 1992 absolviert worden sei. Dabei sei der (hier im Blick stehende) Verweis auf § 15 StudFG 1992 dahingehend auszulegen, dass es nur auf die jeweilige Art der absolvierten Studien ankomme; nicht erforderlich sei, dass auch die sonstigen dort vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt seien, gehe es doch nicht um einen Anspruch auf Studienbeihilfe, sondern um die Beitragsgrundlage für die freiwillige Selbstversicherung. Im Übrigen gelange nach der weiteren Regelung des § 76 Abs. 1 Z 2 letzter Absatz ASVG die Ausnahmebestimmung der lit. c leg. cit. auf Selbstversicherte, die - wie der Mitbeteiligte - während des Hochschulstudiums keine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit (mit einem Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG) ausübten, jedenfalls nicht zur Anwendung. Im Hinblick darauf sei jedoch fallbezogen die ermäßigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG anzuwenden.

2.3. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision zulässig sei. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer Rechtsfrage ab, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil es „hinsichtlich der gegenständlich zu klärenden Rechtsfrage (...) an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung“ fehle.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende - ordentliche Revision mit einem Aufhebungs- bzw. Abänderungsantrag.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

4. Die Revision ist entgegen dem - den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden (§ 34 Abs. 1a VwGG) - Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts nicht zulässig.

5. Voranzustellen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner (oben wiedergegebenen) Begründung für die Zulassung der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht hinreichend konkret aufzeigte. Angesichts dessen wäre es an der Revisionswerberin gelegen gewesen, Gründe für das Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzutun (vgl. etwa VwGH 30.3.2020, Ro 2020/08/0002).

Die Revisionswerberin legt jedoch - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - ebenso keine Gründe dar, aus denen das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG und damit die Zulässigkeit der Revision abgeleitet werden könnte.

6. Die Revisionswerberin macht geltend, für die in § 16 Abs. 2 ASVG genannte Personengruppe sei grundsätzlich die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG vorgesehen. In lit. c leg. cit. werde jedoch die begünstigte Selbstversicherung ausgeschlossen, wenn vor dem gegenwärtigen Studium schon ein Hochschulstudium nach den §§ 13 bis 15 StudFG 1992 absolviert worden sei. Dieser Verweis auf das StudFG 1992 bedeute, dass auch die dortigen Regelungen und Fristen zu berücksichtigen seien. So müsse nach § 15 Abs. 4 StudFG 1992 ein Doktoratsstudium spätestens zwölf Monate nach Abschluss des vorangegangenen Studiums aufgenommen werden, bei Überschreitung der Frist stehe keine begünstigte Selbstversicherung zu. Die genannte Regelung gehe dabei von der Fortführung eines vorangegangenen Studiums in derselben Studienrichtung aus, ein Neustudium sei indes nicht erfasst. Vorliegend habe der Mitbeteiligte das vorangegangene Studium im Wege des nunmehrigen Doktoratsstudiums fortgeführt und kein Neustudium absolviert. Er habe dabei die 12-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 StudFG 1992 überschritten, weil er das vorangegangene Studium bereits im Jahr 2004 abgeschlossen, das Doktoratsstudium aber erst im April 2015 aufgenommen habe. Im Hinblick darauf lägen jedoch die Voraussetzungen für die begünstigte Selbstversicherung nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG nicht vor.

7. Mit diesen Ausführungen zeigt die Revisionswerberin freilich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

7.1. Aus § 76 Abs. 1 ASVG in der zeitraumbezogen maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 3/2013 geht klar hervor, dass § 76 Abs. 1 Z 1 ASVG grundsätzlich eine (allgemeine) Beitragsgrundlage für Selbstversicherte in der Krankenversicherung vorsieht. § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG ordnet als Ausnahme für Selbstversicherte, die der Personengruppe nach § 16 Abs. 2 ASVG angehören, eine begünstigte Beitragsgrundlage an. Zu dieser enthalten die lit. a bis c des § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG wiederum Gegenausnahmen, bei deren Erfüllung die (allgemeine) Beitragsgrundlage an die Stelle der begünstigten Beitragsgrundlage tritt. Die - hier in Rede stehende - Gegenausnahme des § 76 Abs. 1 Z 2 lit. c ASVG betrifft Selbstversicherte, die vor dem gegenwärtigen Studium bereits ein Hochschulstudium im Sinn der §§ 13 bis 15 StudFG 1992 absolviert haben. Diese Gegenausnahme ist jedoch - nach dem Schlussteil des § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG - (unter anderem) für Selbstversicherte nicht anzuwenden, die während des Hochschulstudiums keine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausüben. Eine dennoch ausgeübte Erwerbstätigkeit bleibt unberücksichtigt, wenn das daraus bezogene Erwerbseinkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG nicht übersteigt.

7.2. Daraus folgt fallbezogen, dass für den Mitbeteiligten nicht die (allgemeine) Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 1 ASVG anzuwenden ist, sondern auf Grund seiner Eigenschaft als ordentlicher Studierender (Angehöriger der Personengruppe des § 16 Abs. 2 ASVG) die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG zur Anwendung gelangt. Was die Gegenausnahme der lit. c des § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG betrifft, so kommt diese schon deshalb nicht zum Tragen, weil der Mitbeteiligte unstrittig während des nunmehrigen Studiums keine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit ausübt. Folglich ist - wie das Bundesverwaltungsgericht ohne Rechtsirrtum erkannte - die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG anzuwenden.

7.3. Soweit die Revisionswerberin - im Ergebnis (vgl. im Einzelnen Punkt 6.) - die Ansicht vertritt, der Verweis des § 76 Abs. 1 Z 2 lit. c ASVG auf die §§ 13 bis 15 StudFG 1992 habe zur Folge, dass auch die dortigen Regelungen und Fristen (insbesondere die 12-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 StudFG 1992) zu berücksichtigen seien und deren Nichteinhaltung zum Ausschluss der begünstigten Selbstversicherung führe, ist diese Rechtsansicht durch den klaren und eindeutigen Wortlaut der betreffenden Bestimmung widerlegt. Zum einen regelt die lit. c nur eine Gegenausnahme und nicht die Voraussetzungen für den begünstigten Beitragssatz, zum anderen kommt es lediglich darauf an, dass der Selbstversicherte vor dem gegenwärtigen Studium bereits ein Hochschulstudium - das durch den Verweis auf die §§ 13 bis 15 StudFG 1992 näher bestimmt (definiert) wird - absolviert hat. Der Verweis auf die genannten Bestimmungen des StudFG 1992 kann aber nicht so verstanden werden, dass auch die dort zur Begründung des Anspruchs auf Studienbeihilfe vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sein müssten, um die begünstigte Beitragsgrundlage nach § 76 Abs. 1 Z 2 ASVG anwenden zu können. Ein derartiger Wille des Gesetzgebers ist auch aus den - bereits im angefochtenen Erkenntnis näher erörterten - Gesetzesmaterialien nicht abzuleiten. Eine Auslegung nach einem über den klaren und eindeutigen Wortlaut hinausgehenden vermeintlichen Willen des Gesetzgebers kommt jedenfalls nicht in Betracht (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2017/22/0056).

8. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, führt das bloße Fehlen einer ausdrücklichen Rechtsprechung zu einer Rechtslage nicht automatisch zur Zulässigkeit der Revision. Vielmehr liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor, wenn es - wie hier - trotz Fehlen von Rechtsprechung keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf, weil das Gesetz selbst eine klare und eindeutige Regelung trifft (vgl. VwGH 16.6.2020, Ra 2018/04/0168; 1.9.2015, Ra 2015/08/0093).

9. In der Revision wird daher keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 18. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2016080020.J00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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