TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/11 97/01/0256

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Veröffentlicht am 11.11.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Anthony Onyeij in Wien, geboren am 15. Mai 1976, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in Wien V, Pilgramgasse 22, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Jänner 1997, Zl. 4.345.734/1-III/13/96, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, eine Staatsangehöriger Nigerias, der am 4. September 1996 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Oktober 1996, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 1997 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 16. Oktober 1996 angegeben, sein Vater sei Politiker und stellvertretender Vorsitzender des NRC gewesen. Vor den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 1992 (später auf 1993 korrigiert) habe ein gewisser O. dem Vater des Beschwerdeführers Geld zur Finanzierung der Wahlkampagne übergeben. In der Folge habe O. den Vater beschuldigt, das Geld veruntreut zu haben, worauf "Schritte" gegen den Vater unternommen und über ihn ein Akt bei der Polizei angelegt worden seien. Der Vater des Beschwerdeführers habe in der Folge - "die Lage spitzte sich immer mehr zu" - flüchten müssen und befinde sich jetzt in Südafrika. Unbekannte hätten das Wohnhaus der Familie angezündet, wobei der Bruder des Beschwerdeführers getötet worden sei; der Beschwerdeführer habe sich zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause aufgehalten, sondern sei mit Freunden unterwegs gewesen. Der ältere Bruder des Vaters habe dem Beschwerdeführer berichtet, daß sein Leben in Gefahr sei, und sei ihm bei der Planung der Flucht behilflich gewesen, sodaß der Beschwerdeführer einen Reisepaß und ein Visum für Bulgarien erlangen und damit im April 1994 problemlos und legal ausreisen habe können. Im Fall seiner Rückkehr wisse der Beschwerdeführer nicht, "wo ich in Nigeria wieder neu beginnen soll, ich hätte niemanden, der mich beschützt". Die zunächst falsche Angabe des Wahldatums erklärte der Beschwerdeführer damit, daß er seit seiner Kindheit an Gedächtnisstörungen leide.

Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag mit der Begründung ab, daß das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei und daß er auf Grund von vor seiner Einreise nach Österreich gelegenen Aufenthalten in Bulgarien, Jugoslawien und Ungarn bereits in diesen Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid bekräftigte der Beschwerdeführer sein bisheriges Vorbringen und machte unter Hinweis auf Berichte von amnesty international ergänzend geltend, der Irrtum über den Zeitpunkt der Wahlen sei auf die bereits bei der erstinstanzlich Einvernahme angeführten Gedächtnisstörungen, die immer in nervlich belastenden Situationen aufträten, zurückzuführen. Die Ausstellung seines Reisepasses sowie die Ausreise selbst habe er nur durch Bestechung erwirken können. In den im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Staaten sei er nicht vor Verfolgung sicher gewesen.

Die belangte Behörde hat den die Angaben des Beschwerdeführers wiedergebenden Teil des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des angefochtenen Bescheides erhoben und im wesentlichen begründend ausgeführt, daß die den Vater des Beschwerdeführers betreffenden Verfolgungshandlungen sowie der Tod seines Bruders nicht als Ereignisse gewertet werden könnten, die den Beschwerdeführer selbst unmittelbar betroffen hätten. Im Fall eines tatsächlich bestehenden, auf die Familienzugehörigkeit zurückzuführenden Interesses der nigerianischen Behörden an der Person des Beschwerdeführers wäre es diesem nicht möglich gewesen, sich noch einen Monat lang nach dem behaupteten Brandanschlag in Nigeria aufzuhalten. Es sei unglaubwürdig, daß dem Beschwerdeführer, der nach seinen Angaben aus einer politisch engagierten Familie stamme, das genaue Datum eines derart wichtigen Ereignisses, wie dies die - das auslösende Moment für die Verfolgungshandlungen gegen seine Familie darstellenden - Präsidentschaftswahlen gewesen seien, bei seiner Einvernahme entfallen sei. Das Vorbringen, an Gedächtnisstörungen zu leiden, sei nicht glaubwürdig, weil der Beschwerdeführer in der Lage gewesen sei, genaue Angaben über seinen Fluchtweg zu machen, und er auch gewußt habe, daß seine Ausreise einen Monat nach dem ins Treffen geführten Brandanschlag stattgefunden habe. Da dem Beschwerdeführer Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, habe eine Untersuchung, ob ihm bereits in einem anderen Staat Verfolgungssicherheit zugekommen sei, unterbleiben können.

Dem Beschwerdeführer ist zunächst insoweit zu folgen, als er sich gegen den von der belangten Behörde aus seinem Irrtum über das Datum der Wahlen auf seine Unglaubwürdigkeit gezogenen Schluß wendet, weil ein im Verlauf einer Einvernahme auftretender Irrtum über bloß eine Jahreszahl (1992 statt 1993), wobei Tag und Monat auch nach Auffassung der belangten Behörde richtig angegeben wurden, jedem durchschnittlich begabten Menschen unterlaufen kann.

Der belangten Behörde kann aber nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die Auffassung vertritt, dem Beschwerdeführer sei es durch Anführung der gegen seinen Vater gerichteten Verfolgungshandlungen und des Todes seines Bruders nicht gelungen, gegen ihn persönlich gerichtete, konkrete Verfolgung glaubhaft zu machen. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt erkannt hat, kann aus Maßnahmen, die sich gegen einen Angehörigen richten, für sich allein nicht auf die Verfolgung eines dieser Familie angehörenden Asylwerbers geschlossen werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. März 1996, Zl. 95/01/0479, mit weiteren Judikaturhinweisen). Wenn der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde vorbringt, er habe in seiner Berufung auf Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens hingewiesen und den Umstand, daß er nur durch Zufall einem Brandanschlag, bei dem sein Bruder den Tod gefunden habe, entkommen sei, als gegen ihn selbst gerichtete Verfolgungshandlung geltend gemacht, ist ihm entgegenzuhalten, daß in der Berufung ein Hinweis auf allfällige Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens nicht enthalten ist. Da den Verwaltungsakten auch sonst eine Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens nicht entnommen werden kann, war die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verpflichtet, ihrer Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen. Das den wesentlichen Inhalt dieses Verfahrensergebnisses bildende Vorbringen des Beschwerdeführers bei seiner Einvernahme vom 16. Oktober 1996 läßt aber den Schluß auf eine konkrete, gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtete, von staatlichen Stellen ausgehende Verfolgung nicht zu. So hat die belangte Behörde zu Recht in dem von Unbekannten ausgeführten Brandanschlag, bei dem der Bruder des Beschwerdeführer getötet worden sei, keine derartige, gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung erblickt. Ebensowenig kann der belangten Behörde rechtswidriges Vorgehen vorgeworfen werden, wenn sie aus der bloßen Mitteilung des Onkels des Beschwerdeführers, daß sein Leben in Gefahr sei, keine solche Verfolgung abgeleitet hat, weil sich seinen erstinstanzlichen Angaben kein Anhaltspunkt dafür entnehmen läßt, daß die - wenn auch allenfalls auf politischen Gründen beruhende - Verfolgung seines Vaters auch auf ihn durchschlagen könnte.

Daß dem Beschwerdeführer die Erlangung eines Reisepasses und die Flucht nur durch Bestechung gelungen sei, hat er erstmals in der Berufung behauptet, weshalb die belangte Behörde dieses Vorbringen zufolge § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zu Recht unberücksichtigt gelassen hat. Auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann daher das allenfalls als Bezugnahme auf diesen Teil der Berufungsausführungen zu verstehende Vorbringen, es sei dem Beschwerdeführer "nur durch einen zufälligerweise möglichen Trick" gelungen, sich der Gewalt der nigerianischen Behörden zu entziehen, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Da die belangte Behörde ausdrücklich die Untersuchung der Frage, ob der Beschwerdeführer vor seiner Einreise nach Österreich in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war, aus ihren Überlegungen ausgeklammert und somit den allenfalls gegebenen Ausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 dem angefochtenen Bescheid nicht zugrundegelegt hat, erübrigt sich ein Eingehen auf die diesebezüglichen Beschwerdeausführungen.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997010256.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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