Index
19/05 Menschenrechte;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. April 1997, Zl. SD 561/97, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 Fremdengesetz-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage im November 1991 in das Bundesgebiet eingereist; er habe Sichtvermerke und in der Folge eine Aufenthaltsbewilligung (gültig vom 1. Juni 1994 bis 15. Jänner 1995) erhalten. Am 20. Juli 1994 habe er eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und aufgrund dessen eine weitere Aufenthaltsbewilligung bis 16. September 1995 erhalten. Ein am 9. August 1995 gestellter Verlängerungsantrag sei im Hinblick auf die Nichtigerklärung der Ehe (Urteil des BG Fünfhaus vom 23. September 1996) abgewiesen worden. Dieses Urteil sei vom LG für Zivilrechtssachen Wien bestätigt worden (Urteil vom 22. Jänner 1997). Aus diesem ergebe sich, daß der Beschwerdeführer die Ehe in der Absicht geschlossen hätte, dadurch die unbeschränkte Aufenthaltsbewilligung zu erlangen.
Auf dem Boden der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf § 18 Abs. 1 FrG gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der in § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten. Im vorliegenden Fall sei das nach dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken gewesen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.
Diesbezüglich sei festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basiere. Selbst wenn man unbeschadet dessen im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge eine Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen sei, einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privatleben annehmen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.
Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers festgestellt werden könnten und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerde rügt, die belangte Behörde habe unberücksichtigt gelassen, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Eheschließung bereits über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt hätte. Aus diesem Grund hätte die Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin für ihn keine weiteren Vorteile gebracht. Durch die Nichtigerklärung der Ehe "wurde die für das Fremdenwesen erforderliche Ordnung und somit das öffentliche Interesse wiederhergestellt". Für die Erlangung einer Aufenthaltsbewilligung hätte der Beschwerdeführer nunmehr die gleiche Vorgangsweise wie jeder andere Ausländer zu wählen. Es könne daher derzeit nicht von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers gesprochen werden. Die auf § 18 Abs. 1 FrG gestützte Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sei somit rechtswidrig.
1.2. In der Beschwerde wird die Feststellung der belangten Behörde nicht bestritten, daß die Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin gemäß § 23 Ehegesetz rechtskräftig mit der Begründung für nichtig erklärt worden sei, der Beschwerdeführer hätte die Ehe in der Absicht geschlossen, dadurch die unbeschränkte Aufenthaltsberechtigung zu erlangen (Urteil des LG für Zivilrechtssachen Wien vom 22. Jänner 1997).
Auf dem Boden dieser Feststellung und unter Bedachtnahme auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stößt die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, es handle sich bei dieser Eheschließung auf Seiten des Beschwerdeführers um einen Rechtsmißbrauch, der als gravierende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) anzusehen sei und solcherart die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige, auf keine Bedenken (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 30. Jänner 1997, Zl. 96/18/0611, und vom 13. März 1997, Zl. 97/18/0105, mwN). Der Beschwerdeeinwand, daß die Eheschließung für den Beschwerdeführer "keine weiteren Vorteile" gebracht habe, weil er bereits vorher über eine Aufenthaltsbeswilligung verfügt hätte, ist schon deshalb nicht zielführend, weil - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer unbestritten aufgrund der Eheschließung tatsächlich eine weitere Aufenthaltsbewilligung erhielt - für den besagten Rechtsmißbrauch die Eingehung einer Ehe mit der Absicht essentiell ist, sich auf diesem Weg fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu verschaffen. Von daher kann von einem Wegfall der durch das rechtsmißbräuchliche Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführten Gefährung der öffentlichen Ordnung mit dem Zeitpunkt der Nichtigerklärung der Ehe keine Rede sein.
2.1. Die Beschwerde erachtet den bekämpften Bescheid auch aus dem Blickwinkel des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG für rechtswidrig. Sie vertritt dazu die Ansicht, daß die belangte Behörde "vollkommen unrichtig" zu dem Ergebnis gekommen sei, daß "weder familiäre noch sonstige Bindungen" des Beschwerdeführers vorlägen. Es sei bereits in der Berufung darauf hingewiesen worden, daß der Beschwerdeführer nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin eine Lebensgemeinschaft führe, sodaß unabsprechbare familiäre Bindungen zu Österreich bestünden. Darüber hinaus lebe der Beschwerdeführer bereits seit 1991 im Bundesgebiet.
2.2.1. Die belangte Behörde hat auf die Dauer des Aufenthaltes des Beschwerdeführers Bedacht genommen, und zwar in der Form, daß "der Aufenthalt" letztlich auf die rechtsmißbräuchlich geschlossene Ehe zurückzuführen sei. Dieser Beurteilung, soweit sie sich auf den Zeitraum der Gültigkeit der durch die Eheschließung vermittelten Aufenthaltsbewilligung bezieht, pflichtet der Gerichtshof bei. Die belangte Behörde hat weiters - unter der Annahme, daß auf Grund der Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener relevanter Eingriff in sein Privatleben (§ 19 FrG) vorläge - die Auffassung vertreten, daß diesfalls die aufenthaltsbeendende Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen dringend geboten wäre. Der Gerichtshof ist zwar - anders als die belangte behörde - der Ansicht, daß das Bestehen einer Lebensgemeinschaft einen Umstand darstellt, der tatsächlich zu einem durch das Aufenthaltsverbot bewirkten relevanten Eingriff jedenfalls in das Privatleben des Fremden führt, kommt aber ungeachtet dessen zum gleichen Ergebnis wie die belangte Behörde. Denn auch eine aufrechte Lebensgemeinschaft, zumal eine, die unter Zugrundelegung der Ausführungen in der Berufung des Beschwerdeführers vom 16. April 1997 erst kurze Zeit besteht (arg.: "Ich lebe bereits mit B.V. in Lebensgemeinschaft"), und ein bloß etwa dreijähriger inländischer Aufenthalt des Beschwerdefürers, der seine aufenthaltsrechtliche Basis nicht in der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe hat, begründen keine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich von solchem Gewicht, daß diese höher zu veranschlagen wären als das gegenläufige, durch den in Rede stehenden Rechtsmißbrauch erheblich beeinträchtigte öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Von daher ist die Zulässigkeit des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG mit der belangten Behörde zu bejahen.
2.2.2. Wenngleich die von der belangten Behörde im Rahmen der Abwägung nach § 20 Abs. 1 FrG gemachte Aussage, es hätten "weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers" festgestellt werden können, nach dem Vorgesagten unzutreffend ist, bewirkt diese Fehleinschätzung nicht, daß die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes nach dieser Gesetzesstelle zu verneinen wäre. Der insgesamt etwa fünfeinhalbjährige inländische Aufenthalt, wobei nur die ersten drei Jahre durch eine nicht auf die Eheschließung zurückzuführende Aufenthaltsberechtigung gedeckt sind und das letzte halbe Jahr unter Zugrundelegung der Feststellungen im angefochtenen Bescheid durch das Fehlen eines Aufenthaltsrechtes gekennzeichnet ist, und eine daraus sich (allenfalls) ergebende Integration des Beschwerdeführers vermögen das Interesse der Allgemeinheit an der Beendigung seines Aufenthaltes nicht in den Hintergrund zu drängen. Die durch die rechtsmißbräuchliche Eheschließung herbeigeführte Ordnungsgefährdung ist angesichts dessen, daß seither erst knapp drei Jahre verstrichen sind und überdies das solcherart erlangte Aufenthaltsrecht mit Erlassung des einen Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers nach dem Aufenthaltsgesetz abweisenden erstinstanzlichen Bescheides vom 24. Oktober 1996 von einem unrechtmäßigen Aufenthalt abgelöst wurde, durchaus noch aktuell und im Hinblick auf den hohen Stellenwert, welcher der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten zukommt, von beträchtlichem Gewicht. Zusammgengefaßt wiegen demnach die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin jedenfalls nicht schwerer als die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme.
3. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997180458.X00Im RIS seit
20.11.2000