TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/17 I401 1300318-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs4
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I401 1300318-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard AUER über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ) XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch Solicitor Edward W. DAIGNEAULT, Rechtsanwalt, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 06.04.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX ,

zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides zu lauten hat: „Es wird gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass Ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste 2003 erstmals ins österreichische Bundesgebiet ein. Er wurde aufgrund von Suchtgiftdelinquenzen in den Jahren 2004, 2005 und 2008 von österreichischen Strafgerichten zu Freiheitsstrafen verurteilt und gegen ihn rechtskräftige Aufenthaltsverbote erlassen. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde negativ beschieden und der Beschwerdeführer im Jahr 2008 rechtskräftig aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

2. Am 16.12.2019 wurde der Beschwerdeführer in Untersuchungshaft genommen und mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.03.2020 wegen der Vergehen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Die bedingte Entlassung aus der Strafhaft erfolgte am 08.04.2020. Seither befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft.

3. Das Bundesamt verständigte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 03.02.2020 über das „Ergebnis der Beweisaufnahme“ und räumte ihm betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und die eventuelle Erlassung eines Schubhaftbescheides die Möglichkeit ein, dazu Stellung zu nehmen, und ersuchte ihn, die an ihn gerichteten Fragen zu beantworten. Von dieser Gelegenheit machte er keinen Gebrauch. Im Rahmen des Verfahrens betreffend die Verhängung der Schubhaft erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers am 08.04.2020.

4. Mit angefochtenem Bescheid vom 06.04.2020 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte fest, dass - ohne jedoch einen konkreten Staat zu nennen - seine Abschiebung zulässig ist (Spruchpunkt III.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

5. Die erhobene Beschwerde begründete der Beschwerdeführer damit, dass er in Spanien Familienangehörige habe und über eine spanische Aufenthaltsberechtigung verfüge. Er habe sich innerhalb von 90 Tagen rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Eine Rückkehrentscheidung dürfe nur gegen illegal aufhältige Personen erlassen werden. Jedenfalls gehe von ihm keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus.

6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt des Bundesamtes wurden dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und langten am 04.06.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zunächst wird der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest, er hat einen Wohnsitz in Spanien. Er wurde im Süden von Nigeria geboren und hielt sich in den Jahren 2018 und 2019 mehrmals in Nigeria auf. Er hat einen bis 12.04.2028 gültigen spanischen Aufenthaltstitel und einen bis 20.02.2023 gültigen nigerianischen Reisepass, der ihm am 21.02.2018 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellt wurde.

Der Beschwerdeführer spricht Englisch, ist gesund und arbeitsfähig. Ob Familienangehörige von ihm im Bundesgebiet, in seinem Herkunftsstaat und/oder in einem der Staaten des „Schengen-Raumes“ leben, konnte nicht festgestellt werden. In Österreich ging er keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nach. Er war in der Vergangenheit mehrere Male in Österreich aufhältig, zuletzt im Zeitraum von Juni 2018 bis Dezember 2019. Er war in den Zeiträumen vom 11.10.2017 bis 27.06.2018 mit Hauptwohnsitz und vom 25.09. bis 11.12.2019 mit Nebenwohnsitz in Wien gemeldet. Vom 14.12.2019 bis 08.04.2020 befand er sich in der Justizanstalt W in Untersuchungs- bzw. Strafhaft. Mit rechtskräftigem Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 08.04.2020 wurde gegenüber dem Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Er hält sich seit diesem Tag im Polizeianhaltezentrum H auf.

Der Beschwerdeführer war in Österreich geschäftlich tätig. Er verfügt in Österreich über keine privaten, familiären, beruflichen oder sozialen Bindungen und weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht auf; er ist nicht Mitglied in einem Verein und konnte keine Deutschkenntnisse nachweisen.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat den Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Urteil vom 11.03.2020 wegen der Vergehen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach §§ 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 3 erster Fall SMG, 15 StGB und nach § 28 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon zehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden, verurteilt. Der Beschwerdeführer habe seit Juni 2018 bis Dezember 2019 anderen (im Urteil namentlich genannten Personen) durch gewinnbringenden Verkauf Suchtgifte in einer die Grenzmenge (28b SMG) übersteigenden Menge, wobei er jedoch an Suchtmittel gewöhnt sei und die strafbaren Handlungen überwiegend deshalb begangen habe, um sich selbst Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, überlassen und zu überlassen versucht, indem er 55 Suchtgiftkugeln, die er in zwei zusammenhängenden Socken bei sich getragen und kurz vor seiner Anhaltung und Festnahme zwischen zwei PKWs versteckt habe. Zudem habe er (die im Urteil detailliert angeführten) Suchtmittel mit dem Vorsatz besessen, dass sie in Verkehr gesetzt werden, und habe sie in seiner Wohnung für den Weiterverkauf an seine Abnehmer gebunkert. Als mildernd wertete das Landesgericht für Strafsachen Wien die geständige Verantwortung, die bisherige Unbescholtenheit, die teilweisen Versuchshandlungen und die teilweise Sicherstellung des Suchtgifts, als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und die mehrfachen Tatangriffe.

Der Beschwerdeführer beging in der Vergangenheit in Österreich strafbare Handlungen nach dem SMG und wurde dafür strafgerichtlich verurteilt. Die früheren Vorstrafen aus den Jahren 2004, 2005 und 2008 sind bereits getilgt.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Aus den im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation wiedergegebenen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria, denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegengetreten ist, geht im Wesentlichen hervor, dass in Nigeria keine landesweite Bürgerkriegssituation herrscht und die Rückkehr von abgeschobenen Personen in der Regel problemlos möglich ist. Die Grundversorgung in Nigeria, einschließlich einer medizinischen Basisversorgung, ist in der Regel gewährleistet.

Eine existentielle Bedrohung wurde vom Beschwerdeführer weder vorgebracht, noch stützt er sein Vorbringen auf etwaige berücksichtigungswürdige Gründe, die ihn bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine aussichtslose oder unmenschliche Lage versetzen würden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Akt des Bundesamtes, insbesondere der gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 11.03.2020. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens zudem Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Auskünfte aus dem Strafregister der Republik Österreich und dem Zentralen Melderegister sowie Versicherungsdatenauszug wurden ergänzend eingeholt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers und seiner Identität ergeben sich aus dem vorliegenden spanischen Aufenthaltstitel und nigerianischen Reisepass. Aufgrund der Vorlage dieser Dokumente und einem Auszug aus dem Zentralen Melderegister konnten auch die Aufenthalte des Beschwerdeführers in Österreich, seinem Herkunftsstaat (dokumentiert durch die Sichtvermerke über die Einreise nach und die Ausreise aus Nigeria, AS 385 ff) und in Spanien (AS 391) festgestellt werden. Dass er bereits im Jahr 2003 zum ersten Mal ins Bundesgebiet eingereist ist, es ein negativ beschiedenes Asylverfahren gegeben hat, ihm gegenüber Aufenthaltsverbote erlassen und er wegen Suchtmitteldelikten verurteilt wurde, ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Akt (AS 105 ff). Seine Aufenthalte in Österreich, zumindest seit Juni 2018, ergeben sich aus seinen in Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 08.04.2020 getätigten Angaben (AS 397) und dem im strafgerichtlichen Urteil festgestellten Tatzeitraum (AS 143). Dass er gesund und arbeitsfähig ist, gibt er selbst in der niederschriftlichen Einvernahme am 08.04.2020 an.

Der Beschwerdeführer gab zu seinen Familienangehörigen nur unbedeutend Auskunft. Er sei in Spanien verheiratet und habe mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Kind. Ein weiteres Kind von ihm lebe in Budapest, drei weitere Kinder von ihm in Nigeria. Zu seinen familiären Verhältnissen konnte oder wollte er keine Beweismittel vorlegen. Aus dem vorliegenden, bis 12.04.2028 gültigen spanischen Aufenthaltstitel „FAMILIAR CIUDADANO DE LA UNION PERMANENTE“ kann auf Anknüpfungspunkte in Spanien geschlossen werden. In Anbetracht der Tatsache, dass er weder den Nachnamen seiner Ehefrau hat nennen, noch die Namen, das Geschlecht und das Alter seiner (angeblichen) Kinder hat angeben können, und seiner Angaben, ein (namentlich genannter) Bruder sei in Österreich aufhältig, was das Bundesamt jedoch nicht hat verifizieren können (AS 399), lässt sich ein in Spanien und Österreich bestehendes intensives Privat- und Familienleben nicht ableiten.

Dass er über keine bzw. geringe Deutschkenntnisse verfügt, ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Akt, insbesondere dem Umstand der Anwesenheit einer Englisch sprechenden Dolmetscherin bei den (niederschriftlichen) Einvernahmen.

Einem aktuellen Versicherungsdatenauszug vom 12.06.2020 kann entnommen werden, dass er während seiner Aufenthalte in Österreich - auch in der Vergangenheit - keiner der Pflichtversicherung unterliegenden Erwerbstätigkeit nachging.

2.3. Zur Lage in Nigeria und zur Rückkehr des Beschwerdeführers:

Eine Gefährdung seiner Person in Nigeria machte der Beschwerdeführer gegenüber dem Bundesamt nicht geltend, zumal er von der ihm eingeräumten Möglichkeit, zur aktuellen Lage in seinem Herkunftsstaat Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch machte. Auch in der erhobenen Beschwerde brachte er keine Gründe vor, die gegen eine Rückkehr nach Nigeria sprechen könnten. Aus der von ihm beantragten freiwilligen Ausreise, dem von ihm in der Folge geäußerten Wunsch, als „Selbstzahler“ nach Nigeria zurückkehren zu wollen, und dem Ersuchen um Ausfolgung seines Reisepasses zum Zweck der freiwilligen Rückkehr, ergeben sich keine Hinweise für die Beachtung exzeptioneller, in seiner Person gelegener Umstände. Fallbezogen mussten daher keine expliziten Feststellungen zum Herkunftsstaat getroffen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels (Spruchpunkt I.):

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung eines „Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AsylG (gemeint offenbar: einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“) wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keine Hinweise, die es nahe legen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

Da somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG nicht gegeben sind, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Erlassung der Rückkehrentscheidung:

Entgegen der in der im Beschwerdeschriftsatz geäußerten Rechtsansicht des Beschwerdeführers, wonach er sich aufgrund seines spanischen Aufenthaltstitels rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet aufhalte und Österreich somit nicht zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG zuständig sei, hält sich ein Fremder gemäß § 31 Abs. 1 Z 3 FPG, sofern er Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist, bis zu drei Monate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern er während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgeht.

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer als Inhaber eines bis 12.04.2028 gültigen spanischen Aufenthaltstitels zwar über einen Aufenthaltstitel eines Schengen-Staates und könnte sich somit grundsätzlich gemäß Art. 21 SDÜ bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates bewegen. Er wurde jedoch mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 11.03.2020 wegen der Vergehen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach dem SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landesgericht stellte fest, dass er im Zeitraum Juni 2018 bis Mitte Dezember 2019 vorschriftswidrig Suchtgift an verschiedene Personen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen hat. Dieses über einen Zeitraum von ca. 1 ½ Jahren an den Tag gelegte, zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes dienende Verhalten stellt eine unerlaubte Erwerbstätigkeit dar und führt diese wegen Nichterfüllung der Voraussetzungen nach § 31 Abs. 1 Z 3 FPG zur Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich.

§ 52 Abs. 6 FPG enthält eine Sonderbestimmung für nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige Drittstaatsangehörige, die im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedsstaates sind: „Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen."

Auch wenn der Beschwerdeführer über einen gültigen spanischen Aufenthaltstitel verfügt, kann insbesondere auf Basis der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Suchtgifthandels und Vorbereitung des Suchtgifthandels davon ausgegangen werden, dass seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Daher war eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 FPG zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ überschriebene § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff „Familienleben“, der die Beziehung von Ehepartnern untereinander und zu ihren Kindern umfasst, schließt nur dann auch uneheliche Beziehungen ein, wenn diese tatsächlich und in einer bestimmten Intensität (gemeinsamer Haushalt, Unterhaltsleistungen) gelebt werden (siehe etwa EGMR, 02.06.2005, Bsw77785/01; 02.11.2010, Bsw3976/05).

Im gegenständlichen Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich keine Beziehung. Durch die gegenständliche Rückkehrentscheidung erfolgt somit kein Eingriff in sein Familienleben und Privatleben. Daran könnte auch der - allerdings nicht verifizierte - Aufenthalt des Bruders im Bundesgebiet und seine Angabe, er habe eine Freundin, nichts ändern. Ein gegenseitig bestehendes intensives Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Bruder und seiner Freundin brachte er nicht vor, auch nicht in der erhobenen Beschwerde.

Auch in Hinblick auf sein angeblich in Spanien bestehendes Familienleben bzw. seinen in Spanien lebenden Sohn ist das Vorliegen eines intensiven Familienlebens zu verneinen. Ein Familienleben zwischen Eltern und Kindern entsteht grundsätzlich mit der Geburt der Kinder (zB EGMR, L. gegen die Niederlande, 01.06.2004, Nr. 45582/99) und unabhängig von einem gemeinsamen Wohnsitz der Eltern (EGMR, Berrehab gegen die Niederlande, 21.06.1988, Nr. 10730/84); daher reichen regelmäßige Wochenendbesuche aus (VfGH 11.03.2014, U37-39/2013-13). Dies gilt für die Beziehung zu beiden Elternteilen, wenn diese verheiratet sind oder in einer sonstigen in den Anwendungsbereich von Art. 8 EMRK fallenden stabilen Partnerschaft leben. Anderenfalls besteht jedenfalls zwischen Mutter und Kind ohne Weiteres ein Familienleben, während beim Vater zusätzliche Faktoren zur biologischen Abstammung hinzutreten müssen (Philipp Czech, Das Recht auf Familienzusammenführung nach Art. 8 EMRK in der Rechtsprechung des EGMR in EuGRZ 2017, 229 bis 240). Der EGMR stellt etwa auf die gemeinsame Entscheidung für ein Kind, die Unterstützung der Schwangeren, Bemühungen um eine Anerkennung nach der Geburt sowie regelmäßigen Kontakt, Beiträge zu Betreuung und Erziehung oder Unterhaltszahlungen ab (EGMR, Keegan gegen Irland, 26.05.1994, Nr. 16969/90).

Im Fall des Beschwerdeführers sind Zweifel angebracht, ob derartige enge familiäre Bindungen in Spanien bestehen. Er konnte den Familiennamen der Mutter des gemeinsamen Kindes nicht nennen, wie er auch zu dem Namen und dem Alter seines Sohnes keine Angaben machen konnte. Ein Fremder, der in einem anderen Staat ein (dauerhaftes) Familienleben führt, wird die Namen der „Familienangehörigen“ und andere sie charakterisierende Eigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale angeben können, was der Beschwerdeführer jedoch unterließ. Auch in der erhobenen Beschwerde behauptete er nicht, ein kontinuierliches und enges Familienleben (mit seinem Sohn) in Spanien zu führen.

Ergänzend gilt es darauf hinzuweisen, dass eine gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung sowie dessen Abschiebung nach Nigeria keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Gültigkeit seines spanischen Aufenthaltstitels zeitigen.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Spanien kein zu berücksichtigendes Familienleben führt und seine Beziehung zu seinem angeblich dort lebenden Sohn nicht derart intensiv ist, dass die gegen den Beschwerdeführer erlassene Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Familienleben iSd Art. 8 EMRK bedeuten würde.

Zu prüfen ist überdies ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers:

Unter „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).

Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes seit Juni 2018, wobei sich der Beschwerdeführer seit Dezember 2019 in Untersuchungs-, Straf- und Schubhaft befindet, davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers das Interesse an der Achtung seines Privatlebens überwiegt.

Es liegen auch keine Aspekte einer außerordentlichen Integration vor; der Beschwerdeführer ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in der Vergangenheit, einer legalen Beschäftigung nach. Er spricht nicht Deutsch. Es liegen auch sonst keine Indizien für eine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung vor.

Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK - aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen; so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt gegenständlich nicht vor; beim Beschwerdeführer sind keine besonderen Vulnerabilitäten gegeben, zumal er gesund und somit auch erwerbsfähig ist.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich daher, dass die im angefochtenen Bescheid angeordnete Rückkehrentscheidung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Privat- und Familienleben darstellt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.3. Zur Zulässigkeit der Abschiebung:

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Der Beschwerdeführer stellte am 09.04.2020 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe, äußerte den Wunsch, als „Selbstzahler“ nach Nigeria zurückkehren zu wollen, und ersuchte um Ausfolgung seines Reisepasses zum Zweck einer freiwilligen Rückkehr. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass seine Abschiebung - etwa aufgrund einer möglichen Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK - unzulässig wäre.

Mit Spruchpunkt III. sprach das Bundesamt aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers zulässig sei, ohne jedoch den Staat zu nennen, in den die Abschiebung zu erfolgen hat.

Offensichtlich handelt es sich hierbei um ein Versehen des Bundesamtes, weil es im gesamten bekämpften Bescheid auf den Herkunftsstaat des Beschwerdeführers Bezug nahm, insbesondere auch in der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt III., „dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach „Nigeria“ zulässig“ sei.

Auf Grund des offenkundigen Versehens des Bundesamtes, im Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides den „Abschiebestaat“ Nigeria anzuführen, war die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes III. mit der Maßgabe, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.

3.4. Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 BFA-VG aberkannt wurde. Dies ist gegenständlich der Fall.

Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil "die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist".

Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz sind im vorliegenden Beschwerdefall erfüllt (vgl. dazu die Ausführungen zur Verhängung des Einreiseverbotes unten), sodass das Bundesamt der vorliegenden Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte. Es lag für das Bundesamt auch kein Grund vor, im Rahmen der Ermessensübung von der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen.

Damit war auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV und V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.

3.5. Zum befristeten Einreiseverbot:

Gemäß § 53 Abs. 1 FPG (in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018) kann vom Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

Gemäß § 53 Abs. 3 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2.       ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3.       … .

Zunächst gilt es darauf hinzuweisen, dass Bindungen in einen anderen „Schengen-Staat“ der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes durch Österreich nicht grundsätzlich im Wege stehen. Das gilt insbesondere auch aus unionsrechtlichem Blickwinkel, und zwar sogar dann, wenn der Fremde über einen Aufenthaltstitel des anderen „Schengen-Staates“ (hier: Spaniens) verfügt (siehe zu einer derartigen Konstellation und den sich aus Art. 25 SDÜ ergebenden Implikationen EuGH 16.1.2018, E, C-240/17). Den familiären Bindungen ist freilich dadurch Rechnung zu tragen, dass die bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie eines Einreiseverbotes zu beantwortende Frage nach einem - zulässigen - Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden darf, sondern dass auch die Situation in dem anderen „Schengen-Staat“ in den Blick zu nehmen ist (VwGH 20.12.2018, Ra 2018/21/0236, mwN).

In diesem Zusammenhang ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in Spanien kein Familienleben führt und er eine zu beachtende maßgebliche Integration in Spanien nicht behauptet hat.

Bei der Bemessung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs. 3 FPG ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, bei der die Behörde das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen zu beurteilen und zu berücksichtigen hat, ob (bzw. inwieweit über die im unrechtmäßigen Aufenthalt als solchem zu erblickende Störung der öffentlichen Ordnung hinaus) der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit schwerwiegend gefährdet. In den Fällen des § 53 Abs. 3 FPG ist das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziert. Maßgeblich sind Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers. Im Übrigen ist bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist (VwGH vom 30.07.2014, 2013/22/0281, mwN).

In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass auf Grund der Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt ist. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, wovon zehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit in der Dauer von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden, rechtskräftig verurteilt. Damit kann das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit angenommen werden. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers stellt eine solche schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein Einreiseverbot erforderlich macht. Seit Juni 2018 bis zur Verhängung der Untersuchungshaft im Dezember 2019 verübte er durch gewinnbringenden Verkauf von Suchtmitteln Straftaten nach dem SMG, um sich dadurch ein fortlaufendes Einkommen zu sichern. Dieses als besonders verpönt anzusehende Fehlverhalten lässt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung erkennen.

Der in der erhobenen Beschwerde vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder der nationalen Sicherheit bestehe nicht und ergebe sich eine solche wegen der überwiegend bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe auch aus dem Urteil nicht sowie seine „Straftat nach dem SMG gefährdet wohl kaum die nationale Sicherheit“, ist die Judikatur des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegen zu halten (EGMR Salem v Denmark, 01.12.2016, 77036/11), wonach „angesichts der verheerenden Auswirkungen der Suchtgiftkriminalität die Staaten berechtigt sind, insofern besonders rigoros vorzugehen“. In diesem Zusammenhang ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das Landesgericht für Strafsachen Wien im Urteil vom 11.03.2020 zwar die geständige Verantwortung, die bisherige Unbescholtenheit, die teilweisen Versuchshandlungen und die teilweise Sicherstellung des Suchtgifts als mildernd, jedoch als erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen und die mehrfachen Tatangriffe gewertet hat. Die Begehung von in Gewinnabsicht begangenen Straftaten nach dem SMG über einen Zeitraum von Juni 2018 bis Dezember 2019 verdeutlichen das fehlende Interesse des Beschwerdeführers, für ein stabiles soziales, berufliches und finanzielles Umfeld in Österreich zu sorgen. Diese Umstände in Verbindung mit der Einkommenslosigkeit des bisher in Österreich nicht berufstätigen Beschwerdeführers erhöhen die bei Suchtgiftdelikten generell gegebene Wiederholungsgefahr weiter, sich eine fortlaufende Einnahmequelle zu sichern. Im Rahmen der Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers steht auch die eingetretene Tilgung der Vorstrafen des Beschwerdeführers einer Berücksichtigung der diesen Bestrafungen zugrunde liegenden Straftaten nicht entgegen. Trotz des bereits erfolgten Verspürens des Haftübels in der Vergangenheit beging der Beschwerdeführer unmittelbar nach seiner Einreise in das Bundesgebiet erneut Straftaten nach dem SMG, nämlich die Vergehen des Suchtgifthandels und der Vorbereitung des Suchtgifthandels.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat; für die Annahme eines Wegfalls der aus dem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit eines Fremden ist in erster Linie das Verhalten in Freiheit maßgeblich (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0027, mwN). Die bedingte Entlassung des Beschwerdeführers aus der Strafhaft erfolgte erst vor ca. zwei Monaten und befindet er sich gegenwärtig in Schubhaft im Polizeianhaltezentrum H. Damit gibt es (noch) keinen Beobachtungszeitraum, um beim Beschwerdeführer eine manifeste Abkehr von seinem (auch) in der Vergangenheit gezeigten Fehlverhalten attestieren zu können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann daher in Anbetracht des der letzten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden widerrechtlichen Verhaltens und der Gefahr eines raschen Rückfalls für die (nähere) Zukunft eine positive Zukunftsprognose nicht abgegeben werden, insbesondere auch, weil kein einmaliges Fehlverhalten vorliegt. Der sich über einen Zeitraum von ca. 18 Monaten erstreckende, sich im gewinnbringenden Verkauf von verschiedenen Suchtmitteln an andere Personen erwiesene Suchtgifthandel und die Vorbereitung von Suchtgifthandel zeigen, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt. Von einem Wegfall der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann daher nicht ausgegangen werden.

Den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einer Einreise und einem Aufenthalt in Österreich und in den Staaten, für die die Rückführungsrichtlinie gilt, stehen im konkreten Fall die gravierenden öffentlichen Interessen am Schutz der öffentlichen Ordnung, an der Verhinderung strafbarer Handlungen und am Schutz der Rechte und Freiheiten anderer gegenüber, die im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegen. Der kurze Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war von einer erheblichen Delinquenz geprägt. Bei Suchtgiftdelikten, bei denen erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr besteht, handelt es sich um ein das öffentliche Interesse derart schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten, dass bei der vorzunehmenden Interessenabwägung das Bundesamt nur zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass die Erlassung des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zulässig sei. An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass - wie bereits ausgeführt wurde - der Beschwerdeführer über einen spanischen Aufenthaltstitel, wobei noch einmal zu betonen ist, dass er in Spanien kein Familienleben führt. Auf Grund der ihm zur Last gelegten Straftaten nach dem SMG ist die Erlassung des Einreiseverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten. Die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers wiegen keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Es besteht auch in der Zukunft die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer die Mittel zur Bestreitung seines Unterhalts aus illegalen Quellen beschaffen wird. Sein an den Tag gelegtes Fehlverhalten rechtfertigte die vom Bundesamt getroffene Annahme, dass dessen weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit im Sinne des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG gefährdet.

Das Bundesamt legte ihr Erwägungen im angefochtenen Bescheid im Einzelnen und in nachvollziehbarer Weise dar. In der vorliegenden Beschwerde selbst wurden keine Umstände vorgebracht, die allenfalls eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes zuließen. Die Verhängung des Einreiseverbotes in der von der belangten Behörde ausgesprochenen Dauer ist als angemessen, erforderlich und darüber hinaus auch als verhältnismäßig zu erachten.

Das Bundesamt hat daher das Einreiseverbot für die Dauer von sechs Jahren zu Recht auf § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gestützt und war daher die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Das Gericht musste sich auch keinen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer verschaffen, da es sich um einen eindeutigen Fall in dem Sinne handelt, dass auch bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn der persönliche Eindruck ein positiver ist (VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422, mwN).

Der Sachverhalt weist - aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch das Bundesamt und jener durch das Gericht ca. zehn Wochen liegen - die gebotene Aktualität auf. Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur Beurteilung des Privat- und Familienlebens von in anderen Schengen-Staaten aufhältigen Familienangehörigen bei Rückkehrentscheidungen oder zur Einzelfallbetrachtung bei der Erlassung und Bemessung von Einreiseverboten, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I401.1300318.3.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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