Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der M in O, vertreten durch Dr. Karl Krückl und Dr. Kurt Lichtl, Rechtsanwälte in Linz, Harrachstraße 14/I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 19. Dezember 1996, Zl. VerkR-392.032/4-1996/Au, betreffend Befristung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde die Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 mit 12 Monaten (gerechnet ab Eintritt der Rechtskraft des Bescheides) befristet.
In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; sie beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs. 1 letzter Halbsatz KFG 1967 kommt die Befristung einer Lenkerberechtigung dann in Betracht, wenn die geistige oder körperliche Eignung einer Person nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. Ist dies nach dem ärztlichen Befund bei einem zu Begutachtenden der Fall, hat gemäß § 69 Abs.1 lit.b KFG 1967 das ärztliche Gutachten "bedingt geeignet" zu lauten und eine Befristung der Gültigkeit der Lenkerberechtigung anzuführen.
Grund für die bekämpfte Maßnahme ist die Annahme, es sei bei der Beschwerdeführerin aufgrund des unbestrittenen früheren und des durch das Ergebnis einer Harnuntersuchung im erstinstanzlichen Verfahren erwiesenen aktuellen Drogenmißbrauchs (Haschisch) eine Nachuntersuchung erforderlich. Diese Annahme stützt sich zum einen auf die Beurteilung der Beschwerdeführerin durch einen Amtsarzt der Erstbehörde (Stellungnahmen vom 18. April 1996 und vom 24. Mai 1996) als "bedingt geeignet" und zum anderen auf die Äußerung einer medizinischen Amtssachverständigen der belangten Behörde vom 23. August 1996, wonach der Beschwerdeführerin angeboten worden sei, den bestehenden Verdacht eines aktuellen Drogenmißbrauchs durch eine neuerliche Harnuntersuchung auszuräumen, sie dies aber mit dem Bemerken, lieber verzichte sie auf den Führerschein, strikt abgelehnt habe.
Die Beschwerdeführerin räumt ein, daß sie von Herbst 1994 bis April 1995 "einige Mal mit Cannabis in Berührung kam". Dies rechtfertige aber nicht die Befristung der Lenkerberechtigung. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, ob der angenommene Suchtgiftmißbrauch den Verlust der Verkehrszuverlässigkeit oder der geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen oder beides zur Folge gehabt haben könne. Weder die verkehrspsychologische Untersuchung noch die Untersuchung durch den Amtsarzt der Erstbehörde habe das Fehlen der geistigen oder körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ergeben. Der letzte Drogenkonsum sei ca. elf Monate vor der Harnuntersuchung im erstinstanzlichen Verfahren erfolgt. Bei dieser Untersuchung sei ein aktueller Drogenkonsum nicht nachgewiesen worden. Der gemessene Wert sei nicht als ausreichender Nachweis zu werten, da er durch verschiedene Faktoren verursacht sein könne. Im übrigen fehle es an einer ärztlichen Prognose, wonach eine Verschlechterung des derzeitigen Zustandes der Beschwerdeführerin und damit des Wegfalles der erforderlichen geistigen oder körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen zu befürchten wäre.
Dazu ist zunächst festzuhalten, daß nach der Aktenlage die Befristung der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin - auch wenn dies nicht ausdrücklich ausgesprochen wurde - ausschließlich auf Bedenken in Ansehung ihrer geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B, näherhin auf der Annahme beruht, der bei der Beschwerdeführerin anzunehmende fortdauernde Drogenmißbrauch könnte in Zukunft zum Wegfall dieser Eignung führen ("andere Süchtigkeit" im Sinne des § 34 Abs. 1 lit. e KDV 1967).
Gegen die Annahme eines noch aktuellen Drogenmißbrauchs durch die Beschwerdeführerin bestehen angesichts der vorliegenden Ermittlungsergebnisse keine Bedenken. Die aufgrund eines Aufforderungsbescheides nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 vorgenommene Untersuchung des Harns der Beschwerdeführerin auf Drogenmetabolite erbrachte ein positives Ergebnis (laut Befund eines näher bezeichneten Institutes für med. und chem. Labordiagnostik vom 12. Februar 1996 50,08 ng/ml THC; Grenzwert: 25,0 ng/ml). Die beigezogenen Amtsärzte gingen in ihren Äußerungen (vom 12. Februar 1996, 18. April 1996, 24. Mai 1996 und 23. August 1996) übereinstimmend davon aus, daß damit der Nachweis eines aktuellen Drogenmißbrauchs durch die Beschwerdeführerin erbracht sei. Dem ist die Beschwerdeführerin lediglich mit der pauschalen Behauptung entgegengetreten, rein wissenschaftlich könne die durchgeführte Untersuchung des Harns auf Drogen keine exakten Ergebnisse erbringen und es müsse in Anbetracht der bereits seit ca. einem Jahr andauernden Drogenabstinenz bei der Vornahme der Untersuchung ein Fehler, allenfalls eine Verwechslung der Harnprobe, unterlaufen sein. Zu der angesichts dieses Vorbringens naheliegenden und ihr auch angebotenen Wiederholung der Harnuntersuchung hat sie sich allerdings nicht bereit gefunden. Die Beschwerdeführerin hat damit die ihr mögliche und zumutbare Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes unterlassen. Angesichts dieses Verhaltens kann der Verwaltungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegentreten, wenn sie aufgrund der ihr vorliegenden Ermittlungsergebnisse angenommen hat, die Beschwerdeführerin konsumiere nach wie vor Drogen.
Ein solcher Drogenmißbrauch indiziert eine Süchtigkeit, die - allenfalls auch erst in der Zukunft - das sichere Beherrschen von Kraftfahrzeugen und das Einhalten der für ihr Lenken geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnte (§ 34 Abs. 1 lit. e KDV 1967). Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit ein derartiger Zustand ergibt, ist gemäß § 34 Abs. 3 KDV 1967 eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt, die eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten einzubeziehen hat, anzuordnen. Im Beschwerdefall wurde dieser Vorschrift insofern nicht entsprochen, als zwar eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch eine verkehrspsychologische Untersuchungsstelle veranlaßt, aber keine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt angeordnet wurde. Die belangte Behörde hat damit Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverständiger ArztEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997110029.X00Im RIS seit
12.06.2001