TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/24 97/09/0128

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Veröffentlicht am 24.11.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
B-VG Art140 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Regina W in Graz, vertreten durch Dr. Kurt Klein, Dr. Paul Wuntschek, Dr. Berit Mayerbrucker, Rechtsanwälte in Graz, Grazbachgasse 39/III, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. Februar 1997, Zl. UVS 303.7-11/96-19, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 28. Juni 1996 wurde die Beschwerdeführerin als Firmeninhaberin und gemäß § 9 VStG Verantwortliche der Firma R. Dienstleistungen in Graz, für schuldig erkannt, 48 im einzelnen genannte Ausländer in der Zeit vom 4. Jänner bis 13. November 1995 beschäftigt zu haben, obwohl sie nicht im Besitz einer Beschäftigungsbewilligung gewesen sei und die Ausländer weder Befreiungsschein noch Arbeitserlaubnis besessen hätten, wodurch sie Verwaltungsübertretungen nach § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz begangen habe. Hiefür wurde sie mit Geldstrafen im Gesamtbetrag von 1,182.500 S bestraft.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG (wegen Verspätung) zurück. Begründend führte sie aus, das mit 28. Juni 1996 datierte Straferkenntnis sei dem Rückschein zufolge am 3. Juli 1996 der Post zur Beförderung übergeben worden und von der Postbeamtin am 4. Juli 1996 in der Rechtsanwaltskanzlei (der Beschwerdevertreter) samt Rückschein zurückgelassen worden. Dort sei der Rückscheinbrief noch am 4. Juli 1996 geöffnet und das Straferkenntnis am selben Tage mit dem Eingangsstempel der Rechtsanwaltskanzlei abgestempelt worden. Dieser laute auf den 4. Juli 1996. Ob der Rückschein noch am 4. Juli 1996 oder erst dem darauffolgenden Tag vom Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin unterschrieben worden sei, sei nicht mehr zu ermitteln gewesen, ebensowenig, wer das Datum der Übernahme auf den Rückschein gesetzt habe.

Am 5. Juli 1996 sei der unterschriebene Rückschein der Postbeamtin wieder ausgehändigt und noch am selben Tag zur Behörde rückgemittelt worden. Eine Angestellte der Rechtsanwaltskanzlei der Beschwerdevertreter habe auf Grund der im Straferkenntnis angeführten Rechtsmittelfrist von 14 Tagen die Fristberechnung vorgenommen und den 18. Juli 1996 als "Posttag" notiert. Nach den in dieser Rechtsanwaltskanzlei üblichen Gebräuchen bezeichne der "Posttag" den vorletzten Tag einer Rechtsmittelfrist. Die Kanzleileiterin habe die Fristberechnung an Hand des übernommenen Schriftstückes und des Computerausdruckes kontrolliert und mit Handzeichen bestätigt. Sowohl in den EDV-Aufzeichnungen als auch im handschriftlich geführten Fristenbuch scheine der 18. Juli 1996 als Posttag für die Berufungserhebung auf. Die Berufung sei am 19. Juli 1996 verfaßt und noch am selben Tag zur Post gegeben worden. Kein Bediensteter der Rechtsanwaltskanzlei sei von den Beschwerdevertretern für die Entgegennahme von schriftlichen Sendungen ausgeschlossen, bzw. die Zustellung an bestimmte Angestellte schriftlich nicht verlangt worden. Die Kanzleibediensteten begännen ihre Arbeitszeit täglich zwischen 7.45 Uhr und 8.00 Uhr, die Post komme üblicherweise frühestens um 9.00 Uhr. Eine der ersten Handlungen der Bediensteten sei es, den Datumsstempel nachzudrehen. Nach ausführlicher Darlegung der Erwägungen zur Beweiswürdigung kam die belangte Behörde auf Grund des so ermittelten Sachverhaltes zur rechtlichen Beurteilung, für die Rechtswirksamkeit der Zustellung sei es unerheblich, ob der Rückschein vom Parteienvertreter selbst oder einer anderen in der Kanzlei tätigen Kraft unterschrieben worden sei. Ebenso unerheblich sei es, ob die Kanzleikraft den Rückschein übernommen habe, ohne den Rückschein zu unterfertigen. Maßgeblich sei, daß das Schriftstück am Zustellungstag in die Rechtssphäre des Empfängers gekommen sei. Dies sei der 4. Juli 1996 gewesen, und zwar durch Übernahme und Öffnen des Rückscheinbriefes sowie Abstempeln des Straferkenntnisses. Daß der Rückschein möglicherweise am selben oder erst am nächsten Tag unterschrieben und erst am 5. Juli 1996 der Postbeamtin (wieder) ausgehändigt worden sei, sei in diesem Zusammenhang belanglos, zumal dies an der Zustellung des Schriftstückes am 4. Juli 1996 nichts zu ändern vermöchte. Infolge der Zustellung am 4. Juli 1996 ende aber die Rechtsmittelfrist am 18. Juli 1996, die erst am 19. Juli 1996 zur Post gegebene Berufung sei somit als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nach § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG, sowie in den in Art. 6 und Art. 13 EMRK garantierten Rechten auf ein "faires Verfahren und auf Überprüfung behördlicher Entscheidungen" verletzt. Nach inhaltlicher Darstellung der von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen des § 63 AVG und § 24 VStG erschöpfen sich die Beschwerdeausführungen in Folgendem:

"Fristauslösendes Datum ist dabei der Tag der Zustellung. Nach der Auskunft der Post- und Telecom-Austria-AG weist der OT-Stempel des Straferkenntnisses den 5.7.1996 als Zustelldatum auf. Dieses Datum wurde auch im Fristenprotokoll der Kanzlei der Beschuldigten-Vertreter vorgemerkt. Die am 19.7.1996 zur Post gegebene Berufung erfolgte daher innerhalb der zweiwöchigen Berufungsfrist und war daher rechtzeitig. Die mit Bescheid des UVS vom 5.2.1997 ausgesprochene Zurückweisung der Berufung erfolgte daher rechtsgrundlos und verstößt daher gegen § 66 AVG.

Durch diese rechtswidrige Vorgangsweise wird aber die Beschwerdeführerin auch in ihrem verfassungsgesetzlich garantierten Recht auf ein faires Verfahren gem. Art. 6 EMRK verletzt. Gem. Art. 6 Abs. 2 EMRK ist bis zum gesetzlichen Nachweis einer Schuld zu vermuten, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Dabei wird im Art. 6 Abs. 3 dem Angeklagten auch das Recht auf Verteidigung eingeräumt, wobei Art. 13 MRK der Beschwerdeführerin das Recht gibt, eine Überprüfung der Entscheidung bei einer nationalen Instanz zu erwirken. Wird daher eine Berufung zu unrecht zurückgewiesen, wird die Beschwerdeführerin in ihren Verteidigungsrechten rechtswidrig verkürzt und daher auch in ihren verfassungsgesetzlichen Rechten verletzt."

Daran schließt sich der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle in Entsprechung dieser Beschwerde den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. Februar 1997, zugestellt am 15. April 1997 "ersatzlos beheben und der belangten Behörde den Ersatz der Kosten dieses Verfahrens auferlegen".

Mit diesen Ausführungen verkennt die Beschwerdeführerin das Wesentliche der Begründung des angefochtenen Bescheides. Wie bereits die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, ist gemäß §§ 24 VStG und 63 Abs. 5 AVG von der Partei die Berufung binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Die belangte Behörde hat nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens ihre Erwägungen zur Beweiswürdigung umfassend und nachvollziehbar dargelegt. Der Verwaltungsgerichtshof kann wohl die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung und die Vollständigkeit der Sachverhaltsgrundlage einschließlich der Mängelfreiheit des ihr zugrunde liegenden Verwaltungsverfahrens, nicht aber die konkrete Richtigkeit der angestellten Erwägungen der belangten Behörde nachprüfen (vgl. auch die zahlreiche in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 548 ff, abgedruckte hg. Judikatur). Die Beschwerde bekämpft die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen zur Beweiswürdigung auch nicht, sondern beschränkt sich lediglich auf eine Wiederholung ihres Standpunktes. Daß aber der "OT-Stempel" neben dem Zustellvermerk auf dem Rückschein des hier gegenständlichen Straferkenntnisses nicht ausreichend aussagekräftig ist, hat die belangte Behörde in Übereinstimmung mit den Erhebungsergebnissen schlüssig dargelegt.

Daß durch die gesetzlich vorgesehene Beschränkung der Rechtsmittelmöglichkeit durch Normierung einer nicht verlängerbaren Rechtsmittelfrist keine verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte verletzt werden und gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 63 Abs. 5 AVG keine Bedenken bestehen, wurde vom Verfassungsgerichtshof bereits ausgesprochen (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1979, VfGH-Slg. 8583/79). Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Rechtsansicht.

Da sich aus den Beschwerdeausführungen eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides daher nicht ergibt, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997090128.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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