TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/26 W214 2186914-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.03.2020
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Entscheidungsdatum

26.03.2020

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2186914-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Iran, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.01.2018, XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe, stellte am XXXX .07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung noch am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, am XXXX mit einem Flugzeug legal aus seinem Heimatland ausgereist und auch legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Zum Fluchtgrund gab er an, dass er zum Christentum konvertiert sei und er deswegen im Iran in Gefahr sein würde. Außerdem wolle er in Österreich studieren.

Am XXXX .01.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Farsi niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, geschieden zu sein, keine Kinder zu haben und zuletzt in der Stadt XXXX gelebt zu haben, wo er auch geboren sei. Weiters gab er an, im Iran zwölf Jahre lang die Schule besucht und danach ein Masterstudium an einer Universität im Iran abgeschlossen zu haben. Von 1997 bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsland sei er als XXXX tätig gewesen und daneben habe er drei Semester lang als Professor an einer Universität gearbeitet. Im Iran würden seine Mutter, ein Bruder und eine Schwester leben, zu denen auch regelmäßiger Kontakt bestehe. Darüber hinaus habe er andere Verwandte im Herkunftsland. Auf Nachfrage, ob der Beschwerdeführer Verwandte oder Familienangehörige in Österreich oder in einem anderen EU-Staat habe, verneinte er dies. In Österreich lebe er von der Grundversorgung.

Nach dem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Leben im Iran aufgrund der Konversion zum Christentum in Gefahr wäre. Drei Monate nach seiner Ankunft in XXXX sei er auf einer Konferenz gewesen, die im Zeitraum von XXXX bis XXXX stattgefunden habe. Bei dieser Konferenz sei auch ein Universitätskollege namens XXXX (im Folgenden: "M."), der sehr eifersüchtig über den Beschwerdeführer gewesen sei, anwesend. Der Beschwerdeführer sei im Iran ein XXXX gewesen, der besonders gute Leistungen habe zeigen können. Der Universitätskollege hätte sich immer die Mühe gegeben, bei anderen Leuten ein schlechtes Bild über den Beschwerdeführer zu machen. Am letzten Tag in XXXX habe der Kollege beim Mittagessen den Beschwerdeführer gefragt, ob dieser ein Ladegerät hätte. Daraufhin habe der Beschwerdeführer geantwortet, dass er das Ladegerät aus dem Rucksack nehmen könne. Der Beschwerdeführer habe in seinem Rucksack immer eine Bibel dabeigehabt und diese Gelegenheit habe der Kollege genützt, um Fotos davon zu machen. Einige Tage später habe dieser vom Iran aus den Beschwerdeführer angerufen und gefragt, ob er Christ geworden sei, was der Beschwerdeführer zunächst bestritten habe. Daraufhin habe ihm M. die Fotos vom Rucksack gezeigt und ihm mitgeteilt, dass er nun einen Schwachpunkt vom Beschwerdeführer hätte und er dem Beschwerdeführer etwas antun würde. M. sei ein aktives Mitglied der Basij-Milizen und seine Familie gehöre zum Sepah. Er sei sowohl beim Basij als auch beim Sepah einflussreich. Er habe in der Universität immer wieder beruflich aufsteigen wollen und deshalb habe er der Disziplinarkommission der Universität die Fotos gezeigt. Dies habe ein (namentlich genannter) Universitätsprofessor, mit dem der Beschwerdeführer gut befreundet sei, erzählt. Zum ersten Mal mit dem Christentum in Kontakt gekommen sei er über einen Kameraden beim Wehrdienst im Iran. Über ihn habe der Beschwerdeführer mehrere armenische Christen in einem XXXX kennengelernt.

Der Beschwerdeführer sei nun evangelischer Christ und seine Taufe habe am XXXX .2017 stattgefunden. In Österreich sei er durch den Pastor XXXX mit dem Christentum in Kontakt gekommen. Das wäre an einem Samstag gewesen, als dieser gepredigt habe. Wenn keine Einheiten des Deutschkurses stattfinden, versuche der Beschwerdeführer am Donnerstag und am Freitag die Kirche zu besuchen. An Samstagen könne er meistens nicht in die Kirche, weil er als XXXX arbeiten müsse. Trotzdem bemühe er sich am Abendmahl, das einmal im Monat an einem Samstag stattfinden würde, teilzunehmen. Die Bibel lese er auch privat. Auf die Frage, was die Unterschiede zwischen Islam und Christentum wären, gab der Beschwerdeführer an, dass Christentum für Liebe zu den Nächsten, Hoffnung und Glauben stehen würde. Die Liebe zu den Nächsten sei das wichtigste, was er im Christentum habe erkennen können, im Islam aber nicht. Von der Konversion würden die Universität, die Sportföderation und auch alle anderen wissen, er sei ein bekannter Sportler. Daher würde ihm im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat der Tod drohen.

Dem Beschwerdeführer wurde bei der Einvernahme eine Reihe von detaillierten Fragen zum Christentum und Protestantismus gestellt, von denen er einige nicht richtig beantworten konnte.

Im Heimatland sei der Beschwerdeführer nicht politisch oder religiös tätig gewesen und sei auch nie Mitglied einer Partei oder Organisation gewesen.

Der Beschwerdeführer legte im Verfahren einen iranischen Reisepass, eine Aufenthaltsbewilligung Studierender der MA 35, Kopien iranischer Ausweise, ein Taufzeugnis vom XXXX .2017 von der XXXX , iranische Schul-, Universitätsdiplome und -zeugnisse samt amtlich beglaubigten Übersetzungen, Empfehlungsschreiben vom XXXX und von Caritas, Deutschkursbestätigungen und weitere Dokumente vor.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt III.) und setzte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt IV.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen und der Identität des Beschwerdeführers fest, dass der Beschwerdeführer iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Perser sei. Im Bundesgebiet habe er keine Kinder und keine Verwandte oder Familienangehörige. Der Beschwerdeführer habe im Iran zwölf Jahre lang die Schule besucht und habe anschließend ein Masterstudium der XXXX an einer iranischen Universität absolviert. Er habe mehrjährige Arbeitserfahrung als XXXX sowie als Professor an der Universität. Ferner sei der Beschwerdeführer legal mit einem Studentenvisum in das Bundesgebiet eingereist und sei in Österreich bisher nicht straffällig geworden. Er sei gesund und sei in Österreich zum Christentum konvertiert.

Nicht festgestellt werden könne von der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass er im Iran asylrelevanter Verfolgung oder Gefährdung durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt sein würde bzw. sei. Weiters könne keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Auch eine Gefährdung im Falle einer Rückkehr könne nicht festgestellt werden. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, sich mit Hilfe der eigenen Arbeitsleistung und der Unterstützung seiner Familienangehörigen den Lebensunterhalt zu sichern. Festgestellt werde, dass im Entscheidungszeitpunkt seine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Iran keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen könnte.

Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wurde festgehalten, dass dieser in Österreich weder Verwandte noch Familienangehörige iSd Art. 8 EMRK habe. Er gehöre keinem Verein an, sei aber für die Caritas als XXXX ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer sei XXXX . Er habe eine österreichische Freundin und seine Deutschkenntnisse seien mittelmäßig.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in Bezug auf die Nachfluchtgründe (Bedrohung durch Konversion) keine individuelle und konkrete Bedrohungssituation, der er ausgesetzt gewesen wäre, habe schildern können. Letztendlich gehe aus seiner Niederschrift hervor, dass er mit den Behörden in seiner Heimat keinerlei Probleme gehabt habe. Dem Beschwerdeführer sei es beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen rund um seine etwaige Fluchtgründe darzulegen, sein Vorbringen sei vage und abstrakt. Darüber hinaus sei ihm nicht gelungen in persönlicher Hinsicht als glaubwürdig in Erscheinung zu treten, seine Angaben zu den Fluchtgründen rund um Bedrohungen auf Grund seiner behaupteten Konversion erscheine konstruiert und nicht glaubhaft. Unglaubwürdig seien die Angaben über den eifersüchtigen Universitätskollegen, da es nicht nachvollziehbar sei, warum der Beschwerdeführer diesem feindlich gesinnten Kollegen ein derartiges Vertrauen entgegenbringe, unbeaufsichtigt ein Ladekabel aus seinem Rucksack holen zu lassen, überhaupt dann, wenn sich darin eine Bibel befinde.

Zudem sei die belangte Behörde der Ansicht, dass beim Beschwerdeführer keine innere Überzeugung für den Religionswechsel vorliegen würde. In Summe gesehen würde die belangte Behörde zum Schluss kommen, dass der maßgebliche, den Fluchtgrund betreffende Sachverhalt nicht den Tatsachen entspreche und der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen keine asylrelevante Verfolgung habe glaubhaft machen können.

Auch das Erfordernis der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde von der belangten Behörde verneint, da von einer allgemeinen, lebensbedrohenden Notlage im Iran, welche die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK bei einer allfälligen Rückkehr indizieren würde, nicht gesprochen werden könne. Grundsätzlich bestünden bezüglich Iran keine Anhaltspunkte dafür, dass dort gegenwärtig eine extreme Gefahrenlage herrsche, durch die praktisch jeder der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre. Es sei dem Beschwerdeführer zuzumuten, im Falle einer Rückkehr einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wie bereits erwähnt, könne im gegenständlichen Fall von einer Glaubhaftmachung der Fluchtgründe nicht gesprochen werden, weshalb auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 50 FPG ausgegangen werden könnte.

Da die Gründe für eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ebenfalls nicht erteilt.

Weiters erließ die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung und führte hierzu aus, dass diese zulässig sei, da der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinem Recht auf Familienleben oder Privatleben verletzt sei. In Österreich befinde sich keinerlei Verwandte bzw. Familienangehörige und er gehöre auch keinem Verein an. Der Beschwerdeführer sei ehrenamtlich für die Caritas als Bewegungstrainer tätig, sei XXXX beim Diözesansportgemeinschaft und bestätige sich sportlich. Er habe eine österreichische Freundin und habe mittelmäßige Deutschkenntnisse. Aufgrund der genannten Darlegung des Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers sei nicht davon auszugehen, dass er wesentliche integrative Bindungen zu Österreich habe. In Abwägung sei dem Interesse der Öffentlichkeit an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens und der öffentlichen Ordnung und Sicherheit mehr Gewicht einzuräumen als den bloß privaten Interessen des Beschwerdeführers. Daher sei die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG zulässig. Die Abschiebung in den Iran sei auch zulässig, da keine Hinderungsgründe des § 50 FPG vorlägen und habe die Ausreise des Beschwerdeführers binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen (§ 55 FPG).

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte aus, dass die belangte Behörde verkannt habe, dass theoretisches Wissen vollkommen ungeeignet sei, um eine innere Überzeugung zu einer Religion zu beweisen. Die Begründung, weshalb dem Beschwerdeführer nicht geglaubt werde, dass er zum Christentum konvertiert sei, könne nicht darauf gestützt werden, dass sein theoretisches Wissen mangelhaft wäre. Zudem hätte die Behörde zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers hinsichtlich der Konversion aus innerer Überzeugung eine fachkundige Person beiziehen sollen. Dem Vorwurf der Scheinkonversion sei auch das Unterstützungsschreiben der XXXX vom 08.02.2018 entgegenzuhalten, da es u.a. bestätige, dass der Beschwerdeführer ein treues Mitglied der Gemeinde sei, nach seiner Taufe weiter Veranstaltungen der XXXX besuche und sich gerne im Gemeindeleben beteilige. Der Beschwerdeführer würde im Iran von staatlicher Seite verfolgt werden, da er vom Islam abgefallen und zum Christentum konvertiert sei. Der Abfall vom Islam wäre im Iran mit der Todesstrafe bedroht. Der Beschwerdeführer lasse sich daher unter dem Flüchtlingsbegriff der GFK subsumieren, da offensichtlich eine religiöse Verfolgung iSd Art. 10 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliege. Die Gefahr des Bekanntwerdens seiner Konversion habe sich in seinem Fall bereits realisiert, die Fotos der Bibel seien der Disziplinarkommission gezeigt worden, infolgedessen habe der Beschwerdeführer seinen Job an der Universität verloren. Sogar mangels seiner inneren Überzeugung des Beschwerdeführers hätte dieser im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit einer asylrelevanten Verfolgung sowohl von staatlicher als auch gesellschaftlicher Seite zu rechnen.

4. Die Beschwerde wurde von der belangten Behörde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

5. Am 04.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung einen Führerschein, Deutschkursbestätigungen und Bestätigungen der XXXX über die Teilnahme an verschiedenen Informationsmodulen vor.

6. Am 29.05.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht die Heiratsurkunde und diverse Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers ein.

7. Am 29.01.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein des Beschwerdeführers, dessen rechtlicher Vertretung und im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi statt. Der Beschwerdeführer legte in der mündlichen Verhandlung einen Sozialbericht zur Familie XXXX für das BFA vom Caritas-Betreuer und eine Teilnahmebestätigung am Basiskurs PC-Anwenderkenntnisse, Lernen macht Schule, vor.

Der Beschwerdeführer gab an, dass er mittlerweile mit einer (namentlich genannten) Frau, die iranische Staatsbürgerin und Asylwerberin sei, verheiratet sei. Seine Mutter, seine Schwester, sein Bruder und weitere Verwandten würden nach wie vor im Iran leben, mit seiner Mutter und seinen Geschwistern habe er ein- bis zweimal im Monat Kontakt. Außerhalb des Irans würden sich keine Verwandten befinden. In Österreich sei der Beschwerdeführer in verschiedenen Vereinen, im XXXX und in verschiedenen Büchereien in Wien als Vorleser für Kinder ehrenamtlich tätig, lebe allerdings von der Grundversorgung.

Befragt nach seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass er aufgrund der Konversion nicht mehr in den Iran könne, weil man dort dafür mit dem Tod bestraft werde. Ergänzend zu seiner Einvernahme bei der belangten Behörde gab er noch an, dass sein Kollege M. für ihn ein Freund und Kollege gewesen sei. Sie seien im Iran in derselben Klasse gewesen und er hätte sich nie gedacht, dass sein Kollege ihn derart verraten würde. Zudem habe der Beschwerdeführer nie unmittelbar erlebt, dass M. schlecht über ihn geredet habe. Auf Nachfrage, warum der Beschwerdeführer trotz der Warnungen durch seinen Professor dem Kollegen Zugang zu seiner Bibel gewährt habe, antwortete er, dass er sich an jenem Tag mit ca. 10 Personen unterhalten habe und er nicht daran gedacht hätte, dass sich die Bibel in seinem Rucksack befunden habe. Von der Konversion würden seine Mutter, seine Geschwister, alle seine Freunde, die iranische Fußballföderation und die Universität wissen.

In Österreich gehe der Beschwerdeführer seit XXXX .07.2016 in die XXXX und nehme jeden Tag an Bibelkursen, ein Treffen mit den Brüdern und Schwestern aus der Kirchengemeinde, teil. Er sei zur XXXX gegangen, weil er das Christentum habe kennenlernen wollen. In der Zeit zwischen 2016 bis Mai 2018 habe es in der Gemeinde vier Treffen in der Woche gegeben, nämlich der Kurs für Jüngerschaftstreffen, der Gebetskreis, der Bibelkreis und der Gottesdienst am Samstag. Der Beschwerdeführer hätte an allen diesen Treffen teilgenommen, wenn er keinen Deutschkurs gehabt habe. Seit Mai 2018 gebe es nur noch zwei Veranstaltungen, wobei der Beschwerdeführer an den Veranstaltungen am Montag immer teilnehme, zu den Gottesdiensten am Samstag würde er immer hingehen, wenn er könne. Manchmal sei es ihm aufgrund der Tätigkeit als XXXX nicht möglich am Samstagabend beim Gottesdienst teilzunehmen, er habe aber inzwischen dem XXXX mitgeteilt, ihn möglichst nicht zu dieser Zeit einzuteilen. Christsein im Alltag bedeute für ihn Jesus besser kennenzulernen und jeden Tag mit dem Christentum oder Jesus Kontakt zu haben. Wenn er Jesus kennenlerne, könne er mehr lieben, das sei die Nächstenliebe. Der Beschwerdeführer habe auch Freunde sowie seine Mutter und seine Schwester missioniert und würde regelmäßig beten. In der Gemeinde helfe er bei der Vorbereitung von Speisen und Getränken und auch bei sonstigen diversen Tätigkeiten mit. Er sei aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten und im Falle einer Rückkehr würde er auf keinen Fall wieder zum islamischen Glauben konvertieren, sondern sich weiterhin zum Christentum bekennen. Dem Beschwerdeführer wurden in der Verhandlung eine Reihe von detaillierten Fragen zum Christentum gestellt, von denen er die meisten Fragen richtig beantworten konnte.

In der mündlichen Verhandlung wurde der Pastor der XXXX , XXXX , als Zeuge (Z) einvernommen. Er gab an, den Beschwerdeführer seit XXXX zu kennen, seitdem komme dieser zu den Veranstaltungen. Später hätte sich der Beschwerdeführer für die Taufe interessiert und habe sich taufen lassen wollen. Daraufhin habe Z ihm mitgeteilt, dass zwei Einheiten für die Taufvorbereitung bestehen würden und er beide Einheiten regelmäßig besuchen müsse. Schließlich sei der Beschwerdeführer vom Z nach der Absolvierung der Taufkurse am XXXX 2017 getauft worden. Danach sei er weiterhin zu den Veranstaltungen gekommen, soweit es ihm möglich gewesen sei. In der Gemeinde sei der Beschwerdeführer bei verschiedenen Veranstaltungen präsent, rede über seinen Glauben, sei sehr offen und bekenne sich als Christ. Vor der Taufe sei für Z wichtig, dass der zu Taufende regelmäßig die Taufvorbereitung besucht, sich mit der Bibel auseinandersetzt und sich dazu zu bekennt, dass man Jesus brauche. Beim Beschwerdeführer sei alles in Ordnung gewesen. Ferner sei Z der Meinung, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben verinnerlicht hätte, weil er dessen Aktivitäten beobachtet habe. Der Beschwerdeführer könne nicht in den Iran zurückkehren, weil er ein engagierter Christ und außerdem eine bekannte Persönlichkeit sei, was eine Gefahr für ihn bedeute.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird als maßgeblich festgestellt.

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe. Er trägt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruchkopf genannte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer wurde als Moslem geboren; mittlerweile ist er evangelischer Christ. Er ist verheiratet und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer wurde im Iran in der Stadt XXXX geboren und war zuletzt auch in dieser Stadt wohnhaft. Er hat zwölf Jahre lang die Schule besucht und hat anschließend ein Masterstudium der XXXX an einer iranischen Universität absolviert. Er hat eine mehrjährige Arbeitserfahrung als XXXX sowie als Professor an der Universität. Der Beschwerdeführer ist am XXXX legal mit einem Studentenvisum in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am XXXX .07.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Herkunftsstaat leben noch seine Mutter, seine Schwester, sein Bruder sowie Onkeln und Tanten des Beschwerdeführers. Zu seiner Mutter und zu seinen Geschwistern hat der Beschwerdeführer Kontakt.

Der Beschwerdeführer ist mit Frau XXXX , einer iranischen Staatsbürgerin, in Österreich verheiratet und lebt mit dieser zusammen. Ansonsten hat er keine Angehörige im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer hat Freunde und Bekannte in Österreich, insbesondere in seinem sportlichen Umfeld und in der Kirchengemeinde.

Der Beschwerdeführer geht keiner legalen Arbeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig, er ist aber ehrenamtlich tätig. Seit der Antragstellung befand sich der Beschwerdeführer lediglich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Davor gründete sich sein Aufenthaltsrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes. Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er beherrscht die Sprachen Farsi (Muttersprache) und Azari (sehr gut) und hat Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer war vor seiner Ausreise aus Iran keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt.

Als maßgeblich wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer spätestens in Österreich im Jahr 2017 zum Christentum konvertiert ist. Er hat bei der XXXX Taufkurse absolviert und wurde am XXXX 2017 getauft. Seit Juli 2016 nimmt der Beschwerdeführer regelmäßig an Veranstaltungen der Gemeinde teil, er liest die Bibel und betet. Der Beschwerdeführer ist sowohl in der Gemeinde als auch bei Vereinen u.a. als XXXX ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer ist vom christlichen Glauben überzeugt.

Der Beschwerdeführer hat sich während seines Aufenthaltes in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen zum christlichen Glauben hingewendet. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben (in seinem Herkunftsstaat Iran) nicht verleugnen würde.

Der Beschwerdeführer hätte das Bedürfnis, den christlichen Glauben auch bei seiner Rückkehr in den Iran innerlich und äußerlich auszuleben. Die Konversion des Beschwerdeführers ist im Iran jedenfalls seiner Familie bekannt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass seine Konversion auch den iranischen Behörden bekannt ist.

Im Entscheidungszeitpunkt kann im Hinblick auf die aktuelle Lage im Iran für konvertierte Christen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Iran auf Grund seiner nunmehr christlichen Religion keiner asylrelevanten Verfolgung unterliegt. Vielmehr genießt der Beschwerdeführer als XXXX und XXXX im Iran einen gewissen Bekanntheitsgrad, was die Gefahr eines größeren Interesses der Behörden an seiner Person bei einer Rückkehr und einer Verfolgung für seinen Glaubenswechsel verstärkt. Es ist daher anzunehmen, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für seine Hinwendung zum Christentum verfolgt würde.

Dem Beschwerdeführer steht als vom Islam zum Christentum Konvertierten keine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen der Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten auszuschließen ist oder nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat. Solche Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2 Zur hier relevanten Situation im Iran

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewaltenbei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahestehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte: Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden"; Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen; Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers; Spionage für fremde Mächte; Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel; Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen

auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei

Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist (AA

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.

Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-

bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-

november-2015-09-12-2015.pdf. Zugriff 24.5.2019

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-

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- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html. Zugriff 24.5.2019

- BTI -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf. Zugriff 24.5.2019

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- HRW- Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 --Iran.

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- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 24.5.2019

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Sicherheitsbehörden

Diverse Behörden teilen sich die Verantwortung für die innere Sicherheit; etwa das Informationsministerium. die Ordnungskräfte des Innenministeriums. die dem Präsidenten berichten. und die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran-e Enghelab-e Islami - IRGC). welche direkt dem Obersten Führer Khamenei berichten. Die Basij-Kräfte. eine freiwillige paramilitärische Gruppierung mit lokalen Niederlassungen in Städten und Dörfern. sind zum Teil als Hilfseinheiten zum Gesetzesvollzug innerhalb der Revolutionsgarden tätig. Basij-Einheiten sind oft bei der Unterdrückung von politischen Oppositionellen oder bei der Einschüchterung von Zivilisten. die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert (US DOS 13.3.2019). Organisatorisch sind die Basij den Pasdaran (Revolutionsgarden) unterstellt und ihnen gehören auch Frauen und Kinder an (AA 12.1.2019). Basijis sind ausschließlich gegenüber dem Obersten Führer loyal und haben oft keinerlei reguläre polizeiliche Ausbildung. die sie mit rechtlichen Grundprinzipien polizeilichen Handelns vertraut gemacht hätten. Basijis haben Stützpunkte u.a. in Schulen und Universitäten. wodurch die permanente Kontrolle der iranischen Jugend gewährleistet ist. Schätzungen über die Zahl der Basijis gehen weit auseinander und reichen bis zu mehreren Millionen (ÖB Teheran 12.2018).

Die Polizei unterteilt sich in Kriminalpolizei. Polizei für Sicherheit und öffentliche Ordnung (Sittenpolizei). Internetpolizei. Drogenpolizei. Grenzschutzpolizei. Küstenwache. Militärpolizei. Luftfahrtpolizei. eine Polizeispezialtruppe zur Terrorbekämpfung und Verkehrspolizei. Die Polizei hat auch einen eigenen Geheimdienst. Eine Sonderrolle nehmen die Revolutionsgarden ein. deren Auftrag formell der Schutz der Islamischen Revolution ist. Als Parallelarmee zu den regulären Streitkräften durch den Staatsgründer Khomeini aufgebaut. haben sie neben ihrer herausragenden Bedeutung im Sicherheitsapparat im Laufe der Zeit Wirtschaft. Politik und Verwaltung durchsetzt und sich zu einem Staat im Staate entwickelt. Militärisch kommt ihnen eine höhere Bedeutung als dem regulären Militär zu. Sie verfügen über eigene Gefängnisse und eigene Geheimdienste sowie engste Verbindungen zum Revolutionsführer (AA 12.1.2019). Die Revolutionsgarden sind eng mit der iranischen Wirtschaft verbunden (FH 4.2.2019). Sie betreiben den Imam Khomeini International Airport in der iranischen Hauptstadt und verfügen damit allein durch Start- und Landegebühren über ein äußerst lukratives Geschäft. Auch an den anderen Flug- und Seehäfen im Land kontrollieren die Truppen der IRGC Irans Grenzen. Sie entscheiden, welche Waren ins Land gelassen werden und welche nicht. Sie zahlen weder Zoll noch Steuern. Sie verfügen über Land-, See- und Luftstreitkräfte, kontrollieren Irans strategisches Waffenarsenal und werden auf eine Truppenstärke von mehr als 120.000 geschätzt. Außerdem sind die Revolutionswächter ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen, das Augenkliniken betreibt, Kraftfahrzeuge, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und sogar U-Bahnen baut. Sie sind eng mit der Öl- und Gaswirtschaft des Landes verflochten, bauen Staudämme und sind im Bergbau aktiv (DW 18.2.2016). Heute gehören Khamenei und den Revolutionsgarden rund 80% der iranischen Wirtschaft. Sie besitzen außer den größten Baufirmen auch Fluggesellschaften, Minen, Versicherungen, Banken, Elektrizitätswerke, Telekommunikationsfirmen, Fußballklubs und Hotels. Für die Auslandsaktivitäten gibt das Regime Milliarden aus (Menawatch 10.1.2018). Längst ist aus den Revolutionsgarden ein bedeutender Machtfaktor geworden - gesellschaftlich, wirtschaftlich, militärisch und politisch. Sehr zum Leidwesen von Hassan Rohani. Der wiedergewählte Präsident versucht zwar, die Garden und ihre Chefebene in die Schranken zu weisen. Das gelingt ihm jedoch kaum. Die paramilitärischen Einheiten schalten und walten nach wie vor nach Belieben. Nicht nur in Iran, sondern in der Region. Es gibt nur wenige Konflikte, an denen sie nicht beteiligt sind. Libanon, Irak, Syrien, Jemen - überall mischen die Revolutionsgarden mit und versuchen, die islamische Revolution zu exportieren. Ihre Al-Quds-Brigaden sind als Kommandoeinheit speziell für Einsätze im Ausland trainiert (Tagesspiegel 8.6.2017, vgl. BTI 2018).

Das Ministerium für Information ist als Geheimdienst (Vezarat-e Etela'at) mit dem Schutz der nationalen Sicherheit, Gegenspionage und der Beobachtung religiöser und illegaler politischer Gruppen beauftragt. Aufgeteilt ist dieser in den Inlandsgeheimdienst, Auslandsgeheimdienst, Technischen Aufklärungsdienst und eine eigene Universität (Imam Ali Universität). Dabei kommt dem Inlandsgeheimdienst die bedeutendste Rolle bei der Bekämpfung der politischen Opposition zu. Der Geheimdienst tritt bei seinen Maßnahmen zur Bekämpfung der politischen Opposition nicht als solcher auf, sondern bedient sich überwiegend der Basij und der Justiz. Das reguläre Militär (Artesh) erfüllt im Wesentlichen Aufgaben der Landesverteidigung und Gebäudesicherung. Neben dem "Hohen Rat für den Cyberspace" beschäftigt sich die iranische Cyberpolice mit Internetkriminalität mit Fokus auf Wirtschaftskriminalität, Betrugsfällen und Verletzungen der Privatsphäre im Internet sowie der Beobachtung von Aktivitäten in sozialen Netzwerken und sonstigen politisch relevanten Äußerungen im Internet. Sie steht auf der EU- Menschenrechtssanktionsliste (AA 12.1.2019).

Die Regierung hat volle Kontrolle über die Sicherheitskräfte und über den größten Teil des Landes, mit Ausnahme einiger Grenzgebiete. Irans Polizei ist traditionellerweise verantwortlich für die innere Sicherheit und im Falle von Protesten oder Aufständen. Sie wird von den Revolutionsgarden (IRGC) und den Basij Milizen unterstützt. Im Zuge der steigenden inneren Herausforderungen verlagerte das herrschende System die Verantwortung für die innere Sicherheit immer mehr zu den IRGC. Die Polizeikräfte arbeiten ineffizient. Getrieben von religiösen Ansichten und Korruption, geht die Polizei gemeinsam mit den Kräften der Basij und der Revolutionsgarden rasch gegen soziale und politische Proteste vor, ist aber weniger eifrig, wenn es darum geht, die Bürger vor kriminellen Aktivitäten zu schützen (BTI 2018). Der Oberste Führer hat höchste Autorität unter allen Sicherheitsorganisationen. Straffreiheit innerhalb des Sicherheitsapparates ist weiterhin ein Problem. Menschenrechtsgruppen beschuldigen reguläre und paramilitärische Sicherheitskräfte (wie zum Beispiel die Basij), zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Es gibt keinen transparenten Mechanismus, um Missbräuche der Sicherheitskräfte zu untersuchen oder zu bestrafen. Es gibt nur wenige Berichte, dass die Regierung Täter diszipliniert. Eine nennenswerte Ausnahme stellt der Fall des früheren Teheraner Staatsanwaltes dar, der im November 2017 für seine mutmaßliche Verantwortung für Folter und Todesfälle unter Demonstranten im Jahr 2009, zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde (US DOS 13.3.2019).

Mit willkürlichen Verhaftungen kann und muss jederzeit gerechnet werden, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden (ÖB Teheran 12.2018).

In Bezug auf die Überwachung der Bevölkerung, ist nicht bekannt, wie groß die Kapazität der iranischen Behörden ist. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-

01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf. Zugriff 27.5.2019

- DW - Deutsche Welle (18.2.2016): Die Strippenzieher der iranischen Wirtschaft. http://www.dw.com/de/die-strippenzieher-der-iranischen-wirtschaft/a-19054802. Zugriff 27.5.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019

- DIS/DRC - The Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): IRAN - House Churches and Converts. Joint report from the Danish Immigration Service and the Danish Refugee Council based on interviews in Tehran. Iran. Ankara. Turkey and London. United Kingdom. 9 September to 16 September 2017 and 2 October to 3 October 2017.

https://www.ecoi.net/en/file/local/1426255/1788_1520517773_house-churches-and-converts.pdf. Zugriff 27.5.2019

- Menawatch (10.1.2018): Die Wirtschaft des Iran ist in den Händen der Revolutionsgarden. https://www.mena-watch.com/die-wirtschaft-des-iran-ist-in-den-haenden-der-revolutionsgarden/. Zugriff

27.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran. https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asvll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 27.5.2019

- Tagesspiegel (8.6.2017): Staat im Staat: Warum Irans Revolutionsgarden so viel Macht haben. https://www.tagesspiegel.de/politik/krise-am-golf-staat-im-staat-warum-irans-revolutionsgarden-so-

viel-macht-haben/19907934.html. Zugriff 27.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 27.5.2019

Folter und unmenschliche Behandlung

Folter ist nach Art. 38 der iranischen Verfassung verboten. Verschiedenen Berichten zufolge schließen Verhörmethoden und Haftbedingungen in Iran in einzelnen Fällen seelische und körperliche Folter sowie unmenschliche Behandlung nicht aus. Dazu kommt es vorrangig in nicht registrierten Gefängnissen. aber auch aus offiziellen Gefängnissen wird von derartigen Praktiken berichtet. insbesondere dem berüchtigten Trakt 209 im Teheraner Evin-Gefängnis. welcher unmittelbar dem Geheimdienstministerium untersteht. Foltervorwürfen von Inhaftierten gehen die Behörden grundsätzlich nicht nach (AA 12.1.2019. vgl. US DOS 13.3.2019). Die Justizbehörden verhängen und vollstrecken weiterhin grausame und unmenschliche Strafen. die Folter gleichkommen. In einigen Fällen werden die Strafen öffentlich vollstreckt. Zahlreiche Personen. unter ihnen auch Minderjährige. erhalten Strafen von bis zu 100 Peitschenhieben (AI 22.2.2018. vgl. US DOS 13.3.2019). Sie wurden wegen Diebstahls oder tätlichen Angriffen verurteilt. aber auch wegen Taten. die laut Völkerrecht nicht strafbar sind. wie z. B. außereheliche Beziehungen. Anwesenheit bei Feiern. an denen sowohl Männer als auch Frauen teilnehmen. Essen in der Öffentlichkeit während des Fastenmonats Ramadan oder Teilnahme an friedlichen Protestkundgebungen. Gerichte verhängten Amputationsstrafen. die vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden. Die Behörden vollstrecken auch erniedrigende Strafen (AI 22.2.2018).

Bei Delikten. die im krassen Widerspruch zu islamischen Grundsätzen stehen. können jederzeit Körperstrafen ausgesprochen und auch exekutiert werden. Bereits der Besitz geringer Mengen von Alkohol kann zur Verurteilung zu Peitschenhieben führen (eine zweistellige Zahl an Peitschenhieben ist dabei durchaus realistisch). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass Personen zu Peitschenhieben verurteilt werden, die selbst Alkohol weder besessen noch konsumiert haben, unter Umständen ist bereits die bloße Anwesenheit bei einer Veranstaltung, bei der Alkohol konsumiert wird, für die Betroffenen gefährlich. Die häufigsten Fälle, für welche die Strafe der Auspeitschung durchgeführt wird, sind illegitime Beziehungen, außerehelicher Geschlechtsverkehr, Teilnahme an gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen, Drogendelikte und Vergehen gegen die öffentliche Sicherheit. Auch werden Auspeitschungen zum Teil öffentlich vollstreckt (ÖB Teheran 12.2018). Darüber hinaus gibt es Berichte, wonach politische Gefangene mit Elektroschocks gefoltert werden. Weitere berichtete Foltermethoden sind Verprügeln, Schlagen auf Fußsohlen und andere Körperteile, manchmal während die Häftlinge mit dem Kopf nach unten an der Decke aufgehängt waren, Verbrennungen mit Zigaretten und heißen Metallgegenständen, Scheinhinrichtungen (davon wissen praktisch alle politischen Gefangene aus eigener Erfahrung zu berichten), Vergewaltigungen - teilweise durch Mitgefangene - die Androhung von Vergewaltigung, Einzelhaft, Entzug von Licht, Nahrung und Wasser, und die Verweigerung medizinischer Behandlung (ÖB Teheran 12.2018).

Folter und andere Misshandlungen passieren häufig in der Ermittlungsphase, um Geständnisse zu erzwingen. Dies betrifft vor allem Fälle von ausländischen und Doppelstaatsbürgern, Minderheiten, Menschenrechtsverteidiger und jugendlichen Straftätern. Obwohl unter Folter erzwungene Geständnisse vor Gericht laut Verfassung unzulässig sind, legt das Strafgesetzbuch fest, dass ein Geständnis allein dazu verwendet werden kann, eine Verurteilung zu begründen, unabhängig von anderen verfügbaren Beweisen. Es besteht eine starke institutionelle Erwartung, Geständnisse zu erzielen. Dies wiederum ist einem fairen Verfahren nicht dienlich (HRC 8.2.2019, vgl. HRW 17.1.2019).

Frühere Gefangene berichten, dass sie während der Haft geschlagen und gefoltert wurden, bis sie Verbrechen gestanden haben, die von Vernehmungsbeamten diktiert wurden (FH 4.2.2019).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598 1548938794 auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 31.5.2019

- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html. Zugriff 28.5.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019

- HRC - UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (8.2.2019): Report of the Secretary-General on the situation of human rights in the Islamic Republic of Iran [A/ HRC/40/24], https://www.ecoi.net/en/file/local/2005822/a hrc 40 24 E.pdf, Zugriff 28.5.2019

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html, Zugriff 28.5.2019

- ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 28.5.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html. Zugriff 28.5.2019

Korruption

Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Bereich vor, aber die Regierung implementiert dieses Gesetz willkürlich. Manchmal werden Korruptionsfälle gegen Beamte rechtmäßig verfolgt, gleichzeitig werden politisch motivierte Anklagen gegen Regimekritiker oder politische Opponenten vorgebracht. Die meisten Beamten betätigen sich weiterhin korrupt und können mit Straffreiheit rechnen. Religiöse Wohltätigkeitsorganisationen, sogenannte "bonyads", leisten zwischen einem Viertel und einem Drittel der wirtschaftlichen Leistung des Landes. Bonyads erhalten Begünstigungen durch die Regierung, ihr Finanzgebaren wird jedoch nicht kontrolliert. Oppositionspolitiker und internationale Organisationen bezichtigen diese bonyads regelmäßig der Korruption. Geleitet werden diese steuerbefreiten Organisationen von Personen, die der Regierung nahestehen, wie z.B. Angehörige des Militärs oder der Geistlichkeit. Zahlreiche Firmen, die in Verbindung mit den Revolutionsgarden stehen, betätigen sich teils rechtswidrig in Handel und Gewerbe, einschließlich der Bereiche Telekommunikation, Bergbau und Bauwesen. Andere Unternehmen der Revolutionsgarden betätigen sich im Schmuggel von Medikamenten, Drogen und Rohstoffen. Von allen Regierungsmitgliedern (einschließlich Mitglieder des Minister-, Wächter- und Schlichtungsrats und der Expertenversammlung) wird ein jährlicher Bericht über die Vermögenslage verlangt. Es gibt keine Information, ob diese Personen sich an die Gesetze halten (US DOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019).

Auch das Justizwesen ist nicht frei von Korruption; nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Transparency International führt Iran in seinem Korruptionsindex von 2018 mit 28 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 138 von 180 untersuchten Ländern (TI 30.1.2019). Es konnte sich in Iran kaum eine eigenständige Wirtschaft entwickeln, dieses Problem wird durch die weit verbreitete Korruption noch verschärft (GIZ 3.2019b).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-

asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-

01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

- FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Iran,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.4.2019

- GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2018b): Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/iran/wirtschaft-entwicklung/#c4412, Zugriff 30.4.2019

- Transparency International (30.1.2019): Corruption Perspective Index 2018 - Iran, https://www.transparency.org/whatwedo/publication/corruption_perceptions_index_2018. Zugriff 30.4.2019

- US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.html, Zugriff 30.4.2019

Allgemeine Menschenrechtslage

Die iranische Verfassung vom 15. November 1979 enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog. Der Generalvorbehalt des Einklangs mit islamischen Prinzipien des Art. 4 IRV lässt jedoch erhebliche Einschränkungen zu. Der im Jahr 2001 geschaffene "Hohe Rat für Menschenrechte" untersteht unmittelbar der Justiz. Das Gremium erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen der 1993 von der UN-Generalversammlung verabschiedeten "Pariser Prinzipien" (AA 12.1.2019).

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen ratifiziert:

- Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

- Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

- Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung

- Übereinkommen über die Rechte des Kindes (unter Vorbehalt des Einklangs mit islamischen Recht)

- Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes

- UNESCO Konvention gegen Diskriminierung im Unterrichtswesen

- Konvention über die Rechte behinderter Menschen

- UN-Apartheit-Konvention

- Internationales Übereinkommen gegen Apartheid im Sport (AA 12.1.2019)

Iran hat folgende UN-Menschenrechtsabkommen nicht ratifiziert:

- Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe

- Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau

- Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 12.1.2019).

Der Iran zählt zu den Ländern mit einer anhaltend beunruhigenden Lage der Menschenrechte, die jedoch besser ist als in der Mehrzahl der Nachbarländer (ÖB Teheran 12.2018). Die Menschenrechtsbilanz der Regierung bleibt schlecht und verschlechterte sich in mehreren Schlüsselbereichen. Zu den Menschenrechtsfragen gehören Hinrichtungen für Verbrechen, die nicht dem internationalen Rechtsstandard der "schwersten Verbrechen" entsprechen, zahlreiche Berichte über rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, Verschwindenlassen und Folter durch Regierungsbeamte, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, systematische Inhaftierungen einschließlich Hunderter von politischen Gefangenen. Weiters unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, Beschränkungen der freien Meinungsäußerung, der Presse und des Internets, einschließlich Zensur, Blockieren von Webseiten und Kriminalisierung von Verleumdungen; erhebliche Eingriffe in das Recht auf friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit, wie z.B. die restriktiven Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGO); Einschränkungen der Religionsfreiheit, Beschränkungen der politischen Beteiligung, weit verbreitete Korruption auf allen Regierungsebenen, rechtswidrige Rekrutierung von Kindersoldaten durch Regierungsakteure zur Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien, Menschenhandel, strenge staatliche Beschränkungen der Rechte von Frauen und Minderheiten, Kriminalisierung von sexuellen Minderheiten, Verbrechen, die Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen LGBTI-Personen beinhalten, und schließlich das Verbot unabhängiger Gewerkschaften. Die Regierung unternahm wenige Schritte um verantwortliche Beamte zur Rechenschaft zu ziehen. Viele dieser Missstände sind im Rahmen der Regierungspolitik zu verantworten. Straffreiheit ist auf allen Ebenen der Regierung und der Sicherheitskräfte weit verbreitet (US DOS 13.3.2019).

Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität, die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weit gefasste Straftatbestände (vgl. Art. 279 bis 288 iStGB sowie Staatsschutzdelikte insbesondere Art. 1 bis 18 des 5. Buches des iStGB). Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019). Besonders unter Druck stehen Mitglieder bzw. Gründer von Menschenrechtsorganisationen (zumeist Strafverteidiger bzw. Menschenrechtsanwälte), wie etwa des "Defenders of Human Rights Center", deren Gründungsmitglieder nahezu allesamt wegen ihrer Tätigkeit hohe Haftstrafen verbüßen. Zum Teil wurden auch Körperstrafen sowie Berufs- und Reiseverbote über sie verhängt. Es ist davon auszugehen, dass sie in Haftanstalten physischer und schwerer psychischer Folter ausgesetzt sind. Oft werden auch Familienmitglieder und Freunde von Strafverteidigern unter Druck gesetzt (verhört oder verhaftet). Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge (ÖB Teheran 12.2018).

Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sind weiterhin stark eingeschränkt. Die Behörden inhaftierten zahlreiche Personen, die friedlich Kritik geäußert hatten. Die Gerichtsverfahren waren in aller Regel unfair. Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen sind noch immer an der Tagesordnung und bleiben straflos. Es werden weiterhin Auspeitschungen, Amputationen und andere grausame Körperstrafen vollstreckt. Die Behörden billigten, dass Menschen wegen ihres Geschlechts, ihres Glaubens, ihrer politischen Überzeugung, ethnischen Zugehörigkeit, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder einer Behinderung in starkem Maße diskriminiert und Opfer von Gewalt wurden. Hunderte Menschen wurden hingerichtet, einige von ihnen in der Öffentlichkeit. Tausende saßen weiterh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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