TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/6 G306 2223459-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2020
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Entscheidungsdatum

06.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G306 2223459-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Deutschland und Polen, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung, Magistratsabteilung 35, (im Folgenden: MA 35) vom 13.12.2017, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) darüber in Kenntnis gesetzt, dass der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) am 02.08.2016 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gestellt, jedoch die notwendigen Nachweise einer Beschäftigung im Bundesgebiet nicht erbracht habe. Gleitzeitig wurde die Überprüfung der Möglichkeit einer Aufenthaltsbeendigung angeregt.

2. Mit Schreiben des BFA vom 26.11.2018, wurde der BF seitens des BFA über die in Aussicht genommenen Erlassung einer Ausweisung in Kenntnis gesetzt und gleichzeitig zur Stellungnahme binnen 14 Tage aufgefordert.

3. Mit Schriftsatz vom 09.02.2019 gab der BF eine Stellungnahme ab.

4. Am 05.06.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt.

5. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA, dem BF zugestellt am 13.08.2019, wurde der BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm. § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.).

6. Mit per Telefax am 10.09.2019 beim BFA eingebrachtem Schriftsatz, erhob der BF durch seine Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde neben der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung des angefochtenen Bescheides samt Feststellung der Unzulässigkeit einer Ausweisung des BF aus dem Bundesgebiet, in eventu die Verlängerung des Durchsetzungsaufschubes beantragt.

7. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom BFA dem BVwG am 16.09.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum), und ist Staatsangehöriger der Republiken Deutschland und Polen.

Der BF hält sich seit Dezember 2014 durchgehend im Bundesgebiet und weist seit 20.06.2016 eine durchgehende Wohnsitzmeldungen in Österreich auf. Zudem war der BF von 22.05.2006 bis 23.05.2006, 22.05.2006 bis 02.03.2017 und 16.08.2011 bis 13.04.2012 mit Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet.

Der BF ging in den Zeiträumen 25.08.2003 bis 29.08.2003, 19.07.2004 bis 29.10.2004, 04.04.2005 bis 15.04.2005, 09.12.2014 bis 19.12.2014, 07.01.2015 bis 27.02.2015 und 02.03.2015 bis Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Zudem bezog der BF von 02.08.2016 bis 19.09.2016, 19.09.2017 bis 18.12.2017 und 19.12.2017 bis 10.01.2018 Leistungen aus der staatlichen Arbeitslosenversicherung sowie von 24.06.2015 bis 22.12.2015 Krankengeld.

Am XXXX.2015 erlitt der BF einen Arbeitsunfall in Österreich und ist er seither bis auf weiteres vorübergehend arbeitsunfähig. Der BF bezieht aufgrund festgestellter vorübergehender Invalidität seit XXXX.2015 eine Versehrtenrente von der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt, in der aktuellen Höhe von monatlich 411,81 (14mal jährlich). Zudem bezieht der BF seit XXXX.2018 Rehabilitationsgeld in der aktuellen Höhe von netto EUR 51,37 täglich.

Der BF beantragte am 02.08.2016 die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung welche ihm bis dato seitens der zuständigen NAG-Behörde mangels Nachweises einer Erwerbstätigkeit in Österreich jedoch nicht ausgestellt wurde.

Die Familie des BF lebt in Polen und erweist sich der BF in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF Sozialleistungen in Anspruch genommen hat.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, zu den Staatsangehörigkeiten sowie den familiären Anknüpfungspunkten des BF in Polen getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, jenen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Wohnsitzmeldungen des BF in Österreich konnten durch eine Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister sowie die Antragstellung des BF auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung und die bisherige Nichtausstellung einer solchen aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister ermittelt werden. Der Grund für die Unterlassung der Ausstellung seitens der NAG-Behörde wird von derselben in deren Schreiben an das BFA vom 12.12.2017 und 04.06.2018 dargelegt. (siehe AS 1, 3)

Einem Sozialversicherungsauszug wiederum lassen sich die Erwerbstätigkeiten, die Bezüge von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, der Bezug einer Versehrtenrente sowie von Rehabilitationsgeld entnehmen. Zudem brachte der BF entsprechende Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt (siehe AS 105; OZ 5) sowie des Sozialversicherungsträger (siehe AS 107; OZ 5) in Vorlage welchen die besagten Leistungsbezüge sowie deren aktuelle Höhe entnommen werden kann. Diesen sowie weitere in Vorlage gebrachte medizinische Unterlagen belegen zudem den erlittenen Arbeitsunfall sowie die vorübergehende Arbeitsunfähigkeit des BF (siehe AS 103, 109; OZ 5), wobei die Aktualität durch den aufrechten Bezug der beschriebenen Versicherungsleistungen (Rehabilitationsgeld und Versehrtenrente) belegt ist. In einem Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt vom 24.04.2019 (siehe OZ 5) wird explizit auf die vorübergehende Invalidität und die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des BF Bezug genommen. Ferner wird in einem ärztlichen Schreiben unter Verweis auf eine noch anstehende Operation, Umschulung und bestimmte zu unterlassene Tätigkeiten auf eine mögliche Erwerbsfähigkeit des BF in Zukunft hingewiesen, was wiederum auf das Bestehen einer - wenn auch zeitlich noch nicht absehbaren - vorübergehenden, Erwerbsunfähigkeit hinweist. (siehe OZ 5)

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit beruht auf einer Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

Die Feststellung zum Aufenthalt des BF in Österreich beginnend mit Ende 2014 ergibt sich aus den Angaben des BF vor der belangten Behörde im Rahmen seiner Stellungnahme am 09.02.2019. Dabei gab der BF an, im Jahr 2010 in Deutschland gearbeitet zu haben und erst im Jahr 2014 wieder nach Österreich zurückgekehrt zu sein. Diese Angaben finden in den Sozialversicherungsmeldungen des BF in Österreich, wonach dieser nach 2005 erstmals wieder am 09.12.2014 regelmäßige Erwerbsmeldungen sowie laut ZMR beginnend im Jahr 2016 erstmals eine Hauptwohnsitzmeldung in Österreich aufweist, eine Bestätigung. Insofern der BF in weiterer Folge einen durchgehenden Aufenthalt in Österreich seit 2001 bzw. 2006 behauptet, fehlt es dafür jeglicher verifizierbarer Angaben und Beweise. Weder brachte der BF aussagekräftiges Beweismaterial in Vorlage noch lässt sich ein behaupteter Aufenthalt in Österreich aus amtswegig zugängigen Daten rekonstruieren, sodass einzig ein Aufenthalt in Österreich beginnend mit Ende 2014 feststellbar war.

Anhaltspunkte für den Bezug von Sozialhilfeleistungen seitens des BF konnten nicht festgestellt werden. So weist auch eine Sozialversicherungsauszug den Bezug solche nicht aus. (vgl. VwGH 22.03.2011, 2009/18/0402: wonach Versicherungsleistungen keine Sozialleistungen sind.)

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1. Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, jener der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Abs. 4 Z 8 leg cit als EWR-Bürger, jener Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist.

Der BF als Staatsangehöriger von Deutschland und Polen ist sohin EWR-Bürger iSd. § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

3.1.2. Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Der mit "Unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von EWR-Bürgern für mehr als drei Monate" betitelte § 51 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

(2) Die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger gemäß Abs. 1 Z 1 bleibt dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er

1. wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist;

2. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt;

3. sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt, oder

4. eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren.

(3) Der EWR-Bürger hat diese Umstände, wie auch den Wegfall der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, die näheren Bestimmungen zur Bestätigung gemäß Abs. 2 Z 2 und 3 mit Verordnung festzulegen."

Der mit "Anmeldebescheinigung" betitelte § 53 NAG lautet:

"§ 53. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), haben, wenn sie sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten, dies binnen vier Monaten ab Einreise der Behörde anzuzeigen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen (§§ 51 oder 52) ist von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 51 Abs. 1 Z 1: eine Bestätigung des Arbeitgebers oder ein Nachweis der Selbständigkeit;

2. nach § 51 Abs. 1 Z 2: Nachweise über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz;

3. nach § 51 Abs. 1 Z 3: Nachweise über die Zulassung zu einer Schule oder Bildungseinrichtung und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz sowie eine Erklärung oder sonstige Nachweise über ausreichende Existenzmittel;

4. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

5. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern ab Vollendung des 21. Lebensjahres und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung;

6. nach § 52 Abs. 1 Z 4: ein Nachweis des Bestehens einer dauerhaften Beziehung mit dem EWR-Bürger;

7. nach § 52 Abs. 1 Z 5: ein urkundlicher Nachweis einer zuständigen Behörde des Herkunftsstaates der Unterhaltsleistung des EWR-Bürgers oder des Lebens in häuslicher Gemeinschaft oder der Nachweis der schwerwiegenden gesundheitlichen Gründe, die die persönliche Pflege durch den EWR-Bürger zwingend erforderlich machen."

Artikel 7 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Freizügigkeitsrichtlinie), lautet auszugsweise:

"Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate

(1) Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

c) - bei einer privaten oder öffentlichen Einrichtung, die von dem Aufnahmemitgliedstaat aufgrund seiner Rechtsvorschriften oder seiner Verwaltungspraxis anerkannt oder finanziert wird, zur Absolvierung einer Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung als Hauptzweck eingeschrieben ist und

- über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde durch eine Erklärung oder durch jedes andere gleichwertige Mittel seiner Wahl glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

..."

Der mit "Bescheinigung des Daueraufenthalts von EWR-Bürgern" betitelte § 53a NAG lautet wie folgt:

"§ 53a. (1) EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), erwerben unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

(2) Die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

(3) Abweichend von Abs. 1 erwerben EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 vor Ablauf der Fünfjahresfrist das Recht auf Daueraufenthalt, wenn sie

1. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Erwerbsleben das Regelpensionsalter erreicht haben, oder Arbeitnehmer sind, die ihre Erwerbstätigkeit im Rahmen einer Vorruhestandsregelung beenden, sofern sie diese Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet mindestens während der letzten zwölf Monate ausgeübt und sich seit mindestens drei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben;

2. sich seit mindestens zwei Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet aufgehalten haben und ihre Erwerbstätigkeit infolge einer dauernden Arbeitsunfähigkeit aufgeben, wobei die Voraussetzung der Aufenthaltsdauer entfällt, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit eingetreten ist, auf Grund derer ein Anspruch auf Pension besteht, die ganz oder teilweise zu Lasten eines österreichischen Pensionsversicherungsträgers geht, oder

3. drei Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet erwerbstätig und aufhältig waren und anschließend in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erwerbstätig sind, ihren Wohnsitz im Bundesgebiet beibehalten und in der Regel mindestens einmal in der Woche dorthin zurückkehren;

Für den Erwerb des Rechts nach den Z 1 und 2 gelten die Zeiten der Erwerbstätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Zeiten der Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet. Zeiten gemäß § 51 Abs. 2 sind bei der Berechnung der Fristen zu berücksichtigen. Soweit der Ehegatte oder eingetragene Partner des EWR-Bürgers die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder diese nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat, entfallen die Voraussetzungen der Aufenthaltsdauer und der Dauer der Erwerbstätigkeit in Z 1 und 2.

(4) EWR-Bürger, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 sind, erwerben ebenfalls das Daueraufenthaltsrecht, wenn der zusammenführende EWR-Bürger das Daueraufenthaltsrecht gemäß Abs. 3 vorzeitig erworben hat oder vor seinem Tod erworben hatte, sofern sie bereits bei Entstehung seines Daueraufenthaltsrechtes bei dem EWR-Bürger ihren ständigen Aufenthalt hatten.

(5) Ist der EWR-Bürger gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 im Laufe seines Erwerbslebens verstorben, bevor er gemäß Abs. 3 das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, so erwerben seine Angehörigen, die selbst EWR-Bürger sind und die zum Zeitpunkt seines Todes bei ihm ihren ständigen Aufenthalt hatten, das Daueraufenthaltsrecht, wenn

1. sich der EWR-Bürger zum Zeitpunkt seines Todes seit mindestens zwei Jahren im Bundesgebiet ununterbrochen aufgehalten hat;

2. der EWR-Bürger infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit verstorben ist, oder

3. der überlebende Ehegatte oder eingetragene Partner die österreichische Staatsangehörigkeit nach Eheschließung oder Begründung der eingetragenen Partnerschaft mit dem EWR-Bürger verloren hat."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Der mit "Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet" betitelte § 31 FPG lautet:

"§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005 zukommt;

5. bis zur Entscheidung über einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs. 4 Z 17a), solange der Aufenthalt als Saisonier in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt die Dauer von neun Monaten nicht überschreitet;

6. wenn sie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates sind, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und § 18 Abs. 13 AuslBG erfüllen, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 180 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 90 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

7. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Forscher" eines anderen Mitgliedstaates sind und eine Tätigkeit für eine Forschungseinrichtung ausüben, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. h AuslBG vom sachlichen Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen ist, oder als deren Familienangehörige Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates sind, solange jeweils ihr Aufenthalt im Bundesgebiet in den vergangenen 360 Tagen nicht insgesamt die Dauer von 180 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind;

8. wenn sie gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels "Student" eines anderen Mitgliedstaates sind und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnehmen oder für sie eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht, solange ihr Aufenthalt im Bundesgebiet nicht insgesamt die Dauer von 360 Tagen überschreitet und die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 lit. e SGK erfüllt sind, oder

9. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

(1a) Liegt kein Fall des Abs. 1 vor, halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf; dies insbesondere, wenn sie

1. auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten,

2. auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 ARHG oder § 35 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004, eingereist sind,

3. geduldet sind (§ 46a) oder

4. eine Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 erhalten haben.

(Anm.: Abs. 2 und 3 aufgehoben durch Art. 2 Z 48, BGBl. I Nr. 145/2017)

(4) Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, halten sich während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig im Bundesgebiet auf, sofern die Mutter oder ein anderer Fremder, dem Pflege und Erziehung des Kindes zukommt, rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen ist; dies gilt, solange der Betreffende rechtmäßig niedergelassen bleibt, bei Ableitung vom Vater überdies nur, wenn diesem das Recht zur Pflege und Erziehung allein zukommt. Außerdem sind solche Kinder während der ersten sechs Lebensmonate rechtmäßig aufhältig, sofern und solange deren Pflege und Erziehung einem österreichischen Staatsbürger mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet allein zukommt."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."

3.1.3. Der Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war aus folgenden Gründen stattzugeben:

3.1.3.1. Gemäߧ 8 Abs. 1 AlVG ist arbeitsfähig, wer nicht invalid und nicht berufsunfähig im Sinne des ASVG ist, jedoch jedenfalls nicht arbeitsfähig, wer eine Leistung aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit bezieht oder die Anspruchsvoraussetzungen für eine derartige Leistung erfüllt.

Gemäß § 139 Abs. 1 ASVG besteht Krankengeldanspruch für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, auch wenn während dieser Zeit zu der Krankheit, die die Arbeitsunfähigkeit zuerst verursachte, eine neue Krankheit hinzugetreten ist, und verlängert sich, wenn der (die) Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalles mindestens sechs Monate in der Krankenversicherung versichert war, sich für diese Personen, ausgenommen für die nach § 122 Abs. 2 Z 2 und 3 Anspruchsberechtigten, die Dauer auf bis zu 52 Wochen.

Der mit "Anspruch auf Versehrtenrente" betitelte § 203 ASVG lautet:

"§ 203. (1) Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalles oder eine Berufskrankheit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus um mindestens 20 v. H. vermindert ist; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v. H.

(2) Wegen Arbeitsunfällen der nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. h, i und l in der Unfallversicherung Teilversicherten sowie wegen einer Berufskrankheit im Sinne des § 177 Abs. 2 und 3 besteht, außer in den Fällen des § 175 Abs. 5 Z 2, nur dann Anspruch auf Versehrtenrente, wenn die dadurch bewirkte Minderung der Erwerbsfähigkeit über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalles hinaus mindestens 50 v. H. beträgt; die Versehrtenrente gebührt für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 vH."

Der mit "Feststellung des Anspruches auf Rehabilitationsgeld" betitelte § 255b ASVG lautet:

"§ 255b. Anspruch auf Rehabilitationsgeld hat die versicherte Person, wenn vorübergehende Invalidität voraussichtlich im Ausmaß von zumindest sechs Monaten und die Voraussetzungen nach § 254 Abs. 1 Z 2 bis 4 vorliegen. Der Pensionsversicherungsträger hat über das Vorliegen dieser Voraussetzungen auf Grund eines Antrages nach § 361 Abs. 1 letzter Satz mit gesondertem Feststellungsbescheid zu entscheiden. § 223 Abs. 2 gilt entsprechend.

Bezieher von Rehabilitationsgeld sind gemäß § 8 Abs. 1 Z 1lit. d und Z 2 lit. c ASVG kranken- und pensionsversichert."

Der mit "Rehabilitationsgeld" betitelte § 143a ASVG lautet auszugsweise:

"§ 143a. (1) Personen, für die auf Antrag bescheidmäßig festgestellt wurde, dass die Anspruchsvoraussetzungen nach § 255b (§ 273b, § 280b) erfüllt sind, haben ab dem Stichtag (§ 223 Abs. 2) für die Dauer der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) Anspruch auf Rehabilitationsgeld. Das weitere Vorliegen der vorübergehenden Invalidität (Berufsunfähigkeit) ist vom Krankenversicherungsträger jeweils bei Bedarf, jedenfalls aber nach Ablauf eines Jahres nach der Zuerkennung des Rehabilitationsgeldes oder der letzten Begutachtung, im Rahmen des Case Managements zu überprüfen, und zwar unter Inanspruchnahme des Kompetenzzentrums Begutachtung (§ 307g). Die Feststellung, ob Anspruch auf Rehabilitationsgeld besteht (§ 255b, § 273b, § 280b), sowie dessen Entziehung (§ 99) erfolgt durch Bescheid des Pensionsversicherungsträgers.

(2) ..."

"Das Aufenthaltsrecht gemäß Art. 7 Abs. 1 der Unionsbürgerrichtlinie und § 51 Abs. 1 NAG 2005 kommt Unionbürgern zu, die entweder aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit oder aufgrund ihrer sonstigen Vermögenslage über ausreichende Existenzmittel für sich und ihre Familienangehörigen verfügen. Für Erwerbstätige bleibt das Aufenthaltsrecht in den Fällen des Art. 7 Abs. 3 der Unionsbürgerrichtlinie und § 51 Abs. 2 NAG 2005 auch bei Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit oder Beginn einer Berufsausbildung erhalten. In diesen Fällen werden die aus dem Erwerb stammenden Existenzmittel durch die dem Unionsbürger nach Beendigung der Erwerbstätigkeit zustehenden Leistungen substituiert, wozu unter Umständen auch eine Mindestsicherungsleistung gehören kann, für deren Bezug solche Unionsbürger gemäß Art. 24 der Unionsbürgerrichtlinie den österreichischen Staatsbürger gleichzustellen sind. Dementsprechend sind gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 Wr MSG 2010 unter der Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts und der Einreise nicht zum Zweck des Sozialhilfebezuges ua Unionsbürger und deren Familienangehörige den österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt und daher anspruchsberechtigt, wenn sie erwerbstätig sind oder die Erwerbstätigeneigenschaft nach § 51 Abs. 2 NAG 2005 erhalten bleibt." (vgl. VwGH 16.03.2016, Ra 2015/10/0022)

"Im Zuge der Abschaffung der befristeten Zuerkennung der Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit wurden mit dem Sozialrechts-Änderungsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 3/2013, für Versicherte, die am 1. Jänner 2014 das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation bei vorübergehender Invalidität/Berufsunfähigkeit sowie die neuen Leistungen des Rehabilitations- und des Umschulungsgeldes eingeführt. Im Vergleich zur bis dahin geltenden Rechtslage ist nunmehr für jüngere Versicherte eine differenzierte Behandlung von Fällen geminderter Arbeitsfähigkeit vorgesehen, je nachdem, ob diese geminderte Arbeitsfähigkeit dauerhaft oder nur vorübergehend vorliegt. Versicherte, deren Arbeitsfähigkeit nicht dauerhaft gemindert ist, erhalten keine Pensionsleistung mehr, sondern berufliche und/oder medizinische Maßnahmen der Rehabilitation einschließlich Geldleistungen (vgl. RV 2000 BlgNR 24. GP 2, 24; Födermayr in SV-Komm § 143a, Rz 1). Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet und zwar als Leistung "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit" (§ 117 Z 3 ASVG)." (vgl. VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025)

"Es gibt nach dem ASVG auch die Möglichkeit, bei Verneinung der dauernden Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit eine bloß vorübergehende Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit festzustellen. Auch eine solche vorübergehende Invalidität bzw. Berufsunfähigkeit bewirkt - solange sie vorliegt - Arbeitsunfähigkeit im Sinn des § 8 AlVG, und eine diesbezügliche rechtskräftige Feststellung durch den Pensionsversicherungsträger oder das Gericht ist im Verfahren nach § 8 AlVG ebenfalls bindend." (vgl. VwGH 19.12.2017, Ro 2017/08/0010)

"Die in Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie (umgesetzt mit § 51 Abs. 1 Z 2 NAG 2005) enthaltene Formulierung "über die erforderlichen Mittel verfügen", ist dahin auszulegen, dass es ausreicht, wenn dem Unionsbürger diese Mittel zur Verfügung stehen, ohne dass die Bestimmung Anforderungen an die Herkunft der Mittel stellt, so dass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen stammen können." (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0080)

"Von einem Dritten stammende Mittel zum Lebensunterhalt müssen anerkannt werden (vgl EuGH 13.3.2006, C-408/03 , Kommission/Belgien, Rn 40 ff, VwGH 12.12.2017, Ra 2015/22/0149). Existenzmittel müssen nicht in Form einer regelmäßigen Zahlung vorliegen. Es kann sich auch um angespartes Kapital handeln. Die für den Nachweis ausreichender Existenzmittel zulässigen Beweismittel dürfen nicht begrenzt werden (vgl EuGH 25.5.2000, C-424/98 , Kommission/Italien, Rn 37)." (Abermann/Czech/Kind/Peyrl, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz inkl Integrationsgesetz2 (2019) Rz 13)

"In einem Verfahren betreffend Ausweisung gemäß § 54 Abs 1 Z 2 FrPolG 2005 ist im Zusammenhang mit der Berechnung des Einkommens des Fremden zu berücksichtigen, dass es sich beim Bezug von Arbeitslosengeld nicht um eine Sozialhilfeleistung iSd § 11 Abs. 5 NAG 2005, sondern um eine Versicherungsleistung handelt (vgl. E 28. Oktober 2009, 2007/01/0295), die bei der Berechnung des zur Verfügung stehenden Einkommens zu berücksichtigen ist." (vgl. VwGH 22.03.2011, 2009/18/0402)

3.1.3.2. Der BF hält sich seit dem Jahr 2014 in Österreich auf und ging beginnend mit 09.12.2014 jedenfalls bis zu seinem Arbeitsunfall am XXXX.2015 beinahe durchgehend Erwerbstätigkeiten in Österreich nach. Aufgrund des besagten Arbeitsunfalles ist der BF seither vorübergehend arbeitsunfähig (siehe dazu auch § 8 Abs. 1 AlVG) und bezieht Leistungen aus der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherung in einer - aktuellen - Gesamthöhe von monatlich netto EUR 2004,28 (= 411,28 Versehrtenrente + 1592,47 Rehabilitationsgeld). (Zur Einstufung von Rehabilitationsgeld und Versehrtenrente als Versicherungsleistung siehe VwGH 19.12.2018, Ro 2017/15/0025: "Der Anspruch auf Rehabilitationsgeld gemäß § 143a ASVG wurde systematisch der Krankenversicherung zugeordnet und zwar als Leistung "aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit oder der geminderten Arbeitsfähigkeit" (§ 117 Z 3 ASVG) sowie § 203 Abs. 1 ASVG: "Anspruch auf Versehrtenrente besteht, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versicherten ..."))

Aufgrund der am 09.12.2014 aufgenommenen Erwerbstätigkeiten in Österreich hat der BF gemäß §51 Abs. 1 Z 1 NAG aufgrund seiner Erwerbstätigeneigenschaft ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich erworben, welches ihm wegen dessen unfallbedingten vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gemäß § 51 Abs. 2 Z 1 NAG (Fiktion der Erwerbstätigeneigenschaft), weiterhin zukommt.

Da der BF sich sohin seit mehr als 5 Jahre durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, kommt diesem gemäß § 53a NAG ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht zu. Demzufolge käme eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 dritter Satzteil FPG nur im Falle des Vorliegens einer schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung in Frage.

Unbeschadet dessen, käme dem BF auch ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 Abs. 1 Z 2 NAG zu, zumal der BF aufgrund monatlicher ausbezahlter Versicherungsleistungen in der Höhe von über EUR 2.000,- (14mal jährlich) und bestehender Kranken- und Pensionsversicherungsschutzes die geforderten Voraussetzungen der ausreichenden Existenzmittel und umfassenden Krankenversicherungsschutzes bei gleichzeitigen Nichtbezug von Sozialhilfeleistungen erfüllt.

Da der BF sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten erweist und auch sonst keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer vom Aufenthalt des BF in Österreich ausgehende maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen feststellbar ist, erweist sich die Ausweisung des BF, aufgrund bestehenden unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes, als unzulässig.

Demzufolge war der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid zur Gänze zu beheben.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, und bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G306.2223459.1.00

Im RIS seit

17.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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