TE Vwgh Erkenntnis 2020/7/16 Ra 2020/21/0163

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Veröffentlicht am 16.07.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19100000
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/10 Grundrechte
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §56
AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs1
BFA-VG 2014 §22a Abs2
BFA-VG 2014 §22a Abs3
BFA-VG 2014 §22a Abs4
EURallg
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §76 Abs2 Z2
PersFrSchG 1988 Art6 Abs1
PersFrSchG 1988 Art6 Abs2
VwGVG 2014 §17
VwRallg
32008L0115 Rückführungs-RL

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des A M A M, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3, gegen das am 28. Februar 2020 mündlich verkündete und mit 3. März 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, G309 2226923-3/9E, betreffend Feststellung der Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Im vorliegenden Fall geht es um die Überprüfung der Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft nach der Bestimmung des § 22a Abs. 4 BFA-VG, deren Inhalt zum besseren Verständnis der weiteren Ausführungen vorangestellt wird (siehe zu ihrer historischen Entwicklung auch VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099, Rn. 8 bis 12):

„§ 22a (1) bis (3) ...

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

2        Gegen den Revisionswerber, einen algerischen Staatsangehörigen, besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung, mit der ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot verbunden wurde. Infolge Nichterfüllung der sich daraus ergebenden Ausreiseverpflichtung und Nichteinhaltung einer ihm erteilten Wohnsitzauflage wurde gegen ihn vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Festnahmeauftrag erlassen, auf dessen Basis er am 10. September 2019 festgenommen wurde. Nach seiner Vernehmung verhängte das BFA mit Mandatsbescheid vom selben Tag gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG über den Revisionswerber die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung.

3        Das BFA legte am 23. Dezember 2019 dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unter Bezugnahme auf § 22a Abs. 4 BFA-VG - im Hinblick auf das Überschreiten einer viermonatigen Haftdauer nach dem 10. Jänner 2020 - die Verwaltungsakten vor. Mit dem am 30. Dezember 2019 mündlich verkündeten und mit 16. Jänner 2020 gekürzt ausgefertigten Erkenntnis stellte das BVwG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei.

4        Die nächste im gleichen Sinn vorgenommene Aktenvorlage des BFA erfolgte am 22. Jänner 2020. Hierauf traf das BVwG mit Erkenntnis vom 24. Jänner 2020 gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wiederum einen die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft feststellenden Ausspruch.

5        Die zur Vornahme einer neuerlichen Haftprüfung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG vom BFA vorgelegten Akten langten beim BVwG am 24. Februar 2020 ein. In der hierauf am 28. Februar 2020 durchgeführten Verhandlung äußerte die Rechtsvertreterin des Revisionswerbers die Ansicht, die Überprüfung der Schubhaft erfolge verspätet, weil die vierwöchige Frist seit der letzten Schubhaftprüfung spätestens am 21. Februar 2020 abgelaufen sei. Der Revisionswerber sei demnach in seinem Recht nach Art. 6 Abs. 2 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) verletzt. Es liege daher seit 21. Februar 2020 kein Titel für die weitere Anhaltung des Revisionswerbers vor, sodass er mit sofortiger Wirkung zu enthaften sei.

6        Mit dem am Ende dieser Verhandlung vom 28. Februar 2020 mündlich verkündeten und mit 3. März 2020 über fristgerechten Antrag schriftlich ausgefertigten, vorliegend angefochtenen Erkenntnis stellte das BVwG wiederum fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Das BVwG legte in der Begründung des Näheren dar, weshalb es davon ausgehe, die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 76 Abs. 2 Z 2 FPG seien weiterhin gegeben. Dem „gesonderten Begehren“, die Anhaltung in Schubhaft in einem der gegenständlichen Entscheidung vorangehenden Zeitraum für rechtswidrig zu erklären, sei nicht zu entsprechen, weil dem BVwG insoweit keine Prüfungskompetenz im Rahmen des von Amts wegen eingeleiteten Haftüberprüfungsverfahrens nach § 22a Abs. 4 BFA-VG, das auf den Zeitpunkt der Entscheidung beschränkt sei, zukomme. Mit einem gemäß dieser Bestimmung ergangenen Erkenntnis werde über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume nicht abgesprochen (Hinweis auf VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0111). Im Übrigen sei die Entscheidung fristgerecht erlassen worden, weil das BVwG ausgehend von der Aktenvorlage am 24. Februar 2020 die einwöchige Frist des § 22a Abs. 2 BFA-VG eingehalten habe.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

8        Das BVwG sprach im angefochtenen Erkenntnis gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. An diesen Ausspruch ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG). Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist die Revision dann zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, was unter anderem dann der Fall ist, wenn dazu Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt.

9        Darauf beruft sich der Revisionswerber und releviert mehrere Fragen im Zusammenhang mit der Überprüfung der Schubhaft nach § 22a Abs. 4 BFA-VG, die seiner Ansicht nach einer Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedürften. Dabei gehe es nach Auffassung des Revisionswerbers um den Gegenstand bzw. den Umfang einer solchen Haftprüfung, die Berechnung der in der genannten Bestimmung angeordneten Intervalle und das (allfällige) Bestehen einer Entscheidungsfrist sowie die Konsequenzen (insbesondere) eines Überschreitens des Haftprüfungstermins.

10       Die Revision ist zur Klarstellung einiger der aufgeworfenen Fragen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

11       Zunächst ist den Ausführungen in der Revision aber darin zu folgen, dass sich die jeweiligen Überprüfungstermine aus § 22a Abs. 4 BFA-VG ergeben und unabhängig vom Zeitpunkt der Aktenvorlage durch das BFA zu ermitteln sind. Es ist daher die Auffassung des BVwG verfehlt, es bestehe beginnend vom Zeitpunkt des Einlangens der vom BFA vorgelegten Akten iSd § 22a Abs. 2 BFA-VG jedenfalls eine einwöchige Entscheidungsfrist. Dabei wird außer Acht gelassen, dass die Entscheidungsfrist des § 22a Abs. 2 BFA-VG nur für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach § 22a Abs. 3 BFA-VG im Zusammenhang mit einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG gilt und seine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 6 Abs. 1 PersFrG hat. Die in § 22a Abs. 4 BFA-VG normierten Fristen können demgegenüber als einfachgesetzliche Konkretisierung der nach Art. 6 Abs. 2 PersFrG erforderlichen Überprüfung der Notwendigkeit der (weiteren) Anhaltung in „angemessenen Abständen“ verstanden werden, wobei die Vorgaben der Rückführungs-RL berücksichtigt wurden (siehe zu Letzterem VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099, Rn. 10/11). Demnach wäre der Ablauf der vierwöchigen Frist für den gegenständlichen Überprüfungstermin ausgehend vom Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des BVwG vom 24. Jänner 2020 zu berechnen gewesen. Dass das BFA die Akten dem BVwG - entgegen der diesbezüglichen Ordnungsvorschrift, wonach die Akten so rechtzeitig vorzulegen sind, dass dem BVwG eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt - derart vorlegte, dass sie erst nach Ablauf des Überprüfungstermins beim BVwG einlangten, führte somit zu einer verspäteten Entscheidung des BVwG (siehe zur trotzdem gegebenen Entscheidungspflicht schon VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0181, Rn. 11; siehe zu einer deutlich verfrühten Entscheidung und zum einwöchigen Entscheidungsspielraum vor den Haftprüfungsterminen des Näheren neuerlich VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099, nunmehr Rn. 14/15). Demnach trifft die den Revisionsausführungen zugrunde liegende Prämisse, das BVwG habe seine Entscheidung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht fristgerecht erlassen, zu.

12       In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die inhaltliche Richtigkeit des angefochtenen Erkenntnisses, mit dem bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt die Zulässigkeit der Fortsetzung der gegen den Revisionswerber vollzogenen Schubhaft festgestellt wurde, in der Revision nicht in Frage gestellt wird. Der Revisionswerber macht zusammengefasst nur geltend, das BVwG hätte das Vorbringen in der Verhandlung vom 28. Februar 2020 zur erst nach Ablauf der in § 22a Abs. 4 BFA-VG normierten vierwöchigen Frist vorgenommenen Überprüfung der Schubhaft berücksichtigen und seine Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum der Überschreitung für rechtswidrig erklären müssen. In einer solchen Situation wäre im Hinblick auf das Vorbringen des Revisionswerbers, mit dem er auf den Inhalt der ihm zugerechneten Beschwerde Einfluss nehme, vom BVwG nicht nur über die Aufrechterhaltung der Schubhaft, sondern auch über in der Vergangenheit gelegene Zeiträume abzusprechen gewesen.

13       Vor diesem Hintergrund wird in der Revision beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst entscheiden und „den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses dahingehend ergänzen, dass die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft im Zeitraum vom 22.02.2020 bis zum 28.02.2020 für rechtswidrig erklärt wird, oder hilfsweise den Spruch dahingehend ergänzen, dass eine Verletzung des Rechts des Revisionswerbers auf persönliche Freiheit, in eventu im Recht auf gerichtliche Haftprüfung, durch die zu spät erfolgte Vorlage der Akten durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt werde“. Im Übrigen wurde „hilfsweise“ noch die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 VwGG beantragt.

14       Dazu ist zunächst festzuhalten, dass vom Revisionswerber in der erwähnten Verhandlung zwar seine sofortige Enthaftung begehrt, aber kein Antrag gestellt wurde, das BVwG möge die Schubhaft im angeführten Zeitraum für rechtswidrig erklären. Wenn das BVwG in diesem Zusammenhang daher von einem diesbezüglichen „gesonderten Begehren“ spricht, ist das missverständlich und entspricht nicht der Aktenlage. Die Ausführungen in der Revision sind somit auch nur dahin zu verstehen, das BVwG wäre im Hinblick auf das zu berücksichtigende Vorbringen des Revisionswerbers zur Rechtswidrigkeit der Anhaltung nach dem 21. Februar 2020 verpflichtet gewesen, eine entsprechende Feststellung von Amts wegen zu treffen. Das unterließ das BVwG, weil ihm seiner Ansicht nach insoweit keine Prüfungskompetenz zukomme. Träfe dies nicht zu und bestünde im Sinne des Standpunkts des Revisionswerbers doch eine solche Verpflichtung, läge insoweit eine Säumnis des BVwG vor. Davon wird der Sache nach auch in der Revision ausgegangen, wenn dort in Bezug auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Sache die „Ergänzung“ der (sonst nicht bekämpften) Entscheidung des BVwG beantragt wird. Eine Säumnis des BVwG wäre aber nur mittels Fristsetzungsantrags geltend zu machen (vgl. VwGH 5.10.2017, Ra 2017/21/0161, 0162, Rn. 9, mwN). Die primären Anträge in der Revision, das angefochtene Erkenntnis des BVwG durch die näher umschriebenen feststellenden Spruchteile zu ergänzen, gehen daher von vornherein ins Leere.

15       Diesbezüglich ist aber zur Klarstellung auf das auch schon vom BVwG zitierte Erkenntnis VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0111, zu verweisen. Dort hat der Verwaltungsgerichtshof in Rn. 14 bereits zum Ausdruck gebracht, mit einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenem Erkenntnis werde entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei. Diese Entscheidung stelle - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume werde damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG stehe daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt werde, nicht entgegen.

16       Zur davon abweichenden Auffassung in der Revision, der Inhalt der durch die Aktenvorlage fingierten Beschwerde könne durch ein Vorbringen des Schubhäftlings demgegenüber auch auf Zeiträume vor der Entscheidung ausgedehnt werden, ist daher neuerlich klarzustellen, dass sich der für das BVwG bestehende (begrenzte) Prüfungsumfang aus dem Gesetz ergibt und auch nach seinem Zweck, die Zulässigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, nur auf einen solchen Fortsetzungsausspruch beschränkt ist. Das Wort „jedenfalls“ im § 22a Abs. 4 BFA-VG wurde offenbar nur aus der Formulierung des § 22a Abs. 3 BFA-VG bzw. aus der Vorgängerregelung des § 83 Abs. 4 FPG (in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) übernommen, ohne zu beachten, dass dort eine andere Ausgangslage - Vorliegen einer Schubhaftbeschwerde - gegeben ist. Ihm kommt im vorliegenden Zusammenhang, anders als der Revisionswerber meint, keine Bedeutung zu. Es ist dem Fremden - wie schon im genannten Erkenntnis dargelegt - ohnehin unbenommen, betreffend Zeiträume vor oder nach der Erlassung der Entscheidung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG eine Schubhaftbeschwerde gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG einzubringen, sofern hierüber nicht bereits durch ein Erkenntnis des BVwG abgesprochen wurde (siehe auch zur mehrmaligen Erhebung von Schubhaftbeschwerden unter Bezugnahme auf VwGH 24.1.2013, 2012/21/0183, das Erkenntnis VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0111, nunmehr Rn. 11/12). Darauf wurde im Übrigen auch schon zur Vorgängerregelung des § 80 Abs. 6 FPG (in der Stammfassung) in den ErläutRV zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP 106) hingewiesen, wo es heißt, das Recht einen „Antrag nach § 82 zu stellen“, also eine Schubhaftbeschwerde einzubringen, bleibe unberührt (vgl. einmal mehr VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0099, nunmehr Rn. 9). Es bedarf daher auch aus Rechtsschutzerwägungen keiner vom Wortlaut des § 22a Abs. 4 BFA-VG und von dessen Zweck abweichenden Deutung des Umfangs der Prüfungspflicht des BVwG im Rahmen des amtswegig eingeleiteten Verfahrens nach der genannten Bestimmung.

17       Zur Vermeidung von Missverständnissen ist des Weiteren klarzustellen, dass die - der in der Verhandlung am 28. Februar 2020 geäußerten Ansicht zugrunde liegende - Prämisse, der zuletzt ergangene Schubhafttitel, nämlich das Erkenntnis vom 24. Jänner 2020, habe für den Zeitraum vom 22. Februar 2020 bis zur Erlassung eines neuen Schubhafttitels in Form des angefochtenen Erkenntnisses am 28. Februar 2020 seine Wirksamkeit verloren, nicht zutrifft (so schon VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0181, Rn. 11). Es bildete vielmehr weiterhin die maßgebliche Grundlage für die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft. Deren Rechtmäßigkeit hängt demnach davon ab, ob das Erkenntnis vom 24. Jänner 2020 hierfür eine taugliche Grundlage bildete. Das wurde bisher vom Revisionswerber nicht in Frage gestellt, weil weder gegen dieses Erkenntnis Rechtsmittel ergriffen wurden, noch der nachfolgende Zeitraum der Anhaltung in Beschwerde gezogen wurde.

18       Die - ausgehend vom Beginn der vierwöchigen Frist mit Erlassung des Erkenntnisses vom 24. Jänner 2020 - nicht fristgerechte Erlassung des angefochtenen Fortsetzungsausspruchs mit 28. Februar 2020 hat aber nicht zur Folge, dass die Anhaltung in Schubhaft in jenem Zeitraum, in dem die Fristüberschreitung vorlag, per se als rechtswidrig zu qualifizieren wäre. Die verspätete Entscheidung betreffend den Fortsetzungsausspruch hätte somit im vorliegenden Fall auch nicht mit (gesonderter) Schubhaftbeschwerde an das BVwG erfolgreich geltend gemacht werden können, sondern wohl nur mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der gegebenenfalls eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit festzustellen hätte (vgl. zur Fristüberschreitung beim Fortsetzungsausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG etwa VfGH 25.2.2019, E 1633/2018, Punkt III.1. der Entscheidungsgründe, worauf im Erkenntnis VwGH 24.10.2019, Ra 2019/21/0181, Rn. 11, auch schon im Zusammenhang mit einer verspäteten Entscheidung nach § 22a Abs. 4 BFA-VG verwiesen wurde). Nur der Fortsetzungsausspruch ist wegen seiner verspäteten Erlassung insoweit rechtswidrig, was aber nicht zu seiner Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof führt, weil der Revisionswerber in Ansehung des Rechts auf fristgerechte Entscheidung durch eine Aufhebung nicht besser gestellt wäre (vgl. unter Bezugnahme auf VwGH 27.1.1995, 94/02/0392, in diesem Sinn schon das Erkenntnis VwGH 26.4.2002, 99/02/0034). Deshalb beschränkt sich auch der Verfassungsgerichtshof - worauf der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen auch Bezug nahm - in den ähnlichen Fällen des § 22a Abs. 3 BFA-VG auf die Feststellung der Rechtsverletzung und hebt den verspätet ergangenen Fortsetzungsausspruchs nicht auf, weil - so der Verfassungsgerichtshof - durch eine solche Aufhebung die Rechtsverletzung nicht beseitigt, sondern insoweit sogar verschärft werden könnte, als die im fortgesetzten Verfahren vor dem BVwG ergehende Entscheidung nur noch später ergehen könnte (vgl. nochmals VfGH 25.2.2019, E 1633/2018, aaO.). Vor allem käme die Aufhebung eines Fortsetzungsausspruchs durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts aber nur dann in Betracht, wenn diese Entscheidung außer wegen ihrer nicht fristgerechten Erlassung mit einer sonstigen Rechtswidrigkeit belastet ist. Auch ein verspätet erlassener Fortsetzungsausspruch stellt daher - soweit er nicht an einem weiteren Mangel leidet - einen tauglichen Schubhafttitel dar (vgl. zum Ganzen des Näheren noch VwGH 16.7.2020, Ra 2020/21/0146, 0147 und 0167, Rn. 20).

19       Demzufolge ist auch der in der Revision überdies gestellte Antrag auf Aufhebung des angefochten Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 2 VwGG, der nur mit dessen verspäteter Erlassung begründet wurde, nicht berechtigt.

20       Da somit der Inhalt der Revision erkennen lässt, dass die vom Revisionswerber behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 16. Juli 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210163.L00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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