TE Lvwg Erkenntnis 2020/8/6 LVwG-2020/14/1389-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.08.2020
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Entscheidungsdatum

06.08.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ZustG §26a
VStG §54b Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Gregor Heißl, E.MA, über die Beschwerde von AA, wohnhaft in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 9.6.2020, *** und ***,

zu Recht:

1.       Gemäß § 50 VwGVG iVm § 54b Abs 3 VStG wird der Beschwerde Folge gegeben und der Spruch des angefochtenen Bescheides wie folgt geändert:

Dem von der Bestraften AA, geb xx.xx.xxxx, Adresse 1, Z, am 25.3.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Y eingebrachte Antrag auf Teilzahlung gemäß § 54b Abs 3 VStG wird Folge gegeben und Teilzahlung von 14 monatlichen Raten zu jeweils € 50, zahlbar bis spätestens den ersten eines jeden Monats, beginnend mit 1.9.2020, bewilligt. Die Raten für die Monate September und Oktober 2020 werden auf die mit Strafverfügung vom 4.3.2020, ***, verhängte Strafe (€ 100) angerechnet. Die Raten für die Monate November 2020 bis Oktober 2021 werden auf die mit Strafverfügung vom 4.3.2020, ***, verhängte Strafe (€ 600) angerechnet. Alle noch aushaftenden Teilbeträge werden sofort fällig, wenn die Bestrafte mit zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Teilzahlung gemäß § 54b Abs 3 VStG als unzulässig zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe dem Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG vom 11.5.2020 nicht entsprochen, wonach Angaben und Nachweise zur Beurteilung der Voraussetzungen des § 54b Abs 3 VStG nachgereicht werden müssten.

Als Reaktion darauf verfasste die Beschwerdeführerin ein Schreiben mit Poststempel vom 15.6.2020, wonach diese „nach wie vor meine Strafen in Raten bezahlen“ möchte. Sie habe an ihre Adresse Adresse 1 nichts erhalten bzw dürfte ihr Mitbewohner das Schreiben entgegengenommen, ihr jedoch nicht Bescheid gegeben haben. Sie bekomme von ihrem Ex-Mann € 800 Unterhalt pro Monat, müsse Wohnung und sonst noch einige Sachen bezahlen. Aus diesem Grund ersuchte sie um Ratenzahlung von € 20 monatlich. Dabei legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der Sparkasse der Stadt Y, Geschäftsstelle Z, vom 15.6.2020 vor, auf der monatliche Zahlungseingänge von € 800 mit dem Buchungstext „Unterhalt“ von „BB“ ersichtlich ist.

Mit ausdrücklich als Beschwerde bezeichneten Schreiben mit Poststempel vom 26.6.2020 beantragte die Beschwerdeführerin „eine Ratenzahlung von 50 Euro“, da sie sonst nicht wisse, wie sie das auf einmal zahlen solle.

Aufgrund des widersprüchlichen Zustellnachweises bezüglich des Verbesserungsauftrags vom 11.5.2020 forderte das Landesverwaltungsgericht Tirol am 24.7.2020 per E-Mail die Österreichische Post AG um Klärung über die Zustellung auf. Diese übermittelte mit E-Mail vom 28.7.2020, 16:41 Uhr, einen korrigierten Rückschein und gab begründend an, „die Sendung wurde am 12.5.2020 aufgrund der COVID-19-Bestimmungen kontaktlos zugestellt“.

II.      Sachverhalt

Mit Strafverfügung vom 4.3.2020, ***, verhängte die belangte Behörde eine Strafe von insgesamt € 600 (Ersatzfreiheitsstrafe 127 Stunden) gegen die Beschwerdeführerin, da diese am 27.1.2020 um 11:15 Uhr erstens durch Klopfen an die im Schutzbereich befindliche Wohnungstür ein Betretungsverbot missachtete (Strafe € 400, Ersatzfreiheitsstrafe 27 Stunden), zweitens zeitgleich durch Wegfahren mit ihrem im Schutzbereich befindlichen Fahrzeug dasselbe Betretungsverbot missachtete (Strafe € 100, Ersatzfreiheitsstrafe 7 Stunden) sowie drittens durch an die einschreitenden Polizeibeamten gerichtete Aussagen den öffentlichen Anstand verletzte (Strafe € 100, Ersatzfreiheitsstrafe 93 Stunden).

Mit einer weiteren Strafverfügung ebenfalls vom 4.3.2020, ***, verhängte die belangte Behörde eine Strafe von € 100 (Ersatzfreiheitsstrafe 93 Stunden), da die Beschwerdeführerin am 29.1.2020 zwischen 15:29 Uhr und 15:31 Uhr durch an Polizeibeamte gerichtete Aussagen abermals den öffentlichen Anstand verletzte.

Mit Schreiben vom 25.3.2020, eingelangt bei der belangten Behörde am 26.3.2020, übermittelte die Beschwerdeführerin ein – mit „Ratenzahlung“ und den beiden Aktenzahlen der Strafverfügungen im Betreff bezeichnetes – Schreiben mit folgenden Inhalt: „Wenn es möglich ist würde ich gerne ab Mai den Betrag von 600 € in kleinen Beträgen zurück zahlen es wäre für mich eine Zahlung von 20 Euro möglich ab Mai insgesamt 700 Euro“.

In weiterer Folge trug die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11.5.2020 mittels Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs 3 AVG die Nachreichung von Angaben sowie Nachweisen auf, weshalb eine sofortige Zahlung unzumutbar ist.

Diesen Verbesserungsauftrag warf die Zustellerin CC am 12.5.2020 ohne Kontakt mit der Beschwerdeführerin in deren Briefkasten, Adresse 1, Z, ein. Eine Verständigung erfolgte nicht. Nicht festgestellt werden kann, ob der Verbesserungsauftrag der Beschwerdeführerin tatsächlich zugekommen ist oder ob sie davon Kenntnis erlangte.

Die Beschwerdeführerin erhält einen monatlichen Unterhalt von ihrem ehemaligen Ehemann von € 800. Davon leistet diese die Kosten für ihre Wohnung.

III.     Beweiswürdigung

Die beiden Strafverfügungen jeweils vom 4.3.2020 legte die belangte Behörde zusammen mit dem Verbesserungsauftrag, dem angefochtenen Bescheid und den Schreiben der Beschwerdeführerin vor.

Die Umstände der Zustellung des Verbesserungsauftrags gründen sich auf die Angaben der Österreichischen Post AG im E-Mail vom 28.7.2020, 16:41 Uhr. Aufgrund des Einwurfs dieser Sendung in den Briefkasten ohne entsprechende Verständigung sowie dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, diese nie erhalten zu haben, ist die entsprechende Negativfeststellung zu treffen.

Die Feststellung hinsichtlich der Vermögensverhältnisse der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren Angaben, die durch eine Bankbestätigung belegt wurden.

IV.      Rechtslage

§ 26a Zustellgesetz, BGBl I 2020/16

Solange die Fristen gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 in der Justiz, BGBl. I Nr. 16/2020, oder die Fristen gemäß § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, BGBl. I Nr. 16/2020, unterbrochen sind, gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:

1.  Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

2.  Ist das Dokument anderen Personen als dem Empfänger zuzustellen oder kann es diesen zugestellt werden (§ 13 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 4 und §§ 14 bis 16), ist Z 1 sinngemäß anzuwenden.

3.  Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung niht möglich war, sind vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. § 22 Abs. 4 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die elektronische Beurkundung anstatt durch den Übernehmer durch den Zusteller zu erfolgen hat.

§ 26a Zustellgesetz, BGBl I 2020/16 idF 2020/42

Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:

1.  Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

2.  Ist das Dokument anderen Personen als dem Empfänger zuzustellen oder kann es diesen zugestellt werden (§ 13 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 bis 4 und §§ 14 bis 16), ist Z 1 sinngemäß anzuwenden.

3.  Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung niht möglich war, sind vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. § 22 Abs. 4 ist mit folgenden Maßgaben anzuwenden:

a)  Die elektronische Beurkundung hat anstatt durch den Übernehmer durch den Zusteller zu erfolgen.

b)  Die Beurkundung der Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls der Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, kann, wenn sie aus technischen Gründen nicht auf dem Zustellnachweis elektronisch erfolgen kann, auch auf andere elektronische Weise erfolgen; auch diese Daten sind dem Absender unverzüglich zu übermitteln.

§ 40 Abs 14 Zustellgesetz, BGBl I 2020/42

§ 26a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 42/2020 tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung des genannten Bundesgesetzes in Kraft und mit Ablauf des 30. Juni 2020 außer Kraft. Dass bei Zustellvorgängen, die sich im Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung des genannten Bundesgesetzes ereignet haben, die Beurkundung der Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls der Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, aus technischen Gründen nicht elektronisch erfolgt ist, gilt dann nicht als Zustellmangel, wenn ihre Beurkundung in einer dem § 26a Z 3 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 42/2020 entsprechenden Weise erfolgt ist und die betreffenden Daten dem Absender nachträglich unverzüglich übermittelt werden oder bereits übermittelt worden sind.

§ 54b Abs 3 VStG, BGBl 1991/52 idF I 2018/57

Einem Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist, hat die Behörde auf Antrag einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wodurch die Strafvollstreckung aufgeschoben wird. Die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen darf nur mit der Maßgabe gestattet werden, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn der Bestrafte mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist.

V.       Erwägungen

A.       Zustellung des Verbesserungsauftrags

Gemäß § 13 Abs 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Vielmehr muss diese von Amts wegen einen Verbesserungsauftrag erteilen. Dies erfolgte mit Schreiben vom 11.5.2020. Dieser Verbesserungsauftrag wurde jedoch von der Zustellerin ohne jeglichen weiteren Hinweis in den Briefkasten eingeworfen.

1. Zeitliche Geltung der zustellrechtlichen Erleichterungen

§ 26a ZustG sieht als Sonderbestimmung der zustellrechtlichen Begleitmaßnahmen zu COVID-19 zwar bestimmte Erleichterungen vor.

Nach der zum Zeitpunkt der Zustellung geltenden Fassung des § 26a S 1 ZustG (idF des 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/16) galten gemäß dem Einleitungssatz bestimmte Erleichterungen nur solange die Fristen unter anderem gemäß § 1 Abs 1 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz (COVID-19-VwBG, BGBl I 2020/16) unterbrochen sind. Dies war nur bis zum Ablauf des 30.4.2020 der Fall. Im gegenständlichen Fall erfolgte die Zustellung des Verbesserungsauftrags am 12.5.2020.

Allerdings entfernte das am 15.5.2020 in Kraft getretene 12. COVID-19-Gesetz (BGBl I 2020/42) die zeitliche Beschränkung in § 26a S 1 ZustG. Freilich galt diese modifizierte Fassung des § 26a S 1 ZustG gemäß § 40 Abs 14 S 1 ZustG (idF BGBl I 2020/42) erst ab 15.5.2020 und war demnach auf die gegenständliche Zustellung am 12.5.2020 nicht anwendbar.

§ 40 Abs 14 S 2 ZustG (idF 12. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/42) sieht ausdrücklich vor, „(d)ass bei Zustellvorgängen, die sich im Zeitraum vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des Tages der Kundmachung des genannten Bundesgesetzes ereignet haben, die Beurkundung der Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls der Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, aus technischen Gründen nicht elektronisch erfolgt ist, gilt dann nicht als Zustellungsmangel, wenn ihre Beurkundung in einer dem § 26a Z 3 letzter Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr 42/2020 entsprechenden Weise erfolgt ist und die betroffenen Daten dem Absender nachträglich unverzüglich übermittelt werden oder bereits übermittelt worden sind“.

Aus § 40 Abs 14 ZustG (idF BGBl I 2020/42) geht erstens das Inkrafttreten des modifizierten § 26a ZustG mit 15.5.2020 hervor. Zweitens bezieht sich § 40 Abs 14 S 2 ZustG (idF BGBl I 2020/42) zwar auf Zustellvorgänge vom 22.3.2020 bis zum 15.5.2020, dabei jedoch nur auf jene Fälle, bei denen die Beurkundung der Form der Verständigung aus technischen Gründen nicht elektronisch erfolgt ist, somit nur auf die Beurkundung gemäß § 26a Z 3 ZustG. Im Umkehrschluss führt dies – nach dem ausdrücklichen Wortlaut des ZustG (idF BGBl I 2020/42) – zum Entfall der Erleichterungen gemäß § 26a Z 1 und 2 ZustG.

Dies führt freilich zu einem fragwürdigen Ergebnis. Aus teleologischer Sicht macht der Verweis auf die Beurkundung der Form der Verständigung gemäß § 26a Z 3 ZustG nur Sinn, wenn die zustellungsrechtlichen Erleichterungen gemäß § 26a Z 1 und 2 ZustG sehr wohl gelten. Sonst bräuchte es keine Beurkundung. Gleiches lässt sich auch aus dem Gesetzwerdungsprozess ableiten. Aufgrund des Verweises in § 26a S 1 ZustG (idF 2. COVID-19-Gesetz, BGBl I 2020/16) auf § 1 Abs 1 COVID-19-VwBG galt diese Zustellerleichterung nur bis 30.4.2020. Das 12. COVID-19-Gesetz und damit die Novelle des § 26a ZustG beschloss der Nationalrat am 28.4.2020, somit noch vor Ablauf des Geltungszeitraums. Einen Tag später langte dieses Gesetz in der Kanzlei des Bundesrats ein. Dieser beeinspruchte jedoch am 4.5.2020 das Gesetz, weshalb dieses schließlich erst durch den Behaarungsbeschluss im Nationalrat am 13.5.2020 beschlossen wurde (dazu Stumvoll, Zustellung in der Coronakrise, RZ 2020, 94). Nach der ursprünglichen Intention hätte das 12. COVID-19-Gesetz wohl mit 1.5.2020 in Geltung gesetzt werden sollen. Dies erfolgte schließlich jedoch nicht.

Diese teleologischen und historischen Argumente können jedoch den ausdrücklichen Wortlaut des § 40 Abs 14 ZustG (idF BGBl I 2020/42) nicht überwiegen, da dem Wortlaut grundsätzlichen Vorrang zukommt (VwGH 13.2.2018, Ra 2017/02/0219; 23.2.2001, 98/06/0240; 6.7.1990, 89/17/0110). Somit galten für den Zeitraum von 1.5.2020 bis einschließlich 14.5.2020 die zustellrechtlichen Erleichterungen gemäß § 26a Z 1 und Z 2 ZustG nicht (übereinstimmend Stumvoll, Zustellung in der Coronakrise – Aktualisierung, RZ 2020, 115 [116]). Im gegenständlichen Fall erfolgte die Zustellung am 12.5.2020. Es sind vielmehr die allgemeinen Bestimmungen des Zustellgesetzes, wie zB §§ 13 ff (Zustellung an den Empfänger), 16 (Ersatzzustellung) und 17 (Hinterlegung) anwendbar. Eine rechtskonforme Zustellung erfolgte somit durch das bloße Einwerfen in den Briefkasten nicht.

2. Einhaltung der zustellrechtlichen Erleichterungen

Auch wenn man die Anwendbarkeit des § 26a Z 1 und 2 ZustG für den Zeitraum zwischen 1.5.2020 und 14.5.2020 – somit für die gegenständliche Zustellung am 12.5.2020 – bejahen würde, war die Zustellung rechtswidrig.

So gilt nach § 26a Z 1 ZustG das Dokument dem Empfänger zugestellt, in dem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger freilich gemäß § 26a Z 1 S 2 ZustG durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung nicht möglich war, sind gemäß Z 3 vom Zusteller auf dem Zustellnachweises (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden.

So würde zwar – geht man von einer Anwendbarkeit des § 26a Z 1 ZustG für die gegenständliche Zustellung am 12.5.2020 aus – für die rechtsgültige Zustellung des Verbesserungsauftrags der tatsächlich erfolgte Einwurf in den Briefkasten der Beschwerdeführerin ausreichen. Es fehlt jedoch an der schriftlichen, mündlichen oder telefonischen Mitteilung gemäß § 26a Z 1 S 2 ZustG. Eine solche schriftliche Verständigung kann zum Beispiel – so die Materialien (AB 112 BlgNR 27. GP, 14) – „an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) angebracht werden. Eine mündliche Verständigung kann zB über eine allfällige Gegensprechanlage oder durch die Wohnungstüre erfolgen oder indem vom Zusteller ein entsprechender Abstand zur betreffenden Person eingehalten wird.“ Diese Vorgaben sind – so die Materialien weiter – „zwingendes Recht, das heißt ihre Nichteinhaltung durch den Zusteller begründet einen Zustellmangel“ (dazu Fister/Janko/Mayrhofer/Denk/Struth, Kommentar zum COVID-19-Verfahrensrecht, ZVG 2020/2/Beilage 36 f).

Einen Hinweis, dass eine solche Verständigung aufgrund von Gefährdung der Gesundheit des Zustellers ausnahmsweise nicht möglich war, wurde weder auf dem Rückschein vermerkt und somit nicht beurkundet noch behauptet oder bewiesen. Aufgrund des Fehlens der gemäß § 26a Z 1 S 2 ZustG erforderlichen Verständigung liegt somit ein Zustellmangel vor.

3. Fazit

Aus diesen Gründen stellte die belangte Behörde den Verbesserungsauftrag zwar rechtskonform gemäß § 13 Abs 3 AVG am 11.5.2020 aus, die rechtsverbindliche Zustellung erfolgte jedoch nicht. Für eine Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 ZustG liegen keine Anhaltspunkte vor. Im Gegenteil, die Beschwerdeführerin gibt an, den Verbesserungsauftrag nie erhalten zu haben.

Somit gilt der Verbesserungsauftrag nicht als erlassen. Die Zurückweisung des Antrags auf Teilzahlung gemäß § 54b Abs 3 VStG erfolgte somit zu Unrecht.

B.       Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst

§ 50 VwGVG verpflichtet zur grundsätzlichen Entscheidung über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in Verwaltungsstrafverfahren in der Sache selbst und setzt dabei einfachgesetzlich die entsprechende verfassungsrechtliche Verpflichtung zur meritorischen Entscheidung gemäß Art 130 Abs 4 B-VG um. Dabei geht der Verfassungsgeber von einem weiten Verständnis des Begriffs Verwaltungsstrafsache aus. So wird in den Materialien ausdrücklich in Zusammenhang mit dem „verwaltungsgerichtlichen Säumnisschutz in Verwaltungsstrafverfahren“ auch von „der Erlassung von bestimmten im Verwaltungsstrafverfahren ergehenden verfahrensrechtlichen Bescheiden“ gesprochen (ErlRV 1618 BlgNR 24. GP, dazu VwSlg 19.400 A/2016).

Somit kann die auf die Rechtslage vor dem 1.1.2014 bezogene Rechtsprechung des VwGH zum Begriff Verwaltungsstrafsache auch auf den identen Begriff auf die Rechtslage nach dem 1.1.2014 übertragen werden (VwSlg 19.400 A/2016 unter Hinweis auf VwGH 10.10.2014, Ra 2014/02/0093; 5.3.2015, Ra 2015/02/0012; 16.6.2015, Ra 2015/02/0106; 1.12.2014, Ra 2015/02/0223). Demnach stellen Angelegenheiten, die Anträge zum Gegenstand haben, die mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden sind, Verwaltungsstrafsachen dar (VwGH 16.9.2011, 2011/02/0150 zu einem Antrag auf Aufhebung von Vollstreckbarkeitsbestätigungen).

Auch der Antrag auf Teilzahlung gemäß § 54b Abs 3 VStG ist mit einem Verwaltungsstrafverfahren untrennbar verbunden und somit als Verwaltungsstrafsache iSd Art 130 Abs 4 B-VG bzw § 50 VwGVG zu verstehen. Demnach ist das Landesverwaltungsgericht Tirol verpflichtet über die gegenständliche Beschwerde in der Sache selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung ist unzulässig.

C.       Voraussetzungen der Teilzahlung gemäß § 54b Abs 3 VStG

§ 54b Abs 3 VStG verpflichtet die Behörde zur Bewilligung einer Teilzahlung auf Antrag eines Bestraften, dem aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung nicht zuzumuten ist. Diese Unzumutbarkeit der Zahlung aus wirtschaftlichen Gründen (dazu VwGH 21.10.1994, 94/17/0364; Fister, § 54b, in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 [2017] Rz 12) legte die Beschwerdeführerin ausreichend dar. Sie verfügt über monatliche Unterhaltszahlungen ihres ehemaligen Ehegatten in der Höhe von € 800 und muss davon Kosten für ihre Wohnung tragen. Somit wäre die Bezahlung der in den beiden Strafverfügungen verhängten Strafen von insgesamt € 700 für die Beschwerdeführerin unzumutbar.

Die Beschwerdeführerin beantragte teilweise monatliche Raten von € 20 (Schreiben vom 25.3.2020; Schreiben mit dem Poststempel vom 15.6.2020), teilweise von € 50 (Schreiben mit dem Poststempel vom 26.6.2020). Die Teilbeträge von € 50 monatlich erscheinen bei einem monatlichen Budget von € 800 für zumutbar.

Von einer Uneinbringlichkeit iSd § 54b Abs 2 VStG ist nicht auszugehen. Freilich wird – entsprechend § 54b Abs 3 S 2 VStG – die Entrichtung der Geldstrafe in Teilbeträgen nur mit der Maßgabe gestattet, dass alle noch aushaftenden Teilbeträge sofort fällig werden, wenn die Beschwerdeführerin mit mindestens zwei Ratenzahlungen in Verzug ist. Sollte dieser Fall eintreten, ist von der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe iSd § 54b Abs 2 VStG auszugehen, was den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe zur Folge hat. Da sich der aushaftende Gesamtbetrag in der Höhe von € 700 auf zwei verschiedene Strafverfügungen verteilt, ist im Spruch die Zuordnung der Teilzahlungen zu den einzelnen Strafverfügungen erforderlich, um einen allfälligen Verzug eindeutig beurteilen zu können.

D.       Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 44 Abs 2 VwGVG konnte die Verhandlung entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Priv.-Doz. Dr. Gregor Heißl, E.MA

(Richter)

Schlagworte

Gewährung der Teilzahlung;
Verbesserungsauftrag nicht rechtsgültig zugestellt;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.14.1389.3

Zuletzt aktualisiert am

10.09.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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