TE Vfgh Erkenntnis 2020/6/26 E948/2020

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Veröffentlicht am 26.06.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
FremdenpolizeiG 2005 §53
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander mangels Begründung des mit der Abweisung eines Antrags auf internationalen Schutz erlassenen Einreiseverbots betreffend eine Staatsangehörige von Georgien

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerin ist eine am 18. März 1986 geborene Staatsangehörige von Georgien. Sie stellte am 24. Mai 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 3. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien ab. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Georgien gemäß §46 FPG zulässig sei. Gemäß §55 Abs1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gesetzt und gemäß §18 Abs1 Z1 und 5 BFA-VG einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt sowie gemäß §53 Abs1 iVm Abs2 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Während der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 4. Dezember 2019 zog die zu diesem Zeitpunkt durch eine Rechtsberatungsorganisation vertretene Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zurück.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 2. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab.

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu ua ausgeführt, das BVwG habe das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Einreiseverbot gänzlich "vergessen" und in seinem Erkenntnis nicht behandelt.

6. Die Gerichts- und Verwaltungsakten wurden vorgelegt, eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

II. Erwägungen

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes richtet, ist sie begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg. cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Wie der Verfassungsgerichtshof weiter zu dem aus dem Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander folgenden Willkürverbot in Zusammenhalt mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden rechtsstaatlichen Gebot der Begründung gerichtlicher Entscheidungen ausgesprochen hat, müssen die für die angefochtene Entscheidung maßgeblichen Erwägungen aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen, da nur auf diese Weise die rechtsstaatlich gebotene Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof möglich ist (vgl jeweils mwN VfGH 2.5.2011, U2559/10; 7.3.2012, U2899/10; 13.12.2017, E940/2017).

2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist dem Bundesverwaltungsgericht ein willkürliches Vorgehen anzulasten:

Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt in seinem Erkenntnis jegliche Auseinandersetzung mit dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassenen und von der Beschwerdeführerin auch bekämpften Einreiseverbot. Dieses findet an keiner Stelle des Erkenntnisses auch nur Erwähnung. Dies widerspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen.

Die angefochtene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes ist somit hinsichtlich der Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes begründungslos ergangen. In diesem Umfang ist es einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verfassungsgerichtshof nicht zugänglich und folglich mit Willkür belastet.

3. Soweit sich das Erkenntnis auf die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes bezieht, ist es daher aufzuheben.

B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer –allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Georgien und gegen die Nichtfestsetzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

IV. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Erlassung eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbotes abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in Höhe von € 240,– enthalten.

Schlagworte

Einreiseverbot, Entscheidungsbegründung, Asylrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E948.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.09.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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